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Samstag, 29. März 2014

Skitour Surettahorn (3027m)

Nachdem es im Januar und Februar kaum Gelegenheiten zum Skitouren gegeben hatte, wollten wir es nochmals wissen. Anfangs Woche hatte es etwa einen halben Meter Neuschnee hingelegt, der sich inzwischen aber gut gesetzt hatte. Das Wetter war auch bestens angesagt, somit standen sehr viele Optionen offen. Pulver oder Sulz? Wir entschieden uns schliesslich, "all-in" auf den Pulver zu setzen und eine nordseitig ausgerichtete Tour in höheren Lagen zu wählen. Wetterhorn, Rorspitzli oder Surettahorn? Der Entscheid fiel schliesslich auf die kürzeste der drei Touren, die aber immerhin auch noch 1750hm umfasste. Und ja, die anderen wären heute auch Top gewesen, aber die gehen wir dann das nächste Mal an.

Am Anfang des Surettatals (nach bereits 1h Aufstieg), der Gipfel noch weit weg. Zum Doppelgipfel rechts der Bildmitte geht's!
Eher früh sollte es losgehen, doch ohne ein unchristliche Aufstehenszeit zu wählen wurde es dann doch 7.30 Uhr, bis wir vor Ort abmarschbereit waren. Im SAC-Skitourenführer Graubünden findet vor allem der Aufstieg von Splügen aufs Surettahorn Erwähnung. Dieser scheint mir aber (ohne dass ich ihn kenne) etwas murksig, und ich war viel mehr angetan von der in der Literatur nur als Abfahrt beschriebenen Variante von der Sufner Schmelzi. In der Tat lässt sich diese Route auch problemlos im Aufstieg begehen, sie ist lohnend und landschaftlich sehr schön. Insbesondere dann, wenn man einsame und abgeschiedene Täler wie das Surettatal liebt. Der Start befindet sich beim Parkplatz vom Festungsmuseum Crestawald bei P.1333. Man überquert den Rhein, geht unter der Autobahn durch und folgt kurz der Forststrasse, wo man nach der zweiten Kehre links auf den Bergweg in Richtung Surettaalp abzweigt. Dieser lässt sich gut begehen, aktuell war noch alles mit den Ski an den Füssen machbar, doch viele warme Tage verträgt es nicht mehr, ohne dass die eine oder andere kurze Portage nötig wird. 

Einsam und landschaftlich wunderschön, das Surettatal.
Oben auf dem Surettagletscher wird das Ambiente beinahe unschlagbar!
Auf 1700m kommt man aus dem Wald heraus und geht dann 3.5km mit nur wenig Höhengewinn ins Tal hinein. Man fühlt sich hier aber sehr abgeschieden und einsam, es sind keine Spuren der Zivilisation sichtbar, es hat schöne Boulderblöcke und der Blick auf den angepeilten Gipfel ist auch schon frei. Man steigt weiter durch das Tal auf, bis auf 2500m die nächste Entscheidung fällig ist. Entweder hält man sich rechts und geht westlich an P.2725 vorbei. Diese Variante ist steil und führt zum Surettajoch P.2851, von wo man den W-Gipfel des Surettahorns P.3027 in einem Fussaufstieg erreicht. Wir wählten jedoch die östliche Variante, die sicherlich als bequemer und auch als landschaftlich schöner einzustufen ist. Man gelangt so in den wunderbaren Kessel des Surettagletschers, welchen wir in einem weiten Bogen unter der Punta Adami hindurch begingen. Zum Schluss geht es dann noch dem Grat entlang zum E-Gipfel des Surettahorns P.3020. Die meisten Tourengänger werden sich wohl zurecht mit diesem Ziel begnügen. Für Gipfelsammler ist der Übergang zum wenige Meter höheren Hauptgipfel über den teilweise exponierten Grat aber gut möglich, hin und zurück dauert es auch kaum länger als 10 Minuten. Wer aber darauf zählen will, dass dieser Übergang klappt, sollte Steigeisen und Pickel mitführen, auch wenn es bei günstigen Verhältnissen ohne machbar ist.

Die letzten Meter zum E-Gipfel P.3020, das ist alles problemlos mit den Ski an den Füssen begehbar.
Kurze alpinistische Einlage, der Übergang zum Hauptgipfel. Der Grat ist nicht schwer, aber sehr exponiert.
Nun stand mit der Abfahrt noch die Kür der Tour auf dem Programm. Nach den ersten Metern über den Grat hinunter lohnte es sich, kurz einige Meter mit einer Traverse zu verschenken, um vom schönen Pulver auf dem östlichen Arm des Surettagletschers zu profitieren. In der Zone zwischen 2600 und 2400m hatte der teilweise präsente Föhnwind für eine etwas unregelmässige Schneedecke gesorgt, mit etwas Beobachten fand sich aber auch noch eine prima fahrbare Rinne mit windgepresstem Pulver. Unterhalb davon war es dann wieder prima, in feuchtem, prima drehendem Lockerschnee kurvten wir im Nu in den Talschluss hinunter. In der langen Flachpassage war der eine oder andere Stockstoss nötig, meist läuft es aber recht gut. Unglaublich war die Hitze in diesem Talkessel. Oben auf dem Gipfel war es noch richtig frisch gewesen, hier 1000hm weiter unten war es schon fast wie im Strandbad. Das wirkte sich auch auf den Schnee in der finalen Waldabfahrt aus: durchnässt und klebrig war er. Was mancherorts zum Nachteil gereicht war hier gar nicht schlecht. In diesem relativ engen, aber doch noch recht steilen Skigelände profitiert man durchaus davon, wenn es nicht zu schnell talwärts geht. Sechs Stunden nach dem Aufbruch hatten wir die Runde geschlossen, Mitte Nachmittag konnten wir uns schon zuhause im sonnigen Garten auf den Liegestuhl legen. In dieser Hinsicht gereichen Frühlingstouren und das frühe Aufstehen klar zum Vorteil!

Tolle, wirklich ganz, ganz tolle Hänge warten bei der Abfahrt. Hier Kathrin in Aktion.
Beobachtung am Wegesrand. Die arme Gemse musste leider ihr Leben lassen. Das muss aber ganz offensichtlich erst nach dem letzten Schneefall 5 Tage zuvor passiert sein. Die vereinten Aasfresser hatten aber gründlich aufgeräumt, kein noch so kleines Stücklein Fleisch war übrig geblieben, restlos alles wurde verputzt. Und die Knochen holen sich dann Gänse- und Bartgeier auch noch, sobald die Thermik hochreichende Flüge erlaubt. Von daher schon sehr eindrücklich, wie die Natur funktioniert.
Facts

Surettahorn (3027m) von der Sufner Schmelzi (1333m) an der San Bernardino Route
Schwierigkeit ZS, 1750hm Aufstieg, 4-5 Stunden Aufstiegszeit
Link zur Karte mit unserer Route: klick!

Sonntag, 23. März 2014

Familienklettern im Tessin

Wir befinden uns zwar mitten in einer Hochdruckperiode, doch just aufs Weekend hin ist eine Front angesagt. Zwar hätte ich durchaus Lust auf eine rassige Tour in Schnee und Eis, doch als mich dann für einen Ausflug wochentags in die Modica Noury verabreden kann, ist die Sache geritzt. Wir fahren mit der ganzen Familie ins Tessin zum Klettern. Da sind Sonne satt und sehr milde Temperaturen angesagt. Wie sich zeigte, wurden sogar die 25 Grad überschritten und damit meteorologisch der erste Sommertag registriert. Derweil waren die Tourenbedingungen tatsächlich bescheiden, somit hatten wir also doppelt recht mit unserer Entscheidung.

Unsere erste Familien-MSL-Tour
Geklettert wurde für die Grossen im Ostsektor von Ponte Brolla. Ein wirklich ganz toller Spot, den ich total erstaunlicherweise nun schon 4 Jahre nicht mehr besucht hatte. Für nicht mehr ganz kleine Kinder ist das auch wirklich ein tolles Gelände, mit Gneisblöcken, Baumstämmen und Palmen durchsetzt, ideal für Abenteuerspiele. Sportlich war es für mich auch ganz ok, das Ziel mit zwei gepunkteten 7c's wieder nach Hause zu fahren habe ich jedoch verpasst. Am ersten Tag hielt ich mich zu lange mit der harten La Rosa Rubata (offiziell 7b, eher 7b+) auf. Zwar schaffte ich es dann noch, die geniale Eroe della Direttissima (7a) zu klettern, für deren Direktvariante Placca Nera (7c) reichte es dann leider nicht mehr. Am zweiten Tag gelang mir zuerst die bouldrig-interessante Upside Down (7c). Währenddessen legte sich unser müder Sohn unter einer Palme schlafen, somit ging mein Aktionsradius leider nicht bis zur Placca Nera rüber und ich musste mich, auch schon etwas angeplättet, mit einem Alzheimer-Onsight der Occidente (7a+) begnügen. Für mehr reichte es dann nicht mehr, denn wir hatten auch noch andere Pläne...

Die Placca di Tegna, super schöne, plattige Gneisklettereien im vierten Grad von erlesener Qualität.
Der wahre Grund für diesen Eintrag sind aber nicht die Sportklettereien mit für mich selber zwar akzeptablen, jedoch nicht herausragenden Leistungen sondern die Tatsache, dass wir bei unserem Aufenthalt die erste Familien-MSL-Tour klettern konnten. Das war durchaus ein Wunschziel fürs 2014 gewesen. Nicht, weil dies nun unbedingt hätte sein müssen, sondern weil ich sicher war, dass dies für alle ein toller Event wäre. So kam es dann auch. Am Samstag war der Sohnemann leider schon zu müde zum Mitkommen und ich kletterte mit der Tochter ein paar dieser sehr schönen Gneisplatten in den Graden 3c und 4a. Am Sonntag war es dann soweit, mit müden Armen pilgerten wir alle nochmals zur Placca di Tegna. Mami ging im Vorstieg, die beiden Kindern stiegen zügig und gekonnt nach, und Papi sorgte als letzter dafür, dass notfalls ein Anschieber zur Stelle war, der Rucksack mit der Trinkflasche jederzeit greifbar, et cetera. Nach zwei Seillängen, auf einem bequemen Band, hielten wir Rast. Alle bestaunten wir die tolle Aussicht auf die Maggia, den Lago Maggiore und den noch tief verschneiten Monte Tamaro und schmunzelten ob der Kinderfrage, ob wir nun schon so hoch oben seien, dass wir unseren Wohnort sehen könnten. Somit war dieser Event ein toller Erfolg und ein grosser Spass für alle. Sicher wird es nicht das letzte Mal gewesen sein, und insgeheim frage ich mich, wann es soweit sein wird, dass die Kinder dann vorsteigen und monieren "Papi mach doch mal, das ist doch gar nicht schwierig da...". Zuletzt verbleibt noch die Frage, wohin wir das nächste Mal zum Klettern fahren: dienlich zum Entscheid ist da vielleicht die Ticklist aus dem Bergzeit-Magazin...

Bello Ticino!

Mittwoch, 19. März 2014

Mont Blanc du Tacul - Modica Noury (TD III WI5+)

Chamonix, der alpine Spielplatz schlechthin: bizarre Nadeln aus bestem Granit, eindrückliche Gletscher und tolle Eiscouloirs, dazu optimale Erschliessung mit den Bahnen zur Aiguille du Midi, nach Grand Montets und zur Punta Hellbronner. Hier kann man seine Kletterträume zur Realität machen und nachdem es 2013 für mich nicht geklappt hatte, sollte es 2014 wieder einmal soweit sein.

Dank den zu hohen Ausgangspunkten führenden Bergbahnen sind viele hochalpine Routen in einem Tag machbar, dies hat den Fokus stark auf lohnende, sichere und interessante Kletter-Unternehmungen gerückt; eigentlich kann man von Sport- oder Plaisir-Bergsteigen sprechen. Klar, der alpine Pathos geht dabei ein wenig flöten und auch die Bekanntheit und Begehrtheit vieler dieser Ziele hat zwei Seiten. Die negative ist der mögliche Andrang, der positive Aspekt die meist recht genaue Kenntnis von Verhältnissen und Machbarkeit. So kommt der Homo Normalis Alpinensis in Chamonix durchaus auf die Idee, in eine mit SS bewertete Eisrinne einzusteigen, die mit senkrechten oder gar überhängenden Stellen aufwartet. Anderswo im (z.B. im Schweizer) Alpenraum ist der Respekt vor derartigen Unternehmungen deutlich höher, da man schlicht und einfach weniger darüber weiss, und auch über die Verhältnisse zumeist im Dunkeln bleibt.

Das fehlte noch diesen Winter: eine Chamonix-Goulotte, Granit und Eis, yeah!
Auf den diversen Tourenportalen im Web zeichnete es sich ab, dass mit der Hochdruckperiode der ersten Märzhälfte zwar nicht für die grossen Nordwände, aber doch immerhin für etliche Eiscouloirs gute Verhältnisse herrschten. Zudem war auch die bequeme Skiabfahrt durchs Vallée Blanche nach Chamonix noch gut möglich, was die Realisierbarkeit als Tagestour weiter erhöht. Für mich präsentierte sich die Lage nämlich einigermassen schwierig: wochentags kann und konnte ich diesen Frühling wegen beruflichen und familiären Verpflichtungen ein Zeitfenster von bestenfalls 1.25 Tagen freischaufeln, am Weekend ist's meistens auch nicht einfach und vor allem ist in den besten und beliebtesten Routen der Andrang einfach zu gross. Schwierige Voraussetzungen also, und so gestaltete sich die Suche nach einen motivierten Mitstreiter alles andere als trivial. Schliesslich fand ich in der Person von Wolfgang einen erfahrenen und kompetenten Seilpartner, also konnte es losgehen. Auf uns wartete noch ein Tag mit einwandfreien Bedingungen und Wetter, auch wenn der Umschwung für einige Tage später bereits angekündigt war. Während meine noch beinahe unbefleckte Projektliste viele der üblichen Verdächtigen enthielt, einigten wir uns schliesslich auf die begehrte Goulotte Modica Noury am Mont Blanc du Tacul.

Die wilde Ostseite des Mont Blanc du Tacul. Hier (schlecht einsehbar, ungefähr in Bildmitte) spielt sich die Route ab.
So standen wir nach einer nicht allzu langen Nacht vor Ort um 7.15 Uhr (deutlich zu) früh als erste vor den noch geschlossenen Schaltern der Bahn auf die Aiguille du Midi. Nun hiess es erst einmal warten bis zur Schalteröffnung um 7.55 Uhr, die Schlange hinter uns wuchs derweilen massiv in die Länge. Aus allen Richtungen und Ländern trudelten Skialpinisten und Kletterer ein. Auffallend für mich war vor allem, wie viele davon mit dem neusten und allerbesten Material ausgerüstet waren. Vor allem in Sachen Kleidung und Skiausrüstung erschien ich da wie der letzte Ötzi. Aber naja, das Sein zählt und nicht der Schein, und fürs tolle Erlebnis reicht mein Gear auch. Anyway, ohne dass man eine Dauerkarte besitzt oder sein Ticket im Voraus gelöst hat, besteht übrigens gar keine Chance auf die erste Bahn. Die schwebte nämlich bereits davon, als wir noch (als erste) mit dem Lösen unserer Billette beschäftigt waren. (Fast) wie fahrplanmässig versprochen ging es für uns dann um 8.15 Uhr in die Höhe und nur etwas mehr als 20 Minuten später waren wir fast 3000m höher oben, beim Stollenausgang der Aiguille du Midi (3842m), startklar.

Aiguille du Midi (3842m) - eigentlich ein Wahnsinn diese Installation im Hochgebirge. Aber dennoch Gold wert...
Der steile und exponierte Grat vom Ausgang hinunter ist im Winter perfekt gesichert, es wird ein Steig ins ewige Eis gefräst und mit Seilen versehen. So konnten wir nach 2 Minuten Abstieg die Skis anschnallen und Richtung Col du Midi steuern. Schon diese Abfahrt war genial, war doch der breite Gletscher zu einer optimalen Piste eingefahren und er bot sehr viel Raum. In einem Affenzahn konnte man durch die traumhafte Szenerie runterflitzen, schon fast alleine dieses Erlebnis wäre mir ehrlich gesagt die 45 Euro für die Bahnfahrt wert gewesen. Nach ein paar Minuten waren wir schon am Fuss der SE-Wand der Pointe Lachenal. Hier muss für die etwa 150hm zur Mündung der Goulotte auffellen, oder alternativ bei geeignetem Schnee die Skis deponieren und zu Fuss aufsteigen. Wir wählten Lösung eins und stellten beim Depot/Einstieg auf ca. 3440m fest, dass drei andere Seilschaften ihr Programm bis hierhin schneller wie wir absolviert hatten. Eine zielte auf die unmittelbar daneben liegende Goulotte Gabarrou-Albinoni, somit hatten wir also Startnummer drei. Dies stellte aber kein grösseres Problem dar, weder bezüglich Gefahrenpotential, noch bezüglich allfälliger Wartezeiten. Um rund 9.45 Uhr, d.h. eine gute Stunde nach Ankunft auf der Midi waren wir aufgerödelt und startbereit.

Am Runterheizen über den Gletscher beim Col du Midi, hinten die Aiguille du Midi und über meinem Kopf das Refuge Cosmique.
Gemeinsam schritten wir Richtung Bergschrund hoch, bzw. Richtung Bergschründe, da es nämlich deren zwei zu überwinden gilt. Was aus der Ferne noch eindrücklich und potentiell schwierig ausgesehen hatte, entpuppte sich aus der Nähe als trivial, da man die tiefen Schlünde auf bequemen Schneebrücken überwinden konnte. Vor allem die zweite ist jedoch bereits arg dünn und wenn sie weg ist, dann ist es fertig mit lustig, weil der Schrund dann unüberwindbar sein wird. 

Der Bergschrund von weitem, eindrückliche Sache. Aber wie kommt man da drüber?
Über diese Brücke musst du gehn'... Zwar wirklich einfach, wenn der Schneepfropf weg ist, wird's aber schwierig.
Als nächstes folgt nun ein einfaches Schneecouloir mit knapp 300m Länge, die Neigung beträgt ca. 50-55 Grad. Als Amuse Bouche gibt es dazu etwa 50m über dem Schrund eine kurze, 10m lange Eis- oder Mixed-Passage von ca. 60-70 Grad. Bei vernünftigen Verhältnissen kann man das ganze Couloir gut gemeinsam aufsteigen, womöglich sogar seilfrei. Falls nötig, befindet sich aber auf der (im Aufstieg) rechten Seite alle ~50m ein BH-Stand, und ab und zu findet man noch einen NH dazwischen. In diesem Couloir brannte die Sonne wie verrückt rein, die Temperaturen wirkten beinahe Strandbad-tauglich, jedenfalls erreichten wir von Schweiss überströmt die Verzweigung, wo links die etwas einfachere Gabarrou-Albinoni hochführt. Hier gilt es rechts zu halten, etwa 25m über der Mündung ist links im Fels ein BH-Stand. Von dort folgen 180m an technischer Eis- und Mixed-Kletterei, welche normalerweise in 5 SL absolviert werden.

Aufbruch ins Schneecouloir, der Autor eben in der kurzen Stufe nach 50m. Die Perspektive täuscht hier etwas, sowohl der Schnee und die Stufe sind einiges steiler, als es hier den Anschein macht. Hinten in Bildmitte das Gabarrou-Albinoni-Couloir, rechts etwas versteckt der dünne Eisschlauch der Modica-Noury.
L1, 50m, 70 Grad: Hinauf in die sich verengende, gleichmässig geneigte Rinne. Zu Beginn hat es aktuell nicht gerade üppig Eis, die Felsen sind aber einfach. Der gut sichtbare, aber wenig geschützte BH-Stand befindet sich rechts im Fels.

L2, 30m, 80 Grad: Schöne, schon etwas steilere, reine Eiskletterei mit Goulotte-Ambiance. War perfekt abzusichern, der BH-Stand befindet sich links bevor sich die Rinne noch mehr aufsteilt. Wer 60m-Seile hat und unbedingt will, kann L3 gleich noch anhängen.

L3, 30m, 90 Grad: Eindrückliche Passage durch eine fast kaminartige Verschneidung, welche auf rund 20m senkrecht ist. Vorerst geht's gut und im guten Eis dahin, die Crux wartet am Ausstieg ins flachere Gelände. Hier ist das Eis nicht üppig gewachsen, Schrauben setzen geht auf ein paar Metern nicht mehr und auch die Hooks sind etwas heikel. Der BH-Stand ist 5m ob der Stufe rechts aussen.

L4, 50m, Mixed: Tolle Länge, mit diversen Metern im Schnee oder leichten Eis von maximal 60-70 Grad. Das Salz in der Suppe sind die 3 Felsaufschwünge, die in Mixed-Kletterei bewältigt werden. Es handelt sich mehr um kurze, steile Boulder, nicht überaus schwer. Je nach Verhältnissen jedoch nicht einfach abzusichern, etwas Felsmaterial ist durchaus dienlich.

L5, 15m, 90 Grad: Zwar kurzes Schlussbouquet, das nochmals eine 10m lange, senkrechte Passage in einer kaminartigen Verschneidung bereithält. Dank dem guten Eis war's aber problemlos zu klettern und zu sichern. Der BH-Stand befindet sich gleich oberhalb der Stufe links.

Blick auf L1.
Vorstieg in L2.
Wirklich tolle Hackerei in L2, eine richtige Genusslänge.
Blick auf die steile L3, später leider teilweise mit Gegenverkehr.
Aufbruch ins Mixed-Gelände von L4. Die Gore-Tex-Jacke hatte ich übrigens ganztags nie gebraucht!
Blick vom Stand auf L4 hinunter, die Felsstufen sind die Schlüsselstellen, Schnee und Eis dazwischen sind easy.
L5, die letzte, senkrechte 10m-Stufe. Sie ist schwerer, als man aufgrund vom Bild meint.
Tiefblick vom letzten BH-Stand in der Goulotte.
Um ca. 13.45 Uhr erreichten wir das Top. Den Fussspuren folgend war ich irrtümlicherweise noch etwa 20m weiter hinauf gestiegen. Dann hörten diese plötzlich auf, kein Stand war in Sicht, also hiess es den Rückwärtsgang einschalten. Zwar könnte man von diesem Endpunkt in der Goulotte durchaus oben am Grat zum Mont Blanc du Tacul aussteigen. Weil das letzte Teilstück aber weniger interessant ist, danach vor allem ein langer, mühsamer Weg zu Fuss um den Berg herum retour zum Skidepot warten würde und die Route beim Erreichen des letzten Standes als geklettert gilt, traten auch wir die Abseilfahrt in die Tiefe an. In 10 langen Manövern erreicht man wieder den Einstieg, im Bereich der Verzweigung braucht man für einen Abseiler entweder 2x70m-Seil, muss einen improvisierten Stand an einem Block benützen oder einige Meter ungesichert absteigen. Wir wählten letzteres, was problemlos möglich war.

Über Einsamkeit und Langeweile an den Standplätzen konnte man sich nicht beklagen (si on parle français...).
Nach einem Vesper packten wir unsere Säcke und standen auf die Skis. Es wartete noch die laaaange und hochgerühmte Abfahrt durchs Vallée Blanche nach Chamonix. Ich hatte diese noch nie befahren und freute mich wirklich sehr darauf. Der erste Hang hinunter zur eingefahrenen Piste zeigte, wie mühsam es ohne die bereits vorhandenen Spuren hätte sein können. Der Schnee war nämlich harschig und decklig und Off Track wäre das Abfahren nach Chamonix eine Strafaufgabe gewesen. Nicht so aber auf der Piste, hier war es glatt und eben, oben noch pulvrig und weiter unten dann schön aufgesulzt. In den flacheren Bereichen konnte man beinahe im Renntempo über den Gletscher cruisen, unterbrochen wurde man immer wieder von Intermezzi mit steileren Buckelpisten-Abschnitten. Natürlich war, je nachdem wie oft man zuvor der Skigymnastik beigewohnt hatte, die eine oder andere Pause nötig. Doch die Wartezeit konnte man hier durchaus als Genuss abtun, denn die Szenerie dieser Abfahrt ist einfach einmalig. 

Die Piste im Vallée Blanche hat Pulver gut. Direkt in Blickrichtung die Aiguille Verte (4122m).
Die Szenerie bei der Abfahrt einfach traumhaft, ebenso das Wetter und die Verhältnisse. Genialer Tag!
Nach einer Weile hatten wir schliesslich das Ende des Mer de Glace auf ca. 1550m erreicht. Hier gilt es, die Ski für einen 10-minüten Gegenaufstieg von 70hm zur Cabane des Mottets (mit Kioskbetrieb) zu schultern. Um von da nach Chamonix zu gelangen, war erst etwas Slalom um die bereits hervortretenden Granitbrocken nötig, dann ging's nochmals rassig den Ziehweg runter, bevor im untersten Teil wegen Ausaperung eine kurze und eine längere Tragepassage (total ca. 10 Minuten) warteten. In gemütlichem Tempo brauchten wir vom Einstieg bis nach Chamonix rund 2 Stunden, nun wartete noch der 20-minütige Fussmarsch zur Midi-Bahn und die lange Heimfahrt, bevor ich todmüde und hochzufrieden ins Bett plumpsen konnte.

So schön, aber leider so gefährlich: Petit Dru Westwand. Mein Seilpartner hat aus jungen Jahren sogar den durch die hellgraue Wunde verlaufenden Bonatti-Pfeiler in seinem Palmares. Da bin ich wirklich etwas neidisch darauf, weil der nicht mehr machbar ist.
Facts

Mont Blanc du Tacul Ostwand - Goulotte Modica Noury TD III WI5+ - ca. 500m, 10-12 SL - G. Modica & A. Noury 1979
Material: Bequemer 2x60m-Seil, 2x50m geht auch, 8-10 Schrauben (10-16cm), je nach Verhältnissen Camalots 0.3-2.

Hochgelobte Couloir-Kletterei in der Ostwand des Mont Blanc du Tacul. Nach dem Überwinden des manchmal schwierigen Bergschrundes wartet ein ca. 300m langes Schneecouloir von rund 50 Grad Neigung, je nach Verhältnissen mit kurzer Steilstufe bis 70 Grad. Danach folgen 180m und 4-5 Seillängen an vorwiegend steiler Eiskletterei, und je nach Verhältnissen etwas an Mixed. Vom Ende der Schwierigkeiten wird normalerweise abgeseilt. Solange man mit den Ski durchs Vallée Blanche abfahren kann, wird die Tour meist in einem Tag ab der ersten Bahn zur Aiguille du Midi geklettert. Muss man hingegen zurück zur Midi, so geht's für schnelle Seilschaften zwar immer noch, die Zeitreserven sind aber beschränkt. Vor dem Aufbruch informiert man sich sinnvollerweise über die Passierbarkeit des Bergschrunds und die Menge an Eis, die Verhältnisse sind nämlich längst nicht immer gut.

Die Ambiance in den Bergen von Chamonix ist einfach unübertrefflich. Ich freue mich schon auf den nächsten Besuch.
Topo

Für alle diejenigen, welche eine Begehung planen gibt es hier eine Foto-Übersicht mit der Lage der gebohrten und mit Ketten verbundenen Standplätze. Ebenfalls eingezeichnet sind nützliche Alternativ-Standmöglichkeiten an Normalhaken (PP) oder an Schlingen um Felsblöcke (S). 


Sonntag, 9. März 2014

Breitwangflue - Crack Baby (WI6)

Es ist der unumstritten beste Eisfall der Schweiz, und womöglich sogar im ganzen Alpenraum: Crack Baby an der Breitwangflue im Kandertal. Total gegen 400 Klettermeter gilt es zu absolvieren, wobei fast die Hälfte davon kompromisslos senkrecht ist, teilweise noch gespickt mit überhängenden Balkonen. Ja, da muss man nicht überlegen, diese Route gehört auf die Wunschliste jedes ambitionierten Eiskletterers. Für mich war sie der grosse Eisklettertraum, das ultimative Ziel - nun ist die Realisierung geglückt.

In den letzten Wochen konnte man vernehmen, dass sich die auf rund 2000m gelegene Linie im milden und föhnigen Winter 2013/2014 perfekt aufgebaut hatte. Es war überdurchschnittlich viel Eis vorhanden, zudem von bester Qualität. Dies zog wiederum zahlreiche Kletterer an, was zu vielen Begehungsspuren führte und die Kletterei nochmals angenehmer machte. Stimmen aus meinem Umfeld meinten "wenn, wann nicht jetzt" und schliesslich zeigte mir mein Kollege Jonas vor 2 Wochen explizit, dass die Route auch für unsereins machbar ist. Sorry Jonas, das ist natürlich überhaupt keine Geringschätzung deiner Fähigkeiten, sondern manchmal braucht es den zusätzlichen Ansporn von jemandem, dessen Können man genau einschätzen kann.

Im Abstieg von der Breitwangflue, den grossen Traum gelebt. Crack Baby ist die massive Linie über meiner rechten Hand.
Schwieriger gestaltete sich da schon die Suche nach einem Seilpartner. Es steht ja nun nicht gerade jedermann dafür zur Verfügung, und um mit jemandem mit wenig Erfahrung dort anzurücken herrscht aktuell einfach zu viel Verkehr. Von den in Frage kommenden, erfahrenen Kollegen hatten die meisten die Tour schon geklettert, und so sah ich meine Ambitionen schon baden gehen. Bis mir kurzfristig mein Spezl Tobias, der sich leider verletzt hatte, seinen Seilpartner Jürgen vermittelte. Tobias selber hatte Crack Baby auch schon geklettert, wusste aber um die Ambitionen von Jürgen und mir, brachte uns in Verbindung und so war die Sache dann rasch geritzt. Bei der erstbesten Möglichkeit sollte es losgehen.

Etwas Kopfzerbrechen bereitete da hingegen die Wetterlage. Nach 3 Monaten Wartezeit war zwar endlich wieder einmal eine stabile Hochdrucklage angesagt. So weit, so gut, aber mit dem einher gingen eben auch deutlich ansteigende Temperaturen. Waren diese in den Wochen zuvor eigentlich meist im idealen Band zwischen -5 und 0 Grad, so waren auf 2000m nun hingegen deutliche Plusgrade angesagt. Exakte Recherchen zeigten dann aber, dass sich am Freitag höchstens leicht positive Temperaturen einstellen würden, danach eine klare Strahlungsnacht käme und am Samstag im Tagesverlauf schliesslich mit etwa +5 Grad zu rechnen wäre. Durch einen frühen Aufbruch sollten wir dem begegnen können, was dann tatsächlich auch der Fall war. Die äusseren Bedingungen bei unserer Begehung waren absolut im dunkelgrünen Bereich, es gab in der Wand nicht das geringste Anzeichen von Tauwetter, kurzum es war einfach perfekt.

Daten der Imis-Station Fisi, welche auf 2160m am Doldenhorn ob Kandersteg liegt. Quelle: slf.ch
Noch näher illustrieren kann man den Sachverhalt mit der für die Breitwangflue sehr nützlichen IMIS-Station bei Fisi. Sie liegt auf 2160m am Doldenhorn, d.h. grob auf der Höhe vom Ausstieg von Crack Baby, nur wenige Kilometer entfernt an einem NW-Hang, in noch leicht sonnigerer Exposition. Man kann gut ersehen, dass die Lufttemperatur von Donnerstag Abend bis Samstag Mittag in einem engen Bereich um den Gefrierpunkt pendelte, und danach auf rund 5 Grad anstieg. Die Oberflächentemperatur lag dank dem freien Himmel und dadurch optimaler Abstrahlung bis auf die paar Stunden, wo das Flachfeld in Fisi besonnt ist, meilenweit im negativen Bereich. Hierzu muss man nun auch noch wissen, dass Crack Baby derzeit, d.h. Anfangs März, bis zum späteren Nachmittag komplett im Schatten liegt und dann nur noch etwas Streiflicht von der Sonne erhält. Somit lassen sich die optimalen Bedingungen gut erklären und es ist durchaus denkbar, dass diese noch ein paar Tage anhalten.

Unsere Tour begann am Freitag Abend mit der Anfahrt nach Mitholz. Bis wir ankamen, war es leider schon dunkel, so dass wir keinen Blick mehr auf unser Projekt erhaschen konnten. Beim Parkplatz ob dem Mitholztunnel wollten wir für eine kurze Nacht biwakieren. Dies wird toleriert, und damit dies so bleibt, möchte ich alle Kletterer inständig um diskretes Verhalten bitten, und auf den Verzicht, Abfälle und Fäkalien zurückzulassen. Den Wecker stellten wir auf 3.30 Uhr, mit diesem Alpine Start wollten wir der Konkurrenz ein Schnippchen schlagen und hofften darauf, als erste in die Route einsteigen zu können. Schon mit dem ersten Läuten war ich hellwach, schon erstaunlich, welche Kräfte und Motivation die Realisierung von Traumtouren freizusetzen vermag. Nach einem kurzen Frühstück machten wir uns um Schlag 4.00 Uhr auf die Socken. Im einen Fahrzeug auf dem Parkplatz war schon Licht, im anderen schienen die Bewohner noch zu schlafen.

Das Base Camp bei Mitholz, hier allerdings nach der Tour beim Trocknen des Materials vor der Heimreise.
An den fehlenden Spuren im Schnee war ersichtlich, dass wir als erste am Hochsteigen waren. Dementsprechend drückten wir auf die Tube, denn diese Position wollten wir natürlich unbedingt behalten. Erst als wir dann nach 20 Minuten an den Stirnlampenlichtern beobachten konnten, dass die Italiener eben am Aufbrechen waren, konnten wir unsere Anspannung etwas lösen und das Tempo leicht drosseln, denn diesen Vorsprung würden wir uns nicht mehr nehmen lassen. Etwas weiter oben stellten wir dann auch beruhigt fest, dass der Schnee in den schattigeren Lagen noch pulvrig und locker war, was auf optimale Verhältnisse hindeutete. Noch in dunkler Nacht erreichten wir die Alp Giesenen und bogen ab, obsi gegen die Breitwangflue. Zuletzt war dann noch etwas Spurarbeit im zugeblasenen Track erforderlich, aber nach 900hm und 1.5h des Weges konnten wir unsere Rucksäcke beim Depot abstellen. Aufschirren und los hiess die Devise! Noch im Schein der Stirnlampe hämmerte ich um 6.00 Uhr den ersten Pickel ins Eis, die Startlänge war auch so gut zu klettern. Doch schon am ersten Stand konnte diese ausgeschaltet werden, und wir sahen klar und deutlich, was noch auf uns wartete. Nachfolgend nun eine Beschreibung der einzelnen Seillängen.

SL 1, 60m, WI3+: Diagonale Querung nach rechts hoch. Steilere Aufschwünge von maximal 80 Grad wechseln sich mit etwas flacheren Zwischenstücken ab. Achtung, um den gut geschützten BH-Stand am Ende der zweiten SL zu erreichen, ist es zentral, das 60m-Seil komplett auszuklettern. Der Stand nach SL 1 ist hingegen im Eis zu beziehen, aktuell sind diverse Abalakovs bereits vorhanden.

SL 2, 60m, WI3: Man quert noch weiter nach rechts hoch, wiederum über einige Aufschwünge und ein paar flachere Partien. Die Steilheit würde ich mit maximal 75 Grad angeben. Ein gebohrter und optimal geschützter Stand befindet sich in einer Nische (siehe Topo unten). Ansonsten kann man auch gut (wie wir) etwas unterhalb im Eis Stand machen (aktuell diverse Abalakovs vorhanden).

Jürgen folgt in SL 1, noch etwas im Dämmerlicht. Hinten sind mehr und mehr Anwärter im Anmarsch...
Yours truly am Ende von SL 2, bzw. Anfang von SL 3. Unser Stand war nämlich zu weit unten und nicht in der Nische, vorhandene Abalakovs hatten uns ein bisschen in die problemlos zu korrigierende Irre geführt. Man glaube mir: der Blick von hier nach oben ist einfach atemberaubend...
SL 3, 40m, WI5: Nun bereits etwas ernstere und anhaltendere Seillänge. Zupfig und kurz säulenartig aus der Gufel raus, die 80 Grad werden auch in der Folge nicht mehr unterschritten. Ein kurzes Teilstück am Ende ist dann nochmals senkrecht, war allerdings super strukturiert. Oben findet man einen sehr bequemen Stand auf dem geräumigen Band, wo man gar biwakieren könnte. Hier schluckt man 3x leer, denn nun legt Crack Baby gleich nochmals eins drauf, die nächsten 160 Klettermeter sind nämlich durchgehend senkrecht bis überhängend!

SL 4+5, 60m, WI6: Um die bereits aufrückenden, sehr stark kletternden Italiener auf Distanz zu halten, hängt Jürgen nun gleich zwei Seillängen zusammen und klettert die 60m-Seile bis auf die letzte Faser aus. Die nominelle SL 4 beginnt an einer optimal ausgehackten 'Rampe', die wiewohl auch beinahe senkrecht ist. Super spektakulär ist dann deren Abschluss, überhängend muss auf einen Balkon raufgebouldert werden. Die Pickel oberhalb greifen jedoch super, so geht's prima. Nun käme nach 20m ein BH-Stand, erneut auf einem bequemen Band. Diesen ausgelassen, ging es gleich in die nominelle Cruxlänge. Erst zwängt man sich durch einen schmalen Spalt zwischen Wand und einem hängenden Zapfen, danach geht es extremst anhaltend 40m in senkrechtem Gelände weiter. Die Verhältnisse sind aber optimal, kompaktes, plastisches Eis von allererster Güte - ins Schnaufen kommt man aber trotzdem, denn hier gibt es nun nicht mehr ganz so viele Hooks und Tritte wie zuvor, d.h. es muss jetzt auch selber gehackt werden! Erst auf den allerletzten Metern lässt die Neigung dann etwas nach, der BH-Stand ist dann erneut links, auf einem Band und gut geschützt. 

Aufbruch in die fantastische Combo der SL 4 und 5...
Und hier nun nach einem ziemlichen Fight an deren Ende. Die saugende Tiefe ist enorm!
SL 6, 40m, WI5+: Erneut eine fantastische Mauer. Man packt direkt an und hält sich dann eher etwas nach links. Das Eis war hier enorm strukturiert, mit Podesten, Balkonen und Kanzeln. Eine ganz geniale und abwechslungsreiche Kletterei also, trotz der kompromisslosen Steilheit von durchgehend 85-90 Grad mit etlichen Ruhepositionen, darum einen Tick einfacher und nicht ganz so ernst. Den Stand findet man erneut links, auf einem bequemen Band gelegen, an Bohrhaken.

SL 7, 60m, WI6: Nun werden die Arme nochmals aufs Äusserste gefordert, denn es wartet eine kompromisslos senkrechte Mauer in kompakten Eis. Hier gab es im Vergleich zu unten deutlich weniger Struktur, mehr Schlagen und die Füsse sauber platzieren heisst die Devise. Die bisherigen Efforts sind schon deutlich zu spüren. Der Italiener hinter mir vermag selbst im Vorstieg schneller zu klettern als ich im Nachstieg und rückt mir auf die Pelle. Aber gut, der hat Eis-Erstbegehungen satt auf dem Konto und klettert selbst alpin zweistellige Mixed-Grade, da bin ich eine kleine Leuchte dagegen. Anyway, ich kann sauber durchziehen und meinen Vorsprung knapp behaupten und so stehen wir mit einem Grinsen im Gesicht am Stand, welcher durch eine Batterie von Abalakovs markiert wird. Auch wenn hier schon für viele Seilschaften Schluss ist, eigentlich geht's noch weiter...

Das Ende ist in Sicht. Aber noch wartet eine weitere Länge, die auch nicht von schlechten Eltern ist.
Um 6.00 Uhr eingestiegen, um 10.11 Uhr war der Vorsteiger am Ende von SL 7...
SL 8, 60m, WI4: Nach einem Aufstieg von etwa 25m über ein geneigtes Schneefeld folgen nochmals 35m schöne Eiskletterei. Selbst auf der schwächsten Linie beträgt die Steilheit nochmals 80-85 Grad, wer mehr will kann das auch haben. Die Kingline ist der Zapfen rechts aussen, den die Italiener wählen. Ich halte mich hingegen an die gängige Variante. Man spürt deutlich, dass hier weniger geklettert wurde, das Eis ist etwas spröde und erfordert beherztes Abräumen. Gut, dass dies in den unteren Längen nicht so war. Schliesslich stehen wir am Ende vom Eis, d.h. am Übergang zum Schneefeld. Eigentlich ein absolut nichtssagender Ort hier, aber dennoch sehr begehrt. Stand bezieht man an Schrauben, oder an potentiell vorhandenen Abalakovs.

Jürgen folgt in der letzten Seillänge von Crack Baby, hoch über der Alp Giesenen.
Die uns folgenden Italiener packen die schöne Kerze in der letzten Länge an.
Nun galt es wieder runter zu kommen, wozu man über die Route abseilt. Dies geht ob dem steilen Gelände sehr zügig vonstatten. Natürlich befanden wir uns alsbald in der ungünstigen Situation, dass nun oberhalb von uns geklettert wurde. Nachdem die Stände aber immer gut geschützt sind und man nicht in der Kletterlinie, sondern eher auf der Seite abseilt, war dies nicht allzu schlimm. Safe und sound standen wir kurze Zeit später wieder am Einstieg, wo wir uns nun Zeit lassen konnten. Wir genossen noch etwas die magischen Eindrücke am Fusse der Breitwangflue, studierten ausgiebig die anderen Routen und watschelten schliesslich in der Spur zu Tale. Beim ersten Hang war es Sünd und Schande, keine Skis dabei zu haben: das Terrain hinunter zur Alp Giesenen ist breit, mit rund 25 Grad optimal geneigt und es lag allerbester Pulverschnee. Aber janu, das war in Kauf zu nahmen, und dem Alpweg entlang ging es zurück nach Mitholz. Die Sonne heizte bereits massiv ein, und es herrschte eine richtige Frühlingsstimmung.

Blick nach oben beim Abseilen. Enorme Eismasse, enorme Steilheit und Komplexität!
Auf dem Parkplatz legten wir unsere Ausrüstung zum Trocknen an die wärmende Sonne und stellten uns die Frage, wie denn dieses Wochenende noch abzurunden war. Eine weitere Tour würde man womöglich klettern können, also wurden Topos und Optionen gewälzt. An der Breitwangflue schauderte es uns vor allem vor dem riesigen, losgelösten Eisschild, welches wie ein Damoklesschwert alle Routen etwa von Tsunamix bis zum Beta Rocker bedrohte. Hatte man dieses einmal gesehen, war an ein unbeschwertes Einsteigen gar nicht mehr zu denken. Also machten wir uns auf, um noch einen Blick in den Oeschiwald zu werfen, und dort womöglich noch eine kletterbare Linie zu identifizieren. Doch um 16 Uhr nachmittags herrschte da übelstes Tauwetter, das sowieso schon wenige Eis war abgelöst, massiv am Tropfen und schien uns nicht mehr vernünftig kletterbar zu sein. Selbst nach einer kalten Nacht nicht. Andererseits war im Arbonium sogar noch eine Seilschaft mit dem Abseilen beschäftigt, und am Folgetag machten zwei schmerzfreie Italiener tatsächlich noch den Pingu bis unter die Cruxlänge.

Gerissener Eisschild in Tsunamix/Elementarteilchen, die Säule links sieht auch ziemlich verdächtig (=gerissen) aus.
Nach all diesen Beobachtungen gab es nur noch eine vernünftige Entscheidung: ab nach Hause. Bei schlechten Verhältnissen im Eis zu klettern macht wenig Spass, zudem ist es ganz einfach unvernünftig und gefährlich. Und irgendwie war ich auch überhaupt nicht scharf darauf, meinem bisher besten Eiskletter-Erlebnis mit der Crack Baby, das nun wirklich kaum mehr zu toppen war, eine schlechte Route quasi nachzuwerfen. Da komme ich lieber an einem anderen, geeigneten Tag wieder, um im Oeschiwald aktiv zu sein. Schliesslich stellen doch zahlreiche Fälle da durchaus Wunschziele von mir dar.

Facts

Breitwangflue - Crack Baby IV WI6 - 8 SL, 400m - X. Bongard & M. Gruber 1993 - *****
Material: 10-14 Schrauben, 2x60m-Seile, Abalakov-Schlingen

Unbestritten der beste Eisfall der Schweiz, ja vermutlich gar im gesamten Alpenraum. Es warten 400 Klettermeter, wovon rund die Hälfte davon senkrecht ist. Die Ästhetik der Linie in der steilen Felswand, absolut ohne Absätze und längere Flachstücke, ist auch kaum zu übertreffen. Kurzum eine Route, die man gemacht haben muss. Sie ist eigentlich (fast) jedes Jahr bekletterbar, die besten Verhältnisse trifft man meistens gegen Ende Saison, d.h. in der zweiten Februarhälfte und ersten Märzhälfte an. Der Zustieg ab Mitholz umfasst 900hm und dauert je nach Spur 1.5-3.0h. Bei viel Neuschnee und Absenz einer Spur sind (selten) Schneeschuhe erforderlich, ansonsten geht man ohne Hilfsmittel. Tourenski sind auf dem engen und steilen Alpweg nicht zu empfehlen. Der Abstieg vollzieht sich durch Abseilen über die Route, einige Stände sind an BH vorhanden, bei anderen muss man Abalakovs einrichten.

Topo

Untenstehend das Topo von Crack Baby mit der exakten Lokation der BH-Stände. Nach der ersten und den letzten beiden Seillängen muss man den Stand selber im Eis schrauben, und zum Runterkommen Abalakovs einrichten. Bei guten Verhältnissen sind diese meist vorhanden. Erwähnt sei auch noch, dass die Bewertungen von der geeichten Angabe von WI6 als Maximalschwierigkeit ausgehen, denn Crack Baby gilt ja quasi als Referenztour dafür. Bei sehr guten Bedingungen (viel Eis, beste Qualität, gut ausgehackt) sind die Bewertungen natürlich (wie immer und überall im Eis) eher etwas tiefer anzusiedeln. Dennoch, es warten viele steile Meter im Eis, man sollte die Tour also keinesfalls unterschätzen. Ein Rückzug ist jedoch jederzeit problemlos möglich.




Montag, 3. März 2014

Skitour Gletscherhorn (3107m)

Das Wochenende davor hatte uns auf den Geschmack gebracht und nachdem erneut gute Tourenbedingungen angesagt waren, sollte es gleich nochmals eine tolle Skitour geben. Lawinenlage und Wetterbericht gaben dieses Mal die eine oder andere Knacknuss zu lösen. Gefragt war ein Ausgangspunkt in den inneren Alpen mit genügend Ausgangs- und Gipfelhöhe, um dem kompakten Wolkendeckel Paroli zu bieten. Bedretto, Urseren, Splügen/Hinterrhein und das Avers sind dabei die einigermassen rasch erreichbaren Destinationen. Weil bei den ersten drei aufgrund der grossen Neuschneemengen und einem verschärften 'erheblich' nur eine eingeschränkte Tourenwahl zur Verfügung stand, sollte es also ins Avers gehen.

Hinein geht's ins Bergalga, optimal gespurt.
Mit ein bisschen Karten-Engineering tat sich dann auch gleich noch eine interessante Möglichkeit auf. Statt vom Parkplatz beim Loretsch Hus unterhalb Juppa (ca. 1980m) die 2km ins Bergalga hinein zum P.2029 zu watscheln, kann man diesen auch bequem mit einer Fahrt per Skilift (9 CHF pro Person) und einer ersten 510hm-Abfahrt erreichen. Die zu befahrenden SE-Hänge sind ideal geneigt, mit einer perfekten Schicht Pulver waren sie auch versehen und selbst zeitlich legt man gegenüber dem Direktaufstieg kaum etwas drauf - was will man mehr!? Nun galt es jedoch aufzufellen und hinein ging es ins Bergalga. Während über dem Haupttal noch einige Nebelschwaden hingen, war der Himmel gegen Süden komplett offen und wir genossen schon da strahlenden Sonnenschein. In gemütlichem Marsch ging es links vom Bach (orografisch rechts!) auf der Langlaufloipe zum Olta Stofel (P.2074). 

Fantastische Stimmungen beim Aufstieg, der übrigens auf der ganzen Strecke besonnt ist.
Ab da war die Spur zu legen, aber wir als Eltern haben da den entscheidenden Vorteil, sowieso nicht früh unterwegs zu sein, und andere die strenge Arbeit machen zu lassen. Wobei man sagen muss, dass echt schon der Aufstieg in dieser frisch und tief mit bestem Pulverschnee verschneiten Landschaft ein Hochgenuss war. Die Schneekristalle funkelten nur so um die Wette, dennoch waren die Temperaturen angenehm und erlaubten einen Aufstieg im T-Shirt. Nach dem Zwipf erhöhte ich dann die Kadenz etwas, heimlich mit einem Abstecher zum Piz Predarossa (3083m) liebäugelnd. Doch der Aufstieg von der Scharte P.2987 wäre eine echte Knacknuss, ohne alpine Ausrüstung absolut undenkbar. So ergötzte ich mich ab der tollen Aussicht ins Bergell und Berninagebiet und entschied mich schliesslich, ein Stück über die sehr einladenden Hänge nach Süden abzufahren, und danach über den E-Grat auf den Gipfel aufzusteigen. Wohl kalkuliert würde ich da zeitgleich mit meinen Begleiterinnen eintreffen.

Im Aufstieg zum Gletscherhorn, es geht zum Sattel leicht links der Bildmitte, und über den 35 Grad Hang nach rechts zum Top.
Die First Line in diese weiten, unberührten Hänge zu legen war der Hammer, der Aufstieg danach stimmungsvoll. Doch wo blieben denn die beiden Girls? Ich meinte, den Nordrücken beständig einsehen zu können, doch sie blieben unsichtbar - bis wir 20m vor dem Gipfel unverhofft aufeinander trafen. Tatsächlich, dieser Abstecher war wohl kalkuliert! So konnten wir Rast und Aussicht gemeinsam geniessen, und in Vorfreude auf die Abfahrt schwelgen. Diese hielt tatsächlich alle Superlative, tiefer Powder von bester Qualität und dazu Platz à discretion für eigene Linien. Selbst die letzten 4km retour durchs flache Bergalga waren weit weniger schlimm als befürchtet. Mit einem gewachsten Ski reichen ein paar Stockstösse und Skatingschritte aus, um dieses Teilstück in 10-15 Minuten zu bewältigen, meistens läuft es nämlich "von selbst". Was will man da noch mehr? Richtig, ein kühles Getränkt und einen Marronikuchen im Hotel Bergalga, das sollte man nach dieser Tour keinesfalls verpassen!

Tout simplement fantastique! Auf sowas haben wir monatelang gewartet.
Facts

Gletscherhorn (3107m) ab Loretsch Hus (ca. 1980m) bei Juppa/Avers
Schwierigkeit ZS, 1130hm Aufstieg, ca. 3-4 Stunden
Link zur Karte mit unserer Route: klick!