Bereits in einem ersten Teil hatte ich von unseren traditionellen Herbst-Kletterferien der Ausgabe 2015 auf Kalymnos berichtet. Hier geht es mit dem zweiten Teil weiter. Wie gewohnt werden einige Sektoren vorgestellt und die gekletterten Routen charakterisiert, zum Schluss wird ein Fazit gezogen.
North Cape
Die Wände am North Cape sind schon von Masouri aus gut sichtbar, und auch vom Sektor Odyssey wandern die Blicke immer wieder dort rüber. Trotzdem wird hier nur relativ wenig geklettert, was wohl vor allem an der sonnigen Lage liegt. Das ergibt in der Hauptsaison halt nur einen kurzen Klettertag, was die Sache weniger attraktiv macht. Weil beim Aufstehen der Himmel jedoch für einmal bewölkt war, wählten wir diesen uns noch beinahe unbekannten Fels. Man traue jedoch nie den griechischen Wolken, natürlich ging es nicht lange, bis diese sich verzogen und der Sonne Platz gemacht hatten. So suchten wir bald die letzten Schattenflecken in der oberen Grotte und verzogen uns schliesslich in die Gelateria, bzw. später ans Meer.
Der Auftakt erfolgte gleich mit der Partiro (7a+, ***). Steiler Beginn mit strengen Zügen an scharfen Crimpern. Das Gelände flacht dann graduell ab, im oberen Teil ist die Kletterei genüsslich an scharfen Chickenheads. Von ähnlichem Charakter ist auch die benachbarte Orca (7b+, ***). Sofern man die kleinen Crimper gut halten kann, liegt die Schärfe des Gestein gerade noch im Rahmen von dem, was man als "nicht unangenehm" bezeichnen wird. Nun ging es in der oberen Grotte weiter. Nirvana (7c, ****) bietet überaus steile, sehr athletische Tufa-Kletterei an fast durchgehend optimalen Henkeln. Doch gerade die 3 letzten Griffe zu Umlenker hin sind leider etwas kleiner ausgefallen... so wurde aus dem angepeilten Onsight leider nichts. Mit frischen Kräften und etwas Glück hätte es reichen können, im Flash womöglich auch, so wurde es dann halt eine Begehung im Second Go, aber auch eine etwas vertane Chance. Zum Abschluss kletterten wird dann auf dem Rückweg noch die lässige, steile Henkelei von Sposi (6c, ***), die sich neben der unteren Grotte mit der 8c+-Route Inshallah befindet.
Arginonta
Die Felsen von Arginonta erfreuen sich einer sehr grossen Beliebtheit. Warum dem so ist, ist mir nicht restlos klar. Natürlich sprechen der relativ kurze Zustieg und die tollen, gut abgesicherten und homogenen Routen im 6ab-Bereich für sich, doch anderswo auf der Insel gibt's die auch. In den oberen Graden ist das Angebot etwas schmaler, aber die eine oder andere sehr lohnende Kletterei im siebten Franzosengrad gibt es auch. Unser Plan war, dass sich Kathrin eine Begehung von unserer Kreation Xaveri (7b) krallt, während ich mich gleich nebenan in der Pandora (7c+ bis 8a+) versuchen würde. Doch "man plans, god laughs" - es wurde wieder einmal nichts daraus, da wir uns an diesem Tag nicht auf der Höhe der Aufgabe befanden.
...dementsprechend betreiben wir dann später Schattenjagd, um nochmals eine Route ohne sengende Sonne zu klettern. |
Zum Aufwärmen wählte ich die Lysistrati (7a+, ***) am rechten Rand der oberen Grotte. Steile, gutgriffige Sinter zuerst, eine knifflige Stelle die Übersicht erfordert um ins weniger steile Gelände zu kommen und eine Abschlusswand, die höchstens sehr entkräftete Aspiranten noch abzuwerfen vermag. Dann also in die Pandora (7c+, **). Im Neutourenblatt wurde diese noch mit 8a+ bewertet, im 2015er-Führer noch mit 7c+ und anscheinend war sogar 7c als Bewertungsvorschlag im Gespräch. Das wirft bei mir allerdings schon einige Fragezeichen auf! Nach einem relativ kurzen, aber schon streng-athletischen Einstiegsbereich wartet die kleingriffige Crux praktisch ohne Füsse im Steilgelände. Hier war ich chancenlos, die 3-4 Cruxmoves auch schon nur einzeln durchzuführen. Das passiert mir im 7c-Bereich doch eher selten (bzw. auf Kalymnos gar nicht) und die nun abgedruckte Bewertung scheint mir im lokalen Kontext unpassend. Klar, es ist auch nicht mein wirklich bevorzugtes Gelände, aber ich würde da sicherlich mindestens eine 8a vergeben. Das Alternativprogramm bestand aus der Remy-Route Motörhead (7b, ***), welche in einer etwas anderen Neigung daherkommt, wie ihr Counterpart am Eldorado. Bouldriger Start mit ein paar zähen Zügen, die Blockier- und Fingerkraft erfordern, oben raus dann etwas einfachere Kletterei, erst an Löchern, dann an einem grossen Tufa. Vorsicht auf die mässig soliden Schuppen am Ende von diesem Sinter! Den allerletzten Schatten nützten wir noch für eine Begehung von Sex in the City (7a, ***). Die ersten 10m bieten leicht überhängende Wandkletterei an scharfem Crimps, danach folgt Schaulaufen im 6a-Gelände.
The Beach
Ein Ausflug auf die Nordseite der Insel in die Gegend von Palionisos durfte nicht fehlen. Wegen dem befürchteten Grossandrang und der Tatsache, dass ich dort nicht mehr allzu viele Routen offen hatte, verzichteten wir auf den Secret Garden, den Topsektor dieser Gegend und gaben stattdessen dem Beach den Vorzug, auch da wir diesen noch nie besucht hatten. Er liegt zwar erst am Nachmittag im Schatten, doch dachte ich mir, dass man hier, unmittelbar am Meer, auch in der Vormittagssonne gut würde klettern können. Nun ja, klettern konnte man schon, es war aber (fürs schwere Klettern zu) warm. Nachmittags herrschten dann hingegen gute Bedingungen und die Wartezeit kann hier sehr gut mit einem Bad in der malerisch gelegenen Bucht verbunden werden. Obwohl es am Beach nicht allzu viele Routen gibt, so sind es doch in jedem Grad von 5b-7c in idealer Abstufung ein paar Projekte, so dass man hier sicherlich einen ausgefüllten Klettertag verbringen kann. Der Zustieg braucht übrigens rund 20 Minuten und ist ähnlich lang wie zum Secret Garden, der Einstiegsbereich durchaus sehr kinderfreundlich, zumindest solange diese alt genug sind, damit sie sich vom im hinteren Teil des Sektors steil abfallenden Gelände zum Wasser hin fernhalten.
Zustieg an den Beach-Sektor durchs Heidegelände, auf dem Heimweg geht's dann 200hm bergauf. |
Hier ist er... um die relativ unscheinbare, aber doch fast 30m hohe Wand links am Ufer geht es. |
Die Blaue Lagune gibt's nicht nur an den Wendenstöcken, sondern auch hier auf Kalymnos! |
Gestartet wurde an diesem Tag mit der Where Are my Bolts? (6b+, **). Sollte man vielleicht eher Where Are my Holds? taufen, denn eine Passage fand ich jetzt für diesen Grad doch ordentlich griffarm. Der Rest dieser eher kurzen Route ist hingegen deutlich einfacher. Die Toproute in diesem Sektor ist die Elizabeth (7b, ***). Der knifflige Boulderstart löst sich am besten mit einem Heel Hook auf, es folgt schöne Kletterei an Tufas und Löchern. Nach einer einfacheren Platte und einem No-Hand-Rest wartet die finale, überhängende Wand, wo athletische Züge an guten und weniger guten Griffen gefragt sind. Die benachbarte Apollo's Miracle (7b+, **) fängt ganz tief in der Grotte bei einem Geissen-Gerippe an. Die Schwierigkeit dieser stark überhängenden Kletterei in Bodennähe hängt stark davon ab, ob man die Füsse auf dem der Wand vorgelagerten Block platziert oder nicht. Wenn's denn wirklich ohne gedacht sein sollte, so ist's nicht nur für eine kalymnische 7b+ ordentlich hart. Hat man diesen steilen Teil gemeistert, folgt einfache Kletterei im 6a-Bereich, bis die Abschlusswand auch nochmals ein paar harte Züge verlangt. Ziemlich inhomogene Route also. Weiter ging es mit One Year (6c+, ***), einer schönen Route, wo die Hauptschwierigkeit an einem Steilwulst gegen das Ende hin folgt - athletische Züge an scharfem Fels. Nachdem das Family Business (5b, ***) erledigt war - die Tochter stieg in ihrer unbekümmert-kindlichen "wo ist denn hier das Problem"-Manier frei nach :-o - folgte zum Abschluss noch der dauerbesetzte Material Man (7a+, ***). Eigentlich eine gemütliche 6b-Kletterei bis zum letzten Wulst, dort waren alle die anderen Kletterer immer und immer wieder gescheitert, und tatsächlich muss man sich dort noch gescheit festhalten - weite Züge an nicht mehr so guten Leisten warten.
Palace
An unserem letzten Tag war es beim Zmorge wieder bewölkt, dieses Mal hätte man fast schon sagen können stark. Da unser Flug erst spät am Abend ging, blieb uns noch der volle Tag zur Verfügung. Wir entschieden uns nochmals für einen wenig besuchten und uns unbekannten Sektor, welcher zudem auch mit einem kurzen Zustieg aufwarten sollte. Dies war der oberhalb von Skalia gelegene Palace, genauer der Subsektor mit dem Namen Baby House. Während es auf der Anfahrt doch tatsächlich sogar ein paar wenige Tropfen gab, war die Bewölkung aber wie gehabt nicht sonderlich langlebig. Bald kam die Sonne hervor und heizte wieder ordentlich ein. Da hatten wir auch ein wenig Glück, dass die Führerangabe mit Sonne ab 11.30 Uhr hier nicht wirklich stimmig ist. Meine letzte Route, die Zocchi, konnte ich auch um 14.30 Uhr noch im Schatten abschliessen. Der Sektor Baby House bietet durchaus einige nette Klettereien, grossen Andrang gibt's hier nicht und das terrassierte Gelände mit ein paar Höhlen am Wandfuss bietet wirklich perfekte Spielmöglichkeiten für die Kinder. Dafür aber sucht man die ganz grossen Tufa-Linien hier vergeblich. Trotzdem hatten wir uns auch klettermässig gut unterhalten.
Den Auftakt machte ich mit der Remy-Route Ifaistos (7a, ***). Sie bietet Tropflochkletterei mit stellenweise auch etwas grösseren Hakenabständen, es wirkte auf mich fast etwas alpin, sagen wir mal wie in der Lancelot an den Wenden (obwohl dort die Abstände noch viel grösser sind, und auch ein härterer Bewertungsmassstab angewandt wurde). Als nächstes war die Totta (7a+, ***) dran, eine sehr schöne Route mit einer kniffligen finalen Crux, wo man ein paar Sloper bedienen muss. Die Erstbegehung erfolgte durch den bekannten Höhenbergsteiger Simone Moro zusammen mit dem legendären Manolo Zanolla, das ist doch auch mal was! Leider setzen diese beiden nur verzinkte Spits, für Kalymnos ziemlich untaugliches Material, welches aber in diesem tropflochigen Gestein erstaunlicherweise noch recht gut im Schuss ist. Meine Versuche in der Martina (7b+, **) waren leider von keinem Erfolg gekrönt. Der grösste Teil der Route ist gut machbar, eine zentrale Passage ist sehr steil und trittarm. Die Finger steckt man dort in ein paar enge Schlitze und verklemmt sie, de fakto also Rissklettern. Fingerlocks an schlechten Tritten, sowas mag ich gar nicht, ziemlich sicher ist das noch eine rechte Portion schmerzhafter, wenn man 80kg statt nur 50 oder 60kg wiegt. Zudem floss aus ein paar über die Woche erworbenen Schrammen an den Händen sogleich das Blut, auf diese Weise war hier definitiv kein Punkt zu holen. Als letzte Kalymnos-Route im 2015 kletterte ich dann die Zocchi (7b, ***). Erst noch gemässigt an schönen Leisten, zieht's dann zum Stand hin arg an und es will an rattenscharfen, kleinen Tropflochleisten geriegelt werden, sowas liebe ich hingegen. Mich hat diese Route sehr an die kürzlich begangene Jednicka an den Wendenstöcken erinnert - nur dass man hier mit 3x kräftig moven bereits beim Umlenker angelangt war.
Fazit
Damit war der Kletterpart unseres Aufenthalts abgeschlossen. Es reichte noch für ein gemütliches, letztes Glacé, die tägliche Töff-Runde, ein angenehmes Bad im Meer, bevor es dann auf die Fähre ging. Mit dieser hatten wir bisher immer gute Erfahrungen gemacht, doch nun tauchte sie einfach nicht auf. Statt um 18.30 Uhr fuhr sie schliesslich erst um 19.15 Uhr, somit im Prinzip noch früh genug, um ob dem auf 20.55 Uhr geplanten Rückflug nicht in Panik zu geraten. Die frühere Fähre um 17.00 Uhr zu wählen hätte übrigens in diesem Fall auch nichts gebracht, weil diese offenbar komplett ausgefallen war. Nun denn, von Mastichari ging's sofort per Taxi zum Flughafen. Es war zwar erst 19.50 Uhr, als wir da waren, doch wir wurden schon erwartet! Rasch eingecheckt, das Gepäck aufs Band und rein in den Flieger. Um 20.10 Uhr waren wir bereits in der Luft, 45 Minuten früher als geplant! Der leer angekommene (letzter Charter-Rückflug der Saison) und weniger als halb gefüllte Flieger sowie die Tatsache, dass alle angemeldeten Passagiere an Bord waren, machte es möglich. Ferien- und familientechnisch war die Reise ein grosser Erfolg und ein grosses Vergnügen gewesen und ich wage es jetzt schon zu behaupten, dass dies nicht unser letzter Besuch war. Man merkt es ganz gut daran, wenn kaum daheim von "nächstes Jahr in Kalymnos mache ich dann, dies, jenes, das..." gesprochen wird. Rein klettertechnisch blieben für mich die ganz grossen Erfolge aus, auch wenn sich immer noch ein ansehnliches Set von gepunkteten Routen ergab:
1x 7c, 3x 7b+, 7x 7b, 8x 7a+, 4x 7a und 5x <7a
Die Gründe, warum die Ausbeute auch schon besser war sind dreifaltig. Einerseits habe ich die Lowest Hanging Fruits nach 6 Besuchen trotz der grossen Auswahl auf Kalymnos bereits mehr oder weniger gepflückt. Somit muss man entweder darauf hoffen, dass neue Früchte nachwachsen, oder dann eben entsprechend wachsen, damit man auch die höher hängenden erwischt - was natürlich in meinem Alter nicht mehr so schnell vonstatten geht. Zweitens habe ich bewusst aufs Arbeiten an Projekten verzichtet und bin bevorzugt in Routen eingestiegen, wo ich einen raschen Erfolg feiern konnte. Das entsprach unserer Planung mehr, und vor allem gibt es diesem Möglichkeit um im 7ab-Bereich greedy zu onsighten in der näheren Umgebung von meinem Zuhause nicht mehr - dort kann (bzw. muss) ich eh an schwerern Projekten arbeiten. Sowieso versuche ich für mich schwere Projekte lieber an Felsen, wo ich oft vorbeikomme. Das mindert den Druck, endlich zum Erfolg zu kommen ganz massiv, und macht das Rotpunkt-Projektieren viel angenehmer als in einwöchigen Ferien. Der dritte Grund liegt natürlich daran, dass wir als Familie unterwegs und mit den Kindern am Fels waren. Das beeinflusste Gebietswahl und Taktik, es blieb weniger Zeit als in früheren Jahren zum Klettern, zwischendurch wollten inzwischen auch die Kinder Hand anlegen und auch der Fokus aufs Routen punkten war weniger ausgeprägt als sonst (auch wenn auf diesem Kletterblog natürlich vor allem darüber berichtet wird, ist ja nicht ein Familienblog). Das vorrangige Ziel beim Projekt Kalymnos 2015 war es, dass am Schluss alle zufrieden und happy sind - das gelang vollends und dies wiegt auch eine gepunktete 7c mehr oder weniger mehr als auf.