Eigentlich wollte ich mit den Kindern auf die Ski. Aber diese waren von den Vorbereitungen aufs Weihnachtsfest so absorbiert, dass ich schliesslich doch alleine losziehen musste. In meinem Kopf waren die Tourenberichte vom Vortag noch sehr präsent - unterhalb von 2000m würde man mehrheitlich auf Bruchharsch treffen. Also gab es zwei Möglichkeiten: entweder länger Auto fahren und höher oben starten, oder sich auf einer Tour am Alpennordhang in erster Linie am schönen Wetter erfreuen. Doch schliesslich kam mir der Gedankenblitz zu einer dritten Möglichkeit...
Bei solch fantastischen Bergwetter muss man einfach fast zwingend draussen unterwegs sein! |
Ich sagte mir, dass ich ja einfach den Gleitschirm mitnehmen könnte, diesen hinauftrage bis ich auf akzeptable Schneebedingungen stosse und ihn dort deponiere. Oberhalb würde ich dann einfach eine "normale" Skitour machen, während sich der abfahrerisch unlohnende untere Teil dann mit einem Weihnachtsflug überbrücken liesse. Das schien mir doch einmal ein guter Plan. Gefragt war jetzt nur noch das passende Gipfelziel und nach etwas Nachdenken gab's auch hier eine optimale Lösung. Wie es im Titel schon steht, sollte es der Näbelchäppler, sozusagen der westliche Eckpfeiler vom Glärnisch-Massiv im Klöntal werden.
Am Beginn der Tour auf der Strasse ins Rossmatter Tal. So richtig lohnendes Skigelände... |
Der untere Teil dieser Skiroute spielt sich auf steilen Waldstrassen ab, welche selbst bei guten Schneeverhältnissen keinen Abfahrtsgenuss bieten. Oberhalb warten hingegen rassige Hänge und ein tolles Gipfelerlebnis, welche die Tour auf jeden Fall lohnen. Es sei an dieser Stelle erwähnt, dass ich sie bisher noch nie angegangen hatte. In dieser Region fast ein Unikum, hier gibt es nicht manchen per Ski erreichbaren Gipfel, den ich bisher noch nicht besucht habe. Nunja, und jetzt ist es nochmals einer weniger. Etwas nach Mittag machte ich mich im Klöntal auf dem Weg. Trotz allgemein sehr milder Bergtemperaturen befand ich mich hier voll im Kältesee, das Thermometer zeigt tatsächlich -10 Grad an!
...aber es wird noch schlimmer. Im Wald sind diverse Kegel von Nasschneelawinen zu überwinden. |
Schon auf den ersten Metern der Strasse ins Rossmatter Tal war ich heilfroh, den Schirm auf dem Rücken zu tragen. Ein Bagger hatte hier tiefe Furchen hinterlassen, das wäre zum Skifahren sehr mühsam gewesen. Weiter oben warteten dann die obligaten Lawinenkegel, die es zu übersteigen galt. Doch immerhin gewinnt man auf diesem Abschnitt effizient an Höhe. Beim Chlüstalden öffnet sich dann das Tal und gibt grandiose Blicke auf die Nordwand des Bös Fulen frei. Letztes Jahr an Silvester war ich an dieser Stelle noch trockenen Schrittes für eine famose Solo-Jahresabschlusstour gestiegen (Bericht). Nun sollte es ein knappes Jahr später ein weiteres Abenteuer in dieser einsamen Ecke werden.
Im oberen Teil trifft man dann auf herrlich offenes Gelände. Hier bereits ohne Schirm auf dem Rücken. |
Bei der Hinter Schlattalp kam ich an die Sonne und so langsam in potenziell startbares Gelände. Der Schnee hier war aber wirklich nicht gut. Wechselhaft zwischen üblem Deckel und unter den Bäumen total pfluttrig und bodenlos. Da trug ich die doch ziemlich schwere Last auf meinem Rücken gerne noch etwas weiter hinauf. Nach der langen Traverse der Chammstägen auf rund 1900m war es dann aber soweit. Hier war der Schnee nun pulvrig und gut drehbar, bis zu diesem Punkt würde es sich lohnend Skifahren lassen. Überdies war es mir mehr als nur recht, den schweren Sack zu deponieren. An meinen durchnässten Fellen hatten sich nun natürlich auch noch zentnerschwere Stollen gebildet.
Just simply wow! Der markante Bergstock ist der Bös Fulen, den ich knapp ein Jahr zuvor besucht habe. |
Nun denn, vom Sack und den Stollen befreit fühlte es sich plötzlich an, als könnte ich den Berg hinauffliegen. Bis zum Gipfel ist's aber doch noch ein reichliches Stück, stellen sich nämlich auch noch 2 längere Traversen mit insgesamt etwa 50m Höhenverlust in den Weg. Dann im Zickzack den Gipfelhang hinauf und nach über 3 Stunden Gehzeit war es dann doch noch geschafft. Beim spartanischen Gipfelkreuz konnte ich die tolle Aussicht in die Glarner Berge und aufs immense Nebelmeer über dem Flachland geniessen.
Die Abfahrt war dann tatsächlich überzeugend. Der Schnee war zwar etwas zäh und krustig, aber trotzdem gut drehbar und daher durchaus als "Pulver" zu bezeichnen. Jedenfalls machte es richtig Spass und von den beiden Gegenaufstiegen einmal abgesehen war ich im Nu zurück beim Schirmdepot. Ich hielt einige Minuten inne und beobachtete die Bedingungen - ja, es schien sehr gut startbar zu sein. Somit entschied ich auszupacken und machte mich bereit. Schliesslich war alles verzurrt, also Achtung, Fertig, Los!
Rückblick zum Gipfel, das flachere Gelände davor hält noch 2 Gegenaufstiege bereit. |
Wenige Sekunden später war ich in der Luft. An der Krete vom Milchplanggenstock konnte ich tatsächlich noch etwas aufsoaren und meinen Startplatz überhöhen - immer ein erhabenes Gefühl. Doch anstatt noch irgendwelche fliegerischen Rekorde zu jagen war das Ziel ja eigentlich ein sicherer und rascher Abstieg ins Tal. Also ergab ich mich der Gravitation und setzte einige Minuten später direkt neben dem Auto auf. Noch immer war es bitterkalt, also einsteigen, heizen und ab nach Hause zur Familie.
Mein Startplatz auf ungefähr 1900m. Optimales Gelände um mit den Ski und dem Schirm in die Luft zu kommen. |