Auch im 2019 führten uns die Herbstferien wieder nach Kalymnos, schon zum x-ten Mal. Klar, es gäbe noch viele andere Felsen auf der Welt, aber eine familieninterne Diskussion wäre da zwecklos, die Destination ist bereits gesetzt. Doch es ist noch schlimmer: jeden Tag vollführten wir exakt dasselbe Programm, Frühstücksbuffett im Hotel, Klettern, Gelati und Caffè beim Italiener, Strand zum Baden und für ein wenig Beach Tennis, Nachtessen in der one and only Aegean Tavern und dann ab ins Bett, um die Batterien für den nächsten Tag wieder möglichst voll aufzuladen. Tja, solch langweilige Ferien kann man verbringen ;-) Immerhin habe ich täglich die Glacésorten und das Znachtmenü ausgetauscht. Über die besuchten Felsen und gekletterten Routen werde ich hier einige Zeilen verlieren.
That's one of the reasons why we are coming back every year... |
Noufaro
Die Felsen links von Arhi wurden lange Zeit vernachlässigt: zuerst nicht einmal komplett erschlossen, dann wenig besucht. Dabei bieten sie eigentlich vieles, was es braucht: kurzer Zustieg, ziemlich lange schattig, lässige Kletterei - nur die athletischen Sinterlinien fehlen weitgehend. Mir scheint, als ob sich die Lage jedoch ein wenig geändert hat, in diesem Jahr waren wir jedenfalls nicht mehr alleine vor Ort. Nach dem Aufwärmen konnten wir uns gleich die Amazona (7c) sichern. Wir, das heisst konkret Papa, Mama und Tochter. Somit bleibt ihr der schöne Rhythmus erhalten, jedes Jahr einen UIAA-Grad zuzulegen - mit 9 Jahren die erste 9 geklettert, bravo! Ich bin gespannt, wie viele Jahre sie das noch aufrecht erhalten kann :-) Mir gelang dann auch noch die benachbarte Themelio (8a), somit ein Auftakt nach Mass. Wie viel davon einfach super Form und welcher Teil auf die "Greek Anti Gravitational Initiative" zurückzuführen ist, bleibt wie immer offen. Jedenfalls kam danach die Sonne und wir verzogen uns in Richtung Summertime-Sektor, wo wir auf dem Heimweg noch ein wenig dem Genussklettern in der Mama Nota (7a) und der Peré Vert (7a) frönten.
So frisch und busper müsste man über die ganzen Ferien bleiben... dieses Mal klappte es recht gut. |
Odyssey
Den Odyssey habe ich schon immer geschätzt und geliebt. Die Kehrseite der Medaille besteht darin, dass ich unterhalb von 7c inzwischen +/- alle Routen geklettert habe und bei den schwierigeren die tief hängenden Früchte auch schon abgegrast sind. Somit heisst's woanders hingehen oder an der Herausforderung wachsen. Da wir mit Freunden unterwegs sein wollten, war letzteres Motto Trumpf. Es gelang soweit bestens, endlich konnte ich mich einmal von der Altlast Sirene (7c) befreien. Dank ein paar zusätzlichen PS war's gar nicht mehr so schwierig. Mit der Ya Agori Mu (7a+) fand ich sogar noch eine neu erschlossene Route mit gemässigtem Grad, bevor ich mich nachher in der ebenfalls taufrischen Bosmogy (7c) versuchte. Guten Mutes und mit klarem Plan auf Durchstieg unterwegs, war der verflixte, rettende Griff auf einmal 5cm zu weit entfernt - muss wohl eine kurzfristige Erdverschiebung gewesen sein. Es blieb nichts anderes übrig, als mich aus meinem patentierten Bear-Hug-Double-Kneebar noch ein wenig mehr zu strecken. Die Physik machte dabei nicht mit, ein langsames Rausflutschen und ein paar hässliche Schürfungen waren die Quittung.
Sea Breeze
Den Sea Breeze hatte ich bisher als vermeintlichen Plaisir-Sektor an der Sonne nie auf dem Radar. Doch einerseits kam da die White Wine Wall neu hinzu, andererseits gibt's im Great Canyon doch recht lange Schatten und auch interessante Routen, die kürzlich saniert wurden. Die White Wine Wall kriegt bereits sehr früh ab ca. 11 Uhr Sonne. Da aber direkt am Weg gelegen, konnten wir dort zum Aufwärmen doch noch 2 Touren klettern: Erbaluce (7a) und Picolit (7a+). Beide kurz aber witzig, jedoch noch sehr neu und wenig beklettert, d.h. ziemlich knusprig. Im Great Canyon machte ich zuerst die Remy-Route Art in the Air (7a) - eine richtig harte Tropfloch-Kletterei in bester Wenden-Manier, für einmal mit alles andere als geschenkter Bewertung. Das Plastic Surgery Disaster (7b) dünkte mich kaum schwieriger, liegt aber vielleicht daran, dass die schwersten Züge eher etwas athletischer an Pockets sind, daher im Onsight einfacher zugänglich. Als nächstes wäre dann die Grotte rechts oben mit den steilen Routen auf dem Programm gewesen. Der Rest der Familie war jedoch fertig und wollte an den Strand. Ich willigte mit der Absicht ein, in einer Sundowner-Session noch in der Bosmogy (7c) den Punkt zu holen. Kurz eine gute Beta gezimmert und den Bear Hug verworfen, so lief es wie am Schnürchen und ohne weiteren Blutzoll.
Nicht nur die Kraft, auch die Haut ist ein Faktor, wenn man jeden Tag hart klettern will. |
Spartan Wall
An der Spartan Wall bieten die schwierigeren Routen meist vertikale Wandkletterei, somit gibt's hier viel weniger Andrang als bei den Sinter-Bolzereien oben im Spartacus oder unten in der Grande Grotta. Eine mir noch unbekannte Route im 7a-Bereich gab's zum Aufwärmen leider keine mehr, somit wurde es die Motyka Jawa (6c+). Eine coole 50m-Seillänge, endloses Moven am Stück, auch tiptop saniert. Nur reicht ein 80m-Seil bei weitem nicht wieder runter, d.h. es ist etwas Bastelstunde nötig. Das Hauptziel war dann die Spartan Junior (7c) mit scharfer, technischer Crimperei, die viel Vertrauen in die Füsse erfordert. Muss man mögen, ich fand es hammermässig, klettere aber auch sehr gerne und routiniert in scharfem Fels. Im zweiten Anlauf ging's mir auf, hat mich fast ein wenig an die Zahir an den Wendenstöcken erinnert - nur dass ich jene nicht im Second Go schaff(t)e. Sozusagen als Ausgleich machten wir danach noch die ebenfalls sehr lange Yanap (7b+, 80m-Seil reicht nur gerade so knapp nicht, dass es doch reicht ;-)). Hier ist der Fels braun, glatt und teils so richtig seifig. Es sind aber doch coole Moves, es lohnt sich!
Spartan Junior (7c), eine rattenscharfe Wandkletterei! |
Milianos Cave & DWS Vathi
Die Milianos Cave ist ein kürzlich erschlossener Sektor auf der Rückseite des Passes, der von Arginonta nach Vathi führt. Bei einer Gebietsvorstellung erhielt er zwar schlechte Presse (kurze, inhomogene, wenig interessante Routen, geschlagene Griffe, überbohrt und überbewertet), aber da wir erstens Abwechslung und zweitens nachher noch zum DWSlen nach Vathi wollten, probierten wir es trotzdem. Der Fels ist für Kalymnos tatsächlich wenig typisch: nicht sonderlich steil, mit vielen kleinen Löchern gespickt, mich hat's mehr an Sardinien erinnert. Die sonstige Kritik kann ich kaum teilen, ich hatte hier definitiv meinen Spass, fand die Routen cool und zweckmässig eingebohrt. Zutreffend ist hingegen, dass die Bewertungen gutmütig sind. Nach dem Aufwärmen gelangen mir Shotgun (7c), Hunter Killer (7b), The Mersey Beat (7a+), Mantis (7a+) und Battle Cry (7b). Meine beiden Frauen schafften zwar nicht das ganze Volumen, aber doch die Shotgun und die Hunter Killer, erneut ein grosses Bravo! Zur 7c ist noch anzumerken, dass die Bewertung nur dann Sinn macht, wenn man nicht in die 6c links daneben ausweicht. So müssen am Wulst doch noch ein paar (für Kinderhände perfekt geschaffene) Löcher gezogen werden. Mit dieser Ausbeute in der Tasche ging es weiter nach Vathi. Im vorigen Jahr hatten wir uns mit dem langen Quergang über dem Wasser beschäftigt, dieses Mal wollten wir nun in der Cave in die Höhe klettern. Dort hinzuschwimmen ist zwar möglich, aber doch arg weit (ca. 700m), man mietet bequemer ein SUP oder ein Kayak (am Hafen möglich, ca. 7 Euro/h). Wir hatten definitiv unseren Spass, aber für mich war es wie bisher immer beim DWS: entweder ist die Kletterei einfach, dann ist's psychisch ok, dafür erreicht man bald einmal bedenkliche Höhen, aus welchen ich lieber nicht mehr (unkontrolliert) ins Wasser fallen möchte. Oder dann ist's schwierig und steil, dafür droht ein heftiger Rückenklatscher, der schon bei moderater Höhe höchst unangenehm scheint. Somit ist DWS für mich mehr Spielerei als Sport, aber zur Abwechslung ja durchaus mal witzig.
Um zur DWS Cave bei Vathi zu kommen, eignet sich ein Kayak tiptop. Wäre auch eine coole Restday-Activity. |
Arginonta Valley & Magoulias Wall
Aufgrund der guten Erinnerungen ans letzte Jahr wollten die Kids nach Arginonta Valley. Wer würde da nein sagen?!? Vielleicht ein Papa, der gar nicht mehr so viele Routen in seinem Bereich zur Verfügung hat. Aber nein, einige interessante Touren waren durchaus noch offen. Den Auftakt machten wir mit der Naughty Monkey Extension (7a). Puh, definitiv eine der hässlichsten Kalymnos-Routen, die ich je geklettert bin. Die Verlängerung war derart seifig, dass ich den Onsight nur mit ein paar Klemmern in höchster Not retten konnte. Ich kann nur von dieser Route abraten. Nach der Zephyros Extension (6c+) blieb dann nur noch die etwas unbequem gelegene Rock'n'Roll Cave. Eine Route dort oben wurde mir gewährt, das war die Manic Street Preachers (7b+) - für das nächste Mal bleibt dann auch nur noch 7c und mehr. Aufgrund des inzwischen krassen Andrangs machten wir uns Richtung Magoulias Wall davon. Schliesslich kletterten wir dort nur noch die Enfer du Menage (7b). Sie ist lang und fühlt sich wegen dem Fels, der mäandrierenden Linie und der Absicherung irgendwie alpin und psychisch anspruchsvoll an. Und zum Schluss muss man dann auch noch die Fingerkraft auspacken.
Panorama von der Magoulias Wall auf die Bucht von Arginonta und die Sektoren Noufaro und Arhi gegenüber. |
Panorama
Da unser Rückflug erst um 17.45 Uhr abends ging, konnten wir auch am letzten Ferientag nochmals voll angreifen. Ein paar Pump-bis-platt-Routen im Bereich der Grande Grotta sind da immer willkommen. Zuerst die Rastapoupoulos (7a), die schon bis zum Zwischenstand mit glatten und nicht immer griffigen Sintern fordert. Die Extension (7b+) beginnt mit einem kleingriffigen Boulder, bevor es dann mit pumpigem Henkelgelände in sehr exponierter Position weitergeht. Die kürzlich hinzugefügte Where is my mind (7b) ist tatsächlich etwas zwischen die schon vorher existierenden Touren eingezwängt. Man kann/soll sie aber direkt über die Haken klettern, das macht sicher am meisten Spass und dann passt auch die Bewertung. Nun waren einerseits im linken Teil des Panorama-Sektors so viele Leute gekommen, dass man sich am Einstieg auf den Füssen herumstand. Andererseits war der Pump schon fühlbar. So verzogen wir uns nach rechts und kletterten noch die beiden Touren von Chäpi Ochsner selig, nämlich die Steinpilz (7a) und Chnosi Family (7a). In beiden steckt inzwischen die dritte Generation Bolts, hoffen wir, dass dieser ein etwas längeres Leben beschieden ist. Es handelt sich nun zwar um Klebehaken, doch leider nicht aus Titan. Somit sind bereits wieder Korrosionsspuren erkennbar, deren Langlebigkeit muss also bezweifelt werden. Jedenfalls bieten beide tolle, abwechslungsreiche Kletterei an Sinterbobbeln, gewürzt mit ein paar Crimpy-Passagen an scharfem Fels.
Bye bye, bis zum nächsten Mal! |
Das war's, für uns gab's das Abschluss-Gelato, eine Dusche und dann die Heimreise. Es waren erneut grandiose Ferien, meine Ausbeute für die Ticklist war dieses Mal qualitativ besser wie je zuvor: 1x8a, 5x7c, 8x 7b/+, 11x7a/+ und natürlich auch noch ein paar einfachere Touren. Und wenn's geht, sind wir wohl im 2020 wieder am Start.