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Montag, 28. Oktober 2019

Kalymnos 2019

Auch im 2019 führten uns die Herbstferien wieder nach Kalymnos, schon zum x-ten Mal. Klar, es gäbe noch viele andere Felsen auf der Welt, aber eine familieninterne Diskussion wäre da zwecklos, die Destination ist bereits gesetzt. Doch es ist noch schlimmer: jeden Tag vollführten wir exakt dasselbe Programm, Frühstücksbuffett im Hotel, Klettern, Gelati und Caffè beim Italiener, Strand zum Baden und für ein wenig Beach Tennis, Nachtessen in der one and only Aegean Tavern und dann ab ins Bett, um die Batterien für den nächsten Tag wieder möglichst voll aufzuladen. Tja, solch langweilige Ferien kann man verbringen ;-) Immerhin habe ich täglich die Glacésorten und das Znachtmenü ausgetauscht. Über die besuchten Felsen und gekletterten Routen werde ich hier einige Zeilen verlieren.

That's one of the reasons why we are coming back every year...

Noufaro

Die Felsen links von Arhi wurden lange Zeit vernachlässigt: zuerst nicht einmal komplett erschlossen, dann wenig besucht. Dabei bieten sie eigentlich vieles, was es braucht: kurzer Zustieg, ziemlich lange schattig, lässige Kletterei - nur die athletischen Sinterlinien fehlen weitgehend. Mir scheint, als ob sich die Lage jedoch ein wenig geändert hat, in diesem Jahr waren wir jedenfalls nicht mehr alleine vor Ort. Nach dem Aufwärmen konnten wir uns gleich die Amazona (7c) sichern. Wir, das heisst konkret Papa, Mama und Tochter. Somit bleibt ihr der schöne Rhythmus erhalten, jedes Jahr einen UIAA-Grad zuzulegen - mit 9 Jahren die erste 9 geklettert, bravo! Ich bin gespannt, wie viele Jahre sie das noch aufrecht erhalten kann :-) Mir gelang dann auch noch die benachbarte Themelio (8a), somit ein Auftakt nach Mass. Wie viel davon einfach super Form und welcher Teil auf die "Greek Anti Gravitational Initiative" zurückzuführen ist, bleibt wie immer offen. Jedenfalls kam danach die Sonne und wir verzogen uns in Richtung Summertime-Sektor, wo wir auf dem Heimweg noch ein wenig dem Genussklettern in der Mama Nota (7a) und der Peré Vert (7a) frönten.

So frisch und busper müsste man über die ganzen Ferien bleiben... dieses Mal klappte es recht gut.

Odyssey

Den Odyssey habe ich schon immer geschätzt und geliebt. Die Kehrseite der Medaille besteht darin, dass ich unterhalb von 7c inzwischen +/- alle Routen geklettert habe und bei den schwierigeren die tief hängenden Früchte auch schon abgegrast sind. Somit heisst's woanders hingehen oder an der Herausforderung wachsen. Da wir mit Freunden unterwegs sein wollten, war letzteres Motto Trumpf. Es gelang soweit bestens, endlich konnte ich mich einmal von der Altlast Sirene (7c) befreien. Dank ein paar zusätzlichen PS war's gar nicht mehr so schwierig. Mit der Ya Agori Mu (7a+) fand ich sogar noch eine neu erschlossene Route mit gemässigtem Grad, bevor ich mich nachher in der ebenfalls taufrischen Bosmogy (7c) versuchte. Guten Mutes und mit klarem Plan auf Durchstieg unterwegs, war der verflixte, rettende Griff auf einmal 5cm zu weit entfernt - muss wohl eine kurzfristige Erdverschiebung gewesen sein. Es blieb nichts anderes übrig, als mich aus meinem patentierten Bear-Hug-Double-Kneebar noch ein wenig mehr zu strecken. Die Physik machte dabei nicht mit, ein langsames Rausflutschen und ein paar hässliche Schürfungen waren die Quittung.




Sea Breeze

Den Sea Breeze hatte ich bisher als vermeintlichen Plaisir-Sektor an der Sonne nie auf dem Radar. Doch einerseits kam da die White Wine Wall neu hinzu, andererseits gibt's im Great Canyon doch recht lange Schatten und auch interessante Routen, die kürzlich saniert wurden. Die White Wine Wall kriegt bereits sehr früh ab ca. 11 Uhr Sonne. Da aber direkt am Weg gelegen, konnten wir dort zum Aufwärmen doch noch 2 Touren klettern: Erbaluce (7a) und Picolit (7a+). Beide kurz aber witzig, jedoch noch sehr neu und wenig beklettert, d.h. ziemlich knusprig. Im Great Canyon machte ich zuerst die Remy-Route Art in the Air (7a) - eine richtig harte Tropfloch-Kletterei in bester Wenden-Manier, für einmal mit alles andere als geschenkter Bewertung. Das Plastic Surgery Disaster (7b) dünkte mich kaum schwieriger, liegt aber vielleicht daran, dass die schwersten Züge eher etwas athletischer an Pockets sind, daher im Onsight einfacher zugänglich. Als nächstes wäre dann die Grotte rechts oben mit den steilen Routen auf dem Programm gewesen. Der Rest der Familie war jedoch fertig und wollte an den Strand. Ich willigte mit der Absicht ein, in einer Sundowner-Session noch in der Bosmogy (7c) den Punkt zu holen. Kurz eine gute Beta gezimmert und den Bear Hug verworfen, so lief es wie am Schnürchen und ohne weiteren Blutzoll.

Nicht nur die Kraft, auch die Haut ist ein Faktor, wenn man jeden Tag hart klettern will.

Spartan Wall

An der Spartan Wall bieten die schwierigeren Routen meist vertikale Wandkletterei, somit gibt's hier viel weniger Andrang als bei den Sinter-Bolzereien oben im Spartacus oder unten in der Grande Grotta. Eine mir noch unbekannte Route im 7a-Bereich gab's zum Aufwärmen leider keine mehr, somit wurde es die Motyka Jawa (6c+). Eine coole 50m-Seillänge, endloses Moven am Stück, auch tiptop saniert. Nur reicht ein 80m-Seil bei weitem nicht wieder runter, d.h. es ist etwas Bastelstunde nötig. Das Hauptziel war dann die Spartan Junior (7c) mit scharfer, technischer Crimperei, die viel Vertrauen in die Füsse erfordert. Muss man mögen, ich fand es hammermässig, klettere aber auch sehr gerne und routiniert in scharfem Fels. Im zweiten Anlauf ging's mir auf, hat mich fast ein wenig an die Zahir an den Wendenstöcken erinnert - nur dass ich jene nicht im Second Go schaff(t)e. Sozusagen als Ausgleich machten wir danach noch die ebenfalls sehr lange Yanap (7b+, 80m-Seil reicht nur gerade so knapp nicht, dass es doch reicht ;-)). Hier ist der Fels braun, glatt und teils so richtig seifig. Es sind aber doch coole Moves, es lohnt sich!

Spartan Junior (7c), eine rattenscharfe Wandkletterei!

Milianos Cave & DWS Vathi

Die Milianos Cave ist ein kürzlich erschlossener Sektor auf der Rückseite des Passes, der von Arginonta nach Vathi führt. Bei einer Gebietsvorstellung erhielt er zwar schlechte Presse (kurze, inhomogene, wenig interessante Routen, geschlagene Griffe, überbohrt und überbewertet), aber da wir erstens Abwechslung und zweitens nachher noch zum DWSlen nach Vathi wollten, probierten wir es trotzdem. Der Fels ist für Kalymnos tatsächlich wenig typisch: nicht sonderlich steil, mit vielen kleinen Löchern gespickt, mich hat's mehr an Sardinien erinnert. Die sonstige Kritik kann ich kaum teilen, ich hatte hier definitiv meinen Spass, fand die Routen cool und zweckmässig eingebohrt. Zutreffend ist hingegen, dass die Bewertungen gutmütig sind. Nach dem Aufwärmen gelangen mir Shotgun (7c), Hunter Killer (7b), The Mersey Beat (7a+), Mantis (7a+) und Battle Cry (7b). Meine beiden Frauen schafften zwar nicht das ganze Volumen, aber doch die Shotgun und die Hunter Killer, erneut ein grosses Bravo! Zur 7c ist noch anzumerken, dass die Bewertung nur dann Sinn macht, wenn man nicht in die 6c links daneben ausweicht. So müssen am Wulst doch noch ein paar (für Kinderhände perfekt geschaffene) Löcher gezogen werden. Mit dieser Ausbeute in der Tasche ging es weiter nach Vathi. Im vorigen Jahr hatten wir uns mit dem langen Quergang über dem Wasser beschäftigt, dieses Mal wollten wir nun in der Cave in die Höhe klettern. Dort hinzuschwimmen ist zwar möglich, aber doch arg weit (ca. 700m), man mietet bequemer ein SUP oder ein Kayak (am Hafen möglich, ca. 7 Euro/h). Wir hatten definitiv unseren Spass, aber für mich war es wie bisher immer beim DWS: entweder ist die Kletterei einfach, dann ist's psychisch ok, dafür erreicht man bald einmal bedenkliche Höhen, aus welchen ich lieber nicht mehr (unkontrolliert) ins Wasser fallen möchte. Oder dann ist's schwierig und steil, dafür droht ein heftiger Rückenklatscher, der schon bei moderater Höhe höchst unangenehm scheint. Somit ist DWS für mich mehr Spielerei als Sport, aber zur Abwechslung ja durchaus mal witzig.

Um zur DWS Cave bei Vathi zu kommen, eignet sich ein Kayak tiptop. Wäre auch eine coole Restday-Activity.

Arginonta Valley & Magoulias Wall

Aufgrund der guten Erinnerungen ans letzte Jahr wollten die Kids nach Arginonta Valley. Wer würde da nein sagen?!? Vielleicht ein Papa, der gar nicht mehr so viele Routen in seinem Bereich zur Verfügung hat. Aber nein, einige interessante Touren waren durchaus noch offen. Den Auftakt machten wir mit der Naughty Monkey Extension (7a). Puh, definitiv eine der hässlichsten Kalymnos-Routen, die ich je geklettert bin. Die Verlängerung war derart seifig, dass ich den Onsight nur mit ein paar Klemmern in höchster Not retten konnte. Ich kann nur von dieser Route abraten. Nach der Zephyros Extension (6c+) blieb dann nur noch die etwas unbequem gelegene Rock'n'Roll Cave. Eine Route dort oben wurde mir gewährt, das war die Manic Street Preachers (7b+) - für das nächste Mal bleibt dann auch nur noch 7c und mehr. Aufgrund des inzwischen krassen Andrangs machten wir uns Richtung Magoulias Wall davon. Schliesslich kletterten wir dort nur noch die Enfer du Menage (7b). Sie ist lang und fühlt sich wegen dem Fels, der mäandrierenden Linie und der Absicherung irgendwie alpin und psychisch anspruchsvoll an. Und zum Schluss muss man dann auch noch die Fingerkraft auspacken.

Panorama von der Magoulias Wall auf die Bucht von Arginonta und die Sektoren Noufaro und Arhi gegenüber.

Panorama

Da unser Rückflug erst um 17.45 Uhr abends ging, konnten wir auch am letzten Ferientag nochmals voll angreifen. Ein paar Pump-bis-platt-Routen im Bereich der Grande Grotta sind da immer willkommen. Zuerst die Rastapoupoulos (7a), die schon bis zum Zwischenstand mit glatten und nicht immer griffigen Sintern fordert. Die Extension (7b+) beginnt mit einem kleingriffigen Boulder, bevor es dann mit pumpigem Henkelgelände in sehr exponierter Position weitergeht. Die kürzlich hinzugefügte Where is my mind (7b) ist tatsächlich etwas zwischen die schon vorher existierenden Touren eingezwängt. Man kann/soll sie aber direkt über die Haken klettern, das macht sicher am meisten Spass und dann passt auch die Bewertung. Nun waren einerseits im linken Teil des Panorama-Sektors so viele Leute gekommen, dass man sich am Einstieg auf den Füssen herumstand. Andererseits war der Pump schon fühlbar. So verzogen wir uns nach rechts und kletterten noch die beiden Touren von Chäpi Ochsner selig, nämlich die Steinpilz (7a) und Chnosi Family (7a). In beiden steckt inzwischen die dritte Generation Bolts, hoffen wir, dass dieser ein etwas längeres Leben beschieden ist. Es handelt sich nun zwar um Klebehaken, doch leider nicht aus Titan. Somit sind bereits wieder Korrosionsspuren erkennbar, deren Langlebigkeit muss also bezweifelt werden. Jedenfalls bieten beide tolle, abwechslungsreiche Kletterei an Sinterbobbeln, gewürzt mit ein paar Crimpy-Passagen an scharfem Fels.

Bye bye, bis zum nächsten Mal!
Das war's, für uns gab's das Abschluss-Gelato, eine Dusche und dann die Heimreise. Es waren erneut grandiose Ferien, meine Ausbeute für die Ticklist war dieses Mal qualitativ besser wie je zuvor: 1x8a, 5x7c, 8x 7b/+, 11x7a/+ und natürlich auch noch ein paar einfachere Touren. Und wenn's geht, sind wir wohl im 2020 wieder am Start.

Mittwoch, 23. Oktober 2019

MYCC 5/2019: Lead-SM in Genève

Der letzte Wettkampf in der Serie des Mammut Youth Climbing Cup 2019 war als Schweizermeisterschaft in der Disziplin Lead ausgeschrieben. Auf mich als Coach und Larina als Teilnehmerin wartete zwar eine lange Anreise nach Genf, aber eine solche Gelegenheit lässt man sich natürlich nicht entgehen. Dank frühem Aufstehen und einer speditiven Anreise mit öffentlichen Verkehrsmitteln kamen wir immerhin um eine Übernachtung vor Ort herum. Gespannt traten wir nach der langen Fahrt in das Centre Sportif am Queue de l'Arve um zu sehen, was uns hier als Herausforderung präsentiert würde.

Die Kinder der U12 beim Studieren der Finalroute. Bild: SAC Swiss Climbing Team / Judith Schweizer
Auf den ersten Blick waren wir schon etwas verblüfft, hier bloss einen kleinen Kletterbereich mit alten, nur gut 10m hohen Strukturwänden in der Ecke einer sonst anderweitig genutzten Sporthalle zu erblicken. Für eine Schweizermeisterschaft hatten wir doch ein etwas würdigeres Ambiente erwartet. Halt in etwa so, wie es anlässlich der Boulder- und der Speed-SM vorhanden war, die auf der Weltcup-Infrastruktur in Meiringen bzw. Villars abgehalten wurden oder es uns sogar an Regionalwettkämpfen (z.B. im Griffig oder 6aplus) geboten wird. Verstärkt wurde dieser Eindruck natürlich noch durch die Tatsache, dass das Gros der Teilnehmer hier eine extrem lange Anreise auf sich genommen hatte. Irgendwie wäre es ja noch verständlich, wenn man sich an einem zentralen Ort auf eine nicht ganz topmoderne Anlage beschränken würde oder an peripherer Lokation dafür das Beste vom Besten zur Verfügung hätte... doch es ist, wie es ist.

Start in die Quali 2, wohl gut im 7a-Bereich. Wie man sieht aber leider mit Tutti Frutti an der Wand, wobei dies keine anderen Wettkampfrouten sind. Und dann gibt's eben die Inserts in verschiedenen Farben (man suche, grau, grün, hellblau, dunkelblau), wobei die einen erlaubt waren und die anderen nicht. 
Ein weiterer Kritikpunkt betrifft das Routensetting: an einer SM ist es meines Erachtens nicht statthaft, dass sich in den Routen noch andere, verbotene Griffe befinden. Das ist ja sogar an den Regionalwettkämpfen in aller Regel nicht der Fall! So musste ständig aufgepasst werden, keinen verbotenen Griff oder Tritt zu berühren. Dann gab es zahlreiche Inserts in verschiedenen Farben - die einen durften genutzt werden, die anderen hingegen nicht. Blöd nur, dass die Routen teilweise blind "um die Ecke" führten. Einfach tasten und an dem ziehen, was man in die Finger kriegte war nicht drin, da musste man sich schon sicher sein, dass es eine erlaubte Struktur war. Das alles zusammen führte schlussendlich zu vielen Kindertränen und "downrated ascents", d.h. nachträglich wegen einem Fehler korrigierter Höhe. Doch während das Judging teils knallhart ausgeführt wurde, beurteilte man andere Fälle mit Nachsicht (oder Ignoranz), d.h. halt einfach etwas inkonsistent. Selbst im offziellen Video des SAC... wer sucht, der findet. Nun ja, lassen wir das. Wir persönlich waren übrigens dank exakter Besichtigung von all diesen Unbillen verschont, d.h. ich schreibe all das rein aus Interesse an einem fairen, objektiven und möglichst sportlichen Wettkampf, wo alle Teilnehmer gleiche Chancen haben und gleich behandelt werden. Es sei an dieser Stelle trotz aller Kritik an Anlage und Setting jedoch explizit erwähnt, dass die vorderen Plätze generell von den "üblichen Verdächtigen" belegt wurden, d.h. ein selektiver Wettkampf war auch im Queue d'Arve möglich.

Das Ende der Träume in der Finalroute (schwarz, ca. 7b+). Links um die Ecke oder rechts im Überhang bleiben?!?
In der Qualifikation (Flash-Modus) lief es für Larina perfekt. Beide Routen, die eine wohl knapp im 7a-Bereich, die andere etwas darüber, konnte sie toppen. Das war der geteilte Platz 1 und das Ticket für den Final. Nun war alles möglich, im Final (Onsight, ca. 7b+!!!) musste nun einfach eine Bomben-Begehung kommen. Diese fand aber leider nicht statt. Eine entscheidende Stelle hatte sie falsch angegangen und das war's dann schon bald. Wie gut, dass ich aus eigener Erfahrung weiss, wie schwierig es so unter Druck in einer Wettkampfroute ist, jederzeit die perfekte Entscheidung zu fällen... Am Schluss fehlte in der Wertung sogar noch das entscheidende "+" und es resultierte "nur" Rang 8. Im Vornhinein hätten wir das und die Finalqualifikation durchaus unterschrieben, nun war es halt doch ein leichter Wermutstropfen - da wäre mehr möglich gewesen. Nichtsdestotrotz machten wir uns zufrieden und um viele Eindrücke und Erlebnisse reicher auf den langen Heimweg. Erst im nächsten Frühjahr geht's mit den nationalen Wettkämpfen weiter. Wir kommen wieder, machen unterdessen die Hausaufgaben und schauen, was es dann zu holen gibt! Zuletzt wünschen wir viel Spass mit dem offiziellen Video vom SAC / Swiss Climbing Team, inklusive kontemplativem Auftritt von Larina :-)


Mittwoch, 9. Oktober 2019

Wendenstöcke - Sawiris (7a+)

Bei der Sawiris (9 SL, 7a+) handelt es sich um eine exklusive Linie im oberen Wandteil des Reissend Nollen. Viele Begeher hat sie in der Dauer ihres bisher 12-jährigen Bestehens noch nicht gesehen, laut dem Wandbuch sind es nur 15 Seilschaften. Doch soweit bekannt kehrten alle hellauf begeistert zurück und sprachen von der oder zumindest einer der schönsten Routen an den Wendenstöcken. Soviel vorweg, meine Einschätzung fällt genau gleich aus. Der Fels ist wirklich von einer unglaublichen Kompaktheit und Güte, die Position weit über dem Tal herausragend, die Kletterei auf jedem Meter anspruchsvoll und die Moves durchgehend homogen schwierig im Bereich von 6b-7a. Jedoch gilt es, sich das Vergnügen erst zu verdienen. Abgesehen von der Titlis Südwand handelt es sich bei der Sawiris um die Wendenroute, welche den aufwändigsten Zustieg erfordert - dieser lohnt sich jedoch absolut.

Die grandiosen Wände des Reissend Nollen mit der Sawiris (9 SL, 7a+). Das Foto stammt nicht vom Tag der Begehung.
Wenige Minuten vor 8.00 Uhr liefen wir auf der Wendenalp los, wie so oft im Herbst leuchteten die Wände golden über uns - immer wieder ein tolles Erlebnis. Auf dem bestens bekannten Pfad ging's in Richtung Reissend Nollen, am Einstieg der Zambo vorbei (bis hierher 50-60 Minuten) und dann links hinaus. Die folgende Plattenzone erheischt auf den ersten Blick gehörigen Respekt. Quert man sie auf der Linie des geringsten Widerstands von links nach rechts, so geht's aber ganz leidlich (T6, II). Man kreuzt nochmals die Linie der Zambo in L6 und steigt dann nach links hinauf zum Beginn der As de Coeur. Von hier entlang des markanten Risses wieder etwas nach rechts hinauf auf die Bänder, welche den "Gipfel" von Spasspartout und Zambo markieren (II, kurze Stelle III, derzeit mit Fixseil entschärft). Nun gilt es noch, ein Stück horizontal bzw. leicht aufsteigend nach rechts zu traversieren, um dann am Ende nochmals 40m in gestuftem Gelände zum Beginn der Route hinaufzuklettern (I-II). Die in der Literatur angegebene Zustiegszeit von 2:30h ist sicher grosszügig bemessen, m.E. sind die ca. 900hm mit Ortskenntnissen bei sportlich-zügigem Gehen gut in 1:30-1:45h zu machen. Um ca. 10.00 Uhr waren wir nach einem Imbiss bereit und kletterten los.

Impressionen aus dem Zustieg: die golden leuchtenden Wände von Mähren, Pfaffenhuet und Gross Wendenstock.
Rückblick auf den heiklen Zustiegsteil (T6, II), der zum Einstieg von Caminando, Millenium und As de Coeur führt. Man beachte den Akteur ziemlich exakt in Bildmitte - sieht erschreckend aus, aber wenn man den einfachsten Weg findet, so löst sich doch alles ganz ordentlich auf.
L1, 6b, 25m, 3 BH: schon die ersten Meter sind kein Gehgelände mehr und bereits am und über den zweiten Haken spielt die Musik. Feines Antreten und runde Strukturen oder kleine Käntchen geschickt belasten ist das erste, aber längst nicht das letzte Mal gefragt. Aber es schadet sowieso nicht, sich gleich einmal gut mit dem Reibungskoeffizienten zwischen Schuh und Fels vertraut zu machen. Die zweite Hälfte dann einfacher aufs Band hoch.

L2, 6b+, 25m, 5 BH: schöne Plattenkletterei, zwischendurch gibt's auch noch ein paar originelle, runde Löcher. Ich fand diese Sequenz einfacher wie L1, auch die Haken stecken einen Tick näher beisammen. Meines Erachtens könnte man hier auch 6b und in L1 6b+ geben. Spielt ja aber dann auch keine solch grosse Rolle.

Auf den ersten Seillängen der Sawiris wartet technische Plattenkletterei bei grandioser Felsqualität!
L3, 6c+, 40m, 8 BH: nun geht's richtig los, wie mein französischer Kollege so schön schreibt "avec des pas très obligatoires en dalle". Die ersten Meter geht's wie bisher gehabt noch mehr oder weniger gemässigt dahin, doch die Hauptschwierigkeiten folgen bald: sie fordern extreme Steilplattenmoves und mutig-prekäres Antreten auf Reibung, und sind zwischen den Haken zwingend zu meistern - für mich Adrenalin pur! Nach dieser ~10m langen Cruxsequenz lässt's dann wieder etwas nach, die Haken sind auch wieder etwas dichter und freundlicher platziert, nur zuletzt gibt's nochmals einen nicht ganz trivialen Runout zum Stand hinauf.

Das Finish von L3 (6c+) ist nochmals fordernd. Nicht ganz so schwierig, aber der Abstand zum Stand ist einfach weit.
L4, 7a, 30m, 9 BH: langsam steilt's etwas auf. Nach einem ersten Wanderl mit schönen Leisten und Tropflöchern folgt nochmals eine etwas geneigte, nicht ganz so schwierige Zone, bevor es in die leicht überhängende Abschlusswand hineingeht. Die Griffe sind zwar da, aber so richtig gute oder positive Henkel fehlen dann eben doch. So pumpt's ordentlich und es wird im etwas unübersichtlichen Schlussteil vom letzten Haken zum Stand geprüft, wie viel Saft und Entschlossenheit zum Vorwärtssteigen noch übriggeblieben ist.

Göttlich das Gestein und athletisch die Kletterei in L4 (7a). Das Attribut 'unübersichtlich' für dieses Slopermeer passt.
L5, 7a, 25m, 6 BH: die offensichtlich ziemlich glatte Zone gerade oberhalb wird mit einem Linksquergang umgangen. Das geht vorerst ganz gut, wobei man sich hier bereits in überhängendem Gelände befindet und etwas angeplättet wird. Dort wo's dann wieder hinauf geht, gilt's dann über ein paar Meter, eine Schippe draufzulegen. Wie fast überall in der Wand gibt's fast unzählige Möglichkeiten, um auf Reibung anzutreten und sloprige Strukturen um sich in die Höhe zu schieben hat's ebenfalls viele. Nur die richtig guten Griffe/Tritte, wo man sich rasch vorwärts wuchten und auch wieder erholen kann, die fehlen eben mehrheitlich. So gilt's stets abzuwägen, ob man sich nun an dem, was man gerade hat einmal aufwärts schiebt, um dann möglicherweise in eine Sackgasse zu geraten, oder ob man weiter nach einer besseren Lösung sucht. Der Laktatpegel in dem Armen wird einem dabei möglicherweise die zu wählende Strategie diktieren.

Wenn der Fotograf den Apparat schön gerade gehalten hätte, so wäre der Beginn von L5 (7a) leicht überhängend.

Unglaublich kompaktes Gestein am Ende von L5 (7a). Gut gesichert zwar schon, aber trotzdem sehr verpflichtend!
L6, 6b+, 35m, 8 BH: hier legt sich die Wand nochmals ein wenig zurück und die Griffe sind mindestens gleich gut wie bis anhin, so klettert sich dieser Abschnitt genussreich und im Vergleich zu vorher und nachher schon beinahe erholsam. Undankbar darum wird manch einer nicht sein!

Vorzügliches Gestein auch in der etwas einfacheren Seillänge Nr. 6 (6b+).
L7, 7a+, 40m, 10 BH: es folgt nun nämlich eine richtige Monsterlänge mit anhaltenden Schwierigkeiten im ortstypischen Gelände, noch gewürzt mit einem athletischen Ausstieg. Die Wandkletterei zu Beginn ist betont senkrecht, man bedient dabei Seitgriffschlitze, scharfe Leisten, Tropflöcher und auch ein paar etwas staubige Schlitze, wobei wirklich fast jeder Meter voll fordernd ist. Wie bereits erwähnt spitzt sich die Sache am Ende zu. Über den unübersichtlichen Wulst am Ende muss man einfach noch hinweg, wobei die Griffe oberhalb zwar gross, aber eben auch sloprig-abwärtsgeschichtet sind. Hier geht mir doch tatsächlich 2 Moves vor der Rettung noch der Saft aus... schade!

So good, simply awesome! Die Cruxlänge (L8, 7a+) ist anhaltend fordernd, luft, steil & scharf.
Muss man das jetzt schon als grasigen Bruchfels bezeichnen?!? Endlich aus der steilen Zone in L7 (7a+) draussen.
L8, 7a, 35m, 9 BH: die kompakte Wand zu Beginn mit den Nahe steckenden Haken lässt vermuten, dass es hier gleich zur Sache geht. Und so ist's dann auch: am Anfang lassen sich die Schwierigkeiten noch geschickt überlisten, doch am dritten Bolt ist dann ein richtig kniffliger Mantle gefragt. Der Rest der Seillänge präsentiert sich dann ungleich griffiger und führt im 6b-Gelände genussreich zum Stand, wo sich auch das Wandbuch befindet.

Taffer Auftakt an kompaktem Fels in L8 (7a), wenig später lassen die Schwierigkeiten dann nach.
L9, 5b, 45m, 4 BH: die Erstbegeher schreiben auf dem Topo, die letzte Seillänge sei "nur alpinistisch interessant". Für mich keine Frage, dieser Abschnitt wird auf jeden Fall geklettert. Wobei, im Hinterkopf sind da dunkle Erinnerungen an die "alpinistisch interessante" Zusatzlänge der Tsunami, welche uns damals ziemlich in die Bredouille gebracht hat. Allerdings sieht der Fels hier deutlich kompakter aus, Bohrhaken sind sichtbar und die Abseilmöglichkeit vom Top ist ebenfalls gegeben, so zögere ich dennoch nicht. Der erste Teil der Seillänge bietet nochmals vergnügliche Kletterei, die gar nicht mal so einfach ist - vielleicht eher 6a als 5b?!? Danach wird das Gelände einfacher und die "losen Steine" kommen tatsächlich noch - mit etwas alpiner Erfahrung aber kein Thema. Der Stand befindet sich übrigens wirklich erst ganz oben auf dem Pfeilerkopf, den Einzelbolt mit Maillon muss man überklettern!

Ambiente am Top mit dem neu erbauten Gipfelsteinmann. Hinten die 3500er Sustenhorn, Gwächtenhorn und Tierberge.
Um 16.30 Uhr und damit nach rund 6:30 Stunden Kletterei sind wir auf dem Pfeilerkopf. Wie schon a priori erwartet, hatten die "nur" 9 Seillängen doch einiges an Zeit gekostet. Wir hatten zwar nirgends grosse Schwierigkeiten, doch die Kletterei ist sehr anhaltend anspruchsvoll und oft sehr tüftelig. Wer sauber Freiklettern will (wozu es sowieso meist keine Alternative gibt!), der braucht einfach Geduld und Zeit, um sich Übersicht zu verschaffen, die Moves zu planen und auszuführen. Da wir aber mit genügend Zeitreserve geplant hatten und das Wetter einwandfrei war, sprach auch nichts dagegen. Auf dem Pfeilerkopf kann man sich frei bewegen und stolz auf das Geleistete sein. Das Ambiente ist fantastisch, auch der Gipfel von Caminando bzw. Millenium befindet sich keine 100m entfernt und liesse sich über die Bänder querend erreichen. Ich nahm mir die Musse, den Punkt mit einem grossen Steinmann zu verzieren. Der Weiterweg hinauf zum Gipfel des Reissend Nollen sah gar nicht mehr einmal so übermässig weit und schwierig aus. Für diesen Tag war's keine Option, aber irgendwie ist's eben doch reizvoll... ich glaube, eines Tages muss ich einmal ganz hinaufsteigen (es sind noch ca. 300hm, teils Geh- und Kraxelgelände I-II, an der Schlusswand ein paar Seillängen IV bis V).

Hier könnte man noch weiter hinauf. Blick auf das einfache Gelände im Vordergrund, welches zur Gipfelwand führt.
Nach einer halbstündigen Pause machten wir uns an die Abseilfahrt. Die oberste Seillänge präsentiert dabei ziemlich suboptimales Abseilgelände. Wir machten diese in 2 Etappen an nur einem, doppelt genommenen Seilstrang - sonst besteht die Gefahr von Steinschlag und das Seil liesse sich vermutlich nur sehr schwer oder gar nicht abziehen. Auch die unteren Seillängen warfen bei mir a priori ob dem steilen Gelände und dem stets etwas nach links traversierenden Verlauf einige Bedenken auf. Schlussendlich ist das dann aber keine Sache und es ging flott voran, nach 5 weiteren Manövern waren wir zügig zurück am Einstieg. Aber natürlich ist die Sache hier noch keineswegs gegessen und der Weg ins Tal ist noch lange. Wir entschieden uns schliesslich, entlang der uns beiden unbekannten Remy-Routen Rockmantic und später dann Virus direkt über die Vorbauwand in die Tiefe zu gelangen (30m absteigen, 2x abseilen, 40m absteigen, 5x abseilen). Da die Routen teilweise spärlich ausgerüstet sind, sind der Verlauf bzw. die nächstfolgende Standplatz nicht immer ganz einfach zu finden. Schlussendlich brauchten wir so vom Einstieg der Sawiris zurück zum Parkplatz gerade gut 2:00h und damit länger wie für den Aufstieg - nicht ganz optimal. Folgende Optionen wären wohl besser:

Auf Spaziergang am Top der Sawiris. Der Ausstieg von Millenium/Caminando ist problemlos erreichbar.
  1. Abseilen über Sawiris, dann zu Fuss zurück über die Bänder und den Aufstiegsweg. Nachteil: viel heikle Abkletterei mit Schwierigkeiten bis T6/III. Kann entschärft werden, indem man 1-2x an Einzelbolts zum Einstieg von As de Cour abseilt und den unteren Vorbauteil 3x50m über Spasspartout.
  2. Wechsel vom Top von Sawiris zum Ausstieg von Caminando/Millenium, über die dortige Piste abseilen. Vom Einstieg dieser Routen kurz zu Fuss absteigen und dann noch 3x50m über den unteren Teil von Spasspartout abseilen. Nachteil: man kommt nicht mehr am Einstieg der Sawiris vorbei und muss mit Haulbag klettern.
  3. Wenn man schon direkt über den Vorbau abseilen will, so wechselt man nach dem ersten Teil (30m absteigen, 2x abseilen, 40m absteigen) sicherlich besser von der Rockmantic in die Via Italia, da die Abseilerei über den steilen Vorbauteil dort deutlich effizienter gestaltet werden kann (siehe Beschreibung). Das Top der Via Italia ist mit einer 20m-Querung auf Bändern gut erreichbar. 
Anyway, auch wenn der Weg ins Tal für einmal etwas Geduld und Ausdauer brauchte und es bereits gegen 20 Uhr und am Eindunkeln war, als wir auf der Wendenalp eintrafen: auch meine 36. Wendenroute war ein richtiges Highlight gewesen, von dem ich noch lange zehren konnte!

Facts

Reissend Nollen - Sawiris 7a+ (6c obl.) - 9 SL, 300m - Wicky/Krummenacher/Dollinger 2006 - *****;xxx
Material: 2x50m-Seile, 12 Express

Kaum eine Route an den Wendenstöcken erfordert mehr Aufwand im Zustieg wie die Sawiris. Trotzdem lohnt sich ein Besuch absolut, das Gestein und die Kletterei sind einfach fabelhaft - hier wackelt einfach gar nichts, 5 Sterne, keine Frage! Wer das Verhältnis von Lauf- zu Kletterzeit verbessern möchte, könnte alternativ auch über eine Vorbauroute starten. Ein sicherlich sehr lohnendes Unterfangen, das jedoch nur für starke und schnelle Seilschaften realistisch ist. Abgesichert ist die Sawiris gut, ja für Wendenverhältnisse stecken die Bolts sogar ziemlich üppig. Um trotzdem keinen falschen Eindruck zu vermitteln: die Kletterei ist anhaltend schwierig, geschenkte Meter gibt's fast keine. So muss man sich dennoch engagieren und immer wieder auch zwischen den Haken schwierige Moves klettern. Ich vergebe hier trotz der soliden Absicherung aufgrund vom Gesamtanspruch nur xxx, jedoch bestimmt an der oberen Grenze. Für mobiles Sicherungsmaterial konnte ich keinen nennenswerten Einsatzzweck erkennen, wir hatten dieses gleich daheim gelassen - dies kann man m.E. auch getrost so machen. Nähere Infos zu den anderen Touren am Berg und ein Topo findet man im Schweiz Extrem West.

Freitag, 4. Oktober 2019

Ailefroide - Cascade Blues (6a)

Vor der langen Heimreise und dem Stillsitzen auf dem Polster wollten wir noch eine Route in Ailefroide klettern um ein wenig Bewegung zu erhalten und die schöne Berggegend ein letztes Mal zu geniessen. Die Wahl fiel auf die Paroi de la Draye, die mit minimalem Zustieg und vormittäglichem Schatten auftrumpft. Ebenso dünkten mich die Touren an dieser Wand auch nicht ganz so stark frequentiert wie jene an der Poire, im Palavor-Sektor oder bei der Fissure, aber möglicherweise hatten wir auch einfach Glück. Erwähnt sei aber auch, dass die Routen an der Draye vielleicht auch nicht ganz so homogen gut wie die beliebteren Ziele sind, sie bieten aber trotzdem lässige Kletterei. Meinen kleinen Mann konnte ich insbesondere damit locken, dass auf dieser Tour auch noch 2 Wasserfälle (wovon 1 aber ausgetrocknet) überschritten werden mussten. Zudem konnte er dank dem Mix von einfacheren und schwierigeren Seillängen auch die Hälfte der Route vorsteigen.

Ansicht der Paroi de la Draye, Sektor Cascade von der Strasse, mit dem Verlauf von Route, Abseilständen und Fussabstieg.
Nachdem wir das Zelt getrocknet und verräumt sowie unser ganzes Hab und Gut eingepackt hatten, waren wir erst am frühen Nachmittag startbereit. Unmittelbar Ausgangs Ailefroide beim Ortsschild gibt's ein paar wenige Parkplätze, ein wenig bergaufwärts startet auch der Pfad, der in wenigen Minuten zur Wand führt. Eine Seilschaft hatte eben schon den Gipfel erreicht, sonst war niemand zugegen, umso besser für uns! Um 13.10 Uhr stiegen wir ein, die Sonne hatte vor kurzem die Wand erreicht - an heissen Tagen begeht man die Tour also vorzugsweise am Vormittag, für uns herrschten jedoch auch an der Sonne angenehme Bedingungen.

L1, 6a: Schöne Seillänge mit griffiger Kletterei, wobei im oberen Teil mit ein paar athletischen Zügen über eine Kante hinweg nach rechts geklettert werden muss. Einige mit der Bohrmaschine modellierte und mit Sika ausgekleidete Griffe erleichtern dies. Sie können aber problemlos vermieden werden, nach meinem Empfinden ändert der Schwierigkeitsgrad dabei kaum. Wer voll am Limit ist, empfindet dies vielleicht anders?!? Doch auch dann: ist es wirklich sinnvoll, Routen auf diese Art zu präparieren?

Schöne Kletterei mit ein paar unnötigen, modellierten Griffen in L1 (6a).
L2, 5c: Durch den Gemüsegarten geht's zur nächsten Wandstufe. Von weitem sieht diese niedlich aus, aus der Nähe ist's dann gar nicht mal so popelig. Die Stelle ist zwar gut abgesichert, aber aufgrund vom Gelände ist hier doch ein heikler Bodensturz gar nicht so unwahrscheinlich. Tja, die Nerven von einem Vater, der seinen Kleinen vorsteigen lässt. Er meistert es aber souverän. Im Zweifel besser am Fuss der Wand einen improvisierten Stand machen. 

L3, 6a: Sehr schöne Kletterei mit der Ailefroide-typischen Mischung von Platte/Wand einer Art Rampe entlang aufwärts. Zum Schluss einige feine Moves an einer runden Plattenkante mit grossen Slopern, das fand ich sehr elegant. Hier wurde die Absicherung verbessert (Haken versetzt/ergänzt), so dass man perfekt gesichert steigen kann.

Nach meinem Empfinden die schönste, schwierigste und beste Kletterstelle der Route, das Finish von L3 (6a).
L4, 4b: Die erste Wasserfallquerung. Quergang nach links, dann eher zum Bach hinab. Wer seinen Aufenthalt im Spritzbereich minimieren will, nimmt wohl gerne die Seilstücke links und rechts zur Hand. Puristen können auch freiklettern, wobei das Gestein natürlich schon etwas glitschig ist. Ich bin die Stelle barfuss geklettert, die Finken bleiben sonst garantiert nicht trocken.

Er hat die Wasserfallquerung in L4 (4b) geschafft, den folgenden Plattenbuckel von L5 (5c+) kann man gut im Profil sehen.
L5, 5c+: An eher kleinen Griffen gleich aus dem Stand raus ein bisschen kräftig über die Stufe, danach plattige Kletterei. Um den angegeben Grad zu klettern, muss man an entscheidender Stelle eine kurze, aber entschiedene Rechtsquerung einleiten. Wer den Gummi testen will, kann auch gerade hinauf (dann schwieriger wie 5c+).

Die Cascade, die dem ganzen Sektor und der Route den Namen gibt.
L6, 5a: An dieser Stelle könnte man das nächste (zum Zeitpunkt unserer Begehung ausgetrocknete) Bachbett schon queren. Vor allem auch sind links davon Haken sichtbar, obwohl es laut meinen Topos dort (noch) keine Route gibt. Das wäre aber der falsche Weg: es geht geradeaus über die einfache, geneigte Zone und durch die schöne, steilere Wand. Hier ist die Absicherung für einen Kindervorstieg eher grenzwertig (Abstände etwas grösser und die Bolts stecken unangenehm hoch).

L7, 4b: Nun folgt die zweite Bach(schlucht)querung. Einfach den Bohrhaken entlang nach links und etwas absteigend in die Schlucht. Die Haken stecken hier sehr eng und auch freundlich für schwächere Nachsteiger. Jenseits dann im Gehgelände hinüber zum letzten Aufschwung. Stand entweder im flachen Gelände schon davor oder (besser) direkt an dessen Fuss, da sonst zu Beginn der schwierigen Kletterei auch wieder die Gefahr von einem Bodensturz droht. 

Sieht mehr ein bisschen nach T6-Wandern aus... der Fels ist aber gut und solide (L7, 4b).
L8, 6a: Am letzten Felskopf gab's zur Zeit unserer Begehung 2 Linien. Welche davon wirklich die Cascade Blues ist, konnte ich nicht entschlüsseln. Nach den Topos wäre es die Linie ganz rechts, allerdings steckte dort quasi taufrisches Hakenmaterial und mir schien es, als wäre das eine neue Route oder Variante. Somit überliess ich meinen Sohn die Entscheidung, er entschied sich für die (wohl etwas schwierigere) linke Variante. Nochmals sehr schöne Steilplattenkletterei, prima Abschluss!

Top erreicht! Der Auftakt in L8 (6a) ist nochmals fein, am Ende geht's dann griffiger zuher.
Am Top gibt's nicht viel neues zu holen und zu sehen, zudem wartet auf uns noch ein langer Heimweg. So verweilen wir nicht lange und fädeln die Seile nach ca. 2:45h Kletterei gleich in den Abseilring. Ja, extrem schnell waren wir heute nicht gewesen, eine ziemlich gute Zeit ist's trotzdem -  Kindervorstieg braucht jedoch immer etwas Geduld, ist ja auch genau richtig so. Direkt runter (im Aufstiegssinn links vom Bach und der Route) geht's 45m runter, man muss eher etwas nach NW halten! Das Seilabziehen klappt und so machen wir uns gleich auf die nächste, nun 50m lange Etappe. Von dort kann man zu Fuss entlang von einem Pfad (T5) abkraxeln, dann noch den Bach überqueren und man ist zurück am Einstieg. Bald sind wir zurück an der Strasse, wo wir nach Ailefroide schlendern, um zum Ferienabschluss noch ein kühles Getränk und ein Glacé zu geniessen. Dann machen wir uns auf den Weg, es dauert nicht lange, bis alle friedlich schlafen und sich von den Anstrengungen erholen, während Daddy am Steuer die Arbeit erledigt.

Facts

Ailefroide - Cascade Blues 6a (5b obl) - 8 SL, 240m - J.M. & S. Cambon 1992 - ***;xxxx
Material: 2x50m-Seile, 12 Express

Hübsche, abwechslungsreiche Plaisirtour, auf welcher kompakte Platten im 5c/6a-Bereich durch ein paar einfachere Abschnitte verbunden werden. Diese haben nicht unbedingt und überall Premium-Qualität, sind aber problemlos machbar. Sehr originell ist die unumgängliche Querung des Wasserfalls (2x, wohl meist 1x ausgetrocknet). Die Absicherung mit BH ist sehr gut ausgefallen (Plaisir gut+), vor nicht allzu langer Zeit wurden noch einige Runouts entschärft, andere Haken versetzt und die Stände mit rostfreiem Material teilsaniert. Original steck(t)en wie bei JMC üblich nur verzinkte Haken, welche aber meist noch akzeptablen Zustand aufweisen.