Mit der langen Trockenperiode im März und schon sehr frühlingshaften Temperaturen fühlt man das Ende der Skitourensaison zügig daherkommen. So zumindest die lokale Betrachtung: dass es noch keine 2 Wochen her ist seit der letzten Voralpentour und in den nächsten Tagen vermutlich wieder Schnee bis vor die Haustüre fällt, ist da nicht auf dem Radar. Wir wollten nochmals von den günstigen Bedingungen Gebrauch machen, bevor die Bretter mutmasslich im Keller eingesommert würden. Aus einem Strauss von verschiedenen Zielen wählten wir schliesslich die Calderas-Revival-Tour. Vor ziemlich genau 5 Jahren waren wir bei fantastischen Verhältnissen von Sur via die Alp Flix zum Kulminationspunkt des Err-Massivs getourt. Nun galt es auch noch, den nur unmerklich niedrigeren, namensgebenden Gipfel zu besuchen.
Ausblick beim Erreichen des Plateaus der Alp Flix auf den Routenverlauf zum Piz d'Err. |
Wir starteten wenige Minuten nach 8.00 Uhr in Sur beim P.1538 an der Julierstrasse. In Unkenntnis der genauen Schneeverhältnisse hatten wir die Bikes mitgenommen, um so über die möglicherweise schon aperen Hänge Richtung Alp Flix radeln zu können. Dies wäre nicht unbedingt nötig gewesen. Vom grossen Parkplatz (12 CHF/Tag) bei der Kirche (P.1620) hätte man die Bretter nur wenige Minuten portagieren müssen, bis die Strasse durchgehend und abschnallfrei befellbar war. Da es auf dem Hartschnee so schön rollte und für den Rückweg kein Skigenuss absehbar war, strampelten wir bis zum Abzweig auf ca. 1835m hinauf. Ab da dann mit Ski der Tourenroute entlang erst nach N, dann ENE zur Siedlung Tgalucas.
Eine tolle Gegend, der stolze Piz Platta (3391m) markiert sein Revier im Oberhalbstein. |
Über breite Hänge stiegen wir in den Kessel von Tellers Davains und gegen dessen östlichen Abschluss. Ab da steilt sich die Sache gehörig auf, über ~350hm ersteigt man die durchgehend 35-40 Grad steile Südflanke in die Scharte zwischen P.3307 und Piz d'Err. Die Verhältnisse waren tipptopp mit griffigem Hartschnee. Interessant nur, dass gewisse Tourengänger schon am Beginn dieser Flanke Skidepot erstellt hatten und den gesamten Hang zu Fuss erstiegen hatten. Einmal in der Lücke (ca. 3225m) ist man dem Gipfel schon sehr nahe und kriegt einen Überblick über Situation und Geschehen am Berg. Denn hatten wir bis dato nur von Weitem zwei Kleingruppen von Tourengängern erblickt, so herrschte am Gipfelhang ein emsiges Treiben von Leuten, die von der Chamanna Jenatsch her kamen.
Sieht flach und kurz aus, ist aber der 350hm-Hang mit 35-40 Grad zur Lücke 3225m. |
Noch fellend stiegen wir den 35-40 Grad steilen Osthang zum Fuss der Gipfelfelsen hinauf und wurden Zeugen einer skurrilen Szene. Eine 6er-Seilschaft befand sich im (für sie) mühevollen Abstieg. Erst warfen sie alle ihre Skistöcke gemeinsam in die Tiefe - ob zur Beschwörung der Götter oder um unnötigen Ballast loszuwerden, erschloss sich für uns nicht ganz ;-) Dann stiegen 5 Personen am kurzen Seil ab, während der Capo das Seil um die Schultern führte und so für "Sicherheit" sorgte. Eigentlich wollte ich ihn fragen, ob er einen 5-gegen-1 Wettkampf im Seilziehen, dazu noch auf stark zu seinen Ungunsten abfallendem Terrain fair fände, bzw. eine Siegchance für sich erkennen würde... wir sprachen aber nicht dieselbe Sprache und somit blieb die Antwort aus :-)
6er-Seilschaft im Abstieg: sicher(n) ist sicher! |
An diesem Punkt auf 3300m schnallten wir die Bretter auf den Rücken und wechselten auf Fussaufstieg. Dank idealem Schnee und guten Tritten brauchten wir weder Pickel noch Steigeisen, auch wenn die Neigung erst auf gut 40 und ganz oben sogar 45 Grad zunimmt. Man erreicht eine Gratlücke (ca. 3360m), welche überraschend eine umfassende Aussicht nach Norden ins Oberhalbstein präsentiert. Da deponierten wir die Ski und stiegen im einfachen Fels der NNW-Flanke die letzten Höhenmeter zum Gipfel, den wir ein paar Minuten vor der Mittagszeit in rund 3:45h ab Sur erreichten. Die Verhältnisse waren mild und windarm, so dass die Rast sehr angenehm ausfiel.
Beginn der Abfahrt ab der Gratlücke ca. 3360m, die Ostrinne dahin zuoberst 45 Grad steil. |
Schliesslich stiegen wir hinab in die Lücke zu den Ski und fuhren gleich von dort über die steilen Osthänge ab. Der 6er-Trupp hatte inzwischen auch den Fuss der Flanke und ihr dortiges Depot erreicht, dem Anschein nach unbehelligt und -beschadet. Besser so für alle, dachten wir uns und bogen ab in den Südhang. Dessen rechte Seite stand schon länger in der Sonne und bot schöne Sulzschwünge. Nach der langen Trockenperiode war die Schneeoberfläche allerdings nicht mehr allzu glatt und somit gab es keinen Premier-Cru-Sulz. Etwas erstaunt trafen wir am Fuss der Südflanke nochmals auf einen grossen Trupp Tourengänger, der eben seine Ski deponiert hatte und sich nun zu Fuss Richtung Gipfel aufmachte. Beim angeschlagenen Tempo wären es hin-und-zurück sicher mindestens 3h, eher wohl 4h rechneten wir aus. Bestimmt nicht das vernünftigste Vorhaben, wenn die Uhr bereits die 13. Stunde des Tages anzeigt. Aber wie so manche komische Szene an den bekannten und hohen Bergen wird es wohl auch da gut ausgegangen sein.
Lässiges Sulz-Cruising in der steilen Südflanke am Piz d'Err. |
Naja, nicht unser Problem, konstatierten wir und nutzten den schönen Sulz für beschwingtes Cruising zur Alp Flix, von wo wir rasch das Bikedepot erreichten. Der Downhill im weichen Schnee mit dem Bike offerierte nochmals Spass und so schloss sich der Kreis bald an der Passstrasse. Das wohl platzierte Tourenabschlussgetränk war schön kühl geblieben, wir indessen konnten auf die kurzen Hosen umsatteln und eine schöne, genussreiche Tour konstatieren, welche den Ausflug auf jeden Fall wert gewesen war. Ob die Bretter jetzt tatsächlich in den Keller wandern werden wir sehen, im Angesicht der neusten Wetterprognosen aber wohl eher noch nicht.
Schöne, breite und ideal geneigte Skihänge gegen die Alp Flix hinab - Plaisir pur! |
Facts
Piz d'Err (3378m) ab Sur, 1800hm (oder weniger, je nach Befahrbarkeit der Strasse zur Alp Flix).
Ski-Schwierigkeit S+, anhaltend 35-40 Grad steil über 350hm, Gipfelaufstieg WS
Material: Steigeisen & Leichtpickel (bei normalen/guten Verhältnissen verzichtbar)