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Samstag, 29. November 2025

Skitour Fanenstock (2237m) & Färispitz (2178m)

Viel Neuschnee, stahlblauer Himmel und angenehme Bedingungen. Da kam es gerade gelegen, dass sich auf der Agenda keine unverrückbaren Termine befanden. Der Powder wollte für eine Tour genutzt und mit Spuren verziert werden. Zu Saisonbeginn und mit erhöhter Lawinengefahrenstufe waren die Tourenziele etwas beschränkt. Nicht zum ersten Mal bei diesem Szenario setzte ich auf den beliebten Fanenstock, mit der Option meine Tour noch in weniger frequentierte Gebiete auszudehnen.

Wunderbares Ambiente beim Aufstieg, hier eben oberhalb der Hütten von Gamperduner Stafel bei P.1772. Der Blick auf den Elmer Talkessel, mit dem Vorab links, dem Hausstock im Talschluss, während am rechten Bildrand noch der Gross Chärpf grüsst.

Um 9.25 Uhr startete ich beim alten Bahnhof von Elm (970m). In der schattigen Talsohle war es frostig kalt (-9 Grad). Und ich war genügend spät dran, dass der Spurtrupp bereits aufgebrochen war - für einen Senioren und Sportkletterer ist das durchaus als Vorteil zu werten. Schon beim Ausgangspunkt lagen ca. 35cm an frischem Powder, weiter oben noch viel mehr - hier den Graben zu pflügen war zwar bestimmt und wie immer eine freudvolle, aber eben auch sehr anstrengende Aufgabe.

Faszinierender Blick auf den Piz Sardona. Kaum zu glauben, dass er von dieser Seite als Skitour begangen werden kann! Doch diese Tour durch das Sardona-Chämi aus dem Jahr 2018 habe ich in allerbester Erinnerung. An dieser Stelle Grüsse an meinen damaligen Tourenpartner Snizi!

Ich gewann zügig an Höhe und ob dem guten Trassee konnte ich meine Blicke und Gedanken schweifen lassen. Beim Aufstieg zum Fanenstock fokussieren sich diese unvermeidlich auf Heinz. Mit ihm war ich damals als Jungspund mit wenig Tourenerfahrung hier unterwegs. Er war zu dieser Zeit schon in meinem heutigen Alter und ein richtiger Skitourenfreak. Häufig und sportlich unterwegs, bereits in den 1990er-Jahren mit einer Pin-Bindung und mit Ski Trab materialmässig leicht und innovativ am Start. Ich erinnere mich noch gut, wie wir bei dieser Gelegenheit den Aufstieg "locker" unter zwei Stunden schafften. Also "locker" in dem Sinne, dass die Uhr klar unter der gesetzten Marke stehen blieb... bei der Beschreibung meines Pulses und der Atemfrequenz kämen sicherlich andere Attribute zum Einsatz.

Schon am Gipfel - Fotos und Text passen nicht ganz zusammen. Doch im ersten Teil des Aufstiegs, welcher noch im Schatten verlief, gab es nicht allzu viele spannende Motive abzulichten. Dafür später dann umso mehr.

Mit Heinz unternahm ich noch manche Ski- und Klettertour. Aber leider nicht für allzu lange. Aus dem heiterhellen Himmel wurde er mit einer Krebserkrankung diagnostiziert und während eine erste Behandlung noch Erfolg zeigte, kam dieser einige Monate später zurück. Heinz musste wenig später von uns gehen - als kurze Zeit davor noch topfitter und kerngesunder Alpinsportler. Ehrlich gesagt fährt mir der Gedanke daran heute sogar mehr ein wie damals. Ich denke, es ist ganz natürlich, sich mit gut zwanzig noch mehr oder weniger unverwundbar zu fühlen. Doch in dem Alter, wo einiges am Körper so langsam zu klappern beginnt, sieht das anders aus. Mein Fazit beim keuchenden Aufstieg: wir müssen die schönen Tage wie den heutigen umso mehr geniessen - wer weiss schon, wie oft uns das noch vergönnt ist.

Bildmässig schon auf der ersten Abfahrt. Hinten gut sichtbar, dass es an diesem Tag die richtige Entscheidung war, sich auf mässig steiles Gelände zu beschränken - sonst nimmt der Spass dann möglicherweise ein unnötig frühes Ende.

Meine Gedanken spinnend hatte ich inzwischen die Schindelegg und damit die Sonne erreicht. Die Temperaturen stiegen schlagartig an, ein kurzer Stopp um einige Kleiderschichten im Rucksack zu verstauen war unabdingbar. Inzwischen hatte ich eine grössere Gruppe passiert und am Rastplatz noch einige weitere Tourengänger. Nur noch wenige waren weiter vorne unterwegs, so dass sich die Frage aufdrängte, ob ich wohl doch noch Spurarbeit leisten müsste. Die Antwort lautete aber nein, als ich kurz vor dem Fanenfurggeli erstmals den Gipfel erblickte, traf die Vorhut eben dort oben ein. Wohl ein paar Minuten nach 11.30 Uhr schlug ich am Top an. Die zwei Stunden blieben somit nominell ungeknackt, wobei ich damals mit Heinz beim Töniberg gestartet war, was den Aufstieg um 70hm und sicher 10 Minuten kürzer macht. Somit darf ich meine Zweifel also gerne mit "immer noch gleich schnell wie vor 30 Jahren" beruhigen, auf die Minute oder genauer muss das nicht erörtert werden.

Fantastische Einsamkeit bei meinem zweiten Aufstieg zum Färispitz. Oder wie ich auf Insta zu diesem Bild geschrieben hatte: "Somebody had to go first - I volunteered". Hinten im Bild übrigens der inzwischen (in voller Auflösung erkennbar) gut verspurte Fanenstock.

Die ersten vier Abfahrer zogen ihre Linien in den Gipfelhang - ich nahm mir die Zeit für eine Pause mit grandiosem Ausblick. Denn erstens ist der Hang mehr als breit genug, zweitens zog es meine Vorfahrer alle sehr rasch zurück zum Fanenfurggeli, auf den bequemsten Weg ins Tal. Bei mir waren hingegen Kraft, Zeit und Motivation vorhanden, noch auf eine Extratour zu gehen. Etwas nordöstlich fand ich meine eigene Linie, welche mich in tollem, absolut unberührtem Powder zu einem Punkt etwas westlich der Hütten von Chamm (ca. 1930m) führte. Da wurde wieder angefellt, nun hiess es selber eine Spur zu treten - bei schuhtiefem Einsinken zwar eine anstrengende Sache, aber in dieser einsamen, unberührten Landschaft mit dem in der Sonne glitzernden Pulver eine grandiose Sache.

Gipfelpanorama vom Färispitz - einfach grandios!

Mit durchaus etwas müden Beinen erreichte ich den Färispitz (2178m), pausierte nochmals und freute mich auf eine komplett unberührte Abfahrt. Erst über den Rücken, dann über offene Hänge und weiter unten dann mit einem Tree Run ging's hinunter zur Alpstrasse beim Eggboden auf 1600m. Über einige Kehren und nochmals etwas offenes Gelände erreichte ich schliesslich die Brücke über den Flinserbach bei P.1401. Ab hier über die flache, ungespurte Alpstrasse zurück auf die Fanenstock-Route zu kommen, hatte viel Schiebearbeit bedeutet. Da war es deutlich bequemer, nochmals rasch die Felle zu montieren und 60hm hinauf zur oberen Strasse zu steigen. Dort konnte ich von der inzwischen gut ausgefahrenen Spur der Fanenstock-Gänger profitieren. So lief es zügig, einige weitere Pulverschwünge brachten mich dem Talboden entgegen, und eine Schussfahrt über die vereiste Strasse zurück zum Ausgangspunkt. Wow, wow, wow, das war nun Winter Wonderland at its best gewesen!

Letztes Anfellen bei der Brücke P.1401

Einen kleinen Epilog zu meiner persönlichen Erinnerung gibt es auch hier: der nächste Tag präsentierte sich nochmals mit sehr guten Tourenbedingungen. Nur liess meine Agenda nicht ganz so viel Freiheit zu. Immerhin, für ein Tüürli im Züri Oberland reichte es - und was für eines: ich traf den genau richtigen Zeitpunkt für die Abfahrt, 500hm über unverspurte Hänge bei tollen Conditions. Ein richtig tolles Dessert!

Facts

Fanenstock ab Elm Station, 1270hm, Ski-Schwierigkeit WS-
Weiterweg zum Färispitz, total +300hm, Schwierigkeit WS-
Abfahrt über Färiboden, ZS-, Wildruhezone beachten!

Dienstag, 25. November 2025

Skitour Prodkamm (2006m)

Der Auftakt zur Skitourensaison 2025/2026 kam nun doch überraschend zügig. Nur eine Woche zuvor waren wir Mitte November noch im Rätikon geklettert und hatten den ersten Komplettdurchstieg meiner neusten Route im Gebiet realisieren können. Zwei Schneestürme später war daran nicht mehr zu denken, die Alpen waren flächendeckend und bis in relativ tiefe Lagen weiss verzuckert worden. Weil die Griffel wegen der jährlichen Kletterpause sowieso etwas ruhen sollten, wurden die Bretter umso lieber aus dem Keller geholt.

Hinauf zum Prodkamm! Für mehr Ambiente stiegen wir abseits der Liftanlange über den SE-Grat auf.

Da noch kaum eine Unterlage vorhanden war, orientierten wir uns zum eher sanften Gelände in mittleren Höhenlagen. Da die Lifte noch nicht in Betrieb waren, erkoren wir den Prodkamm in den Flumserbergen zum Ziel. Mit dem Sessellift hatten wir die Bergstation schon x-mal erreicht, die 61 zusätzlichen Höhenmeter zum Gipfel jedoch noch nie in Angriff genommen. Dieses Mal sollte noch etwas mehr Effort nötig sein: unsere Tour startete in Tannenheim auf 1220m. 

Unten gab es noch etwas hochnebelartige Bewölkung (die aber nur wenig störte)...

Was gibt es von der Tour zu berichten?!? Der Himmel war stahlblau, der Powder wunderbar fluffy und in ausreichender Menge vorhanden, die Temperaturen auf der eher frischen Seite (ca. -12 Grad am Gipfel). Als zwei Sportkletterer im Ruhemodus liefen wir relativ gemütlich, es war ein grosser Genuss. Nur ein Punkt verdient noch Erwähnung: unterwegs trafen wir auf einen Vater mit seinen zwei Chnoblis im tiefen Primarschulalter (oder sogar noch Kindergarten?!?). Die beiden liefen selbständig die ganze Strecke bis zum Gipfel, Chapeau! Da musste sich ja dann Larina schon richtig wie ein alter Hase fühlen - es sind nun doch schon viele Jahre, dass wir zusammen im einen oder anderen Modus auf Tour gehen. Bei dieser Gelegenheit übrigens mit der von Mama ausgeliehenen Ausrüstung, wo inzwischen Boots und Skilänge passen. Tja, die Zeit vergeht rasch - umso wichtiger, dass man sie nicht "vertöörlet", sondern sie besser für solch tolle Ausflüge nutzt. 

...oben war es dann grand beau, ein richtiges Wintermärchen.

PS: am darauffolgenden Tag konnten wir gleich nochmals nachdoppeln und das morgendliche Schönwetterfenster für eine weitere schöne Tour im Tössbergland nutzen. Es lag zwar nicht allzu viel Schnee - doch auch da ausreichend fluffiger Powder für eine sehr genussreiche Abfahrt. So darf der Winter gerne weitergehen.

Facts

Prodkamm (2006m) ab Tannenheim
800hm, Schwierigkeit L, lohnender wenn kein Skibetrieb ist.

Montag, 17. November 2025

Vorder Mattstock - Millenium (6c A0)

Zu Beginn meiner Kletterkarriere in den 1990er-Jahren war ich einige Male am Vorder Mattstock: Fatal Morgana, Schnuddernase, mehrmals die Furggelenverschneidung und die Furggelenplatte, das waren die Routen, die damals hoch gehandelt wurden. Heutzutage läuft in diesem Gebiet nicht mehr viel: die Filidor-Führer schenkten ihm nie Aufmerksamkeit, vielerorts ist das Material auch etwas angejahrt, die Routen sind in Vergessenheit geraten. So restlos nachvollziehbar ist das nicht: klar sind die Klettereien eher kurz, sie bieten aber tollen Fels und anhaltende Moves, noch dazu ist das Gebiet nicht abgelegen, rasch zugänglich und bietet eine lange Saison. 

Blick auf die Wand am Vorder Mattstock mit dem Verlauf der Route Millenium.

Jedenfalls: die hier beschriebene Tour existierte bei meinen Besuchen in den 1990er-Jahren noch gar nicht. Das nach ihrer Erschliessung ergatterte Topo musste aber lange auf meiner Festplatte lagern, bis es nun endlich zu dessen Nutzung kam. Spontan ergab sich die Möglichkeit für ein paar freie Stunden, doch mit einem tiefen Cut im Finger war an Limit-Sportklettern oder Bouldern nicht zu denken. So kurzfristig einen Kletterpartner für eine MSL zu finden gelang mir logischerweise nicht, doch ich sinnierte, dass diese kurze und dem Vernehmen nach sehr gut abgesicherte 6c-Route sich in meiner Lead Rope Solo-Kragenweite befinden würde. Das war zwar keine falsche Einschätzung, schlussendlich war ich aber mehr gefordert, wie ich mir das gedacht hatte... der Bericht erklärt warum.

Fantastisches Ambiente mit einem kompakten Nebelmeer über dem Walensee.

Den Zustieg machte ich ab Weesen per E-Bike. Das ist insofern nicht nötig, dass man bis zur Durschlegi auch mit dem Auto fahren kann (Fahrverbot am Sonntag von 13-17 Uhr, Nachtparkverbot 21-8 Uhr) oder auch mit dem Sessellift ab Amden nach Niederschlag. Ich startete im Tal bei dichten Nebel, es war stimmungsvoll, gegen Amden hin das Licht immer stärker zu spüren und die kompakte Decke schliesslich auf rund 800m zu durchstossen, wobei die Temperatur schlagartig massiv anstieg. Von Durschlegi kommt man via Hasebode bis ca. 1270m gut mit dem Bike, wer's unbedingt darauf anlegt, schafft es wohl sogar fast bis Ober Furgglen, oder zumindest von da runter. Ab dieser Alp sind es nur wenige Minuten bis zum Wandfuss. Etwas LRS-unfreundlich steckt am Einstieg kein BH, aber ich fand natürlich meine Lösung und legte um 10.45 Uhr los.

L1, 35m, 6b: Sicherlich die einfachste Seillänge der Route und auch freundlich, um die Systeme auf Betriebstemperatur zu bringen. Dennoch: schon am zweiten Haken muss man erstmals etwas "bieten", nach dem dritten gibt's einen (harmlosen) Runout. Die folgende steile Wandpassage mit der Crux ist sehr schön, genial dass das alles so aufgeht! Wobei der Exit aus dieser Passage für Personen, welche eine gewisse Körpergrösse nicht übertreffen, dann schon irgendwann eine andere Dimension annimmt. Anschliessend klettert man eine kurze Passage an interessanten Griffen gemeinsam mit der Furggelenplatte, findet danach griffige Schuppen und quert kurz nach links zum Stand.

Rückblick auf L1 (6b), das Gras lässt man weitgehend rechts liegen und klettert im kompakten Gelände.

L2, 25m, 6b+ 1pa oder frei (mind.) 7a: Es ist etwas seltsam: in den Topos von Thomas Wälti war diese Länge immer nur mit 6b+ bewertet, im GL Climbs steht hingegen 6b+ 1pa. Sämtliche im Netz greifbaren Berichte übernehmen diesen Hilfspunkt oder schreiben gar von 6b+ A0. Und das ist auch nicht erstaunlich: mit nur 6b+ ist die Crux definitiv nicht zu haben. Anyway, los geht's an einer kleinen Verschneidung, dann kommt eine etwas mühsame Passage an einem abgestorbenen, morschen Baum vorbei, bis dann endlich der erste BH folgt. Nach einer plattigen Querung geht's dann steil zur Sache, mit ein paar kniffligen Aufstehern in Untergriffe. Man folgt hier offenbar einem alten Versuch und dort, wo die Pioniere nur noch ein halbes (leeres) Bohrloch geschafft haben, ist dann eben die Crux. Es gilt, aus dem Steilen auf eine Platte zu manteln. Zur Verfügung stehen Untergriffe an der Kante beim Übergang, die eher glatte Slab weist nur ein paar kleine, sloprige Unebenheiten auf. Voll am Limit konnte ich das ultrawacklig gerade noch auflösen und meine fundierte Analyse im Nachstieg zeigte: es gibt da (für mich) keinen anderen, einfacheren Approach. Als gefühlten Grad könnte ich der Sache eine harte 7a andichten, wer weniger Reichweite mitbringt als yours truly, empfindet es möglicherweise gleich nochmals schwieriger?!? Sonst halt 1pa bis auf die Platte, nach zwei, drei Schritten über diese erreicht man eine steile Wand, die kräftig-weite Moves an guten Leisten im Bereich 6b+ bietet. Enden tut die Länge dann wie sie angefangen hat. Man steigt in die Botanik aus und muss sich dafür an einem morschen, abgestorbenen Baum bedienen. Möge er noch lange halten, denn der letzte BH liegt schon ein Stück zurück. Übrigens, links am Baum vorbei ist richtig.

Die Felsqualität in der Millenium ist über weite Strecken vorzüglich!

L3, 35m, 6b+  (eher 6c+): Los geht's kommod durch eine griffige Wand, welche einen auf eine fantastische Raspelplatte mit hammermässigen Fels führt. Über 2 BH wird diese recht zwingend durchgemovt, bevor die Herrlichkeit mit dem Ausstieg auf ein bewachsenes Band endet. Das ist ziemlich heikel, es hat nur lose Erde und dürres Gras, der letzte BH liegt einige Meter zurück. Vom Band weg geht's in eine tolle, steile Wand hinein. Dort wo der Fels von grau zu gelb wechselt, kommt die Crux. Es gilt den Füssen auf abschüssigen Reibungstritten zu vertrauen, weit von Crimps in ein kleines 2-Finger-Schüppli zu ziehen und die Position mit Untergriffen aufzulösen. Das bringt einen auf die Zielgerade, die in einem langen Quergang nach links besteht. Erst noch gängig mit griffig-zerfressenem Fels, wartet dann doch plötzlich noch eine schlabbrig-glatte Stelle, bevor eine Art Rampe zum Stand leitet. Alles in allem liegt meine persönliche Einschätzung für diese Länge bei 6c+. Ist's der Rope-Solo-Bammel oder hab ich's einfach nicht gecheckt?!? Restlos beantworten kann ich das nicht... doch ich meine, meine Einschätzung ist objektiver wie die gedruckte auf dem Papier.

Dieser auf einem kurzen Abschnitt ziemlich glatte Quergang prägt den oberen Teil von L3 (6c+).

L4, 20m, 6c: Zum Abschluss noch was ganz anderes: eine rustikale, überhängende Verschneidung mit 3d-Kletterei. Los geht's aber nochmals mit einer kurzen Plattenstelle, bevor es dann bald steil aufwärts geht. Dank der sehr kurz gehaltenen Absicherung lässt es sich sorgenfrei in die Höhe arbeiten. Kräftig ist's schon, de fakto kann man es aber schon durchgehend recht gut wegstehen, wenn man die Übersicht behält. Nicht dass ich mich nicht hätte anstrengen müssen, doch mir fiel wesentlich leichter, wie ich aufgrund meiner Erfahrungen in L2 und L3 befürchtet hatte. Kurzum, 6c passt, nach meinem Gusto: klar schwieriger wie L1, aber auch deutlich einfacher wie L2 und L3. Zuletzt habe ich das Routenende nicht ganz verstanden: irgendwie sieht es so aus, als ob man auch nochmals 7-8m hätte weitermachen können. Trivial sieht's schon nicht aus, aber auch nicht schwieriger wie unten...

Hier an dieser Kamin-/Rissverschneidung führt L4 (6c) in die Höhe.

Um 14.45 Uhr hatte ich es geschafft, das macht gerade 4:00h für das Rope-Solo-Programm (2x Klettern und 1x Abseilen), plus auch noch einige Pausen um den Zehen etwas frische Luft zu gönnen und das Panorama zu geniessen, was beim Rope Solo sonst gerne zu kurz kommt. Zum Abseilen geht man eine Etappe zurück zu Stand 3, dann am besten gerade runter, was einen in den Bereich der Furggelenverschneidung bringt. Mit Nutzung eines Abseilstands wären mit 2x50m-Seilen noch 2 Manöver nötig, mit meinem 1x70m war es noch eines mehr. Jedenfalls, bald war ich wieder zurück am noch schön besonnten Einstieg und konnte da noch eine Siesta geniessen. Fussabstieg und Bike-Downhill hiess das Restprogramm. Eindrücklich, wie ich von der wohligen Wärme zurück in die feucht-kalte Nebelsuppe zurückspediert wurde. Welch gute Idee war das gewesen, die schönsten Stunden des Tages am sonnigen Vorder Mattstock zu verbringen!

Welch ein wunderbarer Novembertag!

Facts

Vorder Mattstock - Millenium 6c A0 oder 7a (6b obl.) - 4 SL, 115m - ***;xxxx
Material: 1x70m oder 2x50m-Seile, 12 Express, Cams/Keile nicht nötig

Kurze, aber anhaltend anspruchsvolle Kletterei mit Steilplattenpassagen, anspruchsvollen Wandabschnitten und auch noch etwas an steiler Risskletterei. Langweilig wird es einem also bestimmt nicht und trotz der Kürze der Route kann man sich eine Weile damit beschäftigen. Umso mehr, wenn man die ganze Route freiklettern will. Entgegen den Angaben in einigen Topos verlangt das nach meinem Empfinden klar mehr wie den Grad 6b+. Die Felsqualität ist meistens gut bis sehr gut, an ein paar wenigen Stellen gibt's etwas störende Botanik. Die Absicherung mit verzinkten BH ist sehr gut. An vielen der schwierigen Stellen kommt man sicherlich auch recht gut A0 durch, bei einigen plattigen Passagen heisst es dann aber doch etwas mutig auf die Füsse zu stehen. Das beste und aktuellste Topo zur Route und Gebiet findet sich im Kletterführer St. Galler Oberland.

Freitag, 7. November 2025

Furka / Sunnig Berg - Via Matthias (6b+) & Kein Bockmist (6b+)

Noch nie war ich bisher am eleganten Winterstock im Furkagebiet geklettert, noch weniger am kaum bekannten Sunnig Berg, welcher sich unweit davon und im selben Kessel befindet. Viktor hatte im Sommer 2025 die Via Matthias saniert, wollte sein Werk nochmals überprüfen und machte mir so eine Begehung schmackhaft. Als zusätzliche Motivation lockten die Erstbegehung einer direkten Linie im oberen Teil der Route, sowie eine Verlängerung an Felstürmen oberhalb. Der Tag wurde ein voller Erfolg: lässige Semi-Trad-Kletterei in der Via Matthias, das Eröffnen von einem neuen, logischen Direkausstieg zu dieser und eine formidable 2-SL-Trad-Erstbegehung an einem Felsturm unweit vom Top der Via Matthias.

Wunderbar die Wand vom Sunnig Berg, durch welchen die Via Matthias verläuft.

Wir fuhren hinauf zum Furkapass bis Tiefenbach, nahmen da die taxpflichtige Strasse Richtung Tätsch und verfolgten diese bis zum Fahrverbot bei Gspenderboden P.2263, wo es 2-3 Parkplätze gibt. Diese waren frei, so liefen wir in sehr schönem Bergambiente ins Tal des Lochbergbachs, durch welches man in 50-60 Minuten den Einstieg erreicht. Dieser ist farblich markiert, zudem ist die gebogene Verschneidung von L1 sehr markant. Am bequemen Wandfuss bereiteten wir uns auf die Kletterei vor und legten um 10.50 Uhr schliesslich los - mit reichlich Cams am Gurt und dem Bohrzeug im Haulbag.

Tolles Bergambiente im einsamen Tal des Lochbergbachs.

Via Matthias mit Direktausstieg (7 SL, 6b+)

L1, 25m, 6b: Achtung, je einen BH gibt's hier nur am Anfang und am Ende, das ist nicht dort, wo die Kletterei am schwierigsten ist. Im zentralen Teil kann gut, aber nicht überall nach Belieben selbst abgesichert werden. Die Sache fühlt sich doch etwas committing an: die Seitenwände sind recht glatt, der Riss nicht immer super griffig und bei der Crux zusätzlich noch abdrängend. Das brachte mich jetzt nicht grad in Nöte, aber durchaus an den Rand meiner Komfortzone.

Sehr ästhetische Kletterei in L1 (6b), gerade in der persönlich als Crux der Route empfundenen Stelle.

L2, 20m, 6a+: Durch eine nach rechts offene Verschneidung gilt es sich in recht komplexer 3d-Manier in die Höhe zu schieben, eine spannende Sache. Dies ist selbst abzusichern, was jedoch nach meinem Gusto komfortabel möglich ist, es steht ein idealer Riss oberhalb der Verschneidung zur Verfügung. Das einfachere Finish dann eher wandartig und mit einem BH gesichert.

Die dettling'sche Tendenz zum Hinliegen beim Klettern scheint System zu haben (L2, 6a+).

L3, 20m, 6b+: Der Hauptact ist hier die powerig-athletische Stufe gleich zu Beginn, welche mit Schuppen, Leisten und Rissspuren aufwartet. Es stecken 2 BH, die Crux riegelt man jedoch dazwischen und sogar recht zwingend durch, gesichert von einem kleinen Cam. Nachher folgt dann gestuft-griffigeres Gelände mit tieferen Schwierigkeiten.

Nein, die kräftig-athletische Crux in L3 (6b+) geht weder im Schlaf noch im Liegen 😁

L4, 25m, 6b+: Die erste Hälfte der Seillänge ist die einfachere, die enge Verschneidung lässt man links liegen und klettert vorbei an einem BH durch die plattige Wand und später über einen Aufschwung zum Kernstück der Länge. Steil geht's erst neben und dann in der Verschneidung, zuletzt an den Henkel an der Kante links. Dieser Abschnitt ist sehr eng mit BH gesichert und ging mir leicht von der Hand (im Vergleich zu L1), er könnte aber etwas grössenabhängig sein. Zuletzt gibt's dann noch eine coole Stelle an einer Untergriffschuppe zum Stand.

Wer diesen Henkel in L4 (6b+) hat, der hat gut Lachen - der ist mehr als die halbe Miete hier.

L5, 25m, 6b+: Hier kommt die Crux gleich am Anfang. Bis zur Sanierung wurde sie A1 geklettert, d.h. nicht in freier Kletterei. Nachdem die dünnen Risse jedoch geputzt wurden, ist das gut machbar. Ein paar kräftige Züge auf Gegendruck bzw. mit Compression, dann ist es gegessen. Es stecken 2 BH, dazwischen legt man gerne noch einen kleinen Cam. Der obere Teil legt sich dann zurück, in gestuftem Gelände erreicht man den Stand auf der Rampe.

Die ehemalige A1-Stelle am Anfang von L5, dank geputztem Riss nun gut kletterbar (6b+).

L6, 50m, 6a+: Die Route verläuft hier plattig auf der etwas grasigen Rampe. An sich nicht schwierig (5b), ein paar Schritte sind aber doch nicht ganz easy und nebst den 2 BH legt man besser noch etwas dazu, wobei die super Placements nicht üppig sind. Die originale Route biegt beim prominent platzierten dritten BH dann um die Ecke nach rechts raus zu Stand, hier zweigt die Direktvariante ab, welche wir an diesem Tag eröffneten. Es geht links hinauf an Schuppen unterhalb von einer dachartigen gestuften Verschneidung. Erst griffig und gemütlich, am Ende wird die Struktur dann zu einer kaminartigen Schuppe, wo ein kurzer Squeeze wohl die beste Lösung ist, bevor man am Ende ausspreizen kann. Dieser neue Teil ist komplett mobil zu sichern (gut möglich), der Stand auf dem Band ist gebohrt.

Viktor bei der Erstbegehung des neuen Direktausstiegs (L6, 6a+). Die Originalroute der Via Matthias quert beim hellorangen Wandstück rechts um die Ecke herum und wurde bei der Sanierung im August ebenfalls mit BH ausgerüstet.

Etwas verklemmt am Ende des neuen Teilstücks in L6 (6a+).

L7, 35m, 5a: Grundsätzlich "der Nase nach", d.h. das gestufte einfache Gelände bietet wohl mehrere Optionen. Die für uns logischste Linie geht vom Stand nach rechts und dann hinauf, wo man auf den Schlussstand einer unbekannten Route trifft (diese verläuft unten rechts der Via Matthias und kreuzt sie wohl irgendwo im zweiten Teil des Quergangs von L6). Schliesslich erreicht man das Top mit seinem sehr bequemen Plateau.

Wer kann sachdienliche Hinweise hierzu liefern? Es ist der finale Stand der nirgendwo in der Literatur oder im Netz verzeichneten Route, welche rechts der Via Matthias verläuft. Wer hat ihn platziert und/oder kann mehr Infos zu dieser Route liefern? Oder weiss jemand zumindest, wer solche Standplätze produziert hat? Eventuell bringt uns das ja einen Schritt weiter.

Kurz vor 15.00 Uhr und damit nach knapp 4:00h der Kletterei mit zwei neu eröffneten Seillängen waren wir da. Wir hielten nur kurz inne und richteten den Blick gleich nach vorne. Viktor hatte mir schon lange von seinem Projekt "Vier gewinnt" geschwärmt - ein attraktiver Off-Width-Riss (wenn es so etwas überhaupt gibt 🤪) etwas zurückversetzt an einem Felsturm. Mit einer kurzen, grundsätzlich unschwierigen und gut auch in Kletterfinken machbaren Traverse in etwas schuttig-labilem Gelände gelangt man an dessen Fuss. 

Marcel unterwegs zum hinteren Felsturm mit dem markanten Offwidth.

Schon aus der Ferne und noch viel mehr aus der Nähe schien mir der angepeilte Shaft aber abschreckend, schwer absicherbar und auch sauschwierig. Mein Statement dazu: "Looks good, you can go first!". Mein erster Eindruck täuschte in keiner Hinsicht: die beiden mitgeführten 5er-Cams waren deutlich zu klein, somit war an mobile Sicherung nicht zu denken. Nach zähem Ringen und zwei gesetzten BH musste Viktor schliesslich das Handtuch werfen - die Zeit war schon fortgeschritten und es war im Schatten (zumindest beim Sichern) empfindlich kühl geworden. Trotzdem, das Risssystem links war einfach zu attraktiv, um es unversucht zu lassen und nach Hause zu gehen. Aus diesem Vorhaben wurde schliesslich...

Kein Bockmist (2 SL, 6b+, Trad, Erstbegehung)

Man könnte jetzt sagen, die Namensgebung komme daher, dass im Bereich zwischen der Via Matthias und dem oberen Felsturm eine erstaunliche Menge an Bockmist präsent war, den man dann auf der Route endlich wieder los war (offenbar nutzen Tiere dieses Gelände als Lagerplatz, nicht jedoch zum Zeitpunkt, wo wir dort waren). Die alternative Interpretation der Namensgebung überlasse ich jetzt gerne der Fantasie der Leser... Jedenfalls, ich machte mich auf den Weg und dieser entpuppte sich durchaus als eine Perle.

L1, 25m, 6b+: Gar nicht mal so einfach über die Einstiegsverschneidung hinauf, zur steilen Stufe mit dem markanten Riss rechts. Kurz an diesem hinauf, die sich verbreiternde Fortsetzung wäre evtl. auch kletterbar. Mir schien es jedoch günstiger, nach links in den eleganten Fingerriss abzubiegen. Immer dünner werdend und zuletzt in der Platte auslaufend war aber die Frage, ob ich mich da nicht in eine Sackgasse begeben hatte. Mit einigem Herzflattern arbeitete ich mich vorwärts, legte den 0.3er-Cam ins letzte Placement... und dann?!? Zwei beherzte Züge an sich genau an der richtigen Stelle befindlichen Leisten später war die Sache geritzt. Ich erreichte eine Nische, wo sich ein bequemer Stand anbot (mit 2 BH ausgerüstet).

Kurz vor Erreichen des Standplatzes in L1 (6b+).

L2, 30m, 6b: Der Blick nach oben zeigte es: die grossen und schweren Cams waren nicht vergebens mitgekommen. Der Start dieser zweiten Länge bietet auch wieder Optionen: links ein steiler und breiter  Jam-Riss (ca. Camalot 3 oder 4) oder rechts eine Layback-Verschneidung, wo an sehr breiten Rissen gesichert werden muss (Camalot 4 oder 5). Mit den grossen Gerätschaften am Gurt entschied ich mich für den Layback, der kommoder und einfacher wirkte. Es ist nicht so schwierig, mit etwas Courage kommt man vermutlich sogar mit nur einem Camalot 4 aus?!? So erreicht man einen Absatz, bei welchem man links um die Ecke biegt und über eine Steilstufe eine Schuppe erreicht. Dieser griffig entlang, als letzter Challenge wartet dann jedoch noch ein kniffliger Mantle auf die abschliessende Platte zum Stand, welcher ebenfalls mit 2 BH ausgerüstet ist. 

Im Ausstieg noch ein Platten-Mantle...

Um etwa 18.30 Uhr waren wir zwar noch nicht auf dem Gipfel des Felsturms, jedoch am logischen Routenende. Das eher blockig-labil aussehende Gelände zu dessen Top schien unlohnend. Während dem Erstbegehen der beiden Kein Bockmist-Längen waren meine schlotternden Glieder zum Glück wieder auf Betriebstemperatur gekommen. Doch trotzdem, es war Zeit, den Heimweg anzutreten, Viktors Offwidth-Projekt würde vielleicht irgendwann in der Zukunft seine Vollendung erfahren. Die beiden Längen am Turm lassen sich mit 2x50m-Seilen gerade in 1 Strecke bewältigen, vom Top der Via Matthias ist man in 4 weiteren Manövern zurück am Einstieg. Mit der nötigen Vorsicht konnten wir unsere Finken frei vom Bockmist halten, sie sorgenlos im Rucksack verstauen und frohen Mutes zum Parkplatz absteigen. Ein toller und auch abenteuerlicher Tag im Urner Granit war's gewesen, davon nehmen wir immer gerne mehr.

Facts

Sunnig Berg - Via Matthias 6b+ (6a+ obl.) - 7 SL, 200m - Fodor/Skinner 1988, saniert 2025 - ***;xxxx
Material: 2x50m-Seile, 10 Express, Cams 0.2-3, evtl. Keile und/oder Cams 0.2-0.5 zusätzlich

Spannende Semi-Trad-Kletterei in solidem Fels, der unten sehr sauber, oben dann etwas mehr mit Flechten bewachsen ist. Meistens klettert man entlang von Verschneidungen oder Schuppen, teilweise gibt es etwas Wandkletterei dazu, Jam-Risse kommen hingegen kaum vor. Die Route muss über einen substanziellen Teil der Strecke mobil abgesichert werden, was an den entsprechenden Stellen gut möglich ist. Wo die guten Placements fehlen, trifft man auf eine gute Absicherung mit Inox-BH. Dank den kurzen Seillängen kommen versierte Kletterer vermutlich mit einem Set Cams aus. Ein zweites Set bis zu den mittleren Grössen und/oder Keile bietet zusätzlichen Spielraum. Zu erwähnen ist noch: die Verschneidungen sind eigentlich alle nach rechts (Norden) offen, somit klettert man in dieser Ostwand relativ früh komplett im Schatten. Dadurch mit Einstieg auf 2500m eher ein Ziel für die warme Jahreszeit. Weitere Infos zur Route und zur Sanierung im 2025 findet man auf dem Blog von Viktor, hier geht's zum PDF-Download vom Topo.

Das Topo zur Via Matthias, (c) by Viktor.

Sunnig Berg - Kein Bockmist 6b+ (6b obl.) - 2 SL, 50m - M.Dettling/V.Wegmayr, 24.8.2025
Material: 2x50m-Seile, 10 Express (teils verlängerbar), Cams 0.2-5, evtl. lieber doppelt

Kurze Trad-Route, welche sich ideal als Ergänzung zur nicht überaus langen Via Matthias anbietet. Die Schwierigkeiten sind an sich nicht höher als dort, da aber ausser an den Standplätzen gar keine BH stecken, ist die Sache doch etwas fordernder und aufregender. Auf dem Programm stehen Risse aller Breiten von sehr dünn bis zur Offwidth-Breite. Der Fels ist an sich top und sehr solide mit tollen Splitter Cracks, teilweise jedoch mit Flechten bewachsen. Wer dem Gear vertraut und dementsprechend über die Sicherungen steigt, kann die Route wohl mit einem Set Cams klettern. Ein grosses Gerät (mindestens 4, besser 5) ist aber zwingend - und ein Doppelset von klein bis gross bietet sicherlich mehr Marge. Hier unten bzw. als PDF-Download das Topo zu dieser Route - wir wünschen viel Spass und freuen uns auf die ersten Wiederholer!

Das Topo zur Verlängerung mit dem Namen "Kein Bockmist".

Freitag, 31. Oktober 2025

Nösslach - Strada del Sole (6b)

Hallenklettern in Innsbruck, an den Ruhetagen können wir ja an den Fels, so lautete das Programm für die Herbstferien. Das spielte mir insofern in die Karten, als dass ich auch noch diverse Arbeitsverpflichtungen hatte, welche mit einer Hallensession besser in Einklang zu bringen sind als mit tagesfüllenden Alpinunternehmungen. Kurzum, vielleicht nicht ganz das Programm, wie man es sich in den kühnsten Träumen wünscht, aber immer noch besser als daheim unter der grauen Nebeldecke zu sitzen. Nach zwei Tagen Pump-bis-Platt in der Halle war etwas Erholung gefragt. Kurzer Zustieg, moderate Routenlänge, überschaubare Schwierigkeiten und angenehm sonnig sollte es sein. Die Strada del Sole in Nösslach erfüllte alle Anforderungen und mit dieser (absolut zurecht) vielgerühmten Tour konnte man nicht viel falsch machen. 

Der Zustieg ist sehr kurz und vollzieht sich in wenigen Minuten ab der Hauptstrasse ins Ötztal, der Ausgangspunkt ist dabei die ARA von Längenfeld. Im Klettergarten am Wandfuss hatten wir uns damals bei unserem Auffahrtstrip im 2016 schon aufgehalten. Schon bald 10 Jahre her, verrückt wie die Zeit vergeht! Die Strada del Sole ist unübersehbar mit einem angebolteten Stein am Wandfuss markiert, siehe Foto. So schlüpften wir in die Finken und starteten um 12.50 Uhr in die Route, welche Mitte Oktober ab ca. der Mittagszeit in der Sonne liegt.

L1, 35m, 5c bzw. 6a (Plaisir Ost): Läck Bobby, für den lapidaren Grad muss man da also wirklich klettern. Steilplattiger Granit mit Leisten gewürzt, eine sehr tolle Sache. Uns kam es doch ein ganzes Stück schwieriger wie erwartet vor (beim Täfelchen am Wandfuss steht sogar nur 5b) . Nicht dass wir Probleme gehabt hätten natürlich - rein aufgrund der Einstufung wäre ich davon ausgegangen, das Teilstück auch in den Zustiegsschuhen klettern zu können, was jedoch kaum funktioniert hätte. Den ersten Umlenker nach ca. 20m kann/soll man übrigens auslassen, die Seillänge geht noch weiter.

Tolle Leistenkletterei in L1 (5c), der Schwierigkeitsgrad schien mir eher harte Währung.

L2, 20m, 6b bzw. 6b+ (Plaisir Ost): Nach den Erfahrungen von L1 machten wir uns auf etwas gefasst! Die technische Wandkletterei an Crimps entpuppte sich aber als nicht mehr ganz so hart bewertet wie die Startlänge und lag mehr im Rahmen dessen, was man anhand der Einstufung vermutet. Wobei ein wesentlicher Punkt auch darin besteht, eine taugliche Lösung zu identifizieren. Mit Chalk markiert waren jedenfalls alle möglichen Griffe in weitem Umkreis, auch solche die es für die einfachste Lösung definitiv nicht braucht. Zu erwähnen auch: die Hauptschwierigkeit ist recht schnell vorbei und notfalls ginge es auch A0.

Tolle, technische Wandkletterei an kleinen Leisten wartet in der Crux (L2, 6b).

L3, 30m, 6a bzw. 6a+ (Plaisir Ost): Schon bald nach dem Start kommt die Crux in einem dunklen Wandabschnitt, der nicht so richtig grippig ist. Dabei gilt es ein kleines Dächlein zu überwinden, was für den Grad durchaus fordernd ist. Zudem, wenn man nur die Klebehaken klippt, auch noch einigermassen zwingend (es gibt rechts leicht abseits der Linie noch einen Segmentanker-BH, welcher das Hochkommen vermutlich erleichtert, als Zwischensicherung bei Freikletterei macht er wenig Sinn). Nach ein paar einfachen Metern wartet dann noch steile Kletterei an griffigen Rissen, bevor man am Ende zum bequemen Stand auf einer exponierten Nase quert. Nach Aushängen des letzten BH sollte man im Nachstieg besser nicht stürzen.

Super Turnerei an den griffigen Rissen im Schlussteil von L3 (6a).

L4, 20m, 5c+ bzw. 6a (Plaisir Ost): Eine kurze, aber sehr aussergewöhnliche, richtig coole Seillänge! Voraus liegt eine überhängende Wand aus goldgelbem Granit, welche so etwas wie umgekehrte Treppenstufen aufweist. Zuerst pirscht man sich noch einfach an diese heran. Zum Ende gilt es dann aber die richtige Lösung zu erkennen und selbst mit dieser: da sind echt athletische Moves nötig, auch wenn man es korrekt macht! I don't really know, auch wenn ich das problemlos konnte und nicht wirklich schwierig fand, von mir aus hätte ich dies eher mit mindestens einer 6a+ bewertet. Idealerweise macht man dann wirklich beim "Adlerhorst" vor der Schrofenzone Stand, die nächsten 8m noch mitzunehmen ist vermutlich weniger vorteilhaft.

Steile Kletterei an guten Griffen in goldigem Granit (L4, 5c+).

L5, 20m, 5c+ bzw. 6a (Plaisir Ost): Zuerst wie oben erwähnt im Gehgelände hin zum Boulderwandl, welches für den Grad wirklich aussergewöhnliche, athletische Moves an Rissspuren bietet. Eine relativ kurze Sache zwar, aber so richtig cool!

L6, 25m, 6a+ bzw. 6b (Plaisir Ost): Der Stand in einer flacheren Zone, bald geht's aber an die nächste Steilwand heran. Zuerst hilft die Verschneidung rechts noch mit, dann aber gilt es einige Querrisse zu nutzen und sehr athletisch in die Höhe zu turnen. Wiederum eine so richtig tolle Seillänge.

L5 (5c+) und L6 (6a+) steigen beide auf bequeme Bänder aus, somit schwierig die Kletterei abzubilden.

L7, 50m, 5c bzw. 6a (Plaisir Ost): Hier legt sich das Gelände deutlich zurück, der Fels ist dafür nicht mehr mit solch griffigen Strukturen wie zuletzt ausgestattet, ebenfalls mehr von der Vegetation durchzogen. Auf den ersten Blick macht's etwas den Eindruck von einem Ausklang, welchen man vor dem Abstieg noch mitnimmt. Komplett abzustreiten ist diese Klassifikation nicht, wobei es schlussendlich deutlich genussreicher zu klettern war, wie es auf's erste aussah. 

Blick ins Ötztal. Die Route liegt wirklich sehr talnah, was bequem, aber nicht störend ist.

Um 15.50 Uhr und damit nach ziemlich genau 3:00h des Klettergenusses waren wir am Top angekommen. Wir machten es uns bequem, genossen einen Vesper und blätterten im Routenbuch. Dass eine solch leicht zugängliche, sehr gut abgesicherte Tour in schönem Fels mit langer Saison viel begangen wird, ist nicht erstaunlich. Auf ca. 70 eingetragene Begehungen im Schnitt lautet die Frequenz über die letzten Jahre. Noch bevor die Sonne hinter der vorgelagerten Bergkette verschwand, machten wir uns schliesslich auf den Abstieg. Auf schmalen Bändern wird nordwärts traversiert, teilweise ist eine gewisse Exposition da, heikle Passagen gibt es aber keine. Zwischendurch muss einmal noch im Zickzack etwas aufgestiegen werden. Grundsätzlich ist man aber bald einmal aus der Wand draussen und erreicht drüben im Wald einen Wanderweg, der rasch (ca. 25-30 Minuten) zum Ausgangspunkt zurückführt. Zufrieden mit diesem schönen Ausflug in den sonnigen Fels machten wir uns auf den Rückweg ins Feriendomizil - die Batterien hatten sich erholen können, um am nächsten Tag wieder im verschärften Steilgelände angreifen zu können.

Der Fussabstieg führt über schmale Bänder, ist aber problemlos und zügig zu machen.

Was wir sonst noch so machten...

Eben, einerseits im KI in Innsbruck klettern. Die Dichte an schwierigen Routen da ist wirklich einmalig, jene an mittelschwierigen ebenso und mein Ziel, in den Indoor-Sessions in meinem Flash-Bereich 7a-7c komplett aufzuräumen gelang mir nicht. Liegt nicht daran, dass es mich nicht motiviert hätte oder ich es vorschnell gut sein liess. Sondern die Anzahl der Routen ist einfach gewaltig, da hätten die Herbstferien noch etwas länger dauern müssen! Sonst gefällt mir der Setting Style dort mit den sehr ausdauernden, aber doch zwischendurch auch mal mit einer Schüttelposition gewürzten Routen aber prima - das wusste ich bereits von einem Besuch mit Larina im August, wo sie sich auf die Jugend-EM vorbereitet hatte.

Der grosse Outdoor-Überhang im KI Innsbruck mit Routen von 7a bis 9a+.

Outdoor reichte es endlich einmal für einen Trip ins Zillertal, wo ich bisher noch nie war. Sehr schön da! Allerdings, bis man die Ewigen Jagdgründe weit hinten im Tal erreicht hat, ist es schon eine ganze Ecke. Die freistehenden Türme bieten dafür dann sehr lohnende Kletterei - sie hat uns so gut gefallen, dass wir für eine zweite Session zurück kamen. Mitte Oktober ist das Sonnenfenster im engen Bergtal nicht mehr sehr lange (ca. Mittag bis gegen 17 Uhr) und wenn das wärmende Gestirn einmal weg ist, so merkt man die Nähe zu den hohen, vergletscherten Bergen am Alpenhauptkamm durchaus gut. Dafür trafen wir nur noch auf wenige Mitstreiter, während dieser Spot in den Sommerferien offenbar sehr stark frequentiert ist.

Unser zweites Team in den Ewigen Jagdgründen im Zillertal.

Auf den ersten Metern des Heimwegs gab's dann noch einen Besuch im Dschungelbuch an der Martinswand bei Innsbruck. Das muss man ja irgendwie auch einmal gesehen haben. Kurzum, die Routen sind alle hart, stark bis brutal poliert und die Bewertungen sehr taff. Aber eigentlich ist die Kletterei schon echt cool - wie immer heisst es, sich der Herausforderung zu stellen und die Quietsch-Tritte so zu nehmen, dass der Fuss nicht rutscht. Mir hat es durchaus Spass gemacht.

Facts

Nösslach - Strada del Sole 6b (5c+ obl.) - 7 SL, 200m - A. Giacomelli, F. & P. Gufler 2004 - ****;xxxxx
Material: 1x50m-Seil, 14 Express

Talnahe MSL-Route mit einem grossen Begehungsfenster durch eine Wand, welche von aus der Distanz nicht überaus attraktiv aussieht für die Kletterei. Der Granit ist aber über weite Strecken vorzüglich, die Vegetation stört kaum und die Moves sind für den Schwierigkeitsgrad wirklich spektakulär. Der Plaisir Ost vergibt hier 5 Sterne. Die gibt's von mir nicht ganz, dafür fehlt es der Route etwas an Ambiente - doch sie ist wirklich sehr, sehr lohnend. Die Absicherung durchgehend mit Klebehaken ist sehr gut. Weitere Infos und Topo hier auf bergsteigen.at oder im Plaisir Ost, sicherlich findet man die Route auch in zahlreichen weiteren Kletterführern.

Freitag, 24. Oktober 2025

Rätikon / Schweizereck - Parabol (7c+)

Ein Bericht von der Recherchearbeit für den Rätikonführer: bei der hier beschriebenen Kletterei handelt es sich um eine der zahlreichen Routen im Gebiet, welche bis dato nie in gedruckter Literatur dokumentiert wurden, deshalb kaum bekannt sind und noch fast nie begangen wurden. Dies bescherte uns eine spannende Entdeckungsreise dieses Werks, welches von zwei Exponenten an die Wand gezaubert wurde, die sich in der Comp-Szene einen Namen gemacht haben. Eingebohrt schon anno 2001 von Urs Stöcker, fertiggestellt erst im 2018 von Dirk Uhlig, gepunktet von letzterem im August 2020.

Die Wand vom Schweizereck im Abendglühen. Start- und Endpunkt von Parabol sind markiert. Für den genauen Routenverlauf und auch ein schematisches Topo verweise ich auf die neue Ausgabe vom Rätikonführer im Panico-Alpinverlag, welche voraussichtlich auf die Saison 2026 erscheint. Ein bisschen ein schlechtes Gewissen habe ich ja schon, diese schönen Dokumente nicht gleich zu teilen. Andererseits lässt sich die Route mit den in diesem Beitrag vermittelten Infos problemlos begehen. Wir wussten bei unserem Go einzig die Bewertungen der Seillängen und den ungefähren Startpunkt, was noch viel weniger ist, als hier steht.

Angie weilte bereits oben im Rätikon, also fuhr ich mit meinem Bike auf's Grüscher Älpli (wohlgemerkt nicht von daheim) und wir liefen hinauf zum Einstieg. Man kann sowohl links wie rechts vom Pardutzkessel durch, es kommt wohl beides in etwa auf dasselbe raus. Zuletzt gilt es dann eine grössere Graszone über einem Felsriegel zu erreichen, schrofige Kraxelei (T4+) bringt einen da rauf. Der Einstieg ist mit etwas Spürsinn gut zu lokalisieren und durch einen Stand markiert, welcher mit 2 korrodierten, verzinkten BH ausgerüstet ist, deren Laschen mit kleiner Öffnung nur 1 Karabiner aufnehmen. Um ca. 10.15 Uhr starteten wir mit der Kletterei, noch tief im Schatten des Berges, was an diesem sehr milden Spätsommertag jedoch kein Problem war.

Ausblick auf L1 (6b), welche das komplette Trad-Gear erfordert.

L1, 50m, 6b (original 6a): Definitiv kein Bijou und vielleicht dass man diese Länge trotzdem in Erinnerung behält, ist sie so spärlich abgesichert. Wobei die ersten 5m schlabbrig-kompakten Fels aufweisen und mit einem BH abgesichert sind - das ist die Crux, nit mal so easy. Weiter geht's dann grasdurchsetzt in auch nicht immer bombensolidem Fels, fixe Absicherung gibt's keine. Es geht aber immer gerade so einigermassen mit Bewuchs, Felsqualität und Placements. Markant sind ein rissiger Überhang in der Mitte und eine nochmals plattigere Zone mit 2 BH am Ende.

Die Gegenperspektive, Nachstieg in L1 (6b).

L2, 45m, 6c: Es geht deutlich freundlicher weiter, so richtig hammermässig ist aber auch diese Länge nicht. Erst hinauf durch Verschneidungen, wo nebst 2 BH noch Cams zu legen sind. Steht man dann auf einem grasigen Pfeilerkopf, so geht's richtig los. Eine seitgriffbetonte Wandstufe will erklettert sein. Ganz ordentlich da, jedoch ist das Gestein etwas staubig und teilweise auch nicht frei von einer Prise Splittrigkeit.

Das sieht doch schon viel besser aus - und ist es tatsächlich auch: L2, 6c.

L3, 30m, 7c: Hier führt die Route durch einen von weither sichtbaren, markanten schwarzen Wasserstreifen. Manchmal findet man in solchen Zonen super strukturierten Henkelfels. Solchen hätten wir gerne angetroffen, es manifestierte sich leider nicht ganz so. Erst noch easy durch eine Art Verschneidung mit verkeilten Blöcken auf den Pfeilerkopf. Von diesem weg wartet eine Boulderstelle an Slopern in die steile Wand hinein, welche nach ca. 10 weiteren Metern mit der Crux aufwartet. Diese konnten wir nicht freiklettern: der Fels ist mit einer dicken Schicht von staubigem Belag überzogen, da müsste zuerst einmal richtig gebürstet werden. Doch ob dann ausreichend Griffe für eine machbare 7c zum Vorschein kämen?!? Ich bin mir da nicht so sicher. Nach diesem Abschnitt folgt ein sloprig-abschüssiges Finish über ein Dach hinweg. Diese Passage konnte ich entschlüsseln - es ist wieder etwas einfacher, dünkte mich aber immer noch im Bereich 7b+/7c.

Zähes Finish an abschüssigem Fels in L3 (7c).

L4, 30m, 6c+: Ich würde sagen, die zweitschönste Seillänge der Route. Sie bietet typisch steilplattiges Rätikongelände. Auf den ersten Metern quert man erstaunlich griffig nach rechts aus dem staubigen Wasserstreifen hinaus und erreicht so richtig raues, schönes Gestein. Ein paar abgefahrene Reibungsmoves warten, aber es löst sich alles gut auf. Im letzten Abschnitt erreicht man dann den die gesamte obere Routenhälfte prägenden Diagonalriss. Diesem entlang, nun schon wieder etwas grasig-alpin, zum Stand.

Mit Ausnahme der letzten paar Meter findet man in L3 (6c+) tolle, rätikontypische Plattenkletterei. 

L5, 50m, 6b: Einen solchen Abschnitt könnte man sehr gut in einer klassischen Führe aus der Pionierzeit einordnen. Man folgt alles dem Risssystem bzw. der Rampe. Erst durchquert man mittels Risskletterei nochmals den (bei unserer Begehung zum Glück trockenen) Wasserstreifen v.r.n.l., dann folgt ein Abschnitt, wo man in der Rinne stemmt, während man zuletzt an die linke Kante geht und noch steil bzw. überhangend um einen grossen Klemmblock herumkommen muss. Oberhalb von diesem befindet sich ein grosses Plateau mit bequemem Stand.

Eher klassisches Alpingelände mit Rissen und Kaminen in L4 (6b), die aber schön zu klettern ist.

L6, 15m, 7a: Molto particolaaare... Erst noch kurz einfach über die Rampe, um zu sehen, was da kommt. Nun, das Risssystem hat da eine Unterbrechung, sprich es gilt einen Abschnitt in Wandkletterei zu meistern. Zwei grosse Ausbuchtungen mit ca. 1m Durchmesser prägen diese Stelle. Es heisst Sloper patschen und sich dann gekonnt unter Nutzung der beiden Features durch die überhängende Wand mogeln. So kommt man wieder auf die Rampe und klettert ein paar Meter in etwas grasigem Terrain zum Stand.

Hepp und Patsch heisst es in der Crux von L6 (7a), zuletzt mit Ausstieg auf die Grasrampe.

L7, 30m, 7c+: Während die Rampe nach links weiter ginge und wohl im Bereich 6b-7a kletterbar wäre, orientiert sich die Route nach rechts in die kompakte Wand. So erlebt man hier noch die schönste Länge der Tour. Die leicht aufwärts führende Querung gleich zu Beginn bietet über die ersten 3-4 BH gleich die Crux. Sehr technische, bewegungsintensive Kletterei an kleinen Kratzern. Mit dem ersten Ausstieg auf ein Sloperplateau wird es dann etwas einfacher. Der obere Teil checkt noch bei ca. 7b/+ ein, wobei es der letzte Mantle auf die finale Platte nochmals in sich hat - tricky! Zum Abschluss wartet dann noch etwas toller Kaktusfels wie in der Saguaro, ein Genuss. Diese Länge konnte ich all free klettern. Ob einfacher als L3 vermag ich nicht wirklich zu sagen - viel, viel schöner jedoch, da gibt es keine Zweifel.

Schöne, aber harte und sehr technische Wandkletterei in L7 (7c+).

Um 16.30 Uhr hatten wir nach 6:15h der Kletterei das Top erreicht - wieder einmal ganz und gar keine Speedbegehung also. Aber wenn man an beiden Seilenden eine 7c/+ auschecken will, so dauert eine solche SL dann rasch mal 1:30-2:00h, somit ist der totale Zeitbedarf nicht verwunderlich. Die Bilanz bestand aus os/flash bis auf die beiden schwierigsten, wobei die letzte eben lösbar war, während bei der ultrastaubigen 7c etliche Fragezeichen verblieben. Ob ich zurückkommen werde, um diese aufzulösen?!? Auf die Schnelle wohl eher nicht.

Angie beim Mantle in L7 (7c+), welcher die letzte Abwurfstelle der Route präsentiert. Auf der finalen, sehr genussreichen Passage im 6c-Bereich wird man es sich dann sicher nicht mehr nehmen lassen.

Für uns hiess es, die Abseilfahrt anzutreten. Mit L7 waren wir wieder so weit nach rechts geklettert, dass sich der Stand nach L5 ob dem Klemmblock in ziemlich direkter Linie erreichen liess. Die nächste Strecke über die diagonal verlaufende L4 war dann eher etwas mühsam. Einmal geschafft, waren es noch 2 Manöver von Stand 3 nach 1 und von dort zum Boden. Wir liefen zurück zum Melkplatz, wo ich mich auf's Bike schwang und dem Tal und den dort auf mich wartenden Pflichten entgegen brauste. Angie hingegen blieb vor Ort, denn am übernächsten Tag wollten wir gleich nochmals ein unbekanntes Rätikon-Mysterium ergründen. Der entsprechende Bericht wird irgendwann zukünftig auch auf diesem Blog erscheinen.

Wunderbar wie immer das Panorama im Rätikon!

Facts

Rätikon / Schweizereck - Parabol 7c+ (6c+ obl.) - 7 SL, 250m - Stöcker/Uhlig 2001/2018 - **;xxxx
Material: 2x50m-Seile, 10 Express, Camalots 0.2-2, evtl. Keile

Eine bisher kaum bekannte und begangene Route im rechten Teil vom Schweizereck, welche einen Mix zwischen harter Sportkletterei, schönen Rätikon-Steilplatten und einem nicht unwesentlichen Teil von alpin angehauchtem Trad-Gelände bietet. Stellenweise ist der Fels super, in den einfacheren Abschnitten jedoch auch teils grasig und/oder etwas lottrig. Da die Route im Bereich eines wasserführenden Streifens verläuft (und damit nur nach Trockenperioden ein sinnvolles Ziel darstellt), ist der Fels auch teilweise von einer Staubschicht überzogen. Die Absicherung ist über weite Strecken und insbesondere in den schwierigen Passagen sehr gut auf Niveau xxxx bis xxxxx. In L1 muss ein grosser Teil mobil abgesichert werden (in unschönem, aber einfachem Gelände), auch in L2, L5 und am Ende von L6 sind Cams zu platzieren. Ein Set von 0.2-2 war uns ausreichend, für L1 könnten allenfalls noch Keile hilfreich sein. Zu erwähnen ist auch noch, dass grösstenteils verzinktes Material steckt, welches teilweise schon deutliche Korrosion aufweist.

Hinweis: in der Route (von Beginn von L3 bis zum Ende von L6) hängen defekte Fixseile, welche keinen Nutzen mehr bringen und sowohl die Optik wie auch die Kletterei stören. Es wäre aus meiner Optik wünschenswert, dass diese Seile entfernt und entsorgt werden. Wir hatten leider kein Messer dabei und ohne ein solches sind die stark versprödeten Knoten unmöglich aufzukriegen.