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Freitag, 4. Juli 2025

Bockmattli - Skyrace (7b+ oder 6c+ A0)

Beim Skyrace handelt es sich um drei neue Seillängen (6b, 6c, 7a+ oder 6b 1pa), welche im Jahr 2025 am Wandsockel des Kleinen Bockmattliturms eingerichtet wurden. Diese ermöglichen eine sehr attraktive und gut zugängliche Routenkombination direkt an der kühnen NW-Kante des Kleinen Turms. Der Weiterweg über die Himmelskante hinauf zur Westschulter bietet sich absolut an. So ergeben sich 8 genussreiche Seillängen für einen spannenden Klettertag am Schatten. Während zum Freiklettern der beiden kurzen Schlüsselstellen am Dach der Westkante und am Überhang in der Platte darunter Boulder-Kings und -Queens gefragt sind, so können diese kurzen Abschnitte auch mit Hakenhilfe bewältigt werden. So ergibt sich eine genussvolle Möglichkeit im gehobenen Plaisirbereich mit maximaler Freikletterschwierigkeit von 6c+, bzw. 6b obligatorisch. 

Das Topo mit Routenverlauf und allen Infos (gibt's auch im PDF-Format!)

Erschliessung

Die Vision mit dem Skyrace kam wir während meinem Ausflug in die Gumpiroute. Die Idee verschwand nicht mehr aus meinem Kopf und so machte ich mich gute zwei Wochen später am 19.5.2025 auf den Weg, um der Sache an einem sonnigen Frühlingsabend auf den Grund zu gehen. Ein Abseilen über Himmelskante und Prachtsexemplar sollte mir die nötigen Informationen für eine optimale Routenführung liefern. Sehr erfreut nahm ich zur Kenntnis, dass mir die Klettergötter freundlich gesinnt waren und die angedachte Linie realistisch war. Wohlweislich hatte ich die Bohrausrüstung am Wandfuss deponiert und konnte umgehend loslegen. Im Ropesolo schaffte ich gleich noch den wesentlichen Teil von L1 bis über den markanten Überhang hinweg, bevor das Tageslicht erlosch.

Diese Türme müssen einen einfach in den Bann ziehen. Das Skyrace verläuft an der rechten Kante.

Die Fortsetzung wurde dann am heissen Freitag, den 13.6.2025 angepackt. Es hatte sich keine motivierte Begleitung ergeben, und gleichzeitig war ich auch positiv gestimmt, dass die Fortführung des Projekts sich innerhalb meiner Ropesolo-Kragenweite befinden würde. Ein stabil-sonniger Hitzetag war angekündigt, doch ich kalkulierte, die zweieinhalb Seillängen noch am kühlenden Schatten einrichten zu können. Wie sich zeigte, lag ich mit meiner Zeitbudgetierung weit daneben. Klettern, bohren, putzen, abseilen, jümaren, haulen und Material immer wieder neu sortieren nahmen viele Stunden in Anspruch, so dass mich die sengende Sonne irgendwann einholte. Das tat meiner Freude aber keinen Abbruch. Einmal am bequemen und noch teilweise schattigen Biwakplatz unter dem Dach der Westkante angekommen, konnte ich sehr zufrieden bilanzieren: alles war genau nach meinem Gusto aufgegangen. 

Nicht mehr ganz taufrisch, nach dem langen Solo-Bohrtag am 13.6.2025.

Der krönende Schlusspunkt zum Projekt mit der durchgehenden RP-Begehung der gesamten Kombination bis zur Schulter der Westkante erfolgte schliesslich am 2.7.2025 in Begleitung von Kathrin. Wiederum war ein Hitzetag angekündigt, dieses Mal sollte es aber (mehr oder weniger) zum Top reichen, ohne dass wir von der Sonne gegrillt würden. Die ersten beiden Seillängen liefen wie am Schnürchen, bevor die beiden Crux-Sequenzen viel Boulderstrom erforderten. Dieser war glücklicherweise in ausreichendem Mass vorhanden, und so blieb uns noch der Genuss der Himmelskante, welche wir auf den Tag genau 15 Jahre zuvor schon einmal gemeinsam erklettert hatten. Verrückt, wie die Zeit vergeht - die Erinnerungen bleiben aber und ganz sicher wird auch der erfolgreiche Tag im Skyrace einen prominenten Platz in unseren Hirnwindungen einnehmen.

Die Verschneidung am Start von L2 (6c) bei der RP-Begehung.

Zustieg

Vom Wägitalersee entweder zu Fuss oder bequemer per Bike zur Schwarzenegg und weiter auf dem markierten Wanderweg zum Fuss der Bockmattlitürme. Man wählt dabei vorteilhaft den unteren Weg links, nicht den Panoramaweg über den Kamm, welcher zur Kletterhütte Bockmattli führt. Der Einstieg befindet sich direkt bei der NW-Kante des Kleinen Turms, nur wenige Schritte vom Wanderweg entfernt. Von diesem quert man auf Pfadspuren ca. 30m hinüber zur Dole der Wasserfassung, wo sich ein ideales Depot befindet. Ab da geht man 5m nach links, kraxelt über eine 2m-Stufe hoch und findet ca. 10m weiter links den Einstiegsstand mit BH & NH, der Routenname ist angeschrieben (Stand 2025). Hinweis: 8m weiter links befindet sich bei der markanten Tanne der Start vom Prachtsexemplar. Zeit vom See zu Fuss ca. 60-75 Minuten, mit Bike ca. 30 Minuten schneller.

Per Bike unterwegs zum Bockmattli, welches sich direkt unterhalb der Sonne befindet.

Routenbeschreibung

Bockmattli/Kleiner Turm - Skyrace 7b+ (6b obl.) - Total 8 SL, 240m - M. Dettling 2025
Material: 2x50m-Seile, 12 Express, Cams/Keile nicht nötig

L1, 45m, 6b: Dieser Abschnitt startet mit plattiger Wandkletterei an kleinen Crimps und Schüppli, aber das Gelände steilt sich immer mehr auf. Die Griffe werden aber auch besser. An wasserzerfressenem Fels findet man viele Seit- und Untergriffe, dann und wann auch kernige Henkel. Die Crux wartet am überhängenden Wulst, man lasse sich nicht abschütteln. Wenn dies gelingt, dann steigt man ungerupft auf den Pfeilerkopf aus. Von dort führt einfacheres, plattiges Gelände zum Stand.

Marcel packt gerade den steilen Wulst in L1 (6b) mit der Crux an.

L2, 35m, 6c: Steil und imposant geht's los in die Verschneidung hinein. Hier wurde nicht der klassische Weg gewählt, aus modernen Gesichtspunkten ist es definitiv attraktiver (und nicht verifiziert: auch einfacher), gleich wieder nach links über die Seitenwand auszubüxen. Dem Pfeiler und einigen Rissspuren entlang geht's in die Höhe. Nach einem Querband zieht's mit ein paar Bucchi di Céüse an, kulminieren tut die Sache in einem kniffligen Ausstieg in einem seichten Winkel.

Da hat Kathrin die Crux in L2 (6c) eben hinter sich. Eine durchaus etwas knifflige Sache!

L3, 25m, 7a+ oder 6b 1pa:  Grasig-einfach geht's ein paar Meter hinauf zum Plattenschild unter dem Dach. Wobei, "Platte" ist da die falsche Bezeichnung. Die Challenge und Crux dieser Länge besteht darin, aus der überhängenden Nische so richtig athletisch vom Boden abzuheben. Ein Power-Boulder erster Güte: ich meine, er ist auf ca. Fb 6B+/6C einzuschätzen. Falls nötig, geht's mit einer Trittschlinge auch mit 1pa und weil man nach gut 1 Körperlänge Kletterei wieder gute Griffe in der Hand hat, wird so nicht mehr als 6b verlangt. 

Bockmattli-Vibes während Kathrin die schöne Platte nach dem Boulder-Auftakt in L3 (7a+) klettert.

L4, 15m, 7b+ oder 6a A0: Dieser dachartige Überhang gehört zur Westkante. Wurde früher an Schlaghaken "geleiterlet", so erlauben heute eng steckende BH die freie Passage oder den leidlich bequemen Textilgriff. Wer genügend stark ist, kann das vielleicht sogar im Campus-Style erledigen? Für meine Disposition kommt das nicht in Frage. So sind nicht nur die Anforderungen an die Athletik hoch, sondern es gilt technisch geschickt die Füsse mal hier und mal da zu platzieren und mehr oder weniger alle gummierten Zonen der Kletterfinken einmal auf die eine oder andere Art an den Fels zu pressen, damit die freie Passage möglich wird. Meine Einschätzung: es ist eine echt geniale Bouldersequenz, welche bei ca. Fb 6C+/7A eincheckt.

Los geht's! Entschlossenheit, eine gute Sequenz und Power sind nötig für das Dach in L4 (7b+).

L5, 25m, 6a: Aus Dach mach gemütlich: hier, in der ersten Seillänge der Himmelskante, bewegt man sich wieder mehr auf den Füssen. Geschenkt ist aber trotz dem tiefen Grad gar nichts. Einige vertikale Kanten bzw. Rissspuren entpuppen sich als nicht so griffig und positive Tritte sind auch Mangelware, so dass man doch die grauen Zellen anstrengen muss, um eine funktionierende Sequenz zu finden. Erst zuletzt dann einfacher in kurz nicht ganz so bombigen Fels zum Stand an Irniger-Platte vor dem steilen Kantenteil. 

Im ersten Teil von L5 (6a) fühlt sich nicht jeder Meter gleich der vergebenen Schwierigkeit an.

L6, 20m, 6c: Die zweite Seillänge der Himmelskante pfeift direkt an der Ecke kühn in den Himmel. Formidabler Fels und tolle Moves warten. Kräftig, trickreich und anhaltend muss stets nach der optimalen Lösung gesucht werden. Und wenn sich diese nicht gleich offeriert, dann beginnt womöglich die Ausdaueruhr zu ticken. Erst zuletzt geht's dann an zwei kernigen Henkeln nach rechts in die Wand hinaus zu einem unbequemen Stand, welchen man aber zur Vermeidung von Seilzug zwingend nutzen muss.

Anhaltend, elegante und immer spannende Kletterei direkt an der (Himmels)kante in L6 (6c). 

L7, 25m, 6c+/7a: Hier haben wir es mit der dritten Seillänge der Himmelskante, der nominellen Crux zu tun. Diese offenbart sich gleich im steilen und kompakten Wandabschnitt oberhalb vom Standplatz. Es gilt einen abgefahrenen technischen Boulder zu bewältigen, dessen Lösung aber trotzdem recht gut erahnt werden kann. Hat man sich dann wieder an der Kante links etabliert, heisst es über 2-3 Haken an Untergriffen noch etwas dranzubleiben, bevor die Schwierigkeiten nachlassen. Über graduell einfacheres Gelände erreicht man den Stand direkt an der Kante, alternativ kann man auch 5m weiter nach links zum BH-Stand vom Prachtsexemplar weiter.

In L7 (6c+/7a) kommt die Crux gleich zu Beginn, danach lässt's mehr und mehr nach.

L8, 50m 5c: Wer noch eine gemütliche Seillänge zum Ausklettern machen, den bequemen Rastplatz auf der Westschulter erreichen und zu Fuss absteigen möchte, wählt idealerweise das letzte Teilstück vom Prachtsexemplar. Dieses bietet vergnügliche Kletterei an guten Griffen, die Crux befindet sich mittig bei einem steileren Abschnitt. Achtung, 50m-Seile sind vom Stand der Himmelskante knapp: entweder wie bei L7 schon erwähnt den Stand vom Prachtsexemplar nutzen, alternativ kann der/die Seilzweite auch die ersten paar Meter nachfolgen (einfaches Gehgelände). 

Geschafft! Die letzte Seillänge (L8, 5c) bietet ein gemütliches Ausklettern.

Abstieg

Vom letzten Stand noch ca. 20m hochsteigen auf die bequeme Fläche der Westschulter. Von dort kann man bequem in 15 Minuten zu Fuss absteigen. Auf deutlichen Wegspuren geht's südseitig über das Schrägband in die Kleine Chälen und dann durch diese hinunter. Das Abseilen mit 2x50m funktioniert auch gut. Von L8 kann man entweder direkt über das Prachtsexemplar abseilen (siehe Topo), oder auch zurück zu Stand 7 und dann über die gekletterte Route (S8 -> S7 -> S5 -> S2 -> S1 -> Einstieg). 

Der Abstieg über das Schrägband in die Klein Chälen, die Wegspur ist gut sichtbar.

Planungsgrundlagen, Absicherung & Topo

Die ersten 3, von mir neu erschlossenen Skyrace-Seillängen sind sehr gut mit rostfreien Bohrhaken und Raumer-Kettenständen abgesichert (Niveau xxxx). Im Dach der Westkante stecken die BH im 50cm-Abstand. Die Himmelskante wurde 1995 und 2004 von Benno Kälin mit rostfreien BH saniert. Während die Sicherungen im einfachen Gelände (L5, zweiter Teil von L7) nicht so dicht präsent sind, gibt es im Hauptteil eine enge Absicherung (Niveau xxxx-xxxxx). Zwingend schwierige Stellen kommen meines Erachtens nirgends vor, mehr als 6b ist kaum obligatorisch zu meistern. Wer möchte, kann hier und da sicherlich noch eine mobile Sicherung unterbringen. Aus meiner Optik ist dies jedoch nicht nötig und deshalb lautet meine Empfehlung, Cams und Keile daheim zu lassen. 

Unzweifelhaft, hier geht's los - auch wenn die Farbe dereinst verblasst sein sollte.

Die NW-seitig ausgerichtete Route liegt auch im Hochsommer bis am frühen Nachmittag am Schatten. Der obere Teil der Himmelskante erhält ab ca. 13.00 Uhr die erste Einstrahlung. Somit besteht eine mögliche Strategie darin, an heissen Tagen früh einzusteigen. Dank einfachem Zugang, moderater Länge, guter Rückzugsmöglichkeit und der Schutz bietenden Kletterhütte lässt sich möglicherweise auch an gewittrigen Tagen noch ein Punkt holen. Wichtig ist da eher, dass es am Vorabend nicht intensiv geregnet hat. Generell sind die Verhältnisse am Bockmattli besser, wenn es nicht unmittelbar zuvor sehr feucht war. Für lokale Verhältnisse ist das Skyrace aber schnell trocken und kletterbar. Eine von mir gerne gewählte Strategie fürs Bockmattli besteht an nicht ganz so heissen Tagen darin, erst Mitte Nachmittag einzusteigen und bis spätabends im goldenen Licht der Sonne zu klettern, man geniesst in diesem Fall ein fantastisches Ambiente mit Blick auf den leuchtenden Zürisee. Zum Ende interessieren sich bestimmt alle brennend für das Topo der Route - gerne, hier ist es!

Klettern am Bockmattli, immer wieder ein grosser Genuss!

Als Endpunkt noch ein Disclaimer für all jene, die oben nicht genau gelesen haben: neu am Skyrace sind drei komplett eigenständige, von mir im 2025 erschlossene Seillängen unter das Dach der Westkante. Der Weiterweg ist absolut logisch und bezieht wie in Bericht und Topo dargestellt Seillängen der Westkante, der Himmelskante und vom Prachtsexemplar mit ein. Es stellt sich natürlich die Frage, welcher Name für das Ensemble der treffendste ist: Himmelskante, Skyrace oder eine traditionell inspirierte Neukonstruktion à la Direkte NW-Kante?!? Ich habe keine starke Meinung dazu und kann mit jeder Option gut leben. Im Sinne der Transparenz sei an dieser Stelle erwähnt, dass sich die Erschliesser im Fall des 2015 eingerichteten Direkteinstiegs zum Element of Slime gewünscht haben, den ursprünglichen Namen für die neue Version beizubehalten. Im vorliegenden Case erhielt ich jedoch keine Rückmeldung in dieser Hinsicht. Dementsprechend bleibt mir keine andere Option, als einen neuen Namen zu wählen. Ohne das explizite Einverständnis scheint es mir nicht legitim, die etablierte Route Himmelskante neu zu definieren.  

Mittwoch, 2. Juli 2025

Kreuzberg IV - Graue Eminenz (8a)

In den Nordwänden der Kreuzberge war ich bisher nur ein einziges Mal geklettert. Dieses Kalkriff über dem Rheintal ist ziemlich abgelegen und nur mit einem längeren Zustieg erreichbar. Gleichzeitig sind die Routen nur ein paar wenige Seillängen kurz, womit man ein Missverhältnis zwischen Aufwand und Ertrag diagnostizieren kann. Trotzdem, um an heissen Tagen im kühlen Schatten zu klettern bietet sich diese Wände an. Zudem hatten wir erfahren, dass vor kurzem Tobias Bitschnau und Florian G. der hier beschriebenen Graue Eminenz in einen Team-RP den ersten Durchstieg abgeluchst und eine Aufwertung auf 8a vorgeschlagen hatten. Da wollten wir gleich nachsehen, was es damit auf sich hatte.

Die Nordwände der Kreuzberge IV und V, markiert Start- und Endpunkt von Graue Eminenz (8a).

Für den Zustieg gibt es je nach Ausgangspunkt mehrere Optionen, es sind jedoch alle aufwändig. Ab Nasseel oberhalb von Sax im Rheintal sind 1100hm fällig. Diese kann man mit der Stauberenbahn in etwa halbieren, der Zeitaufwand ist jedoch kaum kleiner. Wir hingegen setzten auf die E-Bike-Variante ab Wildhaus. Man kann dazu Faulheit monieren, doch kurz und bequem ist auch sie nicht, der Zeitaufwand ab dem Parkplatz ist ähnlich wie aus dem Rheintal. Für mich persönlich besticht sie dadurch, dass sie (pro Weg 35km bzw. 25min) Autofahrt einspart und damit die effizienteste und auch ökologischste Variante ist, um an den Kreuzbergen zu klettern. So machten wir uns um 7.20 Uhr in Wildhaus auf den Weg und deponierten das Zweirad um 7.50 Uhr auf ~1500m etwas hinter der Teselalp.

Unterwegs von Wildhaus zum Mutschensattel, welcher sich in Verlängerung der Strasse befindet.

Nun ging es zu Fuss weiter Richtung Mutschensattel. Nicht gerade ein kurzer Marsch, aber irgendwie doch angenehmer wie der Höhenmeter-Fresser aus dem Rheintal, zudem morgens auch noch angenehm im Schatten. Erwähnt sei an dieser Stelle, dass auf der NE-Seite des Sattels früh in der Saison gerne noch ein steiles Schneefeld lungert, welches ohne alpine Ausrüstung heikel zu begehen sein kann. Im schneearmen und heissen Vorsommer 2025 war Ende Juni nur noch ein letzter Rest vorhanden, welcher umgangen werden konnte. Dann heisst es vom Sattel P.2069 etwas abzusteigen, man kann jedoch auf ca. 1940m die Höhe halten und auf Wegspuren bzw. Wildwechseln unter die Nordwand der Kreuzberge traversieren. Um 9.15 Uhr und damit 1:55h nach Aufbruch hatten wir den Einstieg aufgespürt, welcher schon im steilen Gelände liegt, angekraxelt werden muss und durch einen einzelnen BH mit silbriger Fixé-Lasche identifiziert ist. Nach einer Pause starteten wir ca. eine halbe Stunde später mit der Kletterei.

Am Mutschensattel, mit dem Rest vom (u.U. heiklen) Schneefeld. Die Wolken verzogen sich bald...

L1, 35m, 7b: Los geht's noch moderat schwierig an etwas dumpf tönendem Fels zum hoch steckenden, ersten BH. Danach heisst es dann gleich subito, parat zu sein. Mit einem dynamischen Startmove zündet man das Feuerwerk, etabliert sich an einer Seitgriffschuppe und powert durch einen erneuten, dynamisch-weiten Move. An einer trickreichen kleinen Rampe lässt sich dann ein schöner Pump aufbauen, der in der finalen, leistenlastigen Rechtsquerung hinderlich sein könnte. Dann endlich kommen Henkel und damit ein Ausstieg in weniger schönes Gelände mit etwas unsicherem Fels, in welchem man die letzten 12m zum Stand bewältigt. Doof, dass da nicht noch ein BH steckt: der Vorsteiger wäre im Falle des Falles sicher mindestens spitalreif, im Nachstieg droht ein übler Pendler. Anyway, das ist alles hypothetisch, Daniel kletterte die Länge onsight und ich konnte sie, nachdem die Rakete für den Startdyno im zweiten Versuch zündete, auch durchsteigen. Trotzdem, die von Tobias vorgeschlagene 7b (Alpsteinführer bisher: 7a) passt und ist sicherlich nicht übertrieben. Zu erwähnen ist auch, dass wir die nur halbfett eingetragene (Original-)Option über den letzten Haken wählten. Linksrum über Hägar auszukneifen wäre da oben evtl. etwas einfacher, jedoch ändert es kaum etwas an der Schwierigkeit der Länge. V.a. aber bringt es einen in eine unvorteilhafte Position für den Weg zum Stand, insbesondere im Nachstieg geht es dann sicherlich in Richtung "echt gefährlich".

Vom toll zu kletternden Teil von L1 (7b) haben wir leider kein Foto. Die letzten 12m im durchzogenen Gelände machen dann nicht mehr gleich viel Freude, v.a. sind sie auch unzureichend abgesichert. Es gibt keine BH mehr und zuverlässige natürliche Möglichkeiten haben wir nicht gefunden.

L2, 25m, 7c+: Diese Seillänge ist ein absoluter Knaller, mitten durch die kompakte Wand, welche man von unten durchaus als unkletterbar taxieren könnte. Doch es geht, die Erstbegeher haben hier den richtigen Riecher (oder Glück...) gehabt. Der Fels ist zwar nur knapp strukturiert, durchgehend säumen aber kleine Leisten den Weg. Und das zum Glück in einer Verteilung, welche ein sehr homogenes Ausdauerproblem ohne verzweifelt schwierige Einzelstelle kreiert. Saubere Fussarbeit und ein gutes Bewegungsrepertoire gehören ebenfalls zu den Anforderungen, welche hier nötig sind. Ich werde Zeuge, wie Daniel wieder einmal sein überragendes Können demonstriert und diesen Abschnitt onsight zieht. Was für eine Leistung, absolut der Hammer! Nicht nur braucht es dazu die nötige Physis und die Skills. Auch mental ist es eine Challenge: es heisst, über eine lange Zeit am Limit dranzubleiben, echte Erholungspausen gibt es unterwegs keine. Meinereiner benötigte ich einige von diesen: mit ca. 5 Rastern im Seil konnte ich die Seillänge in überlappenden Einheiten ebenfalls durchziehen. Die 7c+ schätzen wir als passend ein. Die Absicherung hier ist übrigens gut, die Sache ist aber anhaltend schwierig und es gilt harte Moves auch zwischen den Bolts zu ziehen.

It's hard but a lot of fun (L2, 7c+)!

L3, 15m, 7c/+: Sehr kurz, aber gar nicht schnurz... die Wand legt sich ganz leicht zurück, wird aber gleichzeitig auch etwas strukturärmer. Sprich, die "guten" (d.h. kleinen, aber hin und wieder doch etwas positiven) Leisten von vorher fehlend weitgehend und es geht mehr in Richtung Zauberei an mickrigen Kratzern und Slopern. Somit war es leider bald vorbei mit der Onsight-Begehung und es dauerte eine geraume Weile, bis eine tragfähige Lösung für diesen Abschnitt ermittelt war. Immerhin gelang dies an beiden Seilenden. Wobei wir den Beweis für das Zusammenhängen dieser komplizierten Abfolge schuldig blieben. Möglich scheint es jedoch schon, mittig im schwersten Teil gibt's auch noch einen guten Griff, wo man sich etwas sammeln kann. Trotzdem, mich dünkte diese Länge kaum einfacher wie die benachbarten beiden. Apropos: wer sich nach dem unbequemen Stand nach L2 auf eine bessere Station freut, wird leider enttäuscht. Getoppt wird das Ganze nur vom nochmals unbequemeren Stand nach L4, aber dazu kommen wir ja erst.

Harte Moves an sehr kleinen Griffe in technisch forderndem Gelände (L3, 7c/+).

L4, 35m, 8a: Der Alpsteinführer rapportiert hier eine lapidare 7b, wobei dies wohl eher die obligatorisch zwischen den Haken zu kletternde Schwierigkeit bezeichnet, welche die Erstbegeher im Rahmen der Erschliessung wahrgenommen hatten. In Tat und Wahrheit gibt's von BH #2 zu #3 eine heftige (aber halt nicht zwingend vollständig freizukletternde) Crux von soso Seit-/Untergriff über eine übel schmierige (weiss-flechtige) Sloperleiste an ein kleines Schüppli, dessen pflegliche Behandlung anzuraten scheint. Während Daniel hier den Schlüssel fand (nicht im onsight jedoch), konnte ich diesen Move nicht ausführen: mit den tieferen Tritten fehlte mir die Reichweite, mit den höheren drückte ich mich aus der Sloperleiste und mit Antreten im Nichts dazwischen war dieser Griff einfach zu schlecht, um haltbar zu sein. Als nächsten Programmpunkt erreicht man eine Rissspur, wo man zwar leichter für Fortschritt sorgt (ca. 7a/+), einfach ist es jedoch aufgrund der etwas mehlig-schmierigen Griffe auch nicht wirklich (zudem 1x Cam 0.4 oder 0.5 sehr hilfreich). Irgendwann ist dann aber fertig Riss und es folgen nochmals zähe Wand- bzw. Plattenmoves in sehr knapp und abschüssig strukturiertem Fels. Daniel meinte, dies könne evtl. schon nur 7b sein. Mir hingegen kam dieser Teil schwieriger vor, sprich nochmals in ähnlichem Rahmen wie in L2 und L3. Jedenfalls: eine 7b ist diese Länge sicher nicht, wir stimmen mit Tobias' Vorschlag von 8a überein.

Geschenkt gibt es da gar nix: Marcel in der anhaltenden L4 (8a).

L5, 25m, 6c: Auf dem Topo sieht's eher so aus, als ob die Route nach L4 enden würde. Im Gelände hingegen weniger. Denn der Stand befindet sich effektiv direkt im Verlauf der letzten Seillänge (6c+) von Hägar und auch weiter unten wie in der Literatur verzeichnet. De fakto klettert man hier noch gute 25m und damit fast die ganze Hägar-Länge. Evtl. käme die Crux dort gleich zu Beginn, denn die 6c+ scheint mir eher etwas hoch. Was aber nicht heisst, dass es geschenkt wäre. Ein paar fordernde Moves warten durchaus, aber die Griffe sind nun schon etwas grösser ausgefallen. Am Ende sitzt übrigens nicht mehr jeder Griff bombenfest (passt aber schon) und man hat die Wahl, zwischen einem erneut unbequemen Stand in der Wand, oder einem Ausstieg auf den Felskopf, wo man 3m weiter oben auf zwei Longlife-BH einer klassischen Route stösst.

Wenn man zum Vorgipfel aussteigt, gibt's dafür keine Fotos von L5 (6c)...

Wir nutzten gerne die letztere Option, welche in ein paar weiteren Metern in seilfreiem Kraxelgelände auch noch den Besuch des Vorgipfels erlaubt, so dass eine Rundumsicht in alle Richtungen genossen werden kann. Um 15.20 Uhr waren wir da, hatten somit also 5:30h für die fünf nicht einmal überaus langen Seillängen gebraucht. Schliesslich galt es aber, viele harte Moves zu dechiffrieren und wir waren im Sportklettermodus unterwegs. Während Daniel ein "all free" gelang, blieb mir dieser eine Move in der 8a verwehrt. Trotzdem, das war eine sehr zufriedenstellende Sache und es hatte enormen Spass gemacht, bei angenehmen Bedingungen in dieser Wand zu fighten und zu puzzeln. 

Blick vom Top Richtung Norden, d.h. zur Roslenalp und zum Kreuzberg III.

Für den Weg zurück wäre ein Fussabstieg optional möglich. In Kletterfinken jedoch nicht, so stiegen wir vom Vorgipfel zum Stand zurück, seilten die 3-4m über die Kante zu jenem nach L5 ab. Dann geht's zurück zu jenem nach L4, von wo man dann in zwei voll ausgereizten 50m-Strecken (via Stand 2) gerade wieder zum Einstieg kommt. Dort packten wir zusammen, liefen wieder unter den Kreuzberg-Nordwänden durch und stiegen retour zum Mutschensattel. Daniel schritt zügig seiner daheim wartenden Familie entgegen, ich konnte mir etwas mehr Zeit nehmen und die Abendstimmung in der schönen Umgebung aufsaugen. Spät wurde es auch bei mir nicht, zum Znacht und zum Verfolgen der Seminfinals vom Weltcup in Innsbruck war ich daheim - sehr zufrieden übrigens mit der Zustiegsoption ab Wildhaus, in Kombination mit dem E-Bike ist das für mich die Optimalroute an die Kreuzberge.

Am Mutschensattel, voraus der Weg zurück zum Ausgangspunkt Wildhaus.

Facts

4. Kreuzberg - Graue Eminenz 8a (7b obl.) - 5 SL, 135m - Good/Weber/Wohlwend 1996 - ****;xxxx
Material: 2x50m-Seil, 14 Express, Cam 0.5

Ein richtig cooler, schattig gelegener Alpinsportkletterhammer! Absolut herausragend ist die Kletterei in der anhaltend-ausdauernd-homogenen L2, ebenfalls sehr gefallen haben mir die Moves in L1. Danach ist der Fels etwas abschüssiger strukturiert, die Kletterei wird dementsprechend mehr tüftelig und bouldrig. Auch das ist lohnend, ich fand es aber nicht mehr ganz so cool. Abgerundet wird das Ganze mit einer einfacheren letzten Länge plus Gipfelerlebnis. Somit mein Fazit: für diejenigen die es drauf haben, lohnt sich der weite Weg dahin auf jeden Fall. Sonst gäbe es mehr oder weniger dasselbe unmittelbar daneben auch zu (mutmasslich) leicht günstigerem Tarif in Hägar (7b+). Die Route(n, gilt wohl ähnlich für Hägar) sind sehr gut mit BH abgesichert. Jedoch ist die Kletterei anhaltend schwierig und es gilt doch manchen, fordernden Move zwischen den Sicherungen zu absolvieren. Etwas Argwohn erwecket die Tatsache, dass die verzinkten Bolts mit den rostfreien Laschen aufgrund der galvanischen Korrosion nicht mehr taufrisch aussehen (Stand 2025), zudem sind das (deutlich einfachere, aber vom Fels her nicht 100%ige, 6b max) Start- und Schlussstück in L1 leider boltlos geblieben. Das Topo findet man im SAC-Kletterführer Alpstein. Gegen die bei der ersten RP-Begehung vorgeschlagenen Bewertungen von 7b, 7c+, 7c, 8a gibt es von unserer Seite absolut keinen Grund zur Opposition, sie passen sicher besser wie dir originalen Vorschläge.

Freitag, 27. Juni 2025

Churfirsten / Hohwand - Alte Affen (7c+)

Brandheisse News aus den Churfirsten: diese neue Route aus dem Jahr 2024/2025 wurde von Daniel und Fabian eingerichtet. Sie führt durch den steilsten Bereich an der Hohwand und bietet durchwegs sehr fordernde Kletterei und stellt damit ein währschaftes alpines Sportkletter-Testpiece dar. Ich hatte die Ehre, bei der ersten durchgehenden Begehung dabei sein zu können und Daniel bei seinem Rotpunkt-Versuch zu sichern.

Die steile Hohwand mit dem Verlauf der Route 'Alte Affen' und dem Zustieg dahin.

Wie schon letztes Jahr für unsere Neutouren an der Roskirche reisten wir wiederum von Walenstadt per E-Bike bis zum P.1544 am Tschinglaweg (9km, 1100hm, für die anderen Zustiegsoptionen lese man meinen damaligen Beitrag). Via Chammsässli ging's hinauf zu den Felsen am Fuss vom Valsloch, wo links die deutliche Spur vom Schnüerliweg abzweigt. Man folgt diesem für ca. 200m und steigt dann, nachdem man um eine Ecke gequert ist, über Schrofen zur Wand hinauf, wo man den angeschriebenen Einstieg vom Bandwurm findet. Nun gilt es weiter nach links hinauf zu steigen, eine Felsstufe stellt sich in den Weg (T6, II, zwei BH zur Sicherung vorhanden, Standmöglichkeit am Einstieg der Etter-Direktroute). Nach diesem Hindernis geht es vorerst wieder einfacher am Einstieg der Tschingla vorbei der Wand entlang, zum Schluss wartet dann nochmals eine steile, exponierte Passage (T5). Der Einstieg von Alte Affen ist nicht bezeichnet, 10m rechts befindet sich eine Standkette (zum Abseilen über die T5-Passage), 3-4m links ein einzelner, rostfreier BH am Einstieg der Pfeilerroute Scherrer. Um ca. 9.15 Uhr starteten wir im erwünschten, aber doch recht kühlen Schatten mit der Kletterei.

L1, 30m, 7c+: Die ersten Meter sind noch nicht ganz so schwierig, dafür erfordert der Fels etwas Aufmerksamkeit. Doch schon bald zieht es an mit technisch fordernder, trittarmer und deshalb athletischer Kletterei. Eine markante Schuppe will erhascht werden, die zu einem Rastpunkt vor der Cruxsequenz führt. Im letzten Drittel folgt dann eine heftige Stelle, trittarm gilt es kleine, scharfe Tropflochgriffe zu riegeln, was für mich nicht dechiffrierbar war. Am Ende wird man dann dafür mit grossen Tropflöchern in bestem Fels belohnt.

"Endlich" kommen am Ende von L1 (7c+) ein paar so richtig griffige Tropflochtaschen.

L2, 30m, 7b+: Hier geht's auch schon bald mit einer technoathletischen Stelle los. Daniels Lösung konnte ich dabei nicht replizieren, ich fand aber eine andere Möglichkeit (die aber evtl. morpho ist). Dann kommt man vorerst besser voran bis zu einem Wulst im letzten Drittel. Leider bietet diese Crux wenige taugliche Griffe und besteht aus eher "knusprigem" Fels. Nach diesem Hindernis (von mir nicht in freier Kletterei gemeistert), folgt zum Glück wieder gut kletterbares Gelände, es gilt jedoch einen weiten Hakenabstand zu meistern.

Der Akteur im Runout nach dem Knusper-Wulst im oberen Teil von L2 (7b+).

L3, 15m, 7b: Es geht gleich kräftig übers Dach hinweg, diese vermutlich etwas grössenabhängige Passage war für mich gut durchführbar. Heftig wird es unmittelbar danach: der von orangen Flechten überzogene Fels bietet (nachdem ich die einzige Leiste leider in die Tiefe befördert habe) nur scharfe Minikratzer und erfordert technische Zauberei, welche ich nicht ausführen konnte. Der letzte Teil der Querung zum Stand verdient dann zwar nicht das Attribut "einfach", aber dank wieder besserer Griffe für mich doch wieder die Bezeichnung "machbar".

Die Rechtsquerung in L3 (7b+) ist hart, aber dafür sehr gut abgesichert.

L4, 20m, 7b: Auch hier geht's gleich wieder mit einer richtig taffen Stelle los: wie gehabt sehr trittarm und ein paar sloprige Rauigkeiten für die Griffel müssen für den Fortschritt ausreichen. Auch diese Stelle gelang mir nicht, aber bald danach im zum Stand führenden Quergang muss dann auch der Nachsteiger parat sein. Der ist einfacher, aber dafür luftiger gesichert, im letzten Teil gibt's sogar nur einen Cam als Stopper für eine allfällige Flugeinlage.

Hier muss man auch im Nachstieg parat sein (L4, 7b+).

L5, 30m, 7a+: Immerhin, in dieser schönen, etwas einfacheren, aber doch anhaltenden und alles andere als geschenkten Seillänge konnte ich doch noch einen kleinen Erfolg im Sinne von einem Nachstiegs-Flash feiern. Allerdings auch nur, indem ich an entscheidender Stelle eine ganz andere Option wie Daniel wählte (sozusagen ein Beta Break, seine Lösung hätte ich vermutlich nicht hingekriegt). Die Kletterei spielt sich oft an Seit- und Untergriffen ab, ein paar Verschneidungen gilt es geschickt zu nutzen und gegen das Ende hin wird es einfacher.

Daniel klettert in L5 (7a+) an vielen Seit- und Untergriffen der Sonne entgegen.

Um ca. 12.45 Uhr waren wir nach 3:30h der Kletterei am Top. Obwohl Daniel alles kannte und eingeübt hatte und trotz meinem Verzicht auf das Entschlüsseln aller Passagen war einiges an Zeit verstrichen. Zwar hatten wir die Route wie gewünscht noch weitestgehend im Schatten komplettieren können. Doch Daniel musste sich zwecks weltlicher Pflichten subito aus dem Staub machen. Ich nahm mir mehr Zeit, legte am bequemen Ausstieg erst mal eine Siesta ein. Die aufkommende Hitze machte es nach einer Weile ungemütlich, so war dann auch meine Lust verflogen, noch einige der im Verdon-Prinzip zu kletternden Hohwand-Seillängen zu versuchen. Sowieso hatte ich mit der fordernden Route schon ein ausführliches Programm gehabt und meine Fingerhaut auf ein Minimum reduziert. Somit ramisierte ich meine Ware zusammen und stieg durchs Valsloch gemütlich ins Tal zu einem Glacé ab.

Ein guter Platz für eine Siesta!

Facts

Churfirsten / Hohwand - Alte Affen 7c+ (7a obl.) - 5 SL, 125m - Benz/Guntli 2025 - ****;xxxx
Material: 2x50m oder 1x60m-Seil (knapp zum Abseilen!), 10 Express, Cams 0.4 und 1, evtl. 0.2-0.3

Steile und sehr fordernde alpine Sportklettertour. Die schwierigen Stellen sind alle sehr technisch und spielen sich bei Trittarmut an kleinen und scharfen Griffen ab. Hohe Fertigkeiten und eine gewisse Schmerztoleranz scheinen mir für einen Freiklettererfolg unerlässlich. Der Fels ist überwiegend sehr gut, oft rau bzw. scharf, an vereinzelten Stellen jedoch auch etwas splittrig. Die Absicherung mit rostfreien BH ist an den schwierigen Stellen sehr gut, nur an ein paar einfacheren Stellen weiter. Aufgrund der anhaltenden Schwierigkeiten und der Art der Kletterei ist aber trotzdem Engagement gefragt, die Strategie A0 hilft nur beschränkt. Die Cams kommen nur an zwei Stellen zum Einsatz, sind dort aber zwingend nötig. Das Topo von Daniel (auf Grundlage des Kletterführers St. Galler Oberland von Thomas Wälti) kann hier heruntergeladen werden.

Sonntag, 22. Juni 2025

Cheselenflue - Kontinuum (7b oder 6c+ A0)

An der Cheselenflue war ich bisher gar nicht so oft aktiv. Man könnte dies auf eine snobistisch ablehnende Haltung zu den sehr gut abgesicherten, auf Plaisir orientierten Routen zurückführen. Diese Haltung ist mir grundsätzlich fern. Doch irgendwie haben die Routen für mich dort doch eher den Charakter von MSL-Ausweichzielen für den Moment, wo Grösseres nicht geht. Und genau so war es an diesem Tag. Wir hatten nur ein limitiertes Zeitfenster, das gereizte Knie (nicht meines) verlangte nach einem moderaten Zustieg. Darüber hinaus war es sehr heiss, d.h. wir wollten am Schatten klettern, mussten aber die heftigen Regenfälle kurz zuvor berücksichtigen, welche viele nordexponierte Routen unpraktikabel machten. So war es dann nur erwünscht, dass an der Cheselenflue noch einige Projekte offen waren. Wie es sich zeigte, gab es im Kontinuum durchaus auch noch eine Sportkletter-Herausforderung.

Blick auf den Sektor Chaltbach und die östlichen Melchtaler Berge, u.A. mit der Barglen.

Wir starteten um 12.40 Uhr mit dem Zustieg, respektive eben mit der Zufahrt per Bike von der Stöckalp (1071m) zum P.1276. Diesen Abschnitt könnte man noch automobil zurücklegen, wobei dann eine (teure!) Taxe anfällt und man den wechselseitigen Einbahnverkehr auf der Bergstrasse berücksichtigen muss (gerade Stunden von .00 bis .40 aufwärts, ungerade Stunden von .00 bis .40 abwärts). Alternativ geht dieser Abschnitt auch in 20-30 Minuten zu Fuss. Dann über den alten Fruttweg hinauf, entgegen der Angabe in den gedruckten Topos hat sich als Zustieg inzwischen die Direktvariante hinauf zur Wand etabliert, welche auf knapp 1400m abzweigt (farblich markiert). Die "offizielle", erst auf ca. 1480m abzweigende Spur ist umwegiger, zeitaufwändiger und deutlich weniger ausgetreten. Den Einstieg ca. 40m rechts vom tiefsten Punkt beim Sektor Meteorit konnten wir problemlos identifizieren (grüner Punkt, noch knapp lesbare Anschrift mit dem Routennamen) und starteten um ca. 13.50 Uhr mit der Kletterei. Die Wand war übrigens gerade dabei, sich in den Schatten zu verabschieden, insofern hatte unser Timing ziemlich gut gepasst.

Ein Blick auf die Cheselenflue, mit dem Verlauf der Route Kontinuum.

L1, 30m, 6c: Auf los geht's los, und zwar gleich mit steiler Kletterei an kompaktem Fels mit einigen wenigen Pockets und Leisten in Querschlitzen. Wie immer bei dieser Art der Kletterei gilt es die Übersicht über die Trittmöglichkeiten zu behalten. Einmal überstreckt in der Wand sieht man diese nämlich nicht mehr und so kann subito fertig sein mit der lupenreinen Begehung. Diese gelang uns aber wie gewünscht, wobei man sich über die ersten paar Haken schon seriös festhalten muss. Obenraus wird es dann einfacher und es gibt sogar ein paar längere Hakenabstände. Das letzte Plättli war vom Steinschlag flachgedrückt und nicht mehr nutzbar (siehe Foto unten). Nachdem ich die Mutter mit dem Grübler ein wenig gelöst und das Plättli gedreht habe, sollte es nun wieder gehen.

Noch ein paar letzte Meter an der Sonne im flachen Endteil von L1 (6c).

L2, 25m, 5c+: Grossgriffige und damit gemütliche Kletterei. Der Fels ist nicht megaschön, aber doch solide und auch dank der guten Absicherung kommt man hier sehr zügig vorwärts. Die schwierigste Stelle ist wohl die Querung am Schluss, wobei die im Vergleich zum Rest der Route halt wirklich keine Anforderungen stellt. Den Stand teilt man sich übrigens mit der Route Roter Punkt.

Nicht jeder Meter der Route weist perfekten Fels auf. V.a. im Bereich der Bänder liegen meistens lose Steine herum. Dies kann ein Problem darstellen, wenn mehrere Seilschaften in der Wand aktiv sind. Insbesondere wenn Partien weiter oben ihr Seil abziehen, muss schon fast mit Steinschlag gerechnet werden.

L3, 20m, 6c+: Gerade obsig geht's weiter (Roter Punkt zieht deutlich nach links). Zuerst einmal über einen eher brüchigen Vorbau. Auch der erste Teil der steilen Wand darob ist nicht über alle Zweifel erhaben. Die wichtigsten Griffe sind aber mit Sika stabilisiert, passt also schon. Bald einmal müssen ein paar kleine Leisten gekrallt werden, dann heisst es kräftig über eine Seitgriffpassage in wieder mehr steilplattig-querschlitziges Terrain zu entkommen und dann pumpig unter Nutzung ebendieser Schlitze nach links zum Stand zu traversieren. Die Kunst liegt wohl darin, sich hier noch die Übersicht zu verschaffen zu können, wie die beste Sequenz verläuft.

Feine Querschlitze krallen heisst das Motto am Ende der ausdauernd-kräftigen L3 (6c+).

L4, 20m, 6c: Vom eher unbequemen Stand geht's gleich mit reibungslastiger Kletterei los, bald wird es aber steiler und heftig crimpy mit einer echt coolen Crux. Auch weiter folgt sehr interessante Kletterei, auch wenn der Fels im oberen Teil teilweise von einer staubigen Schicht überzogen ist. Mit einem echt coolen Schulter-Move löst sich eine zweite Schlüsselpassage im Bereich 6b+ sehr elegant, wirklich eine tolle Sache.

Vom Steinschlag plattgedrückter BH am Ende von L1 (6c), der nicht mehr geklippt werden konnte. Nachdem ich nun die Lasche etwas gedreht habe, sollte es wieder möglich sein. Es ist auch nicht das einzige flachgedrückte Exemplar in der Route, doch die restlichen sind klippbar. Es sei hier auch ausdrücklich darauf hingeweisen, dass man die Wand bzw. die Route auf keinen Fall angehen soll, wenn im Gelände oberhalb der Wand noch Schnee(resten) liegen. Es droht massive Gefahr, mit Steinen bombardiert zu werden.

L5, 30m, 6b: Nach der etwas splittrigen Einstiegsstufe folgt erst botanisch-einfaches Gelände, dem Fels ist da wenig zu trauen. Vorsicht ist angezeigt, auch weil die Haken für einmal nicht so nahe beisammen stecken. Schliesslich kriegt man dann wieder kompakten Fels unter die Finger. Dies gipfelt in einer für den Grad nicht geschenkten Crux, die sich an einem Pocket abspielt, welches sich irgendwie nicht so natürlich anfühlt. Ohne zu viel verraten zu wollen sei gesagt, dass dieses Loch wirklich sehr essenziell ist. Zum Schluss gibt's dann wieder griffiges Gelände zum Stand.

Tolles Ambiente am Ende von L5 (6b).

L6, 25m, 7b oder 6c+ A0: Los geht's mit einem Einstiegsboulder an einer Stufe, dann bringt einen etwas einfacheres Gelände zum Filetstück der Seillänge. Zuerst will ein überhängender Wulst gemeistert werden, der mit einigen klein-positiven Leisten erst noch taugliches Griffmaterial bereithält, sehr athletisch ist es dennoch schon. Die m.E. härteste Sektion kommt beim Übergang ins nicht mehr ganz so steile Gelände danach. Da fehlen die Leisten nämlich und es gilt, sich an sloprigen Seitgriffen in die Höhe zu arbeiten. Sehr technisch geht's dann mit Zauber-Wandkletterei weiter. Spreizend wollen Reibungstritte genutzt werden, es gilt sich in die Höhe zu schieben, stemmen und drücken - mega! Das Ganze kulminiert schliesslich im Exit, wo an schlechten Leisten nochmals entschlossen blockiert werden muss, um den Ausstiegshenkel zu erreichen. In meinem zweiten Go konnte ich die Länge punkten. Ich denke, der Grad von 7b (den ich online gelesen habe und auch früher schön mündlich übermittelt erhalten hatte) passt hier tiptop. Die Absicherung im Crux-Abschnitt (obere zwei Drittel der Seillänge) ist sehr eng, A0 funktioniert da problemlos. Eines sei noch erwähnt: wer die Seillänge als 6c+ mit 2pa klettern möchte, muss mit dem Hakenziehen sparsam umgehen... die Sache ist ab dem Wulst anhaltend schwierig.

Kathrin auf den letzten Metern der Cruxlänge (L6, 7b oder 6c+ A0), welche in diesem Bereich eher steilplattig-abschüssig daherkommt. Dem Antreten kommt hier ganz entscheidende Bedeutung zu, um sich in die Höhe zu zaubern. Im Vordergrund sind auch noch die beiden einzigen Griffe in diesem letzten Abschnitt dank ihren Chalkspuren identifizierbar. Ähm nein, etwas Besseres gibt's da nicht.

L7, 20m, 6b: Eine schöne Seillänge, welche das Abschlussbouquet einleitet. Zuerst mit kleiner Rechtsschleife durch die Wand rechts. Dann folgt ein (für die Route) sehr weiter Abstand, man quert auf einem kleinen Band nach links. Dann muss man sich an einem Wulst kurz festhalten (Achtung, brüchige Tritte), bevor es in einer steilen Verschneidung zum Stand auf der Kanzel geht. Dort kann man in 3d-Manier die Schwierigkeiten vollständig wegstehen.

3d-Verschneidungskletterei am Ende von L7 (6b).

L8, 20m, 6a+: Super-henklige Traverse nach rechts hinaus, kaum zu glauben, dass man in solch steilem Gelände beinahe "gehen" kann. Dann folgt gleich die Crux mit einem zächen Blockierer von einem mässig verwachsenen Block weg (möge der an Ort und Stelle bleiben!). Die Zielgerade bietet dann supertolle Wandkletterei in fett wasserzerfressen-henkligem Gestein, da kommen für einen Moment sogar Wenden-Vibes auf. 

Die Abschlussmeter in L8 (6a+) bieten tolle Felsqualität.

Um 18.15 Uhr und damit nach 4:30 Stunden der Kletterei hatten wir das Top erreicht. Für einen Komplett-Onsight hatte es leider nicht ganz gereicht, die Cruxlänge erforderte einen Second Go, den Rest konnte ich aber auf Anhieb klettern. Aber immerhin war die Route komplett gepunktet und auch Kathrin hatte sich im Nachstieg bis auf jene Passage in L6 schadlos gehalten. Die Bedingungen am Schatten waren übrigens perfekt gewesen. Meinerseits in kurzer Hose und T-Shirt, und das ohne zu frieren - ideal! Am Routenende gibt's nicht viel zu tun, denn die Kletterei endet mitten in der Wand vor einem brüchigen Wulst (nach welchem dann wohl geneigtes Schrofengelände käme). Somit subito die Seile gefädelt und mit unseren 2x50m-Seilen zügig und bequem in 4 Manövern zurück zum Einstieg geseilt (S8 -> S6 -> (50m!) S4 -> S2 -> (50m!) Einstieg). Dort räumten wir unsere Ware zusammen, liefen zu Tale und fuhren angenehm verkehrsarm nach Hause. Ein chilliger MSL-Tag, aber doch mit einer Prise sportlicher Herausforderung, so darf es gerne immer wieder sein. 

Epilog

Einen kurzen Epilog gibt's an dieser Stelle noch. Der Folgetag spielte sich nach einiger Zeit wieder einmal im Klettergarten Schlänggen in Engelberg ab. Früher waren wir dort mit den Kindern sehr oft zu Gange. Doch einerseits hat das Familienprogramm gewechselt (d.h. gemeinsame Ausflüge zum Klettern sind selten geworden) und andererseits habe ich dort alle "machbaren" Routen bereits gepunktet. Nur ein paar wenige Knacknüsse verbleiben noch und mit sporadischen Besuchen im 1- oder 2-Jahres-Rhythmus werden die sich dem Roten Punkt nicht beugen. Aber möglich wäre es mit dem nötigen Investment eben vielleicht doch. Durchaus verspüre ich den Reiz, da mal noch "aufzuräumen" und die noch möglichen Begehungen heimzutun. Das hiesse dann wohl aber, auf das abenteuerlich-explorative (MSL-)Klettern verzichten zu müssen, oder es zumindest stark einzuschränken. Schlussendlich ist es halt schon einfacher, eine 7b onsight (oder wie hier 2nd Go) zu machen, wie eine 8a/+ am (bzw. über) dem Limit fokussiert zu erarbeiten, bzw. erst einmal die dazu nötigen physischen Grundlagen anzutrainieren. Andererseits hat es auch ein bisschen den Anflug von "Bequemlichkeit", einfach nur das zu machen, was man eh schon kann. Damit sei der Effort im Kontinuum nicht kleingeredet und es war auch 100% Vollgas nötig, um schon nur das zu schaffen. Gleichzeitig ist es aber auch nicht der Trainingsreiz, welcher die offenen Schlänggen-Projekte möglich macht. Tja, "the answer my friend, is blowing in the wind". Der geneigte Leser kann ja vermutlich schon erahnen, wie diese Reise weitergeht...

Facts

Cheselenflue - Kontinuum 7b oder 6c+ A0 (6b obl.) - 8 SL, 190m - W. Britschgi et al. 1998 - ***;xxxx
Material: 2x50m-Seile, 14 Express, Cams/Keile nicht nötig

Plaisir oder Extrem? Das ist eine Frage, welche sich gar nicht so einfach beantworten lässt. Komplett frei gemacht (was sehr gut möglich ist), ist auf jeden Fall ein Kletterkönnen nötig, welches den Plaisirbereich klar sprengt. Und auch einige andere Seillängen mit kräftiger Leisten- und Querschlitz-Kletterei im Bereich 6c/+ sprechen eher jene an, welche sich regelmässig in der Vertikale bewegen. Eines ist sicher: die Absicherung ist in den schwierigen Passagen eng bis sehr eng (Niveau xxxxx) gehalten. An ein paar wenigen einfacheren Stellen gibt's auch mal weitere Abstände (Niveau xxx-xxxx). Mit mobilem Material kann man jedoch (auch dort) nichts anfangen. Die Kletterei ist echt cool und hat mir sehr viel Spass gemacht. Ein paar Leistenpassagen an Wulsten sind etwas splittrig, zwischendurch gibt's auch mal etwas Botanik und einfaches Bruchgelände, abschnittweise ist der Fels etwas staubig-belagig. Insgesamt überwiegt aber schon tolle Kletterei in prima Fels. Topos und weitere Infos zum Gebiet bzw. der Route findet man im Plaisir Ost vom Filidor-Verlag, oder im SAC-Tourenportal.

Links zu den früher gekletterten Routen an der Cheselenflue

Roter Punkt (24.3.2001)
Stairway to Heaven (28.6.2006)
Pulsar (2.7.2013)
Orion (17.5.2014)
Die Männer vom Memmental (8.6.2019)
Krater (8.6.2019)

Sonntag, 15. Juni 2025

Gross Mythen - Geissstock SE-Pfeiler (7a)

Es war wieder einmal ein typischer Spätfrühlingstag angekündigt. Im Flachland sonnig und warm, doch in den Bergen würden einen ganz bestimmt wieder Quellwolken und starke Thermik noch daran erinnern, dass der Sommer noch nicht da ist. Unter diesen Voraussetzungen entschieden wir uns für eine defensive Planung und wollten wieder einmal am Geissstock in der Südflanke vom Gross Mythen eine Aufwartung machen. Die letzten Male mit der SE-Wand (Bericht von 2010) und dem Mauerläufer (Bericht von 2016) liegen doch schon viele Jahre zurück. Diese Einleitung mag bis zu diesem Punkt uninspiriert wirken und die Tour als Ausweichziel charakterisieren. Das stimmt aber nicht mit den Empfindungen im Gelände überein. Geboten wird rassige, luftige Kletterei, bei welcher einem bestimmt nicht langweilig wird.

Bottom-Up-Shot der Südwand am Geissstock in der Südflanke mit der von uns gekletterten Linie. Zuerst haben wir drei Seillängen der Route Mauerläufer geklettert, um den grasig-brüchigen Originaleinstieg vom SE-Pfeiler zu vermeiden. Aus der Mitte seiner zweiten Seillänge sind wir dann über ihn zum Top geklettert.

Für die Anreise wurden (mehr oder weniger) neue Pfade beschritten. Um die Zeit auf dem Autositz zu begrenzen, entschieden wir uns, nach Brunni im Alpthal zu fahren. Per Seilbahn (oder auch zu Fuss) könnte man von dort die Holzegg erreichen. Zeiteffizienter geht's mit dem Bike in 20 Minuten auf der guten Fahrstrasse durch den Ijenwald, später dann via Müsliegg. Von der Holzegg muss südseitig abgestiegen werden bis zur Strassenkehre auf ca. 1215m im Hasliwald. Auf einem Forstweg geht man in den Wald hinein, an dessen Ende beginnen deutliche, mit roten Punkten markierte Pfadspuren, welche einen hinauf zum Einstieg führen. Die Schwierigkeit ist ca. T4, d.h. grundsätzlich kein schwieriges Gelände, Ausrutscher darf man sich in der Querung am Ende trotzdem nicht leisten.

Hier könnte man vor der Tour einen Kafi trinken. Oder danach Zanderknusperli essen.

Weil die ersten beiden, grasig-brüchigen Seillängen vom SE-Pfeiler in aller vorhandener Literatur (egal ob gedruckt oder digital) als unlohnend und heikel beschrieben werden (was mit dem visuellen Eindruck vom Wandfuss übereinstimmt), entschieden wir uns, lieber mit der Route Mauerläufer zu starten und erst später auf den SE-Pfeiler zu wechseln. Dies versehen mit dem Fragezeichen, wie gut und wo am besten dies möglich wäre... Lassen wir die Katze aus dem Sack: es geht nicht so einfach, wie man gerne möchte. Möglich ist es aber, für die Lösung lese man weiter im Bericht. Um ca. 9.45 Uhr starteten wir bei angenehmen Bedingungen und Sonnenschein mit der Kletterei.

Mauerläufer

L1, 40m, 6c: Gegenüber meiner damaligen Begehung im 2016 wurde die Route auf den ersten beiden Seillängen etwas verändert. Der frühere, 15m kurze Einstiegsabschnitt dient nun als Auftakt zur 3d-Turnerei durch die steile Verschneidung. Diese ist weder so richtig schwierig noch so richtig einfach. Gut planen, gut bewegen und gut auf die Füsse stehen muss das Motto sein. Erwähnt sei, dass die Länge etwas seilzugträchtig ist und zudem recht lange schattig, d.h. es kann kalte Griffel geben. Der Stand befindet sich neu am Ende der Verschneidung.

Tricky Kletterei durch die Verschneidung in L1 (6c) von Mauerläufer.

L2, 25m, 6b: Die Platte zu Beginn dieser Länge musste ursprünglich ohne Sichtkontakt zum Belay und mit zwei Haken weniger bewältigt werden. Damals fühlte es sich also gar nicht entspannt an. Nun, gut gesichert ist es eine vergnügliche Sache und es kam mir nicht sonderlich schwierig vor. Eigentlich hatten wir gehofft, vom Ende der Platte nach rechts in den SE-Pfeiler queren zu können. Dies materialisierte sich nicht. Deshalb weiter nach links hoch zum Stand auf dem Grasband, die zwei Sanduhren sind inzwischen um einen Ring-BH verstärkt worden.

L3, 30m, 6c+: Auch vom Stand war ein Wechsel in den SE-Pfeiler nicht zu bewerkstelligen. So blieb als einzige Option das Klettern einer weiteren Länge, so dass wir abseilend die Route wechseln konnten. Das ist aber natürlich kein Schaden, denn diese Sequenz bietet schon eine coole, piazige Wandstelle mit der Crux. Damals war das sehr ungünstig abgesichert, aber seither ist in der Cruxzone ein zusätzlicher BH "gewachsen". So kletterte sich die Stelle viel angenehmer und fühlte sich gar nicht mehr so schwierig an. Etwas einfacher geht's dann griffig an den Stand.

Hier spriessen auch Grasbüschel, es stört die Kletterei in der Mauerläufer-L3 (6c+) aber kaum.

Um auf den SE-Pfeiler zu wechseln, mussten wir nun einen Abseiler ziehen. Dieser führte uns in die Mitte von dessen L2, wo wir einen soliden Stand an einer Sanduhr, einem NH mit zwei sehr guten Cams einrichten konnten.

SE-Pfeiler

L2/L3, 40m, 6b+ (offiziell 6a+): Ab unserem Startpunkt kletterten wir zuerst also im grasig-schrofigen Gelände von L2 hoch, gegen den Stand hin wird es dann felsiger und man muss richtig klettern. Die Absicherung eher spärlich, geht aber schon. Vom Stand nach L2 zweigt dann links eine neue Route/Projekt (dem Vernehmen nach von Spiri) ab. Wir konnten indessen die relativ kurze dritte Länge gleich anhängen. Erst noch moderat über die Rampe nach rechts hinaus, dann vorerst über noch griffige Risse steil weiter. Der Ausstieg aus diesen an einigen Slopern und schrägen Kanten ist dann heftig athletisch und fordernd, die 6a+ auf dem Topo weit daneben. Ich plädiere für mindestens 6b+ und bin eigentlich der Meinung, dass L3 von Mauerläufer wohl etwa ähnlich schwierig ist.

Kräftige Moves am Ende von L3 im SE-Pfeiler, welche definitiv nicht nur eine 6a+ ist.

L4, 15m, 7a: Kurz, dafür umso steiler. Los geht's mit einer stark überhängenden, flared Verschneidung. Dieser ist mit ein paar harten Piazmoves an soso Seitgriffen und schlechten Tritten zu entkommen. Nach einigem Vor-und-Zurück kann ich mich auf eine Beta festlegen. Funktionieren tut sie mehr schlecht als recht, unter Einsatz aller verfügbaren Kräfte kann ich mich jedoch oberhalb dieser Passage etablieren. Den Pump werde ich nicht mehr los, immerhin sinkt der Puls wieder etwas und ich kann mich nach vorne orientieren. Ganz so schwierig geht's nicht weiter, die überhängende Kletterei an Leisten und grossen Slopern ist aber anstrengend und es folgt kein richtiger Ruhepunkt. Mit dem Laktatlevel am Anschlag und deswegen aufkeimender Übelkeit komme ich arschknapp durch. Meistens muss ich in einer 7a nicht dermassen alle Register ziehen, sprich ich plädiere für mindestens 7a hard. Wobei: man hätte es sicher besser anstellen können, wie ich es gemacht habe...

Zu gepumpt gewesen, um nach L4 noch das Handy zu zücken und ein Foto zu schiessen 🥴🤪. Daher muss hier dieses Übersichtsbild herhalten. Der SE-Pfeiler verläuft mehr oder weniger im Bereich der markanten Kante in Bildmitte (eher leicht auf der linken Seite). Aber man sieht: das Terrain ist da schon richtig steil!

L5, 15m, 6c: Grosso modo steile Risskletterei, jedoch mit etwas Wandanteil. Als eigentlich einzige der Seillängen fand ich diese hier mehr oder weniger korrekt bewertet. Sprich, mit ein paar gekonnt gesetzten Jams geht der erste Teil relativ kommod über die Bühne. Die Hauptschwierigkeit kommt zum Ende, wo sich der Riss zum Off-Width erweitert. Ob man sich darin geschickt festklemmen könnte, vermag ich nicht zu sagen, aber man findet auch einige Leisten, damit man nicht darauf angewiesen ist. Entgegen dem Topo im SAC-Tourenportal würde ich auf jeden Fall empfehlen, am Ende dieser Passage an den zwei modernen BH Stand zu beziehen. Klettert man weiter (sprich die angegebenen 30m aus), so ist man auf zwei altertümliche Ring-BH angewiesen.

L6, 30m, 6a: Es wird ganz klar einfacher, wobei man sich für die propagierte 6a auch hier durchaus noch anstrengen muss. Schon rechts aus dem Stand raus ist es trotz guten Griffen steil. Später passiert man dann eben den altertümlichen Stand mit den beiden Ringhaken, um auf eine erneut fordernde Passage auf einer Art Rampe neben einer kleinen Verschneidung zu treffen. Der Stand befindet sich etwas links aussen. Weil ein alter Schlaghaken auf eine Möglichkeit direkt hoch hindeutet, habe ich ihn beinahe übersehen.

Der Exit über die Rampe am Ende von L6 (6a, oder auch ein bisschen mehr).

L7, 30m, 5c+: Coole Seillänge mit steiler, griffiger Kletterei in rauem Fels, welche leicht nach rechts oben zu Stand an der Pfeilerkante führt. Dabei kreuzt man unterwegs eine neue (oder neu sanierte?) Route mit rostfreien Petzl-Bohrhaken, welcher man schon zu Beginn in L4 einmal nahe gekommen ist. Und auf der linken Seite ist auch das Spiri-Projekt nicht weit weg - schade, dass man über diese Routen nichts weiss. Ich finde, wer in etablierten Sektoren Routen erschliesst, sollte auch ein Topo veröffentlichen. Erst recht, wenn diese neuen Routen nahe der anderen verlaufen, gemeinsame Standplätze haben oder sie sogar kreuzen.

Für den Grad sehr steile und luftige Kletterei wartet in L7 (5c+).

L8, 50m, 5b: Dieser Abschnitt ist eher von der Sorte "zum Abgewöhnen". Erst rechtsrum in mässig solidem Blockgelände, dann aufwärts in botanischem Terrain, bevor es wieder steiler und felsiger wird. Da dann doch noch recht vergnügliche Kletterei, dies jedoch bei eher mangelhaft-weiter Absicherung. Zum Schluss steigt man etwas heikel in den steilen Wald aus (Standmöglichkeit), besser ist es wohl gleich weiterzugehen, bis man einen halbwegs flachen Platz erreicht und an einem Baum sichern kann.

Die Uhr war inzwischen in die Gegen von 15.45 Uhr vorgerückt, damit hatten wir doch fast 6:00 Stunden für die total 9 Seillängen Kletterei plus ein Abseilmanöver gebraucht. Scheint mir ziemlich lange, wo die ganze Zeit geblieben ist, kann ich mir im Nachhinein auch nicht erschliessen. Jedenfalls war die Begehung glatt gegangen und ich hatte die Route onsight geklettert. Für alle jene, die von Süden anreisen, ist das Abseilen über den Mauerläufer sicher die effizienteste Variante, um zurück ins Tal zu kommen. Dessen Ausstiegsstand ist gut auffindbar. Wir indessen stiegen weiter auf zum Gipfel vom Geissstock und wählten dann die blau markierte Wegspur, welche rechts vom Wyss Nollen hinaufführt und auf rund 1700m nach rechts zum Mythenweg quert. Über diesen ging's retour zur Holzegg, direkt am Weg passiert man dabei einen (auch nicht publizierten, aber immerhin vor Ort angeschriebenen) Klettergarten mit ca. 8 Routen im Bereich 6b-7b. Das ist dann einmal etwas für einen nebligen Herbsttag. Für uns hiess es, nach Hause zu gehen. Mit einer rasanten Bike-Abfahrt waren wir zügig zurück in Brunni, von wo es nur eine kurze Fahrt zurück ins Züri Oberland war.

Facts

Gross Mythen - Geissstock - SE-Pfeiler 7a (6a obl.) - 8 SL, 200m - Anderrüti/Grüter 1960 - ***;xxxx
Material: 2x50m-Seile, 12 Express, evtl. Cams 0.3-1

Luftige Route aus der Schlaghaken- und Leiterlizeit, welche mit der BH-Sanierung von 1991 in ein lohnendes Freikletterziel verwandelt wurde. Nach einem grasig-brüchigen Einstieg, welcher nur etwas umständlich lohnender über die benachbarte Route Mauerläufer umgangen werden kann, folgen steile Seillängen mit toller, kräftig-athletischer Kletterei an Rissen, Slopern und Henkeln. Zu erwähnen ist die nach heutigen Massstäben doch eher strenge Bewertung. Mauerläufer ist viel höher eingestuft, so viel einfacher ist der SE-Pfeiler komplett freigeklettert dann auch wieder nicht. In den schwierigen Seillängen ist die Absicherung mit rostfreien BH eng gehalten. Zusätzlich gibt es auch noch NH-Relikte aus vergangenen Zeiten, so dass das Hochkommen dort kein Problem darstellen sollte. Die einfacheren Seillängen sind hingegen eher knapp abgesichert. Dazulegen ist aufgrund der Felsstruktur nur selten und kaum zuverlässig möglich. Dazu braucht es ein gewisses Verständnis und Sicherheit im Beklettern von alpinem Gelände, wo nicht jeder Griff und Tritt fest sitzt. Das aktuellste Topo bzw. die genausten Infos zur Route findet man im SAC-Tourenportal (kostenpflichtig für Nichtmitglieder).