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Montag, 26. Februar 2018

Skitour Cyprianspitz (1774m)

Eigentlich hatten wir geplant, mit der ganzen Familie der Hallenmeisterschaft in der Boulderei beizuwohnen. Doch nun war über dem Nebel ein traumhafter und milder Wintertag prognostiziert, so dass es doch ein wenig schade schien, sich von daheim direkt in die Halle zu begeben. So wurde das Programm um ein Aufwärmen im Schnee aufgepeppt. Ob das die ideale Vorbereitung für maximalkräftiges Bouldern war, sei einmal dahingestellt... fürs Erlebnis war es jedoch super und die Entscheidung passt auch absolut zu unserer Einstellung. Wir sind Plauschwettkämpfer, reiten auf der Welle und wollen uns nicht irgendwelchen Zwängen unterwerfen. Ganz sicherlich war die Familienskitour um Welten mehr wert, als (möglicher- aber hypothetischerweise) ein, zwei Ränge weiter vorne in der Rangliste zu sein.

Sonniger Aufstieg in sehr schöner Gegend. Und nein, das ist keine Chipstüte!
Als Ziel hatten wir die Tour von Valzeina auf den Cyprianspitz ausgewählt. Mit 650hm ist diese Tour überschaubar, es warten keine Steilhänge und skitechnische Herausforderungen. Das Gelände ist schön sonnig, in der Abfahrt wirklich lohnend und das ruhige Tal landschaftlich ein Bijou. Per öV ist die Kirche von Valzeina erreichbar, mit dem Auto kann man noch knapp 2km weiter auf ebener, schwarz geräumter Strasse bis kurz vor P.1147 bei Unterclavadätsch fahren (Taxautomat ausgangs Valzeina, Park- und Fahrgebühr 1 CHF pro Stunde). Die Strasse ist übrigens bis hinauf zum Gehöft bei P.1263 bei Oberclavadätsch geräumt, allerdings gibt's dort oben keine offiziell erlaubten Parkplätze mehr. Somit kam wieder einmal unser bereits bewährtes System Skilift zum Einsatz. Man kann die Frage stellen, ob es nicht mühsam ist, mit einem Kind im Schlepptau anzusteigen. Die Antwort: es ist zwar deutlich kraftraubender wie alleine, aber mühsam ist der Aufstieg nicht. Es fühlt sich einfach so an, wie wenn das Gelände steiler und die Anstiegsrate höher wären, wie sie es tatsächlich sind. Der Feind dieser Methode sind ganz klar steiles, enges Gelände mit vielen Spitzkehren und tiefer oder dann (im schwierigen Gelände) sehr harter Schnee - nichts von alledem stellte am Cyprianspitz ein Problem dar.

Ideales Skigelände im Aufstieg von den Hütten bei Churberg Richtung Cyprianspitz. Hinten die Schesaplana.
So gelangten wir bei angenehm mildem Wetter immer höher hinauf. Zwar wird's gegen den (dann wieder flachen) Gipfel hin etwas steiler, bei korrekter Routenwahl werden die 30 Grad Neigung jedoch nirgends überschritten. Selbst 'on top' war nur eine leichte Brise spürbar, so dass wir ohne Eile Gipfelrast halten konnten. Die Kinder waren stolz, ihr eigenes LVS mitführen zu dürfen - nicht, dass es auf dieser lawinensicheren Tour wirklich nötig gewesen wäre, aber dennoch. Sie fragten mich, ob wir "irgendwo eine Lawine auslösen könnten" ;-) So nahm ich mir die Zeit, einmal einen richtigen Rutschblock-Test durchzuführen und die Sache mit den Lawinen eingehender zu erklären. Sonst, wenn ich selbständig unterwegs bin, nehme ich mir die Zeit für solche Dinge ja in der Regel doch nicht. Und tatsächlich, wie im Bulletin erwähnt, gab es ca. 25cm unter der Oberfläche eine ausgeprägte Schwachschicht, die ohne riesig grosse Zusatzbelastung auszulösen war. Auch die zuckerförmigen Kristalle der Schicht selber waren gut zu erkennen. Unterhalb war die mächtige Schneedecke aber sehr gut verfestigt. Interessant war hingegen die deutliche Oberflächenreif-Auflage, v.a. auch welch gute Gleitschicht diese für die ausgegrabenen, kompakten Schneepakete hergab. Auf jeden Fall eine sehr lehrreiche Sache, für Gross wie Klein.

Gefahren wird mit Speed und Big Turns - ideale Verhältnisse, insbesondere für die Kinder.
Danach galt der Fokus der Abfahrt - es hiess "Achtung, Fertig, Los". Es war sehr interessant, die Kinder zu beobachten. Niemand hatte ihnen gesagt, dass die Fahrerei im Tiefschnee schwierig sei, oder dass im Gelände etwas anderes zu tun wäre als auf der Piste. So wurde dann gleich mit Speed und Big Turns gestartet, von einem Old-Skool-SAC-Kurzschwung-Schnitzler-Style war da nichts sichtbar ;-) Wobei man sagen muss, dass insbesondere für die Kinder die Verhältnisse sehr gut waren. Für sie war's ein tragender Deckel mit leichter Pulver-/Oberflächenreifauflage. Für die Erwachsenen erforderte der Deckel etwas pfleglichere Behandlung oder saubere Technik, aber es war auf für meine Massstäbe eine sehr genussreiche Abfahrt. Und die war wie so oft beinahe schon zu schnell vorbei... Total happy waren wir zurück beim Ausgangspunkt, räumten unser Gear ein und fuhren los in Richtung vom nächsten Höhepunkt, dem Boulder-Wettkampf. Vermutlich mag's den einen oder anderen Leser geben, der sich fragt, ob sich ein "Alpinist von diesem Kaliber" wirklich mit solchen Mickey-Mouse-Touren wie dem Cyprianspitz zufrieden gibt und darüber selbst noch Blogs verfasst. Genau so habe ich es jedenfalls schon gehört. Zwar hätte ich an diesem Tag durchaus einen höheren, prestigeträchtigeren Gipfel mit mehr Höhenmetern besteigen können. Aber das ist nicht der Grund, warum ich in die Berge gehe. Ruhe, Einsamkeit, Landschaft, viel Sonne, glitzernde Schneekristalle, eine tolle Abfahrt und begeisterte Mitstreiter, das ist es doch was zählt und nichts von dem fehlte! 

Aber auch für die Grossen war die Abfahrt sehr genussreich. Am Horizont der Gipfel.
Mit noch ausreichend Zeit trafen wir dann in der Boulderei ein, um uns den Problemen der Qualifiktaion zu widmen. Ausser viel Freude am Tun, einem müden Bizeps und einem Gewinn bei der Preisverlosung schauten (wie erwartet) nur ein paar Ehrenplätze heraus. Die Kinder standen mit einer einzigen Kategorie bis U14 schon von Anfang an vor einer schwierigen Aufgabe und bei den Männern war das Niveau im Final halt eben auch wieder bei mindestens Fb 8A Outdoor, da vermag Yours Truly nicht aufs Podest vorzustossen. Somit verbleibt (wie eigentlich immer beim Bergsport) auch hier wieder einmal die Sinnfrage? Warum macht man bloss an solchen Anlässen mit, wenn man von sowieso chancenlos für die vordersten Plätze ist? Man könnte hier nun auf Pierre de Coubertin und den olympischen Geist verweisen, aber ein solcher Exkurs ist in meinem Fall definitiv nicht nötig, weil es einfach auch auf Platz x sehr viel Freude macht. Für meine Kategorie waren 33 Qualifikations-Boulder gesetzt. Von diesen konnte ich die Hälfte flashen, einen weiteren Drittel durchsteigen und noch ein paar Zonen holen, nur gerade 4 Stück waren über meinem Niveau. Es macht ganz einfach riesig Spass, so auf genau dem richtigen Niveau in neuen und mit viel Hingabe perfekt geschraubten Bouldern Vollgas zu geben, die schlussendliche Platzierung ist da höchst sekundär. Fazit: auch ohne alpine Trophäen oder Podestplätze im Wettkampf war's ein genialer Tag im Kreise der Familie.

Facts

Cyprianspitz ab Hinter Clavadätsch bei Valzeina
650hm Aufstieg, Ski-Schwierigkeit L, Exposition E

Dienstag, 20. Februar 2018

Avers - Trugschluss (WI4+)

Nach der Diedrolux war noch genügend Zeit vorhanden, um eine zweite Route zu klettern. Am Thron waren bereits 3 Seilschaften am werkeln, also fuhren wir weiter ins Tal hinein. Das gemäss Hot Ice attraktivste, uns noch unbekannte Projekt im Tal mit unserer Kragenweite war der Trugschluss, welcher sich links unter der ersten Lezibrücke befindet. Drei von drei Sternen, 120m, "bisher selten begangen". Tatsächlich steht er formidabel da und das erst noch in der Sonne. Kein Grund zur Beunruhigung allerdings, beim Parkplatz am Schatten zeigt das Thermometer -12 Grad, da wird man gerne ein bisschen warm bestrahlt.

In der ersten Seillänge vom Trugschluss (WI4) an der Sonne angekommen - aaaahhhh!!!
Als erstes gilt es, in die Schlucht hinunter zu kommen. 2x60m-Seile reichen jedoch definitiv nicht, um von der Brücke den Schluchtgrund zu erreichen. Mir kommt erst später in den Sinn, dass im Kofferraum das 80m-Seil gelegen wäre - mit jenem hätte es wohl gereicht und man kann es problemlos hängen lassen und nach der Tour wieder mitnehmen. Also queren wir in wenigen Minuten hinüber zum Ausstieg, um dort an einem Baum abzuseilen. Mit 60m Abseilen stehen wir zwar noch nicht im Schluchtgrund, aber unter dem interessanten und steilen Teil. Wir überlegen uns kurz, noch ein weiteres Mal bis ganz nach unten abzuseilen, verwerfen die Idee dann aber. Unten wartet definitiv keine spannende Eiskletterei, sondern nur Schneestapfen - das lohnt sich nicht.

Quel Plaisir! Kletterei an der steilen Abschlussäule im Trugschluss (WI4+).
Die beiden oberen, kurzen Seillängen (ca. 25m/25m) sind hingegen wirklich lohnend. Die erste führt über eine steile Mauer - das Eis ist hier wenig gestuft und ob der Kälte auch ziemlich glasig hart. Somit klettert es sich schwieriger, wie es auf den ersten Blick aussehen mag (~WI4). Den Stand richte ich an Schrauben am Sockel der Abschlussäule ein. Hier scheint die Sonne schön ins felsige Amphitheater rein und trotz eisiger Temperaturen fühlt es sich beinahe angenehm warm an. Auf Jonas wartet dann die massive Säule, welche am Sockel einen Durchmesser von ca. 7m hat. Ja, hier muss man sich über die Stabilität keine Gedanken machen! Auf etwa 15m ist die Sache anhaltend steil. Nachdem etwas Wasser fliesst, beissen die Pickel hier deutlich besser. Obwohl es imposant aussieht, klettert es sich eher einfacher wie man meinen konnte (~WI4+). Oben machen wir Stand am Baum und laufen in wenigen Minuten retour zur Strasse bzw. zum Parkplatz.

Rückblick von oben, wirklich eine steile Sache!
Um schon nach Hause zu gehen ist es immer noch zu früh. Somit wollen wir der Wand in Campsut noch unsere Aufwartung machen. Diese kommt um diese Tageszeit nun schön in die Sonne, zudem ist niemand zugegen, wir haben also freie Wahl. Einen Strich durch die allfällige Projekt-Rechnung machen nur die beiden bedrohlich-grossen Zapfen, die zentral über der Wand hängen. Nun gut, wenn man an der Breitwangflue klettert, so bewegt man sich einen ganzen Tag lang unter Dutzenden von solchen Dingern und macht sich auch nicht viele Gedanken. Aber womöglich sind diese Zapfen hier tatsächlich heimtückischer, sie sollen ja doch regelmässig 'abhängen'. Mit geschickter Linienwahl lässt sich die Kerze (WI4+) jedoch auf sichere Art und Weise klettern. Somit schliesst sich der Kreis und ein prima Eisklettertag mit gut 250 anhaltenden Metern im WI4/4+ Bereich geht erfolgreich zu Ende. Zufrieden zuckeln wir an diesem absolut genial schönen Wintertag zurück nach Hause.

Facts

Avers - Trugschluss D+ II WI4+ - 2 SL, 50m - ***
Material: 2x50m-Seile, 6-8 Eisschrauben

Kurze und nette Kletterei, welche für sich alleine kaum die Anfahrt ins Avers lohnt, sich aber gut als Dessert nach einer anderen Kletterei oder einer Skitour anbietet. Sie muss im Verdon-Prinzip (d.h. Abseilen und danach wieder Hochklettern) angegangen werden. Notfalls gibt's links über Bänder jedoch sicher einen Schleichweg nach oben, wenn sich die Eiskletterei nicht als machbar präsentieren sollte. Es warten eine erste Seillänge mit einer ~15m hohen, knapp senkrechten Mauer und eine spannende zweite  Seillänge mit imposanter Säule. Der untere Teil aus der Schlucht sieht hingegen deutlich flacher und wenig lohnend aus. Achtung, der Fall kriegt selbst Mitte Februar schon eine stattliche Portion Sonne ab, die Abschlussäule steht zudem in einem felsigen Amphitheater. Wenn's nur wenig Eis hat und hohe Temperaturen sowie die Sonne dazukommen, kann's wohl rasch heikel werden.

Donnerstag, 15. Februar 2018

Val Ferrera - Diedrolux (WI5-)

Der Diedrolux ist einer der klassischen Eisfälle im Avers - ausser, dass er eben nicht wie im Volksmund häufig angegeben im Avers, sondern im Val Ferrera steht. Gut, solche Nebensächlichkeiten interessieren vermutlich die wenigsten, also gehen wir zu den interessanten Geschichten. Da er etwas tiefer unten, direkt über dem Bouldergebiet Magic Wood auf nur 1350m liegt, passen hier die Bedingungen etwas seltener als an den Fällen weiter talaufwärts. Im Februar 2018 gab's aber wieder einmal die Gelegenheit, vom durch erhöhten Eisengehalt gelb gefärbten Eis zu kosten und somit sollte es losgehen.

Auf geht's in den Diedrolux - auf dem Bild gut sichtbar die ersten beiden Seillängen mit der im Februar 2018 charakteristischen 'Unterbrechungsstelle' ziemlich weit oben. Die dritte Seillänge lässt sich hingegen nur erahnen und ist auf dem Bild nicht wirklich ersichtlich.
Die Tour beginnt am Campingplatz fürs Magic Wood. Genau gleich wie wenn man Bouldern geht überquert man die Brücke und dann geht's gute 100hm direkt in Falllinie hinauf zum Einstieg. Der Zeitbedarf je nach Schneeverhältnissen, Eile und Kondition wohl so 10-30 Minuten. Nach einem frühen Aufbruch waren wir als erste vor Ort und nach dem negativen Erlebnis am Thron (Bericht folgt) kam dieses Mal glücklicherweise auch den ganzen Tag über niemand mehr hintendrein. Mit den Verhältnissen trafen wir es ideal, mit einem kalten (-12 Grad bei Aufbruch am Auto) aber perfekt sonnigen Wintertag, von welchen es noch viel mehr geben sollte. Nachdem der Diedrolux nur 3 SL aufweist, wollte noch ausgeknobelt werden, wer mit dem Vorstieg beginnt. Auf den einen würden zwei Vorstiegslängen fallen, auf den anderen dafür die Cruxlänge. Das Los für den Start fiel auf mich und auf ging's:

L1, 60m, WI4: Lange und sehr schöne, anhaltende Seillänge mit etwas steilerer Stufe im letzten Drittel. Der Stand befindet sich im Aufstiegssinn rechts in den Felsen mit 2 neuen, sicheren und einem alten BH, der in einem losen Block steckt (!!!).

Ausblick vom Stand nach L1 auf die sehr schöne und derzeit genial zu kletternde L2 (WI5-). Das aufgrund von erhöhtem Eisengehalt gelbe Eis ist sehr charakteristisch für die Route und hat ihr natürlich auch den Namen gegeben. Und nicht umsonst befinden wir uns hier im Val Ferrera...
L2, 40m, WI5-: Die steilste, aber dafür kürzeste Länge mit einem senkrechten Abschnitt. Im 2018 ist das Eis sehr speziell gewachsen. Es hört an einer Stelle quasi auf und bildet einen Überhang, darunter ist jedoch auch Eis. Was sehr imposant aussieht, lässt sich jedoch dank viel Struktur mit Tritten und zahlreichen Hooks erstaunlich einfach klettern. Der Stand danach links an 2 BH.

L3, 45m, WI4: Nochmals eine sehr genussreiche Kletterei, welche mit einem Winkel (beinahe ein Eiskamin!) beginnt und danach noch einige Steilaufschwünge bereithält. Bei sehr guter Vereisung kann man diese möglicherweise auch einfacher links umgehen. Der Stand am Ausstieg an einem Baum mit Schlingen und Maillon.

Der Beginn von L3 mit dem 'Eiskamin' - Spreiztechnik statt Stemmtechnik funktioniert deutlich besser! 
Vom Ausstieg muss man zwingend Abseilen, bzw. ein Fussabstieg wäre sehr aufwändig. Dazu sind 3 Manöver nötig, welche jedoch sehr schnell über die Bühne gehen. Wir hatten wirklich von exzellenten Bedingungen profitieren können. Der Diedrolux hatte zum Zeitpunkt unserer Begehung zwar nicht allzu viel Eis. Es hatte aber doch genügend und vor allem war es von prima Qualität - schön plastisch, nie hart oder spröde, kaum schneebedeckt mit beinahe unbeschränkten Möglichkeiten für sichere Schrauben. Darüber hinaus hatten wir auch die richtige Jahreszeit und das korrekte Zeitfenster erwischt. Mitte Februar erhält der Fall am Vormittag etwas Streiflicht von der Sonne. So waren auch die an sich sehr kalten Temperaturen sehr gut auszuhalten und das Ambiente war prima. Schon vor Mittag waren wir zurück beim Parkplatz, um nach Hause zu gehen war es an diesem strahlend schönen Wintertag definitiv noch viel zu früh. Ein Folgebeitrag wird den Rest vom Tag beschreiben...

Facts

Val Ferrera - Diedrolux D+ II WI5- 3 SL, 145m - ****
Material: 2x60m-Seile (2x50m möglich, aber zusätzlicher Stand im Eis nötig), 8-10 Schrauben

Sehr lohnende Route mit anhaltender Kletterei, welche durch das gelb gefärbte Eis eine spezielle Note erhält. Sie gehört nach meinem Empfinden definitiv zu den Top 50 der Ostschweiz. Die Kletterei ist objektiv sicher, allerdings verträgt die Route nur eine einzige Seilschaft die klettert. Die Route ist nach NE exponiert, ab Februar gibt's am Vormittag etwas Streiflicht von der Sonne, vorher ist der Fall den ganzen Tag im Schatten. 

Sonntag, 11. Februar 2018

Skitour Piz Fliana (3281m)

Ja, wir zahlten einen Preis, weil wir unbedingt einen hohen Gipfel besteigen wollten. Nämlich jenen, dass dieser den ganzen Tag über eine Wolkenkappe auf hatte und die Aussicht dementsprechend sehr stark eingeschränkt war. Da hätte man auf einem niedrigeren Voralpengipfel definitiv eine längere und sonnigere Gipfelrast abhalten können. Es ist aber nicht so, dass sich die Tour deswegen nicht gelohnt hätte. Die Idee mit der ~30km langen Silvrettadurchquerung von Guarda im Unterengadin nach Klosters im Prättigau war eindrücklich und sehr lohnend - die meiste Zeit waren wir sogar an der Sonne und lohnend Skifahren liess es sich auch.

Die Tour beginnt mit einem flachen Aufstieg durchs Val Tuoi.
Die Tour begann in Schellenurslis Zuhause, mitten im Dorf Guarda. Erst geht's auf präparierter Piste los, danach weiter flach hinein ins Val Tuoi. Dieser Abschnitt bringt viel Distanz (~7km) aber nur 600m Höhengewinn mit sich. Während ich sonst das Beschreiten langer, flacher und einsamer Täler im Winter durchaus mag, war's hier ein wenig mühsam. Die Spur war aufgrund von Fussgängern, Schneeschuhläufern und Lawinenbollen meist unruhig, beständig ging's etwas auf und ab, das schöne, rhythmische Schreiten kam nicht so oft zum Zug. In ca. 1:40 Stunden schafften wir es zur Chamanna da Tuoi, wo wir eine Pause und einen Umtrunk geplant hatten. Leider war jedoch der Wirt gerade nicht zugegen, so dass wir alleine in der Stube sassen und unseren Rucksack plündern mussten.

Die Chamanna da Tuoi ist erreicht. Die Hütte war offen und geheizt, der Hüttenwart aber kurzfristig abwesend.
Die nächste Etappe führt nach einer kurzen Abfahrt dann steiler weiter. Vis-à-vis der Hütte geht's anhaltend an und über der 30-Grad-Grenze hinauf zur Verflachung von Cronsel (2700m). Hier konnten wir von einer Spur profitieren, welche 2 von der Hütte aufgebrochene Tourengänger gelegt hatten. Dann hiess es für uns links abzweigen. Über einen steilen Nordhang (35-40 Grad) gilt es, den namenlosen Gletscher in der Ostflanke des Piz Fliana zu erreichen. In dessen erster Stufe (40-45 Grad) lag eine sehr mühsame, rutschige Pulverauflage auf kompaktem Untergrund. Bald wurde uns der Aufstieg mit Fellen zu bunt und wir bewältigten 100hm zu Fuss mit den Skis am Rucksack. Danach legt sich das Gelände etwas zurück und wir gelangten fellend unter die steile Schlusspartie (40-45 Grad), die in den Sattel am Nordgrat des Piz Fliana hinaufführt. Diese war mit Ski gangbar.

Eindrückliches Gelände bei Cronsel (2700m), hier zweigt die Route zum Piz Fliana über den ostseitigen Gletscher ab.
Vom Sattel (ca. 3150m) konnte man mit den Ski noch zwischen den Steinen hindurch etwas aufsteigen, nach rund 50hm war dann aber Schluss. Zu Fuss ging's weiter auf einen flachen Gratabschnitt auf ca. 3220m. Dort setze dann der echte Nordgrat zum Gipfel an. Dieser bietet leichte Kletterei (max. UIAA II) über teils etwas plattige und verschneite Felsen. Meist ist die Sache unschwierig, zwei etwas komplexere Passagen stellen sich jedoch in den Weg. An jenen sind die Felsen abschüssig und wenig gestuft und da der Grat doch ziemlich exponiert ist, fühlte sich das nicht ganz trivial an, erst recht dann im Abstieg. Aufgrund der Natur des Geländes waren für uns Steigeisen und Pickel nicht zwingend nötig - doch ausser wenn man über genaue Infos verfügt, dann macht es hier wohl Sinn, sie auf jeden Fall zur Tour mitzunehmen. 

Eindrückliches Tourengelände, so haben wir es gern. Dieser Abschnitt ist bereits bis zu 40 Grad steil.
Auf dem Gipfel, wo es wie bereits beschrieben dick neblig war, hielten wir uns nicht lange auf. Der Aufstieg hatte uns von Guarda insgesamt doch fast 4:30h gekostet. Klar sind es netto nur gut 1700hm, aber eben auch einiges an Distanz und viel Gelände, wo die Höhenmeter nicht einfach so dahinpurzeln. Vorsichtig stiegen wir zurück zum Skidepot, zurrten alles fest und machten uns an die Abfahrt. Vom Sattel 3150m wollten wir über die 40-45 Grad steilen Nordhänge nach NW zum Vadret Tiatscha abfahren. Gute und absolut sichere Verhältnisse sind hier Bedingung, der Hang bricht unten in Felsen ab und man fühlt sich ganz schön exponiert. Der Schnee war hier schön pulvrig, doch auch wenn wir nun wieder ausserhalb vom Nebel waren, war es hier um die Sicht nicht zum allerbesten bestellt. Bei rund 2760m kamen die Skis zum stehen und wir zogen erneut die Felle auf.

Aufstieg über den exponierten Nordgrat am Piz Fliana, Fehler sind hier keine erlaubt!
Der gang hinauf zum Verstanclator ist an sich weder weit (ca. 1km, 160hm), doch hier drückte die Bise den Nebel hinauf, so dass wir in ein wahres Whiteout gerieten. Sich beim Weg in die Lücke zu verirren ist zwar nur schwerlich möglich, trotzdem war's angenehm, mit dem GPS jederzeit zu wissen, wo man sich gerade befand. Bald erreichten wir den Einschnitt und konnten abfellen. Freudig stellten wir fest, dass der Nebel hier endete und für die lange Abfahrt nach Klosters Sonnenschein und beste Sicht herrschen würde. Um die Schneeverhältnisse war es auf den obersten 400hm jedoch nicht ideal bestellt. Der Schnee war eher decklig und es gab nur hier und da ein paar schöne Schwünge. Unterhalb von 2500m trafen wir dann jedoch auf besten, gesetzten Pulver und konnten beschwingt durch das einsame und noch komplett unverspurte Gelände cruisen.

Gipfel erreicht! Trotz Whiteout ein schönes Erlebnis, mit Panorama wäre es aber zweifellos noch besser gewesen!
Auf etwa 1670m verflacht sich das Gelände dann zusehends und es gilt in ~6km Flachlauf die Ebene der Alp Sardasca zu queren. Die Höhendifferenz auf diesem Abschnitt beträgt nur 100m. Wenn noch keine Spur oder kein kompakter Schnee liegt, ist man sehr gut daran beraten, nochmals die Felle aufzuziehen. In Unkenntnis der genauen Gegebenheiten und in der Hoffnung, dass hinter der nächsten Ecke wieder mehr Gefälle warten würde, verzichteten wir darauf. Schlussendlich musste der Vorangehende jedoch ziemlich durchgehend "watscheln", der Zweite konnte immerhin hier und da auf die etwas kraftsparendere Technik mit Doppelstockstössen setzen. Jedenfall waren wir äusserst froh, als wir wenig oberhalb von Novai auf die Abfahrtsspuren vom Roggenhorn trafen, was ein wieder bequemeres Fortkommen erlaubte.

Die Abfahrt vom Verstanclator nach Klosters ist lang, einsam und eindrücklich - sehr empfehlenswert!
Über eine Stufe wo es "wieder fährt" gelangten wir hinunter nach Novai. Bis hierher sind von Klosters Langlaufloipen und Winter-Wanderwege gespurt. Trotzdem sind es nochmals ~7km bei 180hm Höhenverlust. Von alleine läuft's da nicht, Skating-Technik ist gefragt. Nach knapp 8h on the move wurde dann aber schliesslich das Ziel in Klosters erreicht. Zurückblicken konnten wir auf eine lange und erlebnisreiche Reise mitten durch die Silvretta. Auch wenn Meteo und Schnee nicht zu 100% top waren, so war das doch eine sehr schöne Skitour mit tollen Emotionen, viel Abwechslung, grandioser Landschaft und stiebenden Skischwüngen.

Tolle Stimmungen, geniale Landschaft und lässiges Skigelände.

Facts

Route: Guarda - Chamanna Tuoi - Piz Fliana - Verstanclator - Klosters
Rund 30km Distanz mit 1900m Aufstieg und 2400hm Abfahrt, Schwierigkeit S
Material: Skitourenausrüstung, Steigeisen/Pickel für Gipfel empfohlen, evtl. Seil
Fazit: Lange Silvrettadurchquerung mit imposantem Gipfel, konditionell anspruchsvoll

Unsere Route, so quasi 1x Vereina hin und zurück. Quelle der Karte: map.geo.admin.ch

Mittwoch, 7. Februar 2018

Tessin 1/2018

Am Weekend waren auf der Alpennordseite Kälte und Wolken angesagt. Anstelle von einem Trip in den Schnee schienen uns die sonnengewärmten Tessiner Felsen attraktiver. Und wie immer kehren wir beglückt und mit einem reichen Strauss an Erlebnissen nach Hause zurück. Zum Mix gehören dieses Mal erfolgreiches Sportklettern und eine Neutour in Claro, eine MSL-Route in Ponte Brolla, Bouldern in Arcegno und zum Schluss noch etwas weniger erfolgreiches Finger verbiegen am Balladrum. Doch im Einzelnen...

Aaaahhhh! Klettern an sonnengewärmtem Tessiner Gneis anfangs Februar 2018 - Route Wim (6 SL, 5a+) in Ponte Brolla.
Während sich mein Projekt in Claro vor Weihnachten 2017 schon bei der Anfahrt heftig gewehrt hatte, entfiel diese erste Schlüsselstelle diesmal. Von den reichlichen Schneefällem im Dezember war damals nämlich die Strasse heimtückisch mit Schnee und Eis bedeckt, was uns gezwungenermassen einen verlängerten Anmarsch bescherte. Ob mir das die Kräfte raubte und mich zum Rauskippen am letzten schweren Move führte?!? Wohl eher nein, bei den bouldrig-schwierigen Moves in der Black Brothers (8a+) muss einfach jede Bewegung perfekt sitzen. Nun waren bereits wieder 6 Wochen vergangen... sämtliche grossen und kleinen Tricks hatte ich mir damals noch vor Ort auf ein Audio-File gesprochen. Die Frage war jedoch, ob ich das einerseits so quasi 'ab Band' würde umsetzen können, andererseits ob denn auch die Form noch gleich gut wie damals passte. Die kurze Antwort lautet ja, in meinem dritten Go des Tages konnte ich mir dieses Mal das wohl kurze, aber sehr technisch-bouldrige Testpiece sichern.

Throwback zu den Ereignissen im Dezember 2017. Tückisch vereiste Spurrinnen und mühsamer Schnee daneben machten damals schon die Anfahrt zum Projekt in Claro zur ersten Crux. Naja, laufen statt fahren war dann eben die Devise, wobei Steigeisen gar nicht so unpraktisch gewesen wären.
Die Bohrmaschine hat man am Fels ja meist nicht einfach aus Zufall dabei - nein, so war's natürlich nicht. Schon in der Vergangenheit hatte ich das Potenzial erspäht, mit bzw. für die Kinder und sonst weniger Versierte noch eine kurze Route an diesen Felsen einbohren zu können. Das zahlte sich dieses Mal umso mehr aus: die Bedingungen in Claro schwanken derzeit zwischen perfekt und unmöglich. Konkret waren ca. die Hälfte der Routen bei unserem Erscheinen mit Eiszapfen überzogen, so dass man sie wenn schon, denn schon Mixed hätte angehen müssen. Im Laufe des Tages mit der wärmer und wärmer erstrahlenden Sonne krachten diese Gebilde dann aber tosend in die Tiefe - logischerweise waren die betroffenen Routen 'non practicabile'. Unsere Projekte sowie auch die geplante Neutour links von Carolaina waren davon jedoch nicht betroffen und in perfectly crisp conditions. So konnten wir in gemeinschaftlicher Familienarbeit die Jaraguri (6a) einbohren und dann auch punkten.

Inzwischen haben Regen und Wärme ganze Arbeit geleistet und Schnee ist weit und breit keiner mehr in Sicht. Also geht die Barriere dieses Mal auf (gegen Einwurf von 10 CHF in Münzen, wohlverstanden). Erwähnt sei, dass die Barriere im Dezember auch kein Hindernis war. Nur wurden die Strassenverhältnisse mit jedem Meter Abstand von der Barriere prekärer und prekärer.
Für den Folgetag wollten wir die Kinder das Klettermenü bestimmen lassen - unter der Nebenbedingung, dass auch für Mama und Papa noch 3 Versuche in Sportkletterrouten drin liegen würden. Alle Wünsche zu erfüllen führte uns zu einer kleinen Safari durchs Locarnese. Der Auftakt dabei am Rovine del Castelliere in Ponte Brolla. Zusammen mit der Tochter kletterte ich die im Plaisir Seléction aufgeführte Wim (6 SL, 5a+, 4c obl.). Diese führt als eine der wenigen Routen bis ganz zum Gipfel und bietet lässige Kletterei im ortstypischen Gneis. Die ersten 3 Seillängen sind recht steil und auch gar nicht so easy - 5a+ ja meinetwegen, anderswo geht das vielleicht auch als 5c durch. Selbstredend spielte das für uns keine Rolle, diese Schwierigkeiten haben wir an beiden Seilenden im Griff. Unterwegs, und vor allem in den oberen drei, etwas plattig-flacheren, einfacheren Seillängen mit ein paar kniffligeren Einzelstellen schweiften die Blicke immer wieder auf die Wände vis-à-vis. Nein, heute war es noch zu früh in der Saison für DEN PLAN... aber vielleicht schön bei der nächsten Reise ins Tessin, wer weiss?!?


Zum ersten Mal nach langen Jahren stieg ich also tatsächlich auf den Gipfel des Rovine del Castelliere aus. Vom Ende der Route geht's erst noch etwas aufwärts auf Wegspuren, bis man zum Gipfel mit dem prähistorischen Kastell kommt, welches derzeit restauriert wird. Von dort kann man auf markierten Bergwegen nach Tegna absteigen. Entweder via Forcola (Wegweiser) oder unsere Variante, direkt hinunter durch die Südflanke und zuletzt durch die breite Schlucht, welche von der Forcola nach Tegna zieht. Und wie so oft hat es sich sehr gelohnt, wieder einmal neue Pfade zu beschreiten, tatsächlich haben wir auf diesem Abstieg noch einen gut gehüteten Schatz entdeckt - "wenn wäisch wani mein...!?!". Von unten kommend ist der Beginn vom Pfad übrigens nicht leicht zu finden. Dort wo's zum Campo Sportivo hinuntergeht zwischen den Häusern durch, einen Block nach links et voilà.

Die finalen Moves in der Wim (6 SL, 5a+) kurz vor dem flachen Gipfel des Rovine del Castelliere.

Nach diesem Auftakt ging's noch nach Arcegno zum Bouldern. Für Hardmover gibt's hier im Vergleich zu anderen Tessiner Gebieten nicht extrem viel zu holen, aber für Kinder ist's absolut perfekt. Zuletzt liessen wir das Weekend dann bei perfektem Panorama und mildem Sonnenschein an den Felsen vom Balladrum ausklingen. Hier waren wir schon vor ein paar Jahren vorbeigekommen, damals noch mit dem Kinderwagen. An jenem Tag waren mir fast alle Routen gelungen. Ausstehend war einzig noch der Frosch (8a). Doch dieser hüpfte mir erneut davon. Die Route ist zwar nur 10m kurz, aber dafür umso intensiver. Hier gilt es bei aktuer Trittarmut, kleine, extrem scharfe Leisten ohne Rücksicht auf Verluste an Haut und Gelenken zu riegeln. Irgendwie 'not my cup of tea', bzw. für meine Gewichtsklasse ganz generell ein suboptimales Projekt - so schön der Platz über dem Lago Maggiore auch ist, vermutlich werde ich nicht allzu bald zurückkommen, um den Frosch zu bändigen - da gibt's im Ticino noch manch anderes Projekt, welches mich wesentlich mehr begeistert und wo wir hoffentlich schon bald wieder Hand anlegen können :-)

Arcegno Bouldering. Ein gutes Topo findet man hier: klick!