Eigentlich hatten wir geplant, mit der ganzen Familie der Hallenmeisterschaft in der Boulderei beizuwohnen. Doch nun war über dem Nebel ein traumhafter und milder Wintertag prognostiziert, so dass es doch ein wenig schade schien, sich von daheim direkt in die Halle zu begeben. So wurde das Programm um ein Aufwärmen im Schnee aufgepeppt. Ob das die ideale Vorbereitung für maximalkräftiges Bouldern war, sei einmal dahingestellt... fürs Erlebnis war es jedoch super und die Entscheidung passt auch absolut zu unserer Einstellung. Wir sind Plauschwettkämpfer, reiten auf der Welle und wollen uns nicht irgendwelchen Zwängen unterwerfen. Ganz sicherlich war die Familienskitour um Welten mehr wert, als (möglicher- aber hypothetischerweise) ein, zwei Ränge weiter vorne in der Rangliste zu sein.
Sonniger Aufstieg in sehr schöner Gegend. Und nein, das ist keine Chipstüte! |
Als Ziel hatten wir die Tour von Valzeina auf den Cyprianspitz ausgewählt. Mit 650hm ist diese Tour überschaubar, es warten keine Steilhänge und skitechnische Herausforderungen. Das Gelände ist schön sonnig, in der Abfahrt wirklich lohnend und das ruhige Tal landschaftlich ein Bijou. Per öV ist die Kirche von Valzeina erreichbar, mit dem Auto kann man noch knapp 2km weiter auf ebener, schwarz geräumter Strasse bis kurz vor P.1147 bei Unterclavadätsch fahren (Taxautomat ausgangs Valzeina, Park- und Fahrgebühr 1 CHF pro Stunde). Die Strasse ist übrigens bis hinauf zum Gehöft bei P.1263 bei Oberclavadätsch geräumt, allerdings gibt's dort oben keine offiziell erlaubten Parkplätze mehr. Somit kam wieder einmal unser bereits bewährtes System Skilift zum Einsatz. Man kann die Frage stellen, ob es nicht mühsam ist, mit einem Kind im Schlepptau anzusteigen. Die Antwort: es ist zwar deutlich kraftraubender wie alleine, aber mühsam ist der Aufstieg nicht. Es fühlt sich einfach so an, wie wenn das Gelände steiler und die Anstiegsrate höher wären, wie sie es tatsächlich sind. Der Feind dieser Methode sind ganz klar steiles, enges Gelände mit vielen Spitzkehren und tiefer oder dann (im schwierigen Gelände) sehr harter Schnee - nichts von alledem stellte am Cyprianspitz ein Problem dar.
Ideales Skigelände im Aufstieg von den Hütten bei Churberg Richtung Cyprianspitz. Hinten die Schesaplana. |
So gelangten wir bei angenehm mildem Wetter immer höher hinauf. Zwar wird's gegen den (dann wieder flachen) Gipfel hin etwas steiler, bei korrekter Routenwahl werden die 30 Grad Neigung jedoch nirgends überschritten. Selbst 'on top' war nur eine leichte Brise spürbar, so dass wir ohne Eile Gipfelrast halten konnten. Die Kinder waren stolz, ihr eigenes LVS mitführen zu dürfen - nicht, dass es auf dieser lawinensicheren Tour wirklich nötig gewesen wäre, aber dennoch. Sie fragten mich, ob wir "irgendwo eine Lawine auslösen könnten" ;-) So nahm ich mir die Zeit, einmal einen richtigen Rutschblock-Test durchzuführen und die Sache mit den Lawinen eingehender zu erklären. Sonst, wenn ich selbständig unterwegs bin, nehme ich mir die Zeit für solche Dinge ja in der Regel doch nicht. Und tatsächlich, wie im Bulletin erwähnt, gab es ca. 25cm unter der Oberfläche eine ausgeprägte Schwachschicht, die ohne riesig grosse Zusatzbelastung auszulösen war. Auch die zuckerförmigen Kristalle der Schicht selber waren gut zu erkennen. Unterhalb war die mächtige Schneedecke aber sehr gut verfestigt. Interessant war hingegen die deutliche Oberflächenreif-Auflage, v.a. auch welch gute Gleitschicht diese für die ausgegrabenen, kompakten Schneepakete hergab. Auf jeden Fall eine sehr lehrreiche Sache, für Gross wie Klein.
Gefahren wird mit Speed und Big Turns - ideale Verhältnisse, insbesondere für die Kinder. |
Danach galt der Fokus der Abfahrt - es hiess "Achtung, Fertig, Los". Es war sehr interessant, die Kinder zu beobachten. Niemand hatte ihnen gesagt, dass die Fahrerei im Tiefschnee schwierig sei, oder dass im Gelände etwas anderes zu tun wäre als auf der Piste. So wurde dann gleich mit Speed und Big Turns gestartet, von einem Old-Skool-SAC-Kurzschwung-Schnitzler-Style war da nichts sichtbar ;-) Wobei man sagen muss, dass insbesondere für die Kinder die Verhältnisse sehr gut waren. Für sie war's ein tragender Deckel mit leichter Pulver-/Oberflächenreifauflage. Für die Erwachsenen erforderte der Deckel etwas pfleglichere Behandlung oder saubere Technik, aber es war auf für meine Massstäbe eine sehr genussreiche Abfahrt. Und die war wie so oft beinahe schon zu schnell vorbei... Total happy waren wir zurück beim Ausgangspunkt, räumten unser Gear ein und fuhren los in Richtung vom nächsten Höhepunkt, dem Boulder-Wettkampf. Vermutlich mag's den einen oder anderen Leser geben, der sich fragt, ob sich ein "Alpinist von diesem Kaliber" wirklich mit solchen Mickey-Mouse-Touren wie dem Cyprianspitz zufrieden gibt und darüber selbst noch Blogs verfasst. Genau so habe ich es jedenfalls schon gehört. Zwar hätte ich an diesem Tag durchaus einen höheren, prestigeträchtigeren Gipfel mit mehr Höhenmetern besteigen können. Aber das ist nicht der Grund, warum ich in die Berge gehe. Ruhe, Einsamkeit, Landschaft, viel Sonne, glitzernde Schneekristalle, eine tolle Abfahrt und begeisterte Mitstreiter, das ist es doch was zählt und nichts von dem fehlte!
Aber auch für die Grossen war die Abfahrt sehr genussreich. Am Horizont der Gipfel. |
Mit noch ausreichend Zeit trafen wir dann in der Boulderei ein, um uns den Problemen der Qualifiktaion zu widmen. Ausser viel Freude am Tun, einem müden Bizeps und einem Gewinn bei der Preisverlosung schauten (wie erwartet) nur ein paar Ehrenplätze heraus. Die Kinder standen mit einer einzigen Kategorie bis U14 schon von Anfang an vor einer schwierigen Aufgabe und bei den Männern war das Niveau im Final halt eben auch wieder bei mindestens Fb 8A Outdoor, da vermag Yours Truly nicht aufs Podest vorzustossen. Somit verbleibt (wie eigentlich immer beim Bergsport) auch hier wieder einmal die Sinnfrage? Warum macht man bloss an solchen Anlässen mit, wenn man von sowieso chancenlos für die vordersten Plätze ist? Man könnte hier nun auf Pierre de Coubertin und den olympischen Geist verweisen, aber ein solcher Exkurs ist in meinem Fall definitiv nicht nötig, weil es einfach auch auf Platz x sehr viel Freude macht. Für meine Kategorie waren 33 Qualifikations-Boulder gesetzt. Von diesen konnte ich die Hälfte flashen, einen weiteren Drittel durchsteigen und noch ein paar Zonen holen, nur gerade 4 Stück waren über meinem Niveau. Es macht ganz einfach riesig Spass, so auf genau dem richtigen Niveau in neuen und mit viel Hingabe perfekt geschraubten Bouldern Vollgas zu geben, die schlussendliche Platzierung ist da höchst sekundär. Fazit: auch ohne alpine Trophäen oder Podestplätze im Wettkampf war's ein genialer Tag im Kreise der Familie.
Facts
Cyprianspitz ab Hinter Clavadätsch bei Valzeina
650hm Aufstieg, Ski-Schwierigkeit L, Exposition E