Nach längerem Fernbleiben wieder einmal eine Tour am Klausenpass, gleich mehrere Gründe sprachen dafür: einerseits die gesperrte Axenstrasse und das resultierende Stau-Chaos um Luzern, welches Ziele in der Zentralschweiz und im Berner Oberland wenig attraktiv machte. Andererseits der frisch ab Presse erhaltene SAC-Führer Glarnerland, wo neu eben auch die Venus (11 SL, 7a+) am Läckistock figurierte. Aber das alles braucht's eigentlich gar nicht - an den Jegerstöck wird immer tolle, abenteuerliche Kletterei in perfektem Bergambiente geboten, Grund genug um hinzugehen. Wie sich zeigen sollte, gehört die Venus sogar erst noch zu den Toptouren im Gebiet. Prima abgesichert, luftige Linie und lässige Kletterei in über weite Strecken bestem, ja teils extrascharfem Klausenfels.
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Die Läckistock Südwand mit dem Verlauf der Route 'Venus' (11 SL, 7a+) |
Unsere Tour beginnt um Schlag 8.00 Uhr auf dem Urnerboden vom Parkplatz beim Gasthaus. Vorbei am verlassenen Hotel Tell nehmen wir den bestens bekannten Weg nach Zingel. Für die Touren am Läckistock ist es dann zwar umwegiger, aber insgesamt doch vorteilhafter, via die Alp Läcki zu gehen und die Alpelichäle rechts liegen zu lassen. Über Wege und zuletzt Wiesengelände gelangt man bis knapp 100hm unter die Wand. Dieser letzte Abschnitt über das Geröllfeld hat es dann aber noch etwas in sich. Eine Ideallinie ist nicht zu erkennen (und gibt es wohl auch nicht), wir mäandrieren mit leichter Mühsal zwischen den grobblockigeren Zonen hin und her. Der Einstieg ist nicht näher bezeichnet, die Bohrhaken in der ersten Seillänge sind aber gut zu erkennen, so gibt's keine Zweifel, dass wir richtig sind. Schon nach gut 1:10h Aufstieg sind wir vor Ort und unterbieten damit die Zeit aus dem Führer (2:30h) um mehr als die Hälfte. Aber dass wir diese für die 800hm direkten, effizienten Aufstiegs niemals brauchen würden, war uns natürlich schon im Vornhinein klar. Nach den üblichen Vorbereitungen bei bestem Sonnenschein und angenehmen Temperaturen ging's wenig nach 9.35 Uhr in kurzem Tenü los.
L1, 25m, 7a: Die steile, gelbe Wand, der Schwierigkeitsgrad 7a und die Angabe einer zwingenden Stelle im Führer erheischen Respekt, zumal hier auch gleich ohne Aufwärmprogramm gestartet sein will. Nach meinem Gusto entpuppt sich die Sache dann aber als gut machbar. Ja, es gibt ein paar athletische Leistenzüge in bestem Klausenfels, aber Bammel muss man hier nicht haben. Auch die zwingende Stelle konnte ich so nicht nachvollziehen, alles bestens und sportklettermässig eingebohrt. Mein Kletterpartner tat sich dann in dieser Länge aber doch ziemlich schwer, vielleicht hatte ich da gerade ein Gravitationsloch getroffen.
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Wenn's noch ein Argument braucht, um die Route in Angriff zu nehmen, hier ist es! Super Kletterei in L1 (7a). |
L2, 40m, 7a+: Noch stotziger geht's weiter, die Steilzone mit mehreren kleinen Dächern oberhalb vom Stand wirft erneut ein paar Fragezeichen auf. Und ja, hier heisst es bald, ordentlich Guzzi zu geben! Athletische Züge zwischen distanten Henkeln, dann und wann sind auch obligatorisch kleine Leisten zu zerren und das Trittangebot ist nicht immer kommod. Die Crux kann ich mit einem wirklich affengeilen Boulder bezwingen, solch eine coole Sequenz, unglaublich. Danach heisst's noch pumpig dranbleiben, bevor der obere Teil dann einfacher daherkommt. Mich dünkte dieser Abschnitt deutlich mehr als nur ein '+' schwieriger wie L1. Dort evtl. 6c+ und hier 7b - who knows. Nach dem ersten Powerabschnitt folgt eine Dachunterquerung nach links. Hier ist ein Camalot 3 dienlich. Allenfalls könnte man wohl auch einen 2er setzen, notfalls geht's auch ganz ohne. Die Stelle ist nicht ultraschwierig, der letzte Bolt nicht weit weg und links draussen folgt bereits der nächste. Zu erwähnen noch: Achtung Seilzug - schon in der Crux am besten lange Exen verwenden, nachher erst recht, gerade in der Dachzone ist schlaue Seilführung zwingend, sonst wird der zweite, einfachere Teil der Länge unkommod.
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Steile und athletische Kletterei über mehrere kleine Dächer hinweg wartet in L2 (7a+). |
L3, 45m, 6c 2pa oder 7a/+: Gemäss den uns vorliegenden Informationen wurde diese Seillänge zuvor noch nicht freigeklettert. Aber ja, es geht und aussergewöhnlich schwierig ist es auch nicht. Schon bereits vom Stand aus ist problemlos zu erahnen, dass die Herausforderung wohl im Wulst mit dem abwärts geschichteten Fels liegt. Man könnte a priori befürchten, dass es dort brüchig ist. War dann aber doch überhaupt kein Problem. Erst geht's an Unter- und Seitgriffen flott voran, selbst ein paar gute Henkel hat's noch. Doch der Ausstieg aus dieser Zone in die Platte darob ist dann schon kurz kleingriffig-abschüssig und vor allem auch ziemlich unübersichtlich. Aber echt schwierig dann doch nicht, vielleicht einen Tick härter als L1, nach meinem Empfinden aber einfacher wie L2 und somit wohl irgendwo im 7a-Bereich. Der Rest der Seillänge hinauf auf's bequeme Standband dann Formsache. Alles auch bestens mit BH gesichert, das im Topo verzeichnete Placement für einen Cam 0.75 konnte ich weder identifizieren noch schien es mir nötig.
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Typischer Klausenfels in der abwärtsgeschichteten Cruxzone von L3 - geht gut frei, ca. 7a/+. |
L4, 40m, 5b: 10m-Rechtsquerung in die Verschneidung, dann noch weiter nach rechts um durch eine zweite Verschneidung zu klettern. Insgesamt ein problemloser Abschnitt, teilweise etwas grasig, aber doch in festem Fels mit durchaus ein paar schönen Kletterzügen.
L5, 30m, 6a+: Hier haben die Erstbegeher einen ganz coolen Weg gefunden. Quasi rechts um die Ecke wartet eine Platte mit bestem Fels, während die Linie links direkt hinauf weniger attraktiv aussieht. Eine Art Riesenslalom definiert die einfachste Passage, welche auch hier bestens eingebohrt ist. Zuletzt geht's dann in einem grossen Quergang nach links hinaus zurück auf den Pfeiler.
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Coole Kletterei über eine etwas versteckte Platte mit bestem Fels wartet in L5 (6a+). |
L6, 40m, 6a+: In der steilen, kompakten Wand leicht linkshaltend hinauf. Mega schöne Kletterei in wasserzerfressenem Fels, wirklich ein Highlight! Auch hier ist die Absicherung sehr eng gehalten, trotz der eher kurzen Seillänge sind viele Exen nötig. Der Stand dann auf bequemem Grasband.
L7, 50m 4b: Einfaches Überführungsstück, teilweise im Gras, teilweise mit leichtem Fels. Insgesamt gut begehbar und das Gestein (dort wo es hat) ist auch gut solide. Im zweiten Teil erreicht man überraschenderweise eine Art Grat, dann noch hinauf zum Kettenstand.
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Die einfachste und am wenigsten attraktive Länge (L7, 4b) - immer noch ganz ordentlich zu beklettern. |
L8, 40m, 6b+: Die Zone gleich oberhalb vom Stand ist nicht wirklich das Filetstück der Route, hier könnte man jetzt sagen, typischer Klausenfels - geschichtet, nicht so solide, aber irgendwie sieht's doch schlimmer aus, als es ist. Da hier die Bolts auch sehr eng stecken sowieso problemlos machbar. Die Crux ist der Übergang von dieser Zone ins kompaktere Gelände danach, wo man kurz schauen und planen muss. Der Rest der Seillänge bietet einfachere Genusskletterei zu einem bequemen Band unter dem steilen Gipfelaufbau.
L9, 40m, 6c+: Erst geht's rechtsrum in der Ostwand, wo eine erste Stelle an einem steilen Wanderl wartet, die das Kneifen von ein paar Fingerleisten erfordert. Auf dem Band nach links und gleich athletisch über ein Dach hinweg in den hier ansetzenden Riss/Verschneidung hinein. Diese bleibt eine Weile lang drückend und muss zuletzt nach links verlassen werden. Es warten noch ein technischer Quergang, ein luftiger Pfeiler und der Schlussmantle an extrascharfem Fels. Hinweis: diese SL ist sehr eng eingebohrt (ca. 16 BH auf ~30m). Um deswegen und aufgrund der Linienführung um ein paar Ecken herum den Seilzug im erträglichen Rahmen zu halten muss man sehr gut verlängern und teilweise die unteren Exen wieder aushängen.
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Luftige Kletterei in richtige scharfem Topfels wartet in L9 (6c+). |
L10, 30m, 6b: Luftige Seillänge mit cooler Linienführung und scharfem Nadelfels! Vom Stand nach rechts in den breiten Riss zurück - entweder Körperrampf (weniger empfehlenswert) oder elegant aussen bleiben und die Wand klettern. Danach eine fordernde, technische Linksquerung, bevor man an guten Griffen die steile Wand hinaufturnt und den Stand auf der exponierten Kanzel mit dem Wandbuch erreicht.
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Mit diesem Foto wird nachvollziehbar, warum ich L10 (6b) mit Worten wie "luftig" und "exponiert" beschreibe! |
L11, 30m, 6a+: Für diesen Grad nochmals eine wirklich sehr schöne Kletterei in kompaktem, wasserzerfressenem Steilplattenfels. Erst die letzten Meter sind dann einfacher und führen zu den Terrassen gleich unter dem Gipfel.
Ein paar Minuten vor 14.30 Uhr und damit nach rund 4:50h Kletterzeit sind wir am Top. Zum bereits gut sichtbaren und problemlos seilfrei erreichbaren Gipfelkreuz sind es bloss 30 Sekunden, das lassen wir uns natürlich nicht nehmen. Hier oben gibt's viel Platz und keine anderen Besucher, Sonne satt, Windstille, sprich der ideale Platz für eine Pause. Wie wir dem Wandbuch entnehmen konnten, haben wir die 8. Begehung der Route geschafft. Ich bin sicher, dass jetzt, nach Publikation des Topos in gedruckter Literatur und ersten Berichten über Qualität und Absicherung, noch viele folgen werden. Während man es an diesem Tag noch lange auf dem Gipfel hätte aushalten können, so mahnen uns Pflichten daheim schliesslich doch zum Aufbruch. Es wäre möglich, hintenrum via Läckipass zu Fuss ins Alpeli abzusteigen. Da man so nicht mehr am Einstieg vorbeikommt und somit das ganze Material sowie die Schuhe auf die steil und schwierig scheinende Route hätte mitnehmen müssen, hatten wir uns jedoch fürs Abseilen entschieden. Mit 8 Manövern (Stände 11-9-8-7-6-5-3-2) gelangt man zurück zum Einstieg - ein bisschen weniger mühelos, wie man aufgrund der steilen Wand vermuten könnte. Etliche Abseilstrecken verlaufen schräg und erfordern etwas Kraxelei um den Stand zu erreichen, das Seilabziehen geht wegen den auf breiten Bändern liegenden Ständen nicht immer ganz ring und der teils extrem scharfe Fels ist reichlich seilfressend. Kein grösseres Problem natürlich, etwa 40 Minuten brauchen wir dafür.
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Summit Vibes am Läckistock mit Blick nach Westen in die Urner Alpen. |
Zurück am Einstieg macht sich Jonas gleich aus dem Staub. Ich habe nämlich meinen Joker mitgebracht, d.h. den Ultraleicht-Gleitschirm, mit welchem ich ins Tal fliegen will. So kümmere ich mich darum, das Seil abzuziehen und das gesamte Material einzupuffen, welches auf dem Luftweg zurück auf den Urnerboden transportiert werden soll. Weiter unten im Gebiet der Alp Läcki gäbe es problemlose Startplätze. Doch mir scheint, dass es auch direkt vom Einstieg gehen sollte. Direkt an der Wand gibt's einen krautigen, nicht ganz so steilen Fleck Gras, wo man den Schirm platzieren kann. Nur das Leinensortieren ist unter diesen Voraussetzungen mühsam, da sich alles verschlauft, verhakt und der Schirm nicht schön flach auf dem Kraut liegt - dank idealen Bedingungen (beinahe windstill, minimaler Aufwind) geht's aber doch. Dann anschnallen und los - das Gelände bricht doch recht steil in die 35 Grad steile Geröllhalde ab. Dank den perfekten Bedingungen bin ich aber sogleich airborne. Cool wäre es jetzt, wie zuletzt am
Salbit die Route nochmals abzufliegen. Doch es ist ein sehr stabiler, thermikarmer Tag, ich kann nur kurz die Einstiegshöhe halten und muss mich dann der Gravitation hingeben. Das ist auch nötig, falls ich noch vor meinem Kameraden zurück auf dem Urnerboden sein will. Mit Schirmpacken usw. gewinne ich den Contest schliesslich mit ca. 3 Minuten Vorsprung. Gut, ich habe mich noch ums Material gekümmert und erst ist sehr schnell gelaufen, aber trotzdem erstaunlich knappes Resultat! Um 16.15 Uhr ist unsere Tour beendet. Wir konstatieren auf der Talfahrt, dass dies nun ein einfach genialer MSL-Tag war und die aufgrund der gesperrten Strassen komplizierte Verkehrssituation nur zu unserem Vorteil ausgefallen war - sonst hätten wir der Venus womöglich nicht höchste Priorität gegeben, was diese aber auf jeden Fall verdient hat.
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Gelandet! Der Läckistock ist der Berg rechts der Bildmitte. |
Facts
Läckistock - Venus 7a+ (6a+ obl.) - 11 SL, 400m - Frei/Rast 2016 - ****;xxxxx
Material: 2x50m-Seile, 16 Express, evtl. Camalot 3.
Tolle Jegerstöck-Kletterei, welche sicher zu den Toprouten im Gebiet gehört und es nach meinem Gusto qualitativ mit Touren wie
Carpe Diem und
Herkules aufnehmen kann. Die Felsqualität ist über beinahe die gesamte Strecke gut bis sehr gut. Allergiker werden jedoch hier und da die schiere Schärfe des Gesteins, ein paar wenige grasige Abschnitte und einige klausentypische Abschnitte mit minderem Fels argwöhnen. Take it or leave it, mir jedenfalls hat das super gefallen und dass man hier über eine ziemlich logische Linie auf einen stolzen Gipfel klettert, gibt noch Extrapunkte hinzu. Zusammen mit dem für die Jegerstöck moderaten Zustieg und der üppigen Absicherung macht das den Mix, eine der in Zukunft populärsten Routen im Gebiet zu sein. Die Bohrhaken stecken in den schwierigen Abschnitten mindestens so wie in einem bestens abgesicherten Klettergarten oder teilweise sogar noch enger - ich persönlich setze nach meinem Empfinden jeweils deutlich weniger Bolts. Fürchten muss man sich also nirgends, höchstens genügend Exen mitführen und da oder dort dem Seilzug vorbeugen. Somit ist auch der obligatorische Schwierigkeitsgrad ziemlich tief anzusiedeln. Nicht ganz einfach zu sagen wo genau, aber vermutlich doch eher <6b. Das im Topo (siehe SAC-Kletterführer Glarnerland) empfohlene Camset von 0.4-3 hatten wir dabei, es ist jedoch definitiv nicht nötig. Ich habe nur gerade in L2 den verzeichneten Camalot 3 gelegt (und es ginge selbst ohne diesen!), sonst haben wir auf der ganzen Route keinen einzigen Klemmer platziert.