Martin und Renato, die beiden Grands Seigneurs aus der Kletterhalle Griffig, hatten uns kürzlich wieder einmal ihre Route(n) am markanten Pfeiler über dem Valsloch, der sogenannten Hohwand empfohlen. In noch frühen Jahren meines Kletterlebens hatte ich dieses Stück Fels einmal für die klassisch-schöne Etter Direktroute sowie die im Verdon-Prinzip angegangene, coole 4-SL-Sportklettertour mit dem Namen Magisches Theater besucht. Da war es ja ~25 Jahre später nicht verfrüht, wieder einmal einen Besuch in dieser Gegend zu machen. Geboten wurde das, was die Erstbegeher versprochen hatten: steiler Fels, der über weite Strecken sehr gut und abschnittweise etwas weniger gut ist, formidable Absicherung und immer spannende Moves.
Die Hohwand bzw. der steile Pfeiler über dem Valsloch mit dem Verlauf der Route Tschingla. |
Die Kinder setzten erneut aufs Skispringen, somit konnte ich mit Kathrin unterwegs sein. Am letzten Oktobersonntag wäre zwar die Bahn auf den Chäserrugg noch in Betrieb gewesen, was einen prinzipiell rasche(re)n Zugang von oben her erlauben würde. Doch mit a) dem Coronaregime, b) der mit 60 CHF für 2 Personen doch eher teuren Bahn, der Tatsache dass wir c) gerne zum Ausgleich etwas Kardio machen und d) einen schönen Herbsttag in den Bergen geniessen wollten und nicht zuletzt dem Argument, dass von unten zu kommen einen besser aufs Klettern einstimmt, wählten wir den Südzugang. Von Walenstadt kann/darf man bis aufs Lüsis (ca. 1250m) fahren, allerdings gibt es da nur gerade beim Kurhaus einige wenige Parkplätze, die den Wirten gehören - somit nur in der Nebensaison, mit Nachfrage und Konsumation eine Option.
Herbstfarben im Zustieg. Der Hinterrugg und der steile Pfeiler der Hohwand noch weit weg, aber bereits gut sichtbar. |
Von da wartet dann zuerst eine längere Wanderung: erst einmal geht's rund 2km ohne nennenswerten Höhengewinn nach Vorder Büls, um ein wenig später dann auf den sogenannten Chalberhalden Highway (markierter Bergweg zum Chäserrugg) abzuzweigen. Steil erreicht man so das Chammsässli, wo man einen guten Einblick auf die Hohwand geniesst. Dem rot-weiss-roten Pfad entlang geht's weiter zu den Felsen am Eingang vom Valsloch. Nun logischerweise nicht durch dieses hinauf - da käme man ja nicht zur Wand - sondern nach links unter den Felsen auf der mittlerweile sehr deutlichen Pfadspur, welche ultimativ zum Schnüerliweg führt. Bald präsentierte sich uns eine der Schlüsselstellen der Tour: ein Rudel von 20 Steinböcken ruhte auf dem Weg, gewaltige, kraftstrotzende Tiere mit eindrücklichen Hörnern. Um diese nicht zu stören wählten wir eine grosszügige Umgehung untenherum - naja, wirklich auf Konfrontation möchte man mit einem solchen Prachtsexemplar ja dann sowieso auch nicht gehen, da wäre man als Menschlein weit unterlegen.
'Schlüsselstelle' auf dem Zustieg, da fühlt man sich in jeder Hinsicht weit unterlegen... |
An offensichtlicher Stelle geht's dann über steilere Schrofen zur Wand hinauf. Noch ohne grössere Schwierigkeiten erreicht man den mit einer kleinen Tafel angeschriebenen Einstieg vom Bandwurm. Doch für die weiter links/oben gelegenen Touren stellt sich noch eine ca. 15m hohe Felsstufe in den Weg. Natürlich ist diese nicht so schwierig, doch es handelt sich um grasdurchsetztes, etwas haltloses Zweiergelände in lottrigem Fels. Es stecken 2 BH zur Zwischensicherung, oben kann man den Stand am Einstieg der Etter-Direktroute zum Nachnehmen nutzen, was wir gerne machten (eher heikles Gelände für eine seilfreie Begehung!). Wieder einfacher geht's noch ca. 50m horizontal nach links zum mit BH und kleiner Metallplakette markierten Einstieg, man passiert dabei noch die Jakob-Bacchini-Gedenkroute und einen Schlaghaken-Versuch - laut Wandbuch haben sich schon ein paar Seilschaften in eine dieser Linien verkoffert. Nachdem wir um 10.00 Uhr auf dem Lüsis losgegangen waren, fiel der Startschuss schlussendlich ein paar Minuten vor Mittag.
Der Zustieg von Süden ist zwar wirklich eher weit, lohnt aber für sich alleine schon! Tolle Gegend! |
L1, 40m, 6b: Vom Einstieg her sieht der Fels nicht allzu berauschend aus... doch es kommt schneller besser, als man meinen könnte. Der Auftakt erst recht einfach, bald aber folgt eine etwas murksige, horizontale Querung, bevor man schliesslich einer Art diagonalen Rampe in nun schönem Fels folgt, welche nach rechts aufwärts führt. Wiederholt warten dort knifflige Moves an Seitgriffen und eher schlechten Tritten, die erst entschlüsselt werden wollen. Die letzten Meter dann schon beinahe an rauem Premier-Cru-Fels mit Tropflöchern.
Über eine Diagonalrampe 'erschleicht' man sich die Steilzone in L1 (6b) |
L2, 30m, 6b+: Coole Wandkletterei führt über eine erste Steilzone hinweg. Die Erstbegeher haben hier einen Streifen gewählt, wo das Gestein versintert und verfestigt, sowie mit griffigen Leisten gespickt ist. Nachher legt sich das Gelände etwas zurück, die Kletterei wird technischer, bleibt aber anhaltend. Dies in nun notabene sehr gutem, rätikonartigem Fels, der jeweils genau an den richtigen Stellen mit einigen abstehenden Prachtshenkeln, beinahe wie in der Kletterhalle, gespickt ist - Wunderwerke der Natur!
Hervorragende Kletterei in kompaktem Rätikonfels in der oberen Hälfte von L2 (6b+). |
L3, 30m, 6a+: Aus dem Stand hinaus in etwas einfacherer Kletterei diagonal nach rechts oben, wo eine steilere Mauer wartet. Gute Seitgriffe gilt es dort zu bedienen - eigentlich in gutem, rauem Fels, aber so restlos topsolide wirken dann doch nicht alle Strukturen. Hält aber wohl schon... ingesamt irgendwie eine anstrengendere Seillänge als erwartet.
Ms. Dettling on lead in der griffig-steilen L3 (6a+). |
L4, 40m, 6c: Schon rein visuell vermutet man gleich auf den ersten 10 Metern die Hauptschwierigkeit und das trifft dann auch zu. In steiler Wandkletterei durch eine frühere Ausbruchszone gilt es einige Leisten zu riegeln, um schliesslich trittarm an Untergriffen eine überhängende Zone zu meistern und diese mit einem Mantle zu verlassen. Der weitere Verlauf führt dann über freundlich geneigteren, schön rauen Fels im Bereich 6a+, der auch immer wieder mit guten Griffen auftrumpft. Teilweise ist der Verlauf hier gemeinsam mit der Quergangroute von P. & B. Etter aus dem Jahr 1969.
Einfachere, gutgriffige Kletterei in schönem Fels wartet auf der zweiten Hälfte von L4 (6c). |
L5, 40m, 6c+: Die Tschingla führt hier einige Meter links der Verschneidung der Quergangroute durch eine kompakte Platte mit bestem, silbrigen Fels à la Engelhörner. Zum Greifen gibt's oft coole, dünne Seitgriffschuppen, für die Füsse besteht eine grosse Auswahl an dafür kleinen Dellen. Vorausschauendes Planen und Old-School-Geschiebe, wirklich sehr toll! Für uns entschlüsselte sich das alles prima, nach ~20m lassen die Schwierigkeiten nach. Das genussvolle Finish führt einen auf ein bequemes Grasband, wo die Route endet.
Ausblick auf L5 (6c+) - super Fels mit technischer Kletterei an Seit-/Untergriffschuppen. |
Um 15.20 Uhr und damit nach doch über 3:15 Stunden Kletterei hatten wir das Top erreicht. Es hatte aber bei idealen Bedingungen keinen Grund zum Pressieren gegeben und wir nahmen uns die Zeit, um jeden Meter sauber in freier Kletterei zu meisten, was mit einer perfekten Team-Os/Flash-Begehung erfüllt wurde. Vom Top könnte man leicht den Weg durchs Valsloch erreichen und zu Fuss absteigen. Dafür hätte man aber die Schuhe mitführen und schon deutlich unter dem Einstieg ein Depot errichten müssen. Darum schien uns die Rückkehr mittels Abseilen geeigneter. Zuerst weckte aber noch eine am Fels angebrachte Plakette mein Interesse... es zeigte sich schliesslich, dass der Ausstieg der benachbarten Route Grotto als Exit fürs Basejumping benutzt wird. Crazy Sache, ist doch deren letzte Seillänge (5c) weit davon entfernt, schon nur senkrecht zu sein.
Wir hatten absichtlich die 60m-Seile mitgenommen, so gelangten wir in 3 Manövern (5-4-2) wieder auf's Grasband am Einstieg, bzw. zum Einstiegsstand der Etter-Direktroute. Ein weiteres (exakt) 60m-Manöver führte über die Felsstufe darunter und die Steilschrofen auf die (Schnüerli-)Wegspur, über die wir gekommen waren. Die Steinböcke nutzten die Abendstunden, um etwas unterhalb des Pfads zu äsen, so konnten wir dieses Mal ohne Umwege passieren. So gelangten wir in rund 1:00 Stunden zurück zum Ausgangspunkt, wo wir im Kurhaus noch eins Trinken und allerlei Geschichten rund ums Lüsis erfahren konnten. Wir waren sehr zufrieden, Route und Gesamtunternehmen hatten an diesem Tag perfekt unsere Vorstellungen erfüllt :-)
'Khasch nit immer numma fuul ummaligga, muasch eis au no fressa... (Korrekturen für authentischen Bündner Akzent erwünscht ;-)) |
Facts
Hohwand - Tschingla 6c+ (6b obl.) - 5 SL, 180m - Baumeler/Salvini 2005 - ***; xxxx
Material: 1x oder 2x50m-Seil, zum Abseilen 2x60m nicht unnütz, 15 Express, Keile/Cams nicht nötig
Attraktive, steile und griffige Kletterei in über weite Strecken sehr schönem Fels, an ein paar kurzen Stellen kommt das Gestein auch einmal etwas lottrig daher. Die Absicherung ist durchgehend eng mit gut platzierten Inox-BH. Hier wird sich niemand fürchten müssen, ein gewisser Anspruch an den Vorsteiger verbleibt aber dennoch. Monieren kann man den langen, 750hm und gute 1:30h umfassenden Zustieg für nur 5 SL/180m, als Herbstkletterei zusammen mit einer schönen Wanderung hat das Programm für uns aber perfekt gepasst. Die Zustiegs-Anstrengung kann vermieden werden, indem man mit der Bahn auf den Chäserrugg fährt, 150hm zum Ende der Route absteigt und diese im Verdon-Prinzip angeht. Die Abseilstelle dürfte gut zu finden sein (am westlichen Fuss eines ca. 3m hohen, ca. 20m breiten Felsriegels auf dem sich zu einem Pfeiler verjüngenden Plateau). Ein sehr schönes Topo gibt's von den Erstbegehern - danke für eure Arbeit!