Nach unserem Klettertrip ins Tessin war der Rest der Familie mit Vorbereitungen aufs Weihnachtsfest beschäftigt. Somit blieben mir ein paar Stunden, um die Beine zu vertreten. Lange war ich unschlüssig, wohin es denn gehen sollte, denn nach Ausschlafen und gemütlichem Frühstück war es auch schon Mitte Vormittag. Natürlich hätte ich noch in einen der Hotspots fahren können und dort eine der aktuell hippen Touren absolvieren. Aber als Nachzügler inmitten von bereits abfahrenden Tourengängern aufzusteigen behagt mir nicht sonderlich. Eine Alternative bestand darin, das Wägital aufzusuchen. Hier wären wohl nicht viele Leute unterwegs, denn es herrschte Schneearmut. Ja, ohne den Joker Ultraleicht-Gleitschirm wäre ich an diesem Tag sicher auch nicht Richtung Mutteristock aufgebrochen. Aber oft kommt es anders als man denkt - es war unter rund 10 Begehungen bisher meine schönste Tour auf den Mutteristock.
Wenig Schnee im Wägital im Dezember 2018. Trotzdem Zeit, um auf die Felle zu wechseln! |
Beim Ausgangspunkt am Seeende lag maximal ein Schäumchen Weiss, mit Fellen aufzusteigen schien da völlig utopisch. Ich dachte mir, dass der lange Weg über die Alp Aberen wohl den bequemeren Aufstieg vermitteln würde als der übliche Direktweg via Schwantli und Chruter. So war's denn auch: schon nach 10 Minuten bei der Brücke über den Aberenbach (P.998) konnte ich tatsächlich auf die Ski wechseln. Der Alpweg war ab hier gerade genügend eingeschneit, um durchgehend und ohne ein weiteres Mal abzuschnallen aufzusteigen. Die Schneelage blieb aber dürftig, zum Abfahren würde das beim besten Willen nicht reichen. Auf 1450m, unweit der Lufthütte, musste ich dann ins Gelände wechseln, ab hier hatte es aber gerade so genügend Schnee, um auch abseits vom Alpweg vernünftig voranzukommen. Bald darauf war dann ein Entscheid fällig. Links Richtung Redertengrat oder rechts Richtung Mutteristock. Der rechte Weg versprach mehr Sonne und einen richtigen Gipfel, also da lang.
Am Fuss vom Muttrirücken (ca. 1600m), ab hier liegt genügend Schnee, nun auch mit Unterlage. |
Ab dem Fuss vom Muttrirücken war nun auch eine Unterlage vorhanden und ich hatte zunehmend richtig anstrengende Spurarbeit zu leisten. Das würde sich bis zum Gipfel nicht mehr ändern, denn ausser mir war niemand in der Gegend. Es war aber eine grosse Freude, hier die erste Linie legen zu können. Dieses Privileg hatte ich am sehr populären Mutteristock bisher noch nie - da muss man gleich nach dem Schneefall und auch noch sehr früh aufbrechen. Während an geschützten Lagen rund 20cm bester Powder auf der harten Unterlage vorhanden waren, trat an exponierten Stellen im oberen Teil teils die pickelhart gefrorene Regenkruste zu Tage. Fellen unmöglich, Alu-Harscheisen waren auch nicht genügend solide. Mit ein paar Umgehungen und kurzen Portagen konnte ich die Situation aber sicher meistern. Gerade nach 3 Stunden Aufstieg traf ich am Gipfel ein (beinahe das doppelte meiner Rekordzeit!). Die Stimmung am Gipfel war perfekt, ein tolles Weihnachtserlebnis.
Panorama im Gipfelbereich mit der wuchtigen Glärnisch Nordwand, die ich dieses Jahr 2x mit dem Schirm auf dem Rücken durchsteigen konnte (Chalttäli, Ruchenpfeiler). Just simply fantastic! |
Ob dem guten Schnee wollte ich es mir nicht entgehen lassen, einen Teil der Abfahrt mit den Ski zurückzulegen. Da gab es wirklich ein paar sehr schöne Schwünge. Dank der harten und kompakten Unterlage musste man trotz nur mässig viel Schnee im rauen Karrengelände auch keine Angst haben, sich einen Stein einzufangen. Auf rund 1700m machte ich dann einen Abflug - von daher erweiteren die 1.5kg Flug-Zeug im Rucksack die Möglichkeiten eben doch sehr markant. Wer übrigens auf das neuste Produkt namens Run&Fly aus dem Hause Dudek vertrauen würde, käme neuerdings sogar mit einem Totalgewicht von nur 1kg für die komplette Flugausrüstung durch - mit natürlich nochmals kleinerem Packmass gegenüber meinem Sir Edmund. Eigentlich wäre es ja gerade Weihnachten gewesen ;-) Aber nach dem Erlebnis an diesem Tag musste ich nicht wirklich darüber nachdenken, meine Flugausrüstung zu ersetzen. Mit alten Ski und entsprechend Materialverachtung hätte man wohl in etwa bis zur Rinderweid fahren können, darunter hätte man definitiv zu Fuss absteigen müssen.
Facts
Mutteristock (2294m) vom Wägitalersee mit Abfahrt über die Aufstiegsroute
Ski-Schwierigkeit ca. WS+, einige exponierte Stellen nach der Torberglücke
Material: normale Skitourenausrüstung