- -
Posts mit dem Label Seeztal werden angezeigt. Alle Posts anzeigen
Posts mit dem Label Seeztal werden angezeigt. Alle Posts anzeigen

Donnerstag, 27. Februar 2025

Skitour Rossstall (2456m)

Den letzten Neuschneetag hatte ich zwecks dem Bimano Open ausgelassen, den Sonntag verbrachte ich nach längerer Abstinenz wieder einmal auf der Piste in einem kleinen Gebiet in der Nähe von daheim. Dann zwei Tage voll mit Arbeitsverpflichtungen, bevor am Mittwoch ein Fenster identifiziert werden konnte, um doch noch von den guten Tourenbedingungen zu profitieren, bevor der Föhn diese schliesslich zunichte machte. Aus einer Vielzahl von Optionen fiel meine Wahl schliesslich aufs Sarganserland. Es ergab sich eine gute Tour, auch wenn meine Kalkulation an diesem Tag für einmal nicht ganz so wie gewünscht aufging.

Unterwegs Richtung Gamidaurspitz, hier am Vermiiboden. Der Aufstieg verläuft rechts dem Horizont entlang.

Diese basierte auf der Vermutung, dass es beim Startpunkt bei Hienzi (ca. 850m) am Eingang ins Weisstannental zu wenig Schnee läge, als dass man mit den Ski starten könnte. Dies brächte natürlich einerseits Vorteil in Bezug auf die bisherige (Nicht-)Frequentierung der Tour, zudem liesse sich so der 500hm-Strassenhatscher zu Beginn der Tour mit dem Bike verkürzen. Tatsache war, die Wiesen beim Startpunkt waren weiss und mit einigen Skispuren drapiert. Ich vermutete im Wald aber zu wenig Schnee und sattelte trotzdem das Bike. Bis auf ca. 1060m war diese mit Autos befahren worden - das war bikefahrbar, dann war aber finito: zu viel und zu weicher Schnee. Somit ging es fellend weiter - nicht ganz so leichtfüssig, die Effekte des Kletter- bzw. vor allem des Krafttrainings der Vortage waren nicht so schnell aus den Knochen verschwunden wie erhofft.

Eisformationen auf dem Weg.

Sonst verlief der weitere, gut gespurte Aufstieg via Ochsensäss, Vermii und dem Nordrücken zum Gamidaurspitz eventfrei. Meine nächste Fehleinschätzung betraf die Situation im Gamidaur-Gipfelhang. Am Weekend galt noch Stufe 3, zumindest mit meiner Risikotoleranz lässt sich das mit dessen Befahrung nicht vereinen. Etwas verblüfft nahm ich zur Kenntnis, dass da nun doch schon ziemlich viele Spuren waren. Doch vermutlich braucht's nur einen einzigen, der es wagt - und wenn man eine Spur liegt, so wagt es noch manch einer hintendrein. Trotzdem war noch Platz für eine eigene Linie, somit war das nicht allzu störend. Natürlich auch nicht auf dem Radar hatte ich die Polizei(?)aktion, welche bei den Hütten von Ober Vermii (1883m) stattfand. Eine ganze Heerschar von Leuten war da präsent und hatte scheinbar den formidablen Rücken oberhalb fast zu einer Piste umgeackert (ohne zum Gipfel zu gehen). Während meinem Aufstieg wurden all diese Leute dann in mehreren Rotationen von einem Polizei-Helikopter ausgeflogen - was da wohl los war?

Der Rücken von Baseggla, welcher im Rossstall (2456m) gipfelt. Der Schnee leider stark verblasen.

Da ich auf dem Gamidaur vor etwas über 20 Jahren bereits einmal auf einer Skitour besucht hatte, wollte ich meine heutige Tour über den Rücken vom Baseggla zum Rossstall (2456m) verlängern, um einen bisher noch unbesuchten Kulminationspunkt zu erreichen. An sich eine gute Idee, dass dieser schöne Hang jedoch so komplett vom Wind verblasen war, hatte ich so nicht auf dem Radar. Nun denn, ich war hartnäckig genug, meinen Aufstieg trotzdem durchzuziehen und erreichte bald einmal Steinmann City am Top. Mein Plan bestand ursprünglich darin, von dort auf meiner eigenen und kaum schon befahrenen Linie zum Baschalvasee (2174m) zu gelangen und dann zurück zum Gamidaur, bzw. zumindest zum Einstiegspunkt in die Nordflanke zu steigen. Was auf der Karte attraktiv aussah, liess ich vor Ort schliesslich bleiben - wegen dem gedeckelten Triebschnee auf dieser Abfahrt wäre es eine unerquickliche Zusatzaufgabe gewesen.

Steinmann City auf dem Rossstall (2456m), mit Blick ins Rheintal mit Gonzen und Fläscherberg.

Somit holperte ich über das verblasene Gelände zurück in den Sattel vor dem Gamidaur, stieg zu Fuss zu dessen Gipfel auf, dann kurz sehr steil an einem Fixseil (nicht mehr in bestem Zustand) in die Nordflanke hinunter. Wie bereits erwähnt, liess sich trotz vorhandener Spuren noch eine Linie mit durchgehend jungfräulichem Schnee finden. Später konnte ich den "Polizei-Acker" via die Rossplangg ebenso in First-Line-Terrain umfahren, selbiges gelang mir danach auch im Chäsboden mit Inkaufnahme einer kurzen Schiebestrecke auf dem Vermiiboden. Damit war der Mist quasi geführt, bis auf die mit zischendem Oberflächenreif verzierten Hänge vom Ochsensäss war bis zum Bike nur mehr pistenartiges Fahren über die Strasse nötig. Zuletzt ein kleiner Bike-Downhill und damit war es das. Sicherlich nicht die beste Skitour des Winters - ganz ordentlich war es aber dennoch. Fragt sich zuletzt noch, ob die kleinen Abstriche bezüglich Schnee und vorhandenen Spuren schwerer wogen oder dass es einfach anders war wie ausgemalt. Die Antwort allein, die kann ich hier auch nicht mit Sicherheit geben.

Dienstag, 3. Dezember 2024

Mit (sub)maximaler Effizienz!

Der Volumen-Fight im Sparta Bouldering & Bar war angesagt. Dies am Freitagabend vor einem strahlend schön prognostizierten Weekend. Für einen Outdoorfreak nicht unbedingt der optimale Zeitpunkt... wenn man solche Events doch nur einfach bis zur nächsten Schlechtwetterperiode aufschieben könnte. Somit haderte ich nicht nur wegen der weiten Anfahrt mit meiner Teilnahme. Andererseits liegt mir die Kletterei an Volumen sehr. Statt rohe Griffkraft und Dynamik ist viel mehr geschicktes Positioning, Vertrauen in die Haftreibung und gefühlvolles Handauflegen an Slopern gefragt. Und da ich noch nie an einem reinen Volumen-Wettkampf teilgenommen hatte, reizte mich die Sache einfach zu sehr. 

Der Kampf mit dem Kühlschrank... oder so! Foto: Sparta Bouldering / mediasquad.ch

Der Deal mit meiner selbst war schliesslich, zuerst von 7-13 Uhr möglichst viel Arbeit mit vollem Einsatz und maximaler Effizienz zu erledigen. Dann würde ich , um die weite Anreise ins Sparta besser zu amortisieren und die Outdoorambitionen ebenfalls zu befriedigen, am Nachmittag noch eine Skitour geniessen. Mit dem Motto ski and bloc hatte ich ja just 7 Tage zuvor gleich doppelt hervorragende Erfahrungen gesammelt. Zwar war der Wintertraum vom vorangehenden Weekend schon längst wieder passé. Tauwetter hatte dem Weiss in den tiefen Lagen längst den Garaus gemacht. Doch dann hatte es wieder abgekühlt, zuletzt war wieder etwas Powder gefallen, welcher seiner Zerpflügung harrte. Als Dessert gäbe es dann abends eben noch die Bouldersession.

Kleiner Spoiler: näher an den Trophäen als so war ich leider nicht, weiterlesen lohnt sich möglicherweise trotzdem 😊. An dieser Stelle herzlichen Dank an die Halle für die Organisation, die Schrauber für die tollen Probleme, den Sponsoren für die Preise. Mit Unterschrift von Susi Good, die ihres Zeichens einmal Kletterweltmeisterin war. Das weiss heute fast niemand mehr. Und danke natürlich auch allen weiteren Helfern und dem Fotografenteam von mediasquad.ch.

Dass meine Planung auf der (sehr) ambitionierten Seite war, müsste ich wohl nicht explizit erwähnen. Die Arbeitssession lief zwar nach meinem Gusto, doch bis ich alle mir zum unverzichtbaren Ziel gesetzten Tasks erledigt hatte, war es eine halbe Stunde später als geplant. Um 13.30 Uhr klappte ich schliesslich meinen Laptopdeckel zu und fuhr sogleich dem Hüenerchopf entgegen. Aufgrund meines Studiums der Webcambilder ging ich davon aus, per Bike bis auf ~1500m fahren zu können, was eine gemütliche Skitour mit rund 700hm Aufstieg bedeutet hätte. Somit parkierte ich meinen vierrädrigen Untersatz in Mels und radelte dem Schnee entgegen. Schon etwas verblüfft nahm ich zur Kenntnis, dass zwei Tourengänger in Vermol (1098m) eben ihre Abfahrt vom Hüenerchopf beendeten, dies notabene mit den Ski an den Füssen. Dank vorhandener Traktor-Reifenspuren gelangte ich der Strasse entlang noch bis zu P.1219 bei Lutzboden, wo diese endeten. Ab da war es komplett aussichtslos, mit dem Bike noch weiter an Höhe zu gewinnen.

Wechselzone, die Aussichtslosigkeit von weiterem Höhengewinn per Bike offensichtlich.

Somit standen mir auf den Gipfel vom Hüenerchopf doch noch fast 1000hm bevor, zudem war auch die Uhr schon auf 15.10 Uhr vorgerückt. Ein kurzer Check auf der Meteoschweiz-App verriet, dass der Sonnenuntergang bereits um 16.35 Uhr stattfände. Eine Halbstunde danach wäre es zweifellos bereits sehr düster, so dass mir de facto keine zwei Stunden für eine doch respektable Skitour blieben. Um lange zu studieren blieb mir aber erst recht keine Zeit, und so fellte ich nach dem Motto "Gring ache u seckle" los. Trotzdem wurde ich mir subito der exzellenten Bedingungen gewahr. Erst Wärme und Regen, dann Kälte und schliesslich eine Portion von 5-10cm Neuschnee hatten eine prima Unterlage erzeugt. So liess es sich zügig an Höhe gewinnen. Einige Male konsultierte ich auf der Karte meine (Höhen)position und die Uhr. Trotz Puls am Anschlag prozessierte das Gehirn die Rechnung, dass es mir beim Beibehalten des hoch angeschlagenen Tempos noch rechtzeitig vor dem Sonnenuntergang auf den Gipfel reichen würde.

Viele Fotos habe ich auf der Skitour aus offensichtlichen Gründen nicht gemacht. Als mir bei einem kurzen Blick zurück aber dieses wunderschöne Alpenglühen bewusst wurde, nahm ich mir doch die Zeit, um rasch auf den Auslöser zu drücken.

So war es dann auch, um Schlag 16.30 Uhr hatte ich das Top erreicht. Die Zeit für einen kurzen Rundumblick nahm ich mir noch, dann aber hiess es ritsch-ratsch die Felle ab, Schnallen schliessen, in die Bindung steigen und los. Wie vermutet war das Gelände hervorragend zu befahren - ja selbst im grossen Flachstück bis zum Alpstutzhang konnte dank dem schnellen Schnee mit grossem Genuss gecarvt werden. Der Hüeneri war an diesem Tag nur gerade von 3 Tourengängern besucht worden, so war es auch absolut kein Problem, stets komplett unverspurtes Gelände zu befahren. Wie im weissen Rausch ging es zu Tale, schon um 16.50 Uhr war ich retour beim Bikedepot, von wo im letzten Licht weitere 7km auf zwei Rädern bis zum Autodepot bevorstanden.

Unweit vom Top. Die letzten Sonnenstrahlen treffen auf die Drusenfluh und die Lanciamira im Rätikon.

Wenige Minuten nach 17.00 Uhr dort angekommen konnte ich beruhigt konstatieren, dass mir komfortable Reserven bis zum Start der Bouldercomp um 18.30 Uhr blieben. Dies mit Betonung auf ZEITreserve, wie es mit dem Krafthaushalt aussah, war hingegen eine andere Frage. Dass eine Skitour ein "optimales Aufwärmen" vor einer Powersession am Plastik gelten kann, lässt sich wohl auch höchstens tongue-in-cheek für Hobbyathleten und bei gemässigtem Tempo sagen. Aber das waren jetzt 1000hm mit Vollgas gewesen, dazu noch 700hm mit dem Bike, wo E-Antrieb hin oder her ebenfalls kräftig in die Pedale getreten worden war. Doch nun ohne den Volumen-Fight wieder nach Hause zu fahren konnte es ja auch nicht sein. Somit widmete ich mich erst einem Carbo-Reload, fuhr dann ins Sparta und machte mich sogleich daran, die Muskeln erneut auf Betriebstemperatur zu bringen.

Kletterei auf unterschiedlich ausgerichteten Flächen. Man lese den Text zu Cyclope, Seillänge 5.

Nun ja, beim Bouldern verspürte ich dann schon etwas müde Beine und bestimmt fehlte mir etwas die Spritzigkeit. Aber gerade bei solchen Volumenbouldern sind natürlich in erster Linie die technischen Fähigkeiten ausschlaggebend. Noch dazu ist es ja (im Vergleich zu einer Vollgas-Skitour) eine relativ chillige Aktivität, wo nur ein relativ kurzer Effort gefragt ist und man sich danach bis zum nächsten Go wieder erholen kann. An der Rangliste gemessen war meine Performance zwar nicht so berauschend, aber ob es an der Skitour oder der starken Konkurrenz lag? Wir werden es nie genau wissen, trotzdem sinnierte ich natürlich über die Frage, wie viele zusätzliche Tops mir ohne den vorherigen Kräfteverschleiss gelungen wären. Keines? Oder mindestens eines? Möglicherweise sogar zwei oder drei? Nur eines ist sicher: eine Rolle spielt es absolut keine. Denn im Nachhinein bin ich es mir ganz und gar nicht reuig, zuvor noch die Skitour genossen zu haben. Einzig im Speedmodus hätte diese nicht unbedingt sein müssen... wobei es in Retrospekt auch wieder einmal eine Erfahrung war, das Herz-Kreislauf-System nahe bei den 100% zu betreiben - etwas, was im bequemen Büroalltag-Indoorbouldern-Sportklettern-Modus der kurzen Novembertage ja sonst eher nicht passiert.

Compression, Hüftbeweglichkeit und erst recht das Manteln wurden oft abgefragt.

Donnerstag, 7. Dezember 2023

Wintergarten - The Fugitive (Erstbegehung, 4 SL, 7a)

Erst vor kurzem wurde auf diesem Kanal von der Erstbegehung von Querdenker (4 SL, 7c) an den Balmenchöpf im Seeztal berichtet. Nur 4 Tage nach der Begehung jener Route machte ich mich mit schwerem Gepäck erneut auf den Zustieg an den Südflanken des Seeztals. Eine zweite MSL weiter links an der Wand des Wintergartens war meine Absicht. Seitenblicke beim Sichern während der Begehung des Querdenkers hatten die Präsenz dieses Potenzials klar gezeigt. Daniel war damit einverstanden, dass ich diese Linie einer näheren Prüfung unterziehe und sofern lohnend, Arbeit und Hakenmaterial für die Erschliessung beisteuern würde. Umso gespannter war ich, wie sich die Lage vor Ort präsentieren würde. Denn bei welchen Schwierigkeiten, welcher Qualität und mit welcher Griffabfolge es schliesslich geht, lässt sich eben von 20m weiter drüben jeweils unmöglich sagen.

Unterwegs auf Mission Rotpunkt in L2 (7a) von The Fugitive. Bild: Daniel B.

Den Zustieg in den Wintergarten habe ich bereits im Beitrag zum Querdenker ausführlich beschrieben und wiederhole die Zeilen daher hier nicht nochmals. Sowohl beim Einbohren wie auch beim Punkten wählten wir den bequemsten und üblichen Zugang via den Vorderspinaweg. Das Einbohren erledigte ich solo im Toprope - die logische Wahl wegen der guten Zugänglichkeit von oben, dem klettergartenähnlichen Charakter und der Tatsache, dass bis dato alle Routen im Wintergarten so erschlossen wurden. Es ging mir gerade auf, die Linie an einem Tag sauber auszuchecken, die Haken zu bohren und an den wenigen Stellen wo es nötig war, zu putzen. So war ich dann eine Woche nach dem Anbringen der Haken mit Kathrin am Start, um das Teil Rotpunkt zu klettern.

Übersicht über die Gebiete oberhalb von Heiligkreuz.

L1, 35m, 6c bis 7a+: Im Grunde genommen gibt es für die erste Seillänge ganze 4 Möglichkeiten, wovon jede eine gewisse Logik bietet. Wir beginnen mit dem Argumentatorium von rechts her: Jailbreak (7a) als äusserste Linie bietet sich an, weil man so The Fugitive durchgehend auf einer Dettling-Linie klettern kann. Es ist auch die Option mit der am wenigsten zwingenden Kletterei - coole, plattige Moves mit einer geilen Patscher-Crux am Ende. Das Bewegungsrätsel (6c) ist die nominell einfachste Variante. Aber man sei gewarnt, ohne auch jenseits der Haken richtig überzeugt auf die Füsse zu stehen, könnte diese Route (oder zumindest deren Bewertung) ein Rätsel bleiben! Die dritte mögliche Linie ist die Argus (7a+), welche den direktesten Verlauf der MSL bietet. Kräftig geht's gleich über's Dach und anhaltend mit kniffligen fusstechnischen Stellen und Slopern weiter. Als vierte Option bietet die Primagusto (7a+) den möglicherweise exquisitesten Felsgenuss, aber natürlich gibt's auch da nichts geschenkt! Egal auf welcher Linie man beginnt, das Ziel ist die Umlenkung von Argus (d.h. der Stand mit dem langen Drahtkabel) - mittels einfacher Traverse auf dem Querband ist diese auch von den Nachbartouren mühelos zu erreichen.

Kathrin folgt in L1, welche wir an diesem Tag via Bewegungsrätsel (6c) kletterten.

L2, 20m, 7a, "Getaway": Für Unterhaltung ist gleich vom ersten Meter an gesorgt. In weiser Voraussicht platziere sich die Sicherungsperson mit ausreichend langer Selbstsicherung etwas rechts auf dem Querband. Sogleich folgt nämlich eine wacklige Stelle, bevor man nach dem ersten Klipp mit Seit- und Untergriffen für den nötigen Anpressdruck der Füsse zu sorgen hat. Mit einer kniffligen Sloper-Sequenz die in einem Mantle gipfelt, bleibt es auch weiter spannend. Danach erlauben Rastpunkte zweimal etwas Durchschnaufen, bevor man sich im Finale dieser Länge dann nochmals etwas kräftiger an Leisten und Henkeln festhalten muss.

Kompakter Fels und richtig coole Kletterei in L2 (7a)

L3, 30m, 6c, "Hideout": Auch hier gibt's kein Vorgeplänkel, es geht gleich ab dem Stand so richtig los mit technischer Kletterei, wo an leidlichen Griffen für den nötigen Druck auf den Füssen gesorgt werden muss. So bleibt das über eine Weile und man darf sich allerlei kreativer Moves bedienen, um an Höhe zu gewinnen. Der Weg führt in eine Verschneidung mit plattiger Seitenwand, die über einen Wulst nochmals kräftig verlassen wird, bevor eine fein mit Wasserrillen ziselierte Platte zum Stand unmittelbar oberhalb des markanten dürren Baums führt. Von dieser Stelle kann man entweder Abseilen (mind. 1x60m-Seil nötig) oder weiter zum Top.

Zum Ende von L3 (6c) wartet noch ein kniffliger Mantle in plattigem Gelände.

L4, 20m, 3a, "Sanctuary": Diese Länge ist klettertechnisch definitiv unlohnend, erlaubt es dem Alpinistenherz aber den wirklich schönen Rastplatz am Top zu erreichen und via das Grätli und die Fixseile sehr zügig mit einem Fussabstieg wieder zum Ausgangspunkt zurückzukehren. Es geht in dieser Länge diagonal nach rechts hinaus zu einem BH und von dort am logischsten in dieselbe Richtung weiter zur markanten Föhre, wo auch der Querdenker endet (Stand mit Seilschlingen und Abseilring am Baum).

Seitenblick zum Gonzen (der Annagrethli-Turm am oberen Bild knapp sichtbar) und ins Seeztal.

Für die an sich kurze Route hatten wir doch gute 2:30h Begehungszeit gebraucht. Einerseits gab es nichts zu pressieren, andererseits stand natürlich der Rotpunkt bzw. die freie Kletterei und nicht der Speed im Zentrum. Dass die Befreiung dieser Route nicht die ganz grosse Herausforderung für mich persönlich werden würde, war mir natürlich schon im Voraus klar. Eine sehr anregende Unterhaltung war es aber allemal und schlussendlich war's - wie so oft - im Rotpunkt dann doch noch eine Ecke fordernder wie beim Bohren gedacht. Glücklich und zufrieden machten wir uns auf den Abstieg und nach dem Auflesen des Materials gleich an den Heimweg. Einerseits brauchten die Teenies daheim unsere Präsenz nach der Rückkehr von ihren Sportveranstaltungen, andererseits konnten wir es nach einem harten Sportklettertag davor und dieser schönen Erstbegehung in der Tasche auch bestens "gut sein lassen" - auch wenn natürlich das Teufelchen im Hinterkopf nur zu gut noch von einigen zu erledigen Routen im Wintergarten weiss ;-)

Blick in die Wand, die Seilschaft Dettling in L2 (7a) engagiert. Foto: Daniel B.

Facts

Balmenchöpf / Wintergarten - The Fugitive 7a (6b obl.) - 4 SL, 100m - M. Dettling 2022 - ***;xxxx
Material: mind. 1x60m-Seil, 12 Express, Cams/Keile nicht nötig/einsetzbar

Kurze MSL-Tour für die Wintersaison, welche auf nur 100m Kletterstrecke eine ausgewogene Vielfalt und anhaltende Moves bietet. Es wartet ein guter Mix von bewegungsintensiven Passagen, welche gute Fusstechnik verlangen. Etwas Fingerkraft und die nötige Körperspannung helfen sicher dabei, damit die Sohle jeweils an Ort und Stelle bleibt. Wenn die Route 3x so lange wäre, so dürfte man von einem Top-Ziel der Ostschweiz sprechen. Doch es ist wie es ist, entweder erhascht man an einem Tag im tiefen Winter hier ein paar Stunden willkommene Sonne oder man verlängert den Klettertag mit der Nachbar-MSL Querdenker (4 SL, 7c) oder im Klettergarten an der Basis, beides ist absolut lohnend. Die Absicherung der Route ist mit rostfreien Bohrhaken prima, aber nicht übertrieben eng. Nachfolgend ein Fototopo, welches L2 und L3 zeigt (sowie das Ende der 4 verschiedenen Zustiegsoptionen zu deren Start). Ein schematisches Topo und nähere Infos zum Gebiet findet man im SAC-Kletterführer St. Galler Oberland von Thomas Wälti.

Wandansicht mit dem Routenverlauf von L2 und L3 von The Fugitive.

Montag, 6. November 2023

Wintergarten - Querdenker (7c)

Der Wintergarten ist ein Klettergebiet an den Balmenchöpf im Seeztal. Daniel Benz hat ab 2019 mit der Erschliessung dieser tollen Wand begonnen, auch meine Wenigkeit konnte dabei Unterstützung bieten und einige Routen einrichten. Während der Fokus zuerst und vor allem auf Baseclimbs lag bzw. liegt, ermöglicht die bis zu 100m hohe Wand auch einige kurze MSL-Routen. Kurz heisst aber nicht langweilig: anhaltende Kletterei über 3-4 Seillängen, oft perfekte Bedingungen in der kalten Jahreszeit und die Möglichkeit, den Tag mit dem Klettern von zusätzlichen Routen zu versüssen, machen einen winterlichen Ausflug für Multipitch-Fans auf jeden Fall lohnend. Beim Querdenker (4 SL, 7c) konnte ich bei der ersten RP-Begehung mit von der Partie sein. Die Kletterei begeistert trotz der relativen Kürze mit sehr abwechslungsreichen Moves und einer Qualität, die den Rätikon-Routen in Nichts nachsteht.

Übersicht über die Klettergebiete oberhalb von Heiligkreuz im Seeztal.

Der Zugang vollzieht sich vom normalen Parkplatz für die Katzenbach-Gebiete (555m). Man folgt dem üblichen Zustieg, wählt dann allerdings auf ca. 630m nicht die in der Nähe des Baches bleibende, leicht zu verpassende Abzweigung links hinauf Richtung Katzenbach, sondern folgt dem deutlichen Pfad geradeaus weiter. Dieser erreicht bald eine deutlich ausgeprägte Rippe und führt von dort horizontal weiter. An dieser Stelle gilt es, entlang der Rippe auf deutlichen Wegspuren aufzusteigen, bis man auf ca. 795m den Vorder Spinaweg erreicht. Diesem folgt man bis zur Kehre auf exakt 1000m, wo man ihn verlässt und in den Bachgraben traversiert (nach wenigen Metern erscheint ein Fixseil). Jenseits vom Bach steigt man wenig auf und quert nur leicht ansteigend nach links (S), es hat inzwischen gut sichtbare Spuren. Man erreicht den SE-Sporn auf ca. 1030m und quert von dort die schrofigen SW-Hänge etwas absteigend zum Wintergarten. Wenige Meter nach dem Sporn leiten Fixseile den Weg. Je nach Gehtempo benötigt man ca. 45-60 Minuten für den Zustieg. 

Unvollständiger Blick auf die tolle Wand an den Balmenchöpf, eine bessere Perspektive gibt's aber nur aus der Luft oder von vis-à-vis mit einem Teleobjektiv. Da von unten fotografiert, sehen die oberen Seillängen perspektivisch stark verkürzt aus. Ebenso fehlt auf dem Foto die erste Hälfte der Startlänge. Trotzdem, einen Eindruck von Charakter und Routenverlauf erhält man natürlich auch so.

L1, 30m, 6c, 7a oder 7a+: Für die erste Seillänge bestehen 3 sinnvolle Optionen. Die einfachste ist durch das Bewegungsrätsel (6c) gegeben, eine sehr interessante, technische Seillänge, auf welcher man sich wirklich gut bewegen und den Füssen vertrauen muss, die aber physisch keine sehr hohen Anforderungen stellt. Ähnlich im Charakter, aber mit einer zusätzlich sloprig-herausfordernden Schlusssequenz ist meine Jailbreak (7a) rechts davon. Wir wählten an diesem Tag die deutlich schwierigste Option für L1, nämlich Argus (7a+). Hier geht's schon gleich nach Beginn kräftig über ein Dach, gefolgt von technisch delikater Wandkletterei mit heiklem Ausstieg auf eine sich zurücklegende Zone. Auch der ganze Rest der Seillänge bietet fusstechnisch anspruchsvolle Kletterei, die hier und da etwas an Überwindung fordert, aber einfach genial ist. Vom letzten Zwischenhaken traversiert man dann 2-3m nach rechts zum Umlenker vom Bewegungsrätsel, der ideal für die Fortsetzung platziert ist und den bequemsten Standplatz hergibt.

L2, 30m, 7b: Erneut eine geniale Seillänge mit viel Abwechslung, genialen Moves und hohem Unterhaltungswert. Nach wenigen Auftaktmetern geht's hinein in eine steile Stufe, wo gleich Power und Entschlossenheit an Slopern und Seitgriffen gefragt ist, inklusive einem wackligen Mantle daraus hinaus. Nach dieser Stelle kann ein Camalot 2 ideal platziert werden, zum nächsten BH sind es nochmals 2-3m. Nun folgt vorerst gut gangbare, aber stets fordernde Kletterei im 6c-Bereich, bevor es gegen das Ende hin nochmals deutlich anzieht. Im weissen Streifen heisst es, sich eine gute Sequenz zu überlegen und über die Kraftreserven zu verfügen, um sie erfolgreich auf den Fels zu übertragen. Zum Ende gilt es dann auch noch, ein kühles Gemüt zu bewahren - es kommen dann schon "gute Griffe", aber auch ein kleiner Runout zum Stand und wer vom Pump eingeholt wird, könnte auch da noch abfliegen.

Daniel unterwegs in L2 (7b), auf dem Weg zum erfolgreichen roten Punkt.

L3, 15m, 7c: Eine technische Seillänge von erster Güteklasse, welche die steile Zone geschickt auf einer schwach ausgeprägten Rampe überwindet. Der Fels weist gerade genügend scharfe, kleine Strukturen auf, so dass es zusammen mit der guten Reibung kletterbar ist. Ohne Vertrauen in die Füsse, sorgfältig ausgesuchte Bewegungen und einer Portion Fingerstrom geht es hier definitiv nicht. Ob hier der Rotpunkt im ersten, scharfen Vorstiegs-Angriff tatsächlich gelingen würde war unsicher. Aber wie gewohnt war Daniel auf der Höhe der Sache und stieg souverän durch.

L4, 20m, 6c: Diese Seillänge fällt qualitativ gegenüber dem Rest klar ab. Und wenn man vom Stand hinaufsperbert, könnte man die Schwierigkeiten auch eher im 6a-Bereich vermuten. Doch nach ein paar Auftaktmetern folgt eine knifflige Stufe, die doch mehr verlangt, als es auf den ersten Blick scheint. Sie ist höher als gedacht und was von Weitem nach Henkel aussieht, entpuppt sich als sloprige Kante. Nun gut, das wird einen Anwärter vielleicht zum Nachdenken, aber nicht mehr zum Scheitern bringen. Bald danach wird's einfach und geht hinauf zum Ausstiegsbaum - um den schönen Platz am Top mit einem prima Blick auf den Spina-Kessel, Tschuggen und Gonzen zu erreichen, lohnt sich diese Sequenz unbedingt.

Ein sehr schöner und bequemer Rastplatz wartet am Ende der Route.

Wie erhofft war Daniel eine komplett sturzfreie RP-Begehung geglückt. Eingerichtet und ausgecheckt hatte er die Route mit dem Grigri am fixierten Seil. Doch den Plan dann auch gleich im ersten Vorstiegsversuch umsetzen zu können ist dann eben doch nicht so einfach. Meinereiner hatte ich immerhin alle Moves in freier Kletterei entschlüsseln können. Und noch viel wichtiger: einen tollen Tag beim Klettern verbracht und dabei die Inspiration gefunden, links nebenan eine weitere, etwas einfachere MSL-Route einzurichten. Daniel willigte in dieses Vorhaben ein und so entstand die 4-SL-Sequenz von Jailbreak, Getaway, Hideout und Sanctuary, über welche demnächst in einem separaten Beitrag berichtet wird. Der Abstieg vom Querdenker erfolgt entweder über die Route abseilend (3 Manöver mit einem 80m-Einfachseil, das für diesen Klettergarten nötig ist) oder alternativ und deutlich schneller zu Fuss über den Sporn und die Fixseilpiste zurück zum Einstieg.

Blick aufs Pflästertobel und die Rückseite vom Gonzen - eine spannende Landschaft, wo es noch vieles zu entdecken gibt.

Facts

Balmenchöpf / Wintergarten - Querdenker 7c (7a+ obl.) - 4 SL, 100m - Daniel Benz 2022 - ***;xxxx
Material: 2x40m oder 1x80m-Seil, 12 Express, evtl. Camalot 2

Kurze MSL-Tour für die Wintersaison, die auf den 100m Kletterstrecke trotzdem das volle Programm bietet. Die Kletterei über die ersten 3 SL bietet ideales Training für grössere Unternehmungen, sehr gute Felsqualität und fragt von Fingerkraft über Fusstechnik bis zur Bewegungsvielfalt alles ab. Dass ich nur 3 Sterne vergebe, hat rein mit der Kürze der Route zu tun, wäre die Route 3-4x so lang und stünde im Rätikon, so erhielte sie sicher 4-5 davon. Die Route ist prima mit Inox-BH abgesichert, nach den Massstäben von Daniel sogar sportklettermässig. Das kann ich absolut bestätigen, mit dem Zollstock gemessen sind die Abstände nie weit. Trotzdem kommt aber aufgrund der fusstechnischen Natur auch dem mentalen Aspekt eine entscheidende Komponente zu, an manchen Stellen heisst es eben, sich filigran an den Fels zu schmiegen und nicht einfach der Kraftausdauer vertrauend positive Leisten ohne Ende zuzuballern. Ein Topo und weitere Infos zum Gebiet findet man im SAC-Kletterführer St. Galler Oberland von Thomas Wälti.

Mittwoch, 20. September 2023

Gonzen / Annagrethli - Gretchenfrage (6b+, 2 SL, Erstbegehung)

Das Annagrethli ist ein schlanker, rund 80m hoher Felsturm, welcher der gewaltigen Gonzenwand südlich vorgelagert ist. Verschiedene kurze MSL-Routen führen auf seinen isolierten Gipfel. Dieser steht in einer spannenden Gegend, wo es für Entdecker und Alpinwanderer allerlei zu besichtigen gibt. So ist der Turm insbesondere bei Einheimischen beliebt und wird, vor allem über den Normalweg (4b) regelmässig bestiegen. Doch auch Sportkletterer können inzwischen einen ausgefüllten Tag am Spitzli verbringen. Sei es mit einem Enchainement der Route KletterBar(6b) am Ghudlet Gonzen, oder durch die Kombination der hier präsentierten Neutour mit den anderen 3-SL-Touren am Annagrethli, die da wären: Chumbawamba (6c+), Dreikant (7a+) und Männer Mut Herz Blut (7b+)

Daniel in Aktion, d.h. am Einrichten von L1 (6b+), welche direkt am SE-Pfeiler verläuft.

Erschliessung

Nein, als "von langer Hand" geplant kann ich diese Neutour aus meiner Perspektive nicht bezeichnen. Die Vorgeschichte beginnt mit einem ungeplanten Wettkampferfolg und seiner spontanen Feier, was mir schliesslich sehr kurzfristig einen freien, aber auch vorerst kletterpartnerlosen Sonntag bescherte. Wahrscheinlich kennt ihr es ja alle bestens, die Reaktion darauf besteht üblicherweise darin, einmal Messages in alle Richtungen abzusenden. Eine Antwort kam von Daniel, er sei auf dem Sprung an den Gonzen, um dort am Annagrethli auf einer Solo-Mission etwas einzurichten. Ich solle mich doch anschliessen, falls es mich interessiere. Das tat es - weil aber Daniel gleich am Fuss des Berges wohnhaft ist, wies ich doch einen beträchtlichen Rückstand auf. Dass er mit schon gepacktem Sack startbereit auf mich wartete, schien aber die falsche Strategie. So vereinbarten wir, dass er bereits aufbräche und ich ihm so rasch wie möglich folgen würde.

Im Zustieg mit Blick auf die Südgratplatte am Gonzen, wo es auch reizvolle Kletterrouten gibt.

Das beschert mir nun meine allererste Neutour ohne Schlepping, d.h. wo ich vollständig auf einen Sherpa zählen konnte. In meinem Rucksack befanden sich nur gerade Gurt, Kletterfinken und Chalkbag. Noch dazu nutzte ich das Bike als Joker, mit welchem man (genügend Energie oder Batterie vorausgesetzt) fast bis zur Gonzenwand hinauf fahren kann. Die Höhenmeter purzelten im Nu und bald konnte ich die mir bis dato unbekannten Follaplatten beschreiten. Deutlichen Wegspuren sei Dank ist das keine Hexerei, wenig später hatte ich mit einer Traverse unter dem Breiten Turm hindurch das Annagrethli erreicht, wo Daniel eben den ersten Bohrhaken platziert hatte. Sozusagen ziemlich genau rechtzeitig war ich also da, um ihn ans Seil zu nehmen und beim Einrichten der ersten Seillänge zu sichern. Nach der Expressanreise eine willkommene Gelegenheit, um etwas durchzuschnaufen.

Daniel unterwegs in L1 (6b+).

Schliesslich war es Zeit für den Nachstieg, bei welchem ich die Seillänge gleich befreien konnte. Daniel war so grosszügig, den zweiten Abschnitt der Route mir zu überlassen. Eine steile Zone zu Beginn markierte die Crux, dann ging es über schöne Platten zum Gipfel. Zufrieden über die geglückte Neutour standen wir am Top. Daniel wurde von der Familie nach Hause gerufen, was am Annagrethli nicht nur im übertragenen Sinn oder via Smartphone, sondern auch fast in direkter Kommunikation möglich ist. Um mich für seine Schlepperei zu revanchieren, übernahm ich den zweiten Teil der "Drecksarbeit". Um eine genussvollere Kletterei zu ermöglichen, wollte die Route an einigen Stellen noch gesäubert werden. Am hängenden Seil wurde dies erledigt, am Ende konnte ich unser Werk am fixierten Seil dann nochmals bis zum Gipfel durchsteigen. Das vorerst letzte Kapitel dieser Neutour schrieb dann Daniel kurze Zeit später mit einer RP-Begehung im Vorstieg.

Auf dem Gipfel (wo eine Schweizer- oder sonstige Flagge nach Wahl gehisst werden kann).

Zustieg

Für Details und Visualisierungen siehe SAC-Kletterführer St. Galler Oberland von Thomas Wälti. Von Sargans nach Prod und in den Wald hinein bis P.731 (PW-Parkplatz). Nun zu Fuss oder per Bike auf Forstwegen hinauf zum Cholplatz (P.1155). Von dort einem Weg nach links (Westen) folgen, der schliesslich zu einem Pfad wird und zur Gonzenwand hinaufführt. Etwa 30m bevor man die Wand erreicht, zweigen Pfadspuren nach links in die Follaplatten ab. Über diese (Wegspuren, teils blaue Markierungen, zwei Fixseile) hinauf bis unter die Südgratplatte. Hier links um die Ecke und am rechten Rand des Grastrichters hinauf unter den Breiten Turm. Unterhalb von diesem nach links hinüber queren zum Annagrethli. Der Einstieg befindet sich in der SE-Wand bei einem kleinen Pass hinter einem markanten, vorgelagerten Block. Der erste BH (rostfrei, mit Irniger-Lasche) auf der Einstiegsplatte ist gut sichtbar. Koordinaten CH LV95 2'751'390/1'214'515, WGS84 47.06435/9.43173, Höhe 1390m. Zeitbedarf ab Parkplatz ca. 60-75 Minuten, mit dem Bike bis zu 30 Minuten schneller.

Im Zustieg, hier geht's über die Follaplatten hinauf - alles gut und ohne Schwierigkeiten begehbar.

Routenbeschreibung

Gonzen/Annagrethli - Gretchenfrage 6b+ (6a+ obl.) - 2 SL, 80m - D.Benz, M.Dettling 2023
Material: 1x50m oder besser 1x60m-Seil, 10-12 Express, 3-4 Schlingen, Cams 0.3-2

L1, 40m, 6b+: Die unscheinbare Einstiegsplatte wartet gleich mit einem kniffligen Bewegungsboulder auf, der gonzentypisch auch gute Fussarbeit erfodert. Dann geht's einfacher zum Pfeiler heran, wo zuerst steil an guten Leisten nach rechts hinauf geklettert wird. Hat man die Kante erreicht, gilt es sich gut positionierend an sloprigen Seitgriffen fortzubewegen. Später lassen die Schwierigkeiten graduell nach, nach links hinaus querend erreicht man schliesslich den Stand.

L2, 40m, 6b+: Los geht's mit einer rissigen Einstiegsstufe, bevor die Musik direkt am Pfeiler spielt. Eine kräftige und luftig exponierte Passage wartet da! Steht man einmal oben, so liegt die Fortsetzung erst in einer Verschneidung, welche man nach rechts in eine schöne Plattenzone verlässt. Der Fels weist da famose Schlitze und Löcher auf, wo man die Absicherung mit Cams ergänzen kann. Es folgt ein griffarmer Ausstieg auf ein "Bödeli", bevor ein letzter Aufschwung erklommen wird und man schliesslich in direkter Linie zum SW-seitig Standplatz am Gipfel klettert.

Marcel am Einrichten von L2 (6b+), gerade am Ausstieg aus der steilen Crux zu Beginn.

Abseilen

Am bequemsten seilt man vom Gipfelstand SW-seitig über Chumbawamba ab. Zuerst knappe 30m hinunter über die steile Wand (wo man sich vom guten Fels und der tollen Linie der Männer Mut Herz Blut überzeugen kann) zu Kettenstand in der Verschneidung. Dann weitere, volle 30m zurück auf den Boden. Achtung, ein 60m-Seil ist dafür absolut zwingend, Vorsicht aufs Seilende bei der zweiten Strecke! Wer nur ein 50m-Seil dabei hat, kann/muss etwas umständlicher in 3x über den Normalweg abseilen (22/17/25m), wofür man zuerst an E-seitig gelegenen Schlussstand dieser Route wechseln muss. Retour ins Tal gelangt man dann gleich wie auf dem Zustieg.

Daniel macht sich auf den Heimweg - seine Residenz auf dem Foto sichtbar 😀

Material, Absicherung, Topo

Die Route ist mit rostfreien BH gut abgesichert. Hier und da, v.a. in L2, lässt es sich gut mit Cams ergänzen, die Schlüsselstellen sind jedoch mit BH ausgerüstet. Der obligatorische Schwierigkeitsgrad ist für uns nicht so einfach einzuschätzen, dürfte sich aber im Bereich 6a/6a+ bewegen. Als Topo gibt es an dieser Stelle mein ins Gipfelbuch gezeichnete Werk. Infos zu den anderen Routen am Annagrethli bzw. am Gonzen findet man im SAC-Kletterführer St. Galler Oberland von Thomas Wälti. Zuletzt bleibt nur noch die Gretchenfrage, warum die Route so heisst - naja, dieser drängt sich am Annagrethli ja fast auf und da es sich bei unserer Linie an der SE-Kante um die mutmasslich letzte lohnende Neutour am Spitzli handelt, lag er auf der Hand. Ebenso, wie dass sich um die Erschliessungstätigkeit ganz allgemein zahlreiche Gretchenfragen diskutieren lassen...

Unser Topo zur Gretchenfrage, direkt ins Gipfelbuch gezeichnet.


Donnerstag, 13. Juli 2023

SAC-Kletterführer Sankt Galler Oberland

Ja, dieses massive Schriftstück aus der Feder von Thomas Wälti mit seinen 437 Seiten war schon lange sehnlich erwartet worden. Da gibt es viele Gründe davon: einerseits war das Vorgängerwerk, der Churfirstenführer von 1995 zwar beispielhaft in Sachen Genauigkeit und Präzision der Topos. Andererseits war er nach 28 Jahren jedoch auch hoffnungslos veraltet, weil sich in diesem Gebiet in Sachen Sanierungen und Neutouren doch manches getan hatte. Andererseits gab es zu superbeliebten Crags wie der Galerie nun auch schon seit 10 Jahren keine aktualisierte, gedruckte Führerliteratur mehr. Und dann gab es natürlich noch viele Insider-Gebiete, die bisher noch gar nicht publiziert waren.

Meinereiner konnte ich auch ein wenig zu diesem Führer beitragen. Sei es mit MSL-Neutouren wie der Solitaire und am Ragnatscherbach, oder den Erschliessungen in diversen Klettergärten wie der Galerie, Magletsch und den Gebieten um Heiligkreuz. Weiter aber auch in der Form von Fotos und allerlei im Lauf der Jahre gesammelter Informationen und Eindrücke - ein nicht unwesentlicher Teil davon ist natürlich auch schon auf diesem Blog zu lesen, aber manch zusätzlicher Tipp hat auch noch Eingang in das Druckwerk gefunden. Eines der grössten Assets aus meiner Perspektive ist das komplett neue Gebiet Wintergarten ob Heiligkreuz. Natürlich gebührt da Daniel die grosse Ehre, ein paar Routen (Single und Multipitch) konnte ich dort aber auch beitragen und vor allem ist nun die Zeit gekommen, um die schon lange getippten Blogs der Öffentlichkeit preiszugeben. Sie kommen dann - im Moment ist ja Sommer und nicht Winter, somit herrscht dort eh nicht Saison.

Bit of a random pic... wobei vom Voralpsee ist mit der Halben Portion auch eine Neutour von mir drin.

Kurzum, für Kletterer aus der Ostschweiz und all jene die dort aktiv sein wollen, ist dieser Führer sicher unverzichtbar. Wie man es sich von Thomas gewohnt ist, hat er alle Gebiete sauber recherchiert und beschrieben. Für den SAC-Preis von 59 CHF kriegt man wirklich eine geballte Ladung von Information sowie die von ihm gewohnten, superpräzisen Topos. Natürlich hat er auch an vielen Orten selbst zur Bohrmaschine gegriffen und eine grosse Anzahl von Neutouren beigesteuert. Die absoluten Neuigkeiten im Führer sind wirklich sehr zahlreich: erstmals publiziert sind die Gebiete Windegg, L'Isola, Schlumschopf, Wintergarten, Twirriwand, Stierenwändli, Walabütz, Mapragg, Chüegang, Vättnerberg und Magletsch. Somit ist nun wirklich fast alles beschrieben - aber doch nicht ganz. Wie Thomas an der Vernissage eindrücklich geschildert hat, musste auf die Publikation einiger Gebiete doch verzichtet werden. Nur selten ist die Geheimniskrämerei der Erschliesser der Hauptgrund. Meist sind es die Behörden oder sonstige Akteure, welche das Klettern zwar (noch?) nicht explizit untersagen können, aber doch klar möglichst wenig Betrieb wollen. Bedenken wir doch dies beim Besuch der neuen Gebiete: wir Kletterer sind oftmals maximal geduldet, vielerorts sogar explizit unerwünscht. Verhalten wir uns also so diskret und unauffällig wie möglich! 

Mittwoch, 15. Juni 2022

Churfirsten / Silberi - Via Anita (6b)

Die Kinder sind ausgeflogen und das Wetter ist prima, so bietet sich für Kathrin und mich die Gelegenheit zum Klettern. Weil sehr hohe Temperaturen angesagt sind und mein Akku nach dem strengen Tag an den Wendenstöcken und einer kurzen Nacht (Blog folgt...) noch nicht wieder voll geladen ist, scheint eine MSL-Route in alpiner Umgebung die richtige Wahl. Da wir aber um das Kinderprogramm planen müssen, liegt weder eine allzu lange noch eine zu weit entfernte Tour drin und wie entschliessen uns, wieder einmal den Churfirsten ab Schrina-Hochrugg einen Besuch abzustatten. Mit der Via Anita (5 SL, 6b) klettern wir schliesslich eine Tour, die man auf dem Papier als sehr gemütliches Programm einstufen könnte. Nun denn, ganz so anspruchslos war es nicht.

Sicht vom Silberi-Gipfel auf Walensee, westliche Churfirsten und Richtung Glarnerland.

Meine beiden Besuche in diesem Gebiet (Linker Silberi, 1994 und Wildenmannli am Selun, 1999) liegen weit in der Vergangenheit zurück. Genau wie damals starteten wir um ca. 10.30 Uhr in der Nähe von P.1388 auf der Alp Schwaldis. Der Zustieg hinauf an die Churfirstenwände umfasst fast 700 Höhenmeter und führt zwar zuerst über einen Wanderweg, wird zuletzt aber gääch und führt über Steilschrofen an die Einstiege. Mit noch etwas müden Beinen, suboptimal Carbo-geloaded und der schon heftig einheizenden Sonne fühlte es sich streng an. Auf rund 1700m steigt man dann in Direttissima gegen den Silberi hinauf. Von meinen früheren Erfahrungen habe ich hier eine gute Wegspur in Erinnerung. Wir fanden diese zwar auf, sie ist aber deutlich weniger ausgetreten wie damals (?), stellenweise verliert sie sich sogar im Kraut. Als wir um 11.30 Uhr unter den Wänden standen, trafen wir den finalen Entscheid zur Routenwahl. Die Tabaluga (6 SL, 6c) am Selun schien unser Zeitbudget zu sprengen, erfordert der Zustieg über weglos-steile Schrofenhänge und die mutmasslich fordernde, nach den strengen Massstäben des Erschliessers Thomas Wälti bewertete Kletterei sicher einiges an Zeit. Darum also hinauf zum Silberi, wo es auch schöne und mir noch unbekannte Routen gibt. Das letzte Teilstück hinauf zum Wandfuss ist steil und ausgesetzt. Ob T5 oder sogar T6 sollten die Spezialisten entscheiden. Ein Ausrutscher wäre auf jeden Fall fatal, eine Erinnerungsplakette an einen tödlichen Unfall im 2005 weist eindringlich darauf hin. Um ca. 12.15 Uhr starteten wir beim markanten Sattel (Stand mit 2 BH vorhanden) mit der Kletterei.

Die Südwand am Silberi mit dem letzten Teil des Zustiegs und dem Verlauf der Via Anita. Hinweis: durch die Ansicht von unten sehen die vertikalen Anteile stark verkürzt aus und es sieht nach übertrieben viel Querung aus.

L1, 45m, 6b: Ein Schrofenvorbau führt ca. 15m auf ein Band hinauf, wo sich nochmals ein Stand befindet. Um späterem Seilzug vorzubeugen ist es keine schlechte Idee, hier nochmals Station zu beziehen. Mit entsprechend verlängerten Exen geht's auch ohne (=unsere Variante). Über eine erste Wand schleicht man sich zu einem Wulst hinauf, welchem man 'um die Ecke' ausweicht. Es wartet ein knifflige Bouldercrux, die man früher mit UIAA 7- (d.h. 6a+) bewertet hat. Auf dem neueren (Sanierungs)topo steht 6b, wobei das '+' wieder ausradiert wurde... Nach heutigem Plaisir-Massstab ist das vermutlich alles zu tief!?! Wobei ich jetzt im Nachhinein Berichten im Netz entnehme, dass meine Variante direkt über den Haken offenbar nicht die leichteste Beta war. Nachher folgt formidable Wandkletterei in prima Fels mit Seitgriffschwarten und einigen griffigen Schüppli. Dieser Abschnitt ist anhaltend anspruchsvoll, wir hätten jetzt sogar dieser Passage eine 6b nach moderner Plaisir-Einstufung gegeben. 

Tolle, steilplattige Kletterei an Seitgriffschwarten und Schüppli im oberen Teil von L1 (6b).

L2, 25m, 6a+: Ein echt cooler Auftakt in prima Fels mit griffigen Briefkastenschlitzen führt zu einer steilplattigen Stelle, wo meine Lösung die im Sanierungstopo angekündigte 6a+ auch eher gesprengt hat (allerdings hat mir Kathrin nachher von einer besseren Beta mit kleinem Umweg berichtet und die Berichte im Web bestätigen diese, im Original war diese Länge sogar nur mit 5c eingestuft!). Man erreicht schliesslich ein veritables Dach, das man an seinem rechten Ausläufer mit athletischen Moves an Henkeln überquert. Nachher legt sich das Gelände zurück, wird weniger schön. Die Route führt entgegen der Darstellung in den Topos hier deutlich querend nach links zu Stand unter einem nächsten Wulst. 

Tolle Sicht ins Seeztal und weiter ins Heidiland am Ausstieg von L2 (6a+).

L3, 45m, 6a+: Gleich am Wulst befindet sich die Einzelstelle mit der Crux. Da muss man sich schon kurz festhalten und einen entschlossenen Move machen - wenn man deutlich besser klettert, dann ist 6a+ schon ok (aber ob 6a-Kletterer den so hinkriegen würden?!?). Nachher wird das Gelände deutlich einfacher. Leicht nach links tendierend folgt man dem schönsten Fels mit der besten Kletterei. Es kommen BH, aber diese stecken nicht üppig. Man steigt schliesslich auf ein Band aus und kreuzt den Verlauf von Linker Silberi, der gut sichtbare Stand der Via Anita befindet sich aber noch 10m weiter oben und wird über eine Stufe im 3./4. Grad erreicht (Vorsicht, Seilzug und Gefahr von einem Sturz auf's Band, evtl. Zwischenstand auf dem Band sinnvoll).

Ausstieg auf's gschüdrige Band kurz vor Ende von L3 (6a+), unten die Hütten von Schrina-Hochrugg.

L4, 40m, 6a: Eine sehr schöne Turnerei an gutem, griffigem Fels bietet den Auftakt in diese Länge. Wandartig geht's in die Verschneidung hinein, die man aber bald nach rechts verlässt. Dort am Pfeiler nochmals prima Kletterei, bis man einen breiten Horizontalriss vor der nächsten Wandstufe erreicht. Hier in etwas brüchigem, einfachem Gelände nach rechts. Man kreuzt nochmals Linker Silberi, d.h. klettert an dessen Stand mit 2 Mammut-Longlife-BH vorbei um ca. 5m rechts den Stand der Via Anita zu finden.

Querung am Ende von L4 (6a) mit Wow-Ausblick Richtung Glarnerland.

L5, 35m, 6a+: Zuerst geht's steil an einem Offwidth-Riss in die Höhe. Keine Bange, man muss hier keine rustikalen Techniken einsetzen, es hat mehr den Charakter von athletischer Wandkletterei. Bald einmal präsentiert sich das Gelände etwas weniger steil und üppig griffig. In tollem Fels kommt man an Schwarten voran, bis sich im oberen Teil direkt geklettert nochmals eine richtig knifflige, plattige Stelle in den Weg stellt (sicher umso mehr, wenn man über eine beschränkte Reichweite verfügt, evtl. ist auch hier eine grossräumige Umgehung zu Gunsten tieferer Schwierigkeit möglich). Dann hinauf zum Stand, der sich ca. 10m unter dem Gipfelgrat befindet.

Lässige Kletterei in L5 (6a+), die Felsqualität lässt erst ganz am Ende nach.

Um den Grat, den Gipfel und die Abseilstelle zu erreichen, ist eine weitere kurze Seillänge mit Totmannsicherung hinter dem Grat nötig. Um ca. 15.20 Uhr und somit rund 3:00h Kletterei sind wir oben und gehen zum Steinmann. Das Gipfelbuch in der Gamelle berichtet nicht von vielen Kletterern, welche die Routen am Silberi begehen. Mir scheint, als ob diese Wände etwas in Vergessenheit geraten sind. Vielleicht wenig erstaunlich, stammt die letzte Führerausgabe doch aus dem Jahr 1995 und ist längst vergriffen, in den Plaisirführern waren diese Touren nie vermerkt (und sie gehören aufgrund des alpin-heiklen Zustiegs da auch nicht hin). Bemerkenswert sind die Ausblicke in die steile Südwand am Frümsel mit unserer Pro Specie Rara (4 SL, 7a+), welche bis dato nach meinem Wissen noch keine Wiederholung erhalten hat. 

In dieser steilen Wand verläuft unsere Pro Specie Rara (4 SL, 7a+). Auf dem Foto wirkt der Fels etwas vornüber gekippt. Dies entspricht aber absolut der Realität und ist nicht aufgrund von schräg gehaltenem Fotoapparat entstanden - die Kletterei in dieser Route ist steil, athletisch und eindrücklich!

Um wieder nach Hause zu kommen, nutzt man am besten die Abseilpiste, welche beim Ausstieg von Linker Silberi und damit ca. 15m westlich des Ausstiegs der Via Anita beginnt. Einen Steinmann gibt's da inzwischen keinen mehr, man kann aber schon beim Klettern hinüberspähen wo dieser Ausstieg ist und die Kette ist vom Grat relativ einfach einzusehen und aufzufinden. Über drei 50m-Strecken gleitet man zurück zum Einstieg, dabei einen routenunabhängigen Stand sowie einen von Rechter Silber nutzen. Diese zu finden ist wenig problematisch, wenn man jeweils in der Falllinie bis kurz vor das Seilende abfährt. Zurück am Einstieg ist die Sache noch nicht gegessen, der Abstieg über die obersten, ausgesetzten Schrofenhänge erfordert nochmals volle Konzentration und erlaubt keine Fehler. Hat man die ersten 100hm einmal geschafft, so wird es weniger heikel. Das steile, krautige Gelände mit nur schwacher Spur erfordert aber immer noch Aufmerksamkeit. Um ca. 17.20 Uhr und damit rund 2:00h nach Erreichen des Gipfels sind wir zurück an der Strasse. Das Auto rekuperiert auf der Talfahrt schön, die gewonnene Energie reicht nachher bis weit in die Linthebene. Bei uns hingegen dauert nicht nur die körperliche Erholung nach dem kletterintensiven Weekend länger, die gewonnen Eindrücke aus diesem tollen Tag werden noch viel länger andauern.

Kein Top-Foto, gibt aber vielleicht einen Eindruck, wie steil und exponiert die Schrofenhänge im Zu- und Abstieg sind. Das Bild wurde gleich beim Aufbruch am Sattel mit dem Einstieg aufgenommen. So deutliche Wegspuren wie hier sichtbar gibt's nur auf den ersten Metern, nachher hat's kaum noch welche oder nur sehr unmerkliche.

Facts

Frümsel / Silberi - Via Anita 6b (6a obl.) - 5 SL, 190m - Marcel Schmed et al. 1988/2010 - ***;xxx
Material: 2x50m-Seile, 12 Express, evtl. Cams 0.3-0.75

Schöne Kletterei durch die zentrale Südwand am Silberi. Der Fels ist meist prima, rau und mit Top-Reibung. Einige mässig solide Blöcke und Schuppen sowie etwas loses Gestein auf Bändern erfordern jedoch alpine Erfahrung. Dies gilt ebenso für den steilen Zustieg. Die im Original wohl ziemlich kühne Route wurde 1993 ein erstes Mal mit Mammut-Longlife-BH saniert. Im 2010 fügten die Erschliesser in den unteren Längen weitere Bolts hinzu und richteten einen neuen Ausstieg zum Gipfel mit 2 Seillängen ein. Die Absicherung ist an den Schlüsselstellen sehr gut (xxxx), an den einfacheren Stellen muss man durchaus auch mal über die Haken steigen (xxx). Hier und da könnte man kleine Cams platzieren, wer nicht deutlich über dem verlangten Niveau steht, dürfte ein Set von 0.2-0.75 durchaus als nützlich empfinden, auch wenn es sicher ohne geht. Ob sich die Route im Angesicht ihrer limitierten Länge und des eher weiten und etwas heiklen Zustiegs lohnt, muss jeder für sich selber entscheiden. Sicherlich findet man anderswo gleich viel oder mehr Routenlänge und ebenbürtigen Fels mit kürzerem Zustieg. Andererseits waren wir komplett alleine in diesem Gebiet, haben ein kleines Abenteuer genossen, einen selten besuchten Gipfel erreicht und der Tiefblick auf den Walensee überzeugt sowieso - chacun à son gout, also!

Topo vom Erschliesser Marcel Schmed - vielen herzlichen Dank!

Freitag, 19. November 2021

Chäserrugg - Kalte Sophie (7a) & DaCora (6c+)

Am Chäserrugg, dieser eindrücklichen Wand über dem Walensee, da war ich auch schon lange nicht mehr auf Besuch. Und das scheinbar nicht als Einziger, denn aufgrund der wenigen Spuren, die wir auf dem Zustieg und in der Wand angetroffen haben, können die Routen dort nicht viel besucht sein. Nun denn, so attraktiv der Chäserrugg optisch ist, er bringt eben auch einige Nachteile mit sich: einerseits einen langen, alpinen Zustieg 'von unten' oder dann mit der teuren Bahn hoch und im wenig beliebten Verdon-Prinzip klettern!? Darüber hinaus sind die Routen in der Mitte vom Raupfad, einem steilen Grasband unterbrochen und die letzte Publikation datiert aus dem längst vergriffenen Churfirstenführer von 1995, kein Wunder pilgern da die Heerscharen nicht hin. Trotzdem, für Jonas und mich war es an diesem Tag unter den gegebenen Randbedingungen klar die beste Option in einer langen Liste.

Die Südwände am Chäserrugg sind ein grosses Massiv von Wänden, Pfeilern und Türmen!

Von Süden wollten wir zusteigen, bogen also zwischen Walenstadt und Tscherlach in die Strasse zum Lüsis ein. Dort mussten wir uns vergegenwärtigen, dass die Strasse wegen Holzerarbeiten gesperrt war. Hmm, doch noch woanders hinkurven oder einfach per Pedes los?!? Wir entschieden uns für letzteres und machten uns um 7.45 Uhr auf die Socken. Vor lauter Aufregung passierte uns ein entscheidender Fehler, wir nahmen die Zustiegsinfos weder physisch noch fotografisch auf die Speicherkarte gebannt mit. Es war zwar ein Versehen, aber vorerst schien mir das auch gar nicht unbedingt nötig, war ich ja schliesslich schon einmal durch die Wand geklettert... die Route 'Himmelsleiter' war's, vor 25 Jahren und nachdem wir von oben abseilend den Einstieg erreicht hatten. Somit war der Zustieg von unten weder mir noch meinem Tourenpartner bekannt. Der erste und gravierendste Fehler unterlief uns schon kurz nach dem Lüsis: statt durch das Affenwäldli und nachher die zum Tristencholben führende Rinne zu steigen, gingen wir erst Richtung Büls und irgendwann in Direttissima gerade hinauf Richtung Einstieg. Deutliche Wegspuren liessen uns vorerst sogar auf der richtigen Fährte vermuten, doch bei einem Hochsitz am Ausgang des Waldes 100hm weiter oben hörten sie auf. 

Zustiegsterrain - steilgrasige Schrofen, weglos und oft nur mässig gestuft.

Wohl oder übel mussten wir in den sauren Apfel beissen und uns weglos die steilen Chämme hochmühen. Das ungestufte, mit allerhand Kraut und langem Gras bewachsene Gelände war zwar nicht sonderlich schwierig, aber einfach mühsam und anstrengend zu begehen. Irgendwann hatten wir es geschafft und trafen am ersten Felsriegel unter der Wand auf eine Spur, die wir als den Zustiegspfad identifizierten, in Tat und Wahrheit aber einfach ein Wildwechsel war. Wir folgten ihr nach links und hinauf, sie verlor sich. Also ging's wieder weglos über immer steilere Schrofen dahin, bis uns schliesslich noch ein Felsriegel vom Einstiegsband trennte. Wir spähten hier und spähten dort, gängig war es nirgends - so kramten wir das Seil aus dem Rucksack, mit den glücklicherweise mitgeführten Cams war für die nötige Sicherheit zu sorgen. Mit einer Seillänge im Bereich 5b erreichten wir schliesslich den Einstiegshaken vom Luftibus - ich habe jetzt darauf verzichtet, sie auf meiner Erstbegehungsliste einzutragen, auch wenn's wohl eine war. Mit einer Rechtsquerung waren wir schlussendlich da, wo wir schon lange hin wollten, nämlich am Einstieg des Scherrer-Wachter-Pfeilers bzw. der Kalten Sophie. In der Gegend von 10.00 Uhr und damit nach 2:15-2:30h Aufstieg, 1200hm und einer nullten Seillängen in den Beinen konnten wir durchaus etwas angebrutzelt Rast halten, bevor es endlich richtig losging.

Kalte Sophie (5 SL, 7a)

Die Kalte Sophie ist eine Route von Daniel Benz aus dem Jahr 2003, welche er ursprünglich nur als 1-SL-Variante zum Scherrer-Wachter-Pfeiler vorgesehen hatte. Schlussendlich wurden es dann aber doch mehr eigenständige Seillängen als erst gedacht, nur auf den ersten 1.5 Seillängen verlaufen die Routen gemeinsam. Und auch da könnte man für die Sophie noch eine eigenständige Linie finden, vielleicht wird die ja über kurz oder lang noch eingerichtet.

L1, 40m, klassisch VI oder 6a+: Anfangs geht's noch gut dahin, doch nach 10-15m wird's steiler, der Fels recht kompakt und man muss sich den richtigen Weg zwischen den doch eher spärlich steckenden Bolts bahnen - gerade für eine klassische Linie doch eine richtig kühne Sache! Kein Wunder, hat man das früher mit VI bewertet. Übersetzt man diesen Grad nach Tabelle, ergäbe es eine 5c+, aber das ist es nach heutiger Plaisir-Cotation definitiv nicht. Aber echt cool! Das Gestein zwar nicht Premier Cru, aber überraschend gut.

Jonas folgt in L1 (5c+) der Kalten Sophie, bzw. des Scherrer-Wachter-Pfeilers.

L2, 35m, 7a/+: Auch hier gilt: selbst auf der klassischen Linie muss schon richtig geklettert werden! Nochmals einen Tick schwieriger wie unten, jedoch auch deutlich üppiger gebohrt. An der Stelle, wo man auf dem alten Parcours die Schwierigkeiten überwunden hat und nach links in etwas schrofiges Gelände klettern würde, führt die Kalte Sophie nun eben gerade hinauf. Eng gesichert einem griffigen Riss entlang geht das erst noch ganz gut. Aber die Crux kommt, an einer Untergriffschuppe heisst es, mit den Füssen an glattem Fels auf Nasenspitzenhöhe anzutreten und aus dieser anstrengenden Position einen rettenden Griff um die Ecke zu erhaschen. Wieder deutlich einfacher, aber zwingend und etwas kühn geht's hinauf zum Stand. Wir empfanden diese Länge deutlich härter als die Cruxlänge von DaCora. Falls die dortige 6c+ passt, so würde ich hier 7a+ vorschlagen.

Sehr schöner Fels in L2 (7a/+), hier noch auf dem Parcours der klassischen Route.

L3, 25m, 6a+: Unser Topo veranschlagte für diesen Abschnitt (der ursprünglich ohne Zwischenstand nach der Crux geklettert wurde) keine eigene Bewertung. Doch schon nur vom Standplatz aus erschien es nicht trivial, es sei denn viele Griffe hätten sich vor unseren Augen versteckt. Tatsächlich gab's dann v.a. eine knifflige Rechtsquerung, für die wir auf jeden Fall eine 6a+ veranschlagen würden. Zuletzt dann etwas einfacher hinauf zu Stand am Grasband.

L4, 35m, 6a+: Das Band muss nun nach links gequert werden - unschwierig aber ohne Sicherungsmöglichkeit. Man kreuzt so auch wieder den Verlauf der klassischen Pfeilerroute und klippt besser noch deren Stand, bevor man sich links davon in der plattigen Wand engagiert. Dafür hat Dani gerade mal eine 5b veranschlagt, was uns aber massiv zu tief dünkte. Vielleicht war's zum Zeitpunkt der Erstbegehung einfacher, weil's gut geputzt war?!? Es spriessen nämlich da und dort Grasmutten, wo man gute Strukturen vermuten könnte. Weil diese nicht nutzbar sind, ist man doch zu reichlich delikaten Plattenmoves gezwungen.  

Steile und durchaus knifflige Verschneidung in L5 (6b) - bleibt lange feucht oder nass.

L5, 30m, 6b: Durch eine steile Verschneidung geht's hinauf, dieser Abschnitt dürfte häufig feucht oder nass sein - trotz unproblematischem Wetter im Vorfeld war's auch bei unserer Begehung noch teils feucht-schlonzelig. Sonst wartet aber coole, athletische Spreizkletterei, die etwas 3d-Vorstellungsvermögen verlangt. Original mit 6a+ bewertet, was uns auch eher knapp vorkam, aber nicht so weit von unserer Wahrnehmung weg lag wie die Bewertung der Länge davor. Zur erwähnen dann der unbequeme Stand am letzten Stück Fels vor dem Raupfad - es ist gar nicht so einfach, auf's steile Kraut zu manteln, nachnehmen als Totmann hinter dem Grat ist für den Seilzweiten absolut sinnvoll.

Um etwa 12.30 Uhr waren wir beide auf dem Raupfad und bereit, mit einem Wander-Intermezzo den Einstieg der DaCora im oberen Wandteil aufzuspüren. Man folgt dabei zuerst dem unteren Rand des Grasbands unmittelbar bei der Abbruchkante. Im Bereich vom Chäserruggdach stiegen wir dann hinauf zum Wandfuss des oberen Teils und folgten diesem weiter nach links zum Einstieg. Das geht alles ohne nennenswerte Schwierigkeiten, mangels Wegspuren und ob dem krautigen Gras sowie wenig gestuftem Gelände ist es allein etwas mühsam. Um rund 13.00 Uhr starteten wir in...

DaCora (6 SL, 6c+)

Die Route wurde erst im Herbst 2019 von Cora Vogel und Thomas Wälti eingerichtet und verläuft nur im oberen Wandteil. Es war das Matura-Projekt von Cora, welche das erste Mal mit der Bohrmaschine unterwegs war. Da waren wir sehr gespannt, welche Note wir für diese Arbeit wohl vergeben würden 

L1, 35m, 5c+: Etwas ganz Spezielles kriegt man hier geboten, die Route führt nämlich durch sandsteinartigen Fels mit einer ganz speziellen Löcherstruktur, sehr aussergewöhnlich! Allerdings, das muss man auch sagen, das Gestein ist nicht von Prime Quality hier, sprich etwas moosig, grasig und teils leicht brüchig, bei zudem eher weiträumiger Absicherung. Man nehme sich übrigens den Tipp zu Herzen, den vierten BH zu verlängern - das Seil verklemmt sich sonst beim Weitersteigen in einem Schlitz und man kommt kaum mehr vorwärts.

Sehr spezielles Gestein in L1 (5c+) von DaCora, die Route setzt sich oberhalb des Kletterers fort.

L2, 35m, 6b+: Nun wieder im Kalk, der aber auch nicht überall supersolide ist und etwas Vorsicht bei der Griffwahl erheischt. Teilweise liegt auch mehliger Staub auf der Oberfläche, fast wie Bohrstaub der noch nicht weggeweht wurde. Die Schwierigkeiten sind vorerst überschaubar, die Absicherung erst gut. Beides ändert sich gegen Schluss - einerseits mit einem Runout (wo gemessen am Rest ein Haken fehlt), was dafür später mit 2 BH innerhalb von sehr kurzer Distanz vergütet wird. Dies hatte ich fälschlicherweise als den Stand wahrgenommen (jaja, eigentlich wäre es ja nicht so schwierig, das korrekt zu interpretieren, das Topo ist an sich klar, aber auf dem kleinen Handybildschirm gelang es dem alterssichtigen Senior mitten in der Seillänge nicht, dies zu erkennen). Dort dann auch die schwierigste, etwas kleingriffige Stelle.

Die letzten Meter zum (verführt angelegten) Stand von L2 (6b+) in DaCora.

L3, 25m, 6b+: Für uns vom tiefer gelegten Stand erst noch gerade hinauf mit der eigentlichen Crux von L2 zum richtigen Stand. Dort nach links, in die gelbe Wand hinauf und dann Rechtsquerung. Auf den ersten Blick sieht der Fels dort tatsächlich "etwas brüchig" aus, wie die Erstbegeher im Topo schreiben. Hält man sich aber auf der gängigsten Linie und quert an der richtigen Stelle etwas untenrum, so ist es effektiv nicht halb so schlimm wie erst gedacht - die Traverse klettert sich cool und das nachfolgende obsi-Stück erst recht, inklusive kühnem aber griffigem Finish zum Stand hinauf. 

Spot the Climber! Aber er ist da und movt in L3 (6b+) von DaCora.

L4, 22m, 6b+: Kurze Seillänge, wo die Schwierigkeiten nur aus einer Einzelstelle bestehen. Aus unserer Perspektive steckt der zweite Haken arg links abseits des einfachsten bzw. logischen Routenverlaufs. Es geht sicher einfacher und dank der guten Absicherung auch entspannt, direkt ohne die Linksecke von BH #1 zu #3 zu steigen. In einfacherem Gelände erreicht man zügig den nächsten Stand und kann sich aufs Highlight der Route freuen.

Der Ausstieg aus L3 (6b+) mit einen etwas kühnen Finish ist richtig cool!

L5, 35m, 6c+: Schön, schwierig und anhaltend - wobei die Perspektive vom Stand täuscht, denn die suggeriert sich bald zurücklegendes Gelände. Das täuscht aber definitiv, die Wand ist leicht drückend und das schräg geschichtete Gestein mit den vielen Auflegern will trickreich überlistet werden, damit man an Höhe gewinnen kann. In Absenz von guten Ruhepunkten wird das zu einer richtig pumpigen Sache, aber einfach genial. Die Absicherung ist auf dem ersten Teil eng gehalten, aber in der zweiten Hälfte heisst's dann entschlossener vorwärts zu machen - bravo Cora, sauber gemacht! Erst gegen Schluss wartet dann leichterer Fels, den Stand wird man etwas linkshaltend sicher finden. Ja, da musste ich durchaus etwas auf die Tube drücken, um den Onsight zu halten!

Jetzt weiss ich, warum sich diese Länge (L5, 6c+) so pumpig angefühlt hat!

L6, 30m, 2a: Kurzes, unwesentliches Teilstück zum Top, ohne fixe Absicherung. Der Routenabschluss befindet sich bei einem etwas zurückversetzten Einzelbolt - wer Abseilen möchte kann auch gleich weiter in ca. 15m horizontaler bis leicht absteigender Rechtsquerung zur Kette am Pfeiler drüben (welche von Stand 5 gut sichtbar ist). 

Blick von Stand 5 hinüber zum Abseilstand von DaCora, der in einer grossen Linksschleife zu erreichen ist.

Um 15.45 Uhr hatten wir diesen Punkt erreicht, das macht 2:45h für den oberen Teil oder rund 5:30h inklusive der Kalten Sophie und der Raupfad-Querung. Leider gibt's für beide Routen kein Buch, aber vermutlich gab's weder bei der einen oder anderen Linie schon viele Wiederholungen. Die ersten waren wir aber in beiden Fällen nicht, so viel ist uns anhand von Insider-Infos bekannt. Da wir noch einen weiten Abstieg vor uns hatten, fädelten wir auch gleich die Seile und glitten abwärts. Der obere Teil geht dabei superzügig, auch mit 2x50m-Seilen reicht's gerade just mit 3 Manövern (Top -> 3 -> 1 -> Boden) auf den Raupfad. Wir querten zurück zum Ausstieg der Kalten Sophie und fanden wenige Meter westlich vom Top des Simmenhorns auch den etwas versteckten Muniring zum Abseilen über den Scherrer-Wachter-Pfeiler. Mit nochmals 3 Manövern waren wir zurück bei unserem Einstieg (16.30 Uhr).

Steiler Fels und tolle Ausblicke auf den Walensee aus dem oberen Wandteil.

Inzwischen war auch eine Kopie der Zustiegsbeschreibung auf unseren Smartphones eingetrudelt, somit konnten wir auf dem "offiziellen Weg" ins Tal und auf eine Wiederholung unseres Zustiegs-Geschnafels verzichten. Kurzum geht's auf Höhe Einstieg nach Osten bis in die Rinne, welche vom Tristencholben runterzieht. Während diese Querung teils auf Wildwechseln gut gangbar ist, gibt's plötzlich auch wieder Abschnitte, wo gar kein Pfad sichtbar ist und man weniger schnell vorwärts kommt. Auch in und neben der Rinne muss man immer wieder Hand anlegen. Immerhin gelang es uns dann, von oben kommend den Einstieg ins Affenwäldli zu finden (was ohne Vorkenntnisse nicht geschenkt ist). Hier wuchert die Vegetation ebenso und da dem Anschein nach kaum Kletterer vorbei kommen heisst es acht geben, dass man sich nicht im Dickicht verliert. Es gelang uns leidlich, so waren wir um 17.30 Uhr im Lüsis und eine halbe Stunde später nach zügigem Abstieg schloss sich der Kreis beim Parkplatz. Das war nun eine ausgiebige Runde gewesen - abenteuerlich und mit alpiner Kletterei, aber ganz nach unserem Gusto. Sicherlich wird weder die eine noch die andere Route ein grosser Publikumsmagnet werden, doch für Kletterer unserer Spezies sind es mit Bestimmheit sehr interessante Ziele!

Facts

Chäserrugg - Kalte Sophie 7a/+ (6b obl.) - 5 SL, 140m - Benz/Müller 2003 - ***;xxxx
Material: 2x50m-Seile, 12 Express, evtl. Cams 0.2-1

Neben dem Scherrer-Wachter-Pfeiler die einzige Linie der Wand, welche nur durch den unteren Wandteil führt und somit also Zustieg zu den Routen dienen kann, die nur den oberen Teil bezwingen. Grundsätzliche als Variante für die klassische Pfeilerroute gedacht, verläuft sie mit Ausnahme der ersten 1.5 Seillängen eigenständig und bietet dort sowohl schönere wie auch schwierigere Kletterei. Die relativ kurze Cruxpassage ist frei ziemlich knifflig, aber gut abgesichert und mit Hakenhilfe zu entschärfen. Der Rest bewegt sich ziemlich homogen im Bereich 6ab und ist solide geboltet. Mobile Sicherungen sind nicht zwingend nötig, ein Set Cams 0.2-1 könnte hier und da zum Einsatz kommen. Insgesamt eine ziemlich schöne Route in meist solidem, teils plattig-abwärtsgeschichtetem Kalk mit ein paar grasigen Intermezzi dazwischen. Hier das Originaltopo von Daniel.

Die horizontale Bänderung ist charakteristisch für den oberen Wandteil am Chäserrugg.

Chäserrugg - DaCora 6c+ (6b obl.) - 6 SL, 180m - Vogel/Wälti 2019 - ***;xxxx
Material: 2x50m-Seile, 10 Express

Steile Kletterei mit Sandstein-Auftakt und 5 SL am ortstypischen, quergebändertem Kalk. Für die ersten beiden Seillängen bedient man sich noch keiner Superlative, aber nach oben hin wird die Kletterei immer schöner und die anhaltend-pumpige Cruxlänge ist wirklich ein Highlight, da man auch noch viel Luft unter den Füssen hat. Die Route ist meistens gut mit Inox-BH abgesichert, wobei die Bolts teilweise etwas inhomogen verteilt sind. Mobile Sicherungsmittel sind nicht nötig bzw. dort wo es etwas längere Abstände gibt nicht einsetzbar. Hier das Originaltopo von Cora & Thomas.