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Dienstag, 25. November 2025

Skitour Prodkamm (2006m)

Der Auftakt zur Skitourensaison 2025/2026 kam nun doch überraschend zügig. Nur eine Woche zuvor waren wir Mitte November noch im Rätikon geklettert und hatten den ersten Komplettdurchstieg meiner neusten Route im Gebiet realisieren können. Zwei Schneestürme später war daran nicht mehr zu denken, die Alpen waren flächendeckend und bis in relativ tiefe Lagen weiss verzuckert worden. Weil die Griffel wegen der jährlichen Kletterpause sowieso etwas ruhen sollten, wurden die Bretter umso lieber aus dem Keller geholt.

Hinauf zum Prodkamm! Für mehr Ambiente stiegen wir abseits der Liftanlange über den SE-Grat auf.

Da noch kaum eine Unterlage vorhanden war, orientierten wir uns zum eher sanften Gelände in mittleren Höhenlagen. Da die Lifte noch nicht in Betrieb waren, erkoren wir den Prodkamm in den Flumserbergen zum Ziel. Mit dem Sessellift hatten wir die Bergstation schon x-mal erreicht, die 61 zusätzlichen Höhenmeter zum Gipfel jedoch noch nie in Angriff genommen. Dieses Mal sollte noch etwas mehr Effort nötig sein: unsere Tour startete in Tannenheim auf 1220m. 

Unten gab es noch etwas hochnebelartige Bewölkung (die aber nur wenig störte)...

Was gibt es von der Tour zu berichten?!? Der Himmel war stahlblau, der Powder wunderbar fluffy und in ausreichender Menge vorhanden, die Temperaturen auf der eher frischen Seite (ca. -12 Grad am Gipfel). Als zwei Sportkletterer im Ruhemodus liefen wir relativ gemütlich, es war ein grosser Genuss. Nur ein Punkt verdient noch Erwähnung: unterwegs trafen wir auf einen Vater mit seinen zwei Chnoblis im tiefen Primarschulalter (oder sogar noch Kindergarten?!?). Die beiden liefen selbständig die ganze Strecke bis zum Gipfel, Chapeau! Da musste sich ja dann Larina schon richtig wie ein alter Hase fühlen - es sind nun doch schon viele Jahre, dass wir zusammen im einen oder anderen Modus auf Tour gehen. Bei dieser Gelegenheit übrigens mit der von Mama ausgeliehenen Ausrüstung, wo inzwischen Boots und Skilänge passen. Tja, die Zeit vergeht rasch - umso wichtiger, dass man sie nicht "vertöörlet", sondern sie besser für solch tolle Ausflüge nutzt. 

...oben war es dann grand beau, ein richtiges Wintermärchen.

PS: am darauffolgenden Tag konnten wir gleich nochmals nachdoppeln und das morgendliche Schönwetterfenster für eine weitere schöne Tour im Tössbergland nutzen. Es lag zwar nicht allzu viel Schnee - doch auch da ausreichend fluffiger Powder für eine sehr genussreiche Abfahrt. So darf der Winter gerne weitergehen.

Facts

Prodkamm (2006m) ab Tannenheim
800hm, Schwierigkeit L, lohnender wenn kein Skibetrieb ist.

Montag, 17. November 2025

Vorder Mattstock - Millenium (6c A0)

Zu Beginn meiner Kletterkarriere in den 1990er-Jahren war ich einige Male am Vorder Mattstock: Fatal Morgana, Schnuddernase, mehrmals die Furggelenverschneidung und die Furggelenplatte, das waren die Routen, die damals hoch gehandelt wurden. Heutzutage läuft in diesem Gebiet nicht mehr viel: die Filidor-Führer schenkten ihm nie Aufmerksamkeit, vielerorts ist das Material auch etwas angejahrt, die Routen sind in Vergessenheit geraten. So restlos nachvollziehbar ist das nicht: klar sind die Klettereien eher kurz, sie bieten aber tollen Fels und anhaltende Moves, noch dazu ist das Gebiet nicht abgelegen, rasch zugänglich und bietet eine lange Saison. 

Blick auf die Wand am Vorder Mattstock mit dem Verlauf der Route Millenium.

Jedenfalls: die hier beschriebene Tour existierte bei meinen Besuchen in den 1990er-Jahren noch gar nicht. Das nach ihrer Erschliessung ergatterte Topo musste aber lange auf meiner Festplatte lagern, bis es nun endlich zu dessen Nutzung kam. Spontan ergab sich die Möglichkeit für ein paar freie Stunden, doch mit einem tiefen Cut im Finger war an Limit-Sportklettern oder Bouldern nicht zu denken. So kurzfristig einen Kletterpartner für eine MSL zu finden gelang mir logischerweise nicht, doch ich sinnierte, dass diese kurze und dem Vernehmen nach sehr gut abgesicherte 6c-Route sich in meiner Lead Rope Solo-Kragenweite befinden würde. Das war zwar keine falsche Einschätzung, schlussendlich war ich aber mehr gefordert, wie ich mir das gedacht hatte... der Bericht erklärt warum.

Fantastisches Ambiente mit einem kompakten Nebelmeer über dem Walensee.

Den Zustieg machte ich ab Weesen per E-Bike. Das ist insofern nicht nötig, dass man bis zur Durschlegi auch mit dem Auto fahren kann (Fahrverbot am Sonntag von 13-17 Uhr, Nachtparkverbot 21-8 Uhr) oder auch mit dem Sessellift ab Amden nach Niederschlag. Ich startete im Tal bei dichten Nebel, es war stimmungsvoll, gegen Amden hin das Licht immer stärker zu spüren und die kompakte Decke schliesslich auf rund 800m zu durchstossen, wobei die Temperatur schlagartig massiv anstieg. Von Durschlegi kommt man via Hasebode bis ca. 1270m gut mit dem Bike, wer's unbedingt darauf anlegt, schafft es wohl sogar fast bis Ober Furgglen, oder zumindest von da runter. Ab dieser Alp sind es nur wenige Minuten bis zum Wandfuss. Etwas LRS-unfreundlich steckt am Einstieg kein BH, aber ich fand natürlich meine Lösung und legte um 10.45 Uhr los.

L1, 35m, 6b: Sicherlich die einfachste Seillänge der Route und auch freundlich, um die Systeme auf Betriebstemperatur zu bringen. Dennoch: schon am zweiten Haken muss man erstmals etwas "bieten", nach dem dritten gibt's einen (harmlosen) Runout. Die folgende steile Wandpassage mit der Crux ist sehr schön, genial dass das alles so aufgeht! Wobei der Exit aus dieser Passage für Personen, welche eine gewisse Körpergrösse nicht übertreffen, dann schon irgendwann eine andere Dimension annimmt. Anschliessend klettert man eine kurze Passage an interessanten Griffen gemeinsam mit der Furggelenplatte, findet danach griffige Schuppen und quert kurz nach links zum Stand.

Rückblick auf L1 (6b), das Gras lässt man weitgehend rechts liegen und klettert im kompakten Gelände.

L2, 25m, 6b+ 1pa oder frei (mind.) 7a: Es ist etwas seltsam: in den Topos von Thomas Wälti war diese Länge immer nur mit 6b+ bewertet, im GL Climbs steht hingegen 6b+ 1pa. Sämtliche im Netz greifbaren Berichte übernehmen diesen Hilfspunkt oder schreiben gar von 6b+ A0. Und das ist auch nicht erstaunlich: mit nur 6b+ ist die Crux definitiv nicht zu haben. Anyway, los geht's an einer kleinen Verschneidung, dann kommt eine etwas mühsame Passage an einem abgestorbenen, morschen Baum vorbei, bis dann endlich der erste BH folgt. Nach einer plattigen Querung geht's dann steil zur Sache, mit ein paar kniffligen Aufstehern in Untergriffe. Man folgt hier offenbar einem alten Versuch und dort, wo die Pioniere nur noch ein halbes (leeres) Bohrloch geschafft haben, ist dann eben die Crux. Es gilt, aus dem Steilen auf eine Platte zu manteln. Zur Verfügung stehen Untergriffe an der Kante beim Übergang, die eher glatte Slab weist nur ein paar kleine, sloprige Unebenheiten auf. Voll am Limit konnte ich das ultrawacklig gerade noch auflösen und meine fundierte Analyse im Nachstieg zeigte: es gibt da (für mich) keinen anderen, einfacheren Approach. Als gefühlten Grad könnte ich der Sache eine harte 7a andichten, wer weniger Reichweite mitbringt als yours truly, empfindet es möglicherweise gleich nochmals schwieriger?!? Sonst halt 1pa bis auf die Platte, nach zwei, drei Schritten über diese erreicht man eine steile Wand, die kräftig-weite Moves an guten Leisten im Bereich 6b+ bietet. Enden tut die Länge dann wie sie angefangen hat. Man steigt in die Botanik aus und muss sich dafür an einem morschen, abgestorbenen Baum bedienen. Möge er noch lange halten, denn der letzte BH liegt schon ein Stück zurück. Übrigens, links am Baum vorbei ist richtig.

Die Felsqualität in der Millenium ist über weite Strecken vorzüglich!

L3, 35m, 6b+  (eher 6c+): Los geht's kommod durch eine griffige Wand, welche einen auf eine fantastische Raspelplatte mit hammermässigen Fels führt. Über 2 BH wird diese recht zwingend durchgemovt, bevor die Herrlichkeit mit dem Ausstieg auf ein bewachsenes Band endet. Das ist ziemlich heikel, es hat nur lose Erde und dürres Gras, der letzte BH liegt einige Meter zurück. Vom Band weg geht's in eine tolle, steile Wand hinein. Dort wo der Fels von grau zu gelb wechselt, kommt die Crux. Es gilt den Füssen auf abschüssigen Reibungstritten zu vertrauen, weit von Crimps in ein kleines 2-Finger-Schüppli zu ziehen und die Position mit Untergriffen aufzulösen. Das bringt einen auf die Zielgerade, die in einem langen Quergang nach links besteht. Erst noch gängig mit griffig-zerfressenem Fels, wartet dann doch plötzlich noch eine schlabbrig-glatte Stelle, bevor eine Art Rampe zum Stand leitet. Alles in allem liegt meine persönliche Einschätzung für diese Länge bei 6c+. Ist's der Rope-Solo-Bammel oder hab ich's einfach nicht gecheckt?!? Restlos beantworten kann ich das nicht... doch ich meine, meine Einschätzung ist objektiver wie die gedruckte auf dem Papier.

Dieser auf einem kurzen Abschnitt ziemlich glatte Quergang prägt den oberen Teil von L3 (6c+).

L4, 20m, 6c: Zum Abschluss noch was ganz anderes: eine rustikale, überhängende Verschneidung mit 3d-Kletterei. Los geht's aber nochmals mit einer kurzen Plattenstelle, bevor es dann bald steil aufwärts geht. Dank der sehr kurz gehaltenen Absicherung lässt es sich sorgenfrei in die Höhe arbeiten. Kräftig ist's schon, de fakto kann man es aber schon durchgehend recht gut wegstehen, wenn man die Übersicht behält. Nicht dass ich mich nicht hätte anstrengen müssen, doch mir fiel wesentlich leichter, wie ich aufgrund meiner Erfahrungen in L2 und L3 befürchtet hatte. Kurzum, 6c passt, nach meinem Gusto: klar schwieriger wie L1, aber auch deutlich einfacher wie L2 und L3. Zuletzt habe ich das Routenende nicht ganz verstanden: irgendwie sieht es so aus, als ob man auch nochmals 7-8m hätte weitermachen können. Trivial sieht's schon nicht aus, aber auch nicht schwieriger wie unten...

Hier an dieser Kamin-/Rissverschneidung führt L4 (6c) in die Höhe.

Um 14.45 Uhr hatte ich es geschafft, das macht gerade 4:00h für das Rope-Solo-Programm (2x Klettern und 1x Abseilen), plus auch noch einige Pausen um den Zehen etwas frische Luft zu gönnen und das Panorama zu geniessen, was beim Rope Solo sonst gerne zu kurz kommt. Zum Abseilen geht man eine Etappe zurück zu Stand 3, dann am besten gerade runter, was einen in den Bereich der Furggelenverschneidung bringt. Mit Nutzung eines Abseilstands wären mit 2x50m-Seilen noch 2 Manöver nötig, mit meinem 1x70m war es noch eines mehr. Jedenfalls, bald war ich wieder zurück am noch schön besonnten Einstieg und konnte da noch eine Siesta geniessen. Fussabstieg und Bike-Downhill hiess das Restprogramm. Eindrücklich, wie ich von der wohligen Wärme zurück in die feucht-kalte Nebelsuppe zurückspediert wurde. Welch gute Idee war das gewesen, die schönsten Stunden des Tages am sonnigen Vorder Mattstock zu verbringen!

Welch ein wunderbarer Novembertag!

Facts

Vorder Mattstock - Millenium 6c A0 oder 7a (6b obl.) - 4 SL, 115m - ***;xxxx
Material: 1x70m oder 2x50m-Seile, 12 Express, Cams/Keile nicht nötig

Kurze, aber anhaltend anspruchsvolle Kletterei mit Steilplattenpassagen, anspruchsvollen Wandabschnitten und auch noch etwas an steiler Risskletterei. Langweilig wird es einem also bestimmt nicht und trotz der Kürze der Route kann man sich eine Weile damit beschäftigen. Umso mehr, wenn man die ganze Route freiklettern will. Entgegen den Angaben in einigen Topos verlangt das nach meinem Empfinden klar mehr wie den Grad 6b+. Die Felsqualität ist meistens gut bis sehr gut, an ein paar wenigen Stellen gibt's etwas störende Botanik. Die Absicherung mit verzinkten BH ist sehr gut. An vielen der schwierigen Stellen kommt man sicherlich auch recht gut A0 durch, bei einigen plattigen Passagen heisst es dann aber doch etwas mutig auf die Füsse zu stehen. Das beste und aktuellste Topo zur Route und Gebiet findet sich im Kletterführer St. Galler Oberland.

Freitag, 7. November 2025

Furka / Sunnig Berg - Via Matthias (6b+) & Kein Bockmist (6b+)

Noch nie war ich bisher am eleganten Winterstock im Furkagebiet geklettert, noch weniger am kaum bekannten Sunnig Berg, welcher sich unweit davon und im selben Kessel befindet. Viktor hatte im Sommer 2025 die Via Matthias saniert, wollte sein Werk nochmals überprüfen und machte mir so eine Begehung schmackhaft. Als zusätzliche Motivation lockten die Erstbegehung einer direkten Linie im oberen Teil der Route, sowie eine Verlängerung an Felstürmen oberhalb. Der Tag wurde ein voller Erfolg: lässige Semi-Trad-Kletterei in der Via Matthias, das Eröffnen von einem neuen, logischen Direkausstieg zu dieser und eine formidable 2-SL-Trad-Erstbegehung an einem Felsturm unweit vom Top der Via Matthias.

Wunderbar die Wand vom Sunnig Berg, durch welchen die Via Matthias verläuft.

Wir fuhren hinauf zum Furkapass bis Tiefenbach, nahmen da die taxpflichtige Strasse Richtung Tätsch und verfolgten diese bis zum Fahrverbot bei Gspenderboden P.2263, wo es 2-3 Parkplätze gibt. Diese waren frei, so liefen wir in sehr schönem Bergambiente ins Tal des Lochbergbachs, durch welches man in 50-60 Minuten den Einstieg erreicht. Dieser ist farblich markiert, zudem ist die gebogene Verschneidung von L1 sehr markant. Am bequemen Wandfuss bereiteten wir uns auf die Kletterei vor und legten um 10.50 Uhr schliesslich los - mit reichlich Cams am Gurt und dem Bohrzeug im Haulbag.

Tolles Bergambiente im einsamen Tal des Lochbergbachs.

Via Matthias mit Direktausstieg (7 SL, 6b+)

L1, 25m, 6b: Achtung, je einen BH gibt's hier nur am Anfang und am Ende, das ist nicht dort, wo die Kletterei am schwierigsten ist. Im zentralen Teil kann gut, aber nicht überall nach Belieben selbst abgesichert werden. Die Sache fühlt sich doch etwas committing an: die Seitenwände sind recht glatt, der Riss nicht immer super griffig und bei der Crux zusätzlich noch abdrängend. Das brachte mich jetzt nicht grad in Nöte, aber durchaus an den Rand meiner Komfortzone.

Sehr ästhetische Kletterei in L1 (6b), gerade in der persönlich als Crux der Route empfundenen Stelle.

L2, 20m, 6a+: Durch eine nach rechts offene Verschneidung gilt es sich in recht komplexer 3d-Manier in die Höhe zu schieben, eine spannende Sache. Dies ist selbst abzusichern, was jedoch nach meinem Gusto komfortabel möglich ist, es steht ein idealer Riss oberhalb der Verschneidung zur Verfügung. Das einfachere Finish dann eher wandartig und mit einem BH gesichert.

Die dettling'sche Tendenz zum Hinliegen beim Klettern scheint System zu haben (L2, 6a+).

L3, 20m, 6b+: Der Hauptact ist hier die powerig-athletische Stufe gleich zu Beginn, welche mit Schuppen, Leisten und Rissspuren aufwartet. Es stecken 2 BH, die Crux riegelt man jedoch dazwischen und sogar recht zwingend durch, gesichert von einem kleinen Cam. Nachher folgt dann gestuft-griffigeres Gelände mit tieferen Schwierigkeiten.

Nein, die kräftig-athletische Crux in L3 (6b+) geht weder im Schlaf noch im Liegen 😁

L4, 25m, 6b+: Die erste Hälfte der Seillänge ist die einfachere, die enge Verschneidung lässt man links liegen und klettert vorbei an einem BH durch die plattige Wand und später über einen Aufschwung zum Kernstück der Länge. Steil geht's erst neben und dann in der Verschneidung, zuletzt an den Henkel an der Kante links. Dieser Abschnitt ist sehr eng mit BH gesichert und ging mir leicht von der Hand (im Vergleich zu L1), er könnte aber etwas grössenabhängig sein. Zuletzt gibt's dann noch eine coole Stelle an einer Untergriffschuppe zum Stand.

Wer diesen Henkel in L4 (6b+) hat, der hat gut Lachen - der ist mehr als die halbe Miete hier.

L5, 25m, 6b+: Hier kommt die Crux gleich am Anfang. Bis zur Sanierung wurde sie A1 geklettert, d.h. nicht in freier Kletterei. Nachdem die dünnen Risse jedoch geputzt wurden, ist das gut machbar. Ein paar kräftige Züge auf Gegendruck bzw. mit Compression, dann ist es gegessen. Es stecken 2 BH, dazwischen legt man gerne noch einen kleinen Cam. Der obere Teil legt sich dann zurück, in gestuftem Gelände erreicht man den Stand auf der Rampe.

Die ehemalige A1-Stelle am Anfang von L5, dank geputztem Riss nun gut kletterbar (6b+).

L6, 50m, 6a+: Die Route verläuft hier plattig auf der etwas grasigen Rampe. An sich nicht schwierig (5b), ein paar Schritte sind aber doch nicht ganz easy und nebst den 2 BH legt man besser noch etwas dazu, wobei die super Placements nicht üppig sind. Die originale Route biegt beim prominent platzierten dritten BH dann um die Ecke nach rechts raus zu Stand, hier zweigt die Direktvariante ab, welche wir an diesem Tag eröffneten. Es geht links hinauf an Schuppen unterhalb von einer dachartigen gestuften Verschneidung. Erst griffig und gemütlich, am Ende wird die Struktur dann zu einer kaminartigen Schuppe, wo ein kurzer Squeeze wohl die beste Lösung ist, bevor man am Ende ausspreizen kann. Dieser neue Teil ist komplett mobil zu sichern (gut möglich), der Stand auf dem Band ist gebohrt.

Viktor bei der Erstbegehung des neuen Direktausstiegs (L6, 6a+). Die Originalroute der Via Matthias quert beim hellorangen Wandstück rechts um die Ecke herum und wurde bei der Sanierung im August ebenfalls mit BH ausgerüstet.

Etwas verklemmt am Ende des neuen Teilstücks in L6 (6a+).

L7, 35m, 5a: Grundsätzlich "der Nase nach", d.h. das gestufte einfache Gelände bietet wohl mehrere Optionen. Die für uns logischste Linie geht vom Stand nach rechts und dann hinauf, wo man auf den Schlussstand einer unbekannten Route trifft (diese verläuft unten rechts der Via Matthias und kreuzt sie wohl irgendwo im zweiten Teil des Quergangs von L6). Schliesslich erreicht man das Top mit seinem sehr bequemen Plateau.

Wer kann sachdienliche Hinweise hierzu liefern? Es ist der finale Stand der nirgendwo in der Literatur oder im Netz verzeichneten Route, welche rechts der Via Matthias verläuft. Wer hat ihn platziert und/oder kann mehr Infos zu dieser Route liefern? Oder weiss jemand zumindest, wer solche Standplätze produziert hat? Eventuell bringt uns das ja einen Schritt weiter.

Kurz vor 15.00 Uhr und damit nach knapp 4:00h der Kletterei mit zwei neu eröffneten Seillängen waren wir da. Wir hielten nur kurz inne und richteten den Blick gleich nach vorne. Viktor hatte mir schon lange von seinem Projekt "Vier gewinnt" geschwärmt - ein attraktiver Off-Width-Riss (wenn es so etwas überhaupt gibt 🤪) etwas zurückversetzt an einem Felsturm. Mit einer kurzen, grundsätzlich unschwierigen und gut auch in Kletterfinken machbaren Traverse in etwas schuttig-labilem Gelände gelangt man an dessen Fuss. 

Marcel unterwegs zum hinteren Felsturm mit dem markanten Offwidth.

Schon aus der Ferne und noch viel mehr aus der Nähe schien mir der angepeilte Shaft aber abschreckend, schwer absicherbar und auch sauschwierig. Mein Statement dazu: "Looks good, you can go first!". Mein erster Eindruck täuschte in keiner Hinsicht: die beiden mitgeführten 5er-Cams waren deutlich zu klein, somit war an mobile Sicherung nicht zu denken. Nach zähem Ringen und zwei gesetzten BH musste Viktor schliesslich das Handtuch werfen - die Zeit war schon fortgeschritten und es war im Schatten (zumindest beim Sichern) empfindlich kühl geworden. Trotzdem, das Risssystem links war einfach zu attraktiv, um es unversucht zu lassen und nach Hause zu gehen. Aus diesem Vorhaben wurde schliesslich...

Kein Bockmist (2 SL, 6b+, Trad, Erstbegehung)

Man könnte jetzt sagen, die Namensgebung komme daher, dass im Bereich zwischen der Via Matthias und dem oberen Felsturm eine erstaunliche Menge an Bockmist präsent war, den man dann auf der Route endlich wieder los war (offenbar nutzen Tiere dieses Gelände als Lagerplatz, nicht jedoch zum Zeitpunkt, wo wir dort waren). Die alternative Interpretation der Namensgebung überlasse ich jetzt gerne der Fantasie der Leser... Jedenfalls, ich machte mich auf den Weg und dieser entpuppte sich durchaus als eine Perle.

L1, 25m, 6b+: Gar nicht mal so einfach über die Einstiegsverschneidung hinauf, zur steilen Stufe mit dem markanten Riss rechts. Kurz an diesem hinauf, die sich verbreiternde Fortsetzung wäre evtl. auch kletterbar. Mir schien es jedoch günstiger, nach links in den eleganten Fingerriss abzubiegen. Immer dünner werdend und zuletzt in der Platte auslaufend war aber die Frage, ob ich mich da nicht in eine Sackgasse begeben hatte. Mit einigem Herzflattern arbeitete ich mich vorwärts, legte den 0.3er-Cam ins letzte Placement... und dann?!? Zwei beherzte Züge an sich genau an der richtigen Stelle befindlichen Leisten später war die Sache geritzt. Ich erreichte eine Nische, wo sich ein bequemer Stand anbot (mit 2 BH ausgerüstet).

Kurz vor Erreichen des Standplatzes in L1 (6b+).

L2, 30m, 6b: Der Blick nach oben zeigte es: die grossen und schweren Cams waren nicht vergebens mitgekommen. Der Start dieser zweiten Länge bietet auch wieder Optionen: links ein steiler und breiter  Jam-Riss (ca. Camalot 3 oder 4) oder rechts eine Layback-Verschneidung, wo an sehr breiten Rissen gesichert werden muss (Camalot 4 oder 5). Mit den grossen Gerätschaften am Gurt entschied ich mich für den Layback, der kommoder und einfacher wirkte. Es ist nicht so schwierig, mit etwas Courage kommt man vermutlich sogar mit nur einem Camalot 4 aus?!? So erreicht man einen Absatz, bei welchem man links um die Ecke biegt und über eine Steilstufe eine Schuppe erreicht. Dieser griffig entlang, als letzter Challenge wartet dann jedoch noch ein kniffliger Mantle auf die abschliessende Platte zum Stand, welcher ebenfalls mit 2 BH ausgerüstet ist. 

Im Ausstieg noch ein Platten-Mantle...

Um etwa 18.30 Uhr waren wir zwar noch nicht auf dem Gipfel des Felsturms, jedoch am logischen Routenende. Das eher blockig-labil aussehende Gelände zu dessen Top schien unlohnend. Während dem Erstbegehen der beiden Kein Bockmist-Längen waren meine schlotternden Glieder zum Glück wieder auf Betriebstemperatur gekommen. Doch trotzdem, es war Zeit, den Heimweg anzutreten, Viktors Offwidth-Projekt würde vielleicht irgendwann in der Zukunft seine Vollendung erfahren. Die beiden Längen am Turm lassen sich mit 2x50m-Seilen gerade in 1 Strecke bewältigen, vom Top der Via Matthias ist man in 4 weiteren Manövern zurück am Einstieg. Mit der nötigen Vorsicht konnten wir unsere Finken frei vom Bockmist halten, sie sorgenlos im Rucksack verstauen und frohen Mutes zum Parkplatz absteigen. Ein toller und auch abenteuerlicher Tag im Urner Granit war's gewesen, davon nehmen wir immer gerne mehr.

Facts

Sunnig Berg - Via Matthias 6b+ (6a+ obl.) - 7 SL, 200m - Fodor/Skinner 1988, saniert 2025 - ***;xxxx
Material: 2x50m-Seile, 10 Express, Cams 0.2-3, evtl. Keile und/oder Cams 0.2-0.5 zusätzlich

Spannende Semi-Trad-Kletterei in solidem Fels, der unten sehr sauber, oben dann etwas mehr mit Flechten bewachsen ist. Meistens klettert man entlang von Verschneidungen oder Schuppen, teilweise gibt es etwas Wandkletterei dazu, Jam-Risse kommen hingegen kaum vor. Die Route muss über einen substanziellen Teil der Strecke mobil abgesichert werden, was an den entsprechenden Stellen gut möglich ist. Wo die guten Placements fehlen, trifft man auf eine gute Absicherung mit Inox-BH. Dank den kurzen Seillängen kommen versierte Kletterer vermutlich mit einem Set Cams aus. Ein zweites Set bis zu den mittleren Grössen und/oder Keile bietet zusätzlichen Spielraum. Zu erwähnen ist noch: die Verschneidungen sind eigentlich alle nach rechts (Norden) offen, somit klettert man in dieser Ostwand relativ früh komplett im Schatten. Dadurch mit Einstieg auf 2500m eher ein Ziel für die warme Jahreszeit. Weitere Infos zur Route und zur Sanierung im 2025 findet man auf dem Blog von Viktor, hier geht's zum PDF-Download vom Topo.

Das Topo zur Via Matthias, (c) by Viktor.

Sunnig Berg - Kein Bockmist 6b+ (6b obl.) - 2 SL, 50m - M.Dettling/V.Wegmayr, 24.8.2025
Material: 2x50m-Seile, 10 Express (teils verlängerbar), Cams 0.2-5, evtl. lieber doppelt

Kurze Trad-Route, welche sich ideal als Ergänzung zur nicht überaus langen Via Matthias anbietet. Die Schwierigkeiten sind an sich nicht höher als dort, da aber ausser an den Standplätzen gar keine BH stecken, ist die Sache doch etwas fordernder und aufregender. Auf dem Programm stehen Risse aller Breiten von sehr dünn bis zur Offwidth-Breite. Der Fels ist an sich top und sehr solide mit tollen Splitter Cracks, teilweise jedoch mit Flechten bewachsen. Wer dem Gear vertraut und dementsprechend über die Sicherungen steigt, kann die Route wohl mit einem Set Cams klettern. Ein grosses Gerät (mindestens 4, besser 5) ist aber zwingend - und ein Doppelset von klein bis gross bietet sicherlich mehr Marge. Hier unten bzw. als PDF-Download das Topo zu dieser Route - wir wünschen viel Spass und freuen uns auf die ersten Wiederholer!

Das Topo zur Verlängerung mit dem Namen "Kein Bockmist".