Petrus war wieder einmal etwas gemein mit dem arbeitenden Teil der Bevölkerung. Die ganze Woche über herrscht bestes Wetter mit Hammer-Skitourenbedingungen, die ganze Zeit über haben wir den Fleckistock im Auge. Doch just aufs Weekend hin wird es instabiler. Am Freitag Abend stellt sich dann wegen den leicht unsicheren Prognosen die Frage, ob wir tatsächlich losgehen sollen. Wir entscheiden uns für ja - und werden mit einer absoluten Hammertour für das frühe Aufstehen belohnt.
Der Wecker schellt ohne Erbarmen um 4 Uhr morgens. Das Aufstehen ist wie immer hart, doch ich bringe es hinter mich. Um 6 Uhr geht es dann bei Abfrutt (1160m), gleich hinter Göschenen, los. In der Morgendämmerung sind noch die letzten Sterne sichtbar, es herrscht bestes Bergwetter, die Schneedecke ist vom ersten Meter an hartgefroren. Genau so, wie es im Frühling sein muss. Entlang der Strasse gehen wir bis nach Wiggen, und biegen dort ins Voralptal ein. Das erste Stück durch den Wald und über Blöcke hinweg ist kurz etwas mühsam zu steigen, danach geht's dann ins weite, von steilen Felsen gesäumte, landschaftlich sehr schöne Tal hinein. Ich liebe solche einsamen, winterlichen Täler.
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Fleckistock SW-Wand: der Einstieg erfolgt über die offensichtliche Schneezunge, dann linkshaltend hoch zum Gipfel. |
Die Voralphütte ist das erste Zwischenziel. Um 8.20 Uhr sind wir dort und halten an der Sonne Rast. Über dem Urserental ist bereits eine Wolkenwalze vorhanden, aber sie bleibt dort. Bei uns, eine Kette nördlicher, herrscht noch Grand Beau. Bald machen wir uns auf den Weiterweg. Die folgende Steilstufe wäre mit Ski mühsam zu begehen, zudem ist der Sommerweg zur Salbithütte, welcher auf einer Rippe verläuft, bereits ausgeapert. Wir steigen darum die nächsten 300hm zu Fuss hoch. Danach wird wieder gefellt, zügig geht es dem Bergschrund am Fuss der Fleckistock SW-Wand entgegen. Um 10.00 Uhr sind wir dort. Erneut halten wir eine kurze Verpflegungsrast, montieren die Steigeisen und schnallen die Ski auf.
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Im oberen Teil des Wandaufstiegs, hier eine der steileren Stellen, gute 45 Grad. |
Nun folgen noch 500hm Wandaufstieg zum Gipfel. Der Schnee ist auch hier allererste Sahne, tragend, hart aber doch super griffig. Optimaler kann es nicht sein. So macht das 40-45 Grad steile Gelände keinen Kummer. Über unseren Köpfen gibt es derweilen die ersten Quellungen, die uns aber nicht weiter beunruhigen. Auf 3200m wechseln wir, anders als die Vorgänger, deren 2 Tage alten Spuren gerade noch knapp erkennbar sind, um ein Couloir nach links - denn dieses verspricht uns einen bequemen Aufstieg bis in die Nähe des Gipfels. Tatsächlich kommen wir so auf 3400m an den Grat. Wir fellen gleich ab, erledigen dann zu Fuss eine kurze, felsige 10m-Steilstufe im 2. Schwierigkeitsgrad. Dann sind es nur noch wenige, horizontale Meter, und um 11.30 Uhr erreichen wir nach 5.5h Aufstieg den Gipfelsteinmann.
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Ankunft auf dem Gipfel - äh nein, eigentlich ist das schon wieder der Abstieg vom Gipfel. |
Das Wetter ist noch immer gutmütig, auch wenn ab und zu eine Quellung vorbeizieht, haben wir Glück, denn just im Moment unserer Gipfelankunft ist der Blick auf alle Seiten wieder frei. Wir suchen nach dem unauffindbaren Gipfelbuch, geniessen die Ambiance, halten kurz inne und machen uns dann doch relativ rasch wieder an den Abstieg. Im Nu sind wir bei den Skis, und bereiten uns auf die Abfahrt vor, um 12.10 Uhr geht es los. Der Schnee hier in den Rinnen ist noch immer hart, aber da griffig, problemlos zu befahren. Die obersten 200hm ab dem Grat weisen eine Durchschnittsneigung von exakt 45 Grad auf. Die Neigung ist ziemlich homogen, bei den steilsten, kurzen Stellen packt man aber wohl noch 2-3 Grad drauf, also so 47, 48 Grad. Nein, einen Seich machen sollte man da nicht, aber bei solch guten Bedingungen wie sie vorherrschen, kann man sehr gut und kontrolliert in Kurzschwing-Technik abfahren.
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Heia, ab geht's... |
Auf 3200m wechseln wir wieder das Couloir, der untere Teil ist "nur" noch anhaltende 40 Grad steil, kommt uns aber schon beinahe flach vor. Beschwingt cruisen wir zum Bergschrund hinunter. Dort sammeln wir das zurückgelassene Material ein, trinken noch etwas, bevor wir weiter abfahren. In nun bestem Sulz geht es in perfektem Skigelände zur Voralphütte hinunter. Während die Quellwolken den Gipfel nun endgültig einhüllen und ihn nicht mehr freigeben, sind wir hier schön an der Sonne. Wahrlich, heute hat das Timing gepasst! Von der Voralphütte das Tal hinaus warten zuerst weiter schöne Sulzschwünge, danach lassen wir es "tschättern", der Schnee ist noch gut tragend, so geht es auch an den flachen Stellen zügig voran.
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...und weiter das Couloir hinunter! |
Erst ab der Alp Horefelli, d.h. unterhalb von 1700m wird der Schnee langsam klebrig-bremsig. Aber das stört jetzt auch nicht mehr gross. Die Waldpassage nach Wiggen hinunter ist dann eher etwas mühsam zu befahren, na ja, damit lassen wir uns die Freude auch nicht trüben. Danach geht's im Schuss auf der Strasse das Göschenertal hinaus, auch hier läuft es gar nicht schlecht, so dass nur zwischendurch etwas Stockeinsatz vonnöten ist. Um 13.30 Uhr sind wir retour beim Auto, innert kurzer Zeit hat es nun endgültig zugezogen und aus dem Süden werden gar einige Regentropfen herübergetragen. Spielt nun keine Rolle mehr, mit müden Beinen setzen wir uns hochzufrieden in den Wagen und fahren heimwärts.
Facts:
Fleckistock: ab Göschenen via SW-Wand, 2400hm Aufstieg, SS, max. 47-48 Grad steil.
Material: Steigeisen, Pickel. Eisgeräte empfand ich als entbehrbar, ebenso Seil und Sicherungsmaterial.
Lange, aber einsame und tolle Skitour. Der Wandaufstieg ist bei gut verfirntem Schnee prima zu machen. Die Routenwahl braucht etwas Spürsinn, um die richtigen Couloirs zu treffen. Aber wer immer etwas linkshaltend hoch geht, der wird den Weg zum Gipfel finden. Auch die Abfahrt von kurz unterhalb des Gipfels ist gut zu machen. Fehler sind in diesem Gelände allerdings nicht erlaubt.
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Unsere Aufstiegs- und Abfahrtsroute durch die SW-Wand des Fleckistocks. Bildbearbeitung: Chris O. |
Vergleichstouren:
Ich habe mir die Mühe gemacht, einige der steilen Skitouren, welche ich bisher begangen habe, auf der Karte genau zu vermessen, um einen Vergleich der Steilheit zu erhalten. Dabei ist herausgekommen, dass fast alle dieser Touren ziemlich ähnliche Parameter aufweisen!!!
## Fleckistock
Gipfelgrat 3400m - Couloirwechsel 3200m: 45 Grad
Couloirwechsel 3200m - Bergschrund 2900m: 40 Grad
Durchschnittsneigung: 42 Grad über 500hm
## Schlossberg
Vorgipfel 3093m - 2800m: 45 Grad
Durchschnittsneigung bis Verflachung 2550m: 40 Grad
Steilste Stelle: Einfahrt, ca. 50-52 Grad.
## Hausstock
Gipfel 3158 - Höhenkurve 2700m: 45 Grad
Höhenkurve 2700m - Hausstockegg 2400m: 40 Grad
Durschnittsneigung über 750hm: 42.5 Grad
## Gross Windgällen
Gipfel 3187m - Bergschrund 2880m: 45 Grad
Steilste Stelle: direkt unter dem Gipfel ca. 50-55 Grad
## Tristelhorn
Einfahrt Höhenkurve 3000m - Höhenkurve 2500m: 40 Grad
Höhenkurve 2500m - Bergschrund 2200m: 45 Grad
Durchschnittsneigung über 800hm: 42 Grad