Für womöglich eines der letzten schönen Herbstweekends hatte ich mich mit Christoph verabredet. Nach einem fast abstinenten Klettersommer war er zwar noch nicht in Topform, aber dennoch motiviert für eine lange und grosszügige, wenn auch nicht allzu schwere Route. Locker 20 interessante Ziele umfasste die Shortlist, die Wahl fiel schliesslich auf den Salbit. Das war durchaus logisch, denn erstens ist das sowieso immer eine gute Wahl, zweitens kann man mit Christoph den nicht ganz kurzen Zustieg effizient erledigen und drittens ist es einfach toll, Ende Oktober noch auf fast 3000m Höhe zu klettern und dabei das im Sommer vielbesuchte Salbit-Massiv (fast) komplett für sich alleine zu haben.
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Morgenstund hat Gold im Mund... Zügiger Aufstieg zur Salbithütte und weiter Richtung Südgrattürme. |
Gemäss wohlüberlegter Zeitplanung gingen wir von einem 12 Stunden-Auto-zu-Auto-Tag aus. Um gegen hinten etwas Reserve zu haben, hiess das früh Aufstehen, und Aufbruch im Göschener Tal um 6.40 Uhr. Mit wohldosiertem Material auf dem Rücken (genau das, was es braucht, aber nichts zuviel) stiegen wir in zügigem Tempo via Regliberg zur verwaisten Salbithütte hoch. Wir stoppten nur kurz die Zwischenzeit auf 1:10 Stunden, zogen in einem 'Schnuuz' weiter und strebten den Südgrattürmen entgegen. Nach kurzer Topo-Konsultation war der Einstieg der Ruska auf einer gemütlichen Granit-Terrasse identifiziert, welchen wir nach gerade 2:00 Stunden Gehzeit (für gut 1300hm) erreichten. Erwähnt sei auch, dass die Richtzeit gemäss den Kletterführern 4:00 Stunden beträgt, so dass man normalerweise kaum auf die Idee kommt, die Tour aus dem Tal anzugehen.
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Übersicht über die von uns gekletterte Route (rot=Ruska, orange=Südgrat, gelb=Abseilen über Salbitissima/Niedermann) |
Nun war erst einmal das Frühstück fällig. Während frühmorgens die ersten Sonnenstrahlen den Salbit golden erleuchteten, waren indessen dichte Schleierwolken hereingezogen. Wir stellten uns die Frage, wie genussvoll denn die angedachte Kletterei wohl werden würde. Die Temperaturen waren zwar nicht gerade frostig, vorsichtshalber montierten wir aber doch einmal alle mitgebrachten Kleider. Zum Glück dauerte es nur kurze Zeit, bis die Sonne zurückkam und wir uns wieder davon entledigen konnten. Um 9.15 Uhr fiel schliesslich der Startschuss, und ich brach in die erste Seillänge auf.
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Super schöne Granitterrasse am Einstieg, hier lässt's sich's bequem rasten. |
SL 1, 30m, 5c: Zügig absolvierbares Aufwärmprogramm, schwierig ist eigentlich nur der erste Schritt in einen geneigten Riss hinein. Danach folgt gemütliche Kletterei diagonal nach rechts hoch bis zum bequemen Stand auf einem Graspodest.
SL 2, 50m, 6b: Formidable Kletterei entlang einem System von Schuppen, der Fels perfekt. Wenn man sich dann fragt, ob es das nun schon gewesen sei mit der 6b, so wartet etwas unscheinbar der Ausstieg aus einer Verschneidung in eine flachere Zone. Reibung, Spreizen, Ganzkörpereinsatz, ... Lösungsansätze gibt es hier sicher viele, nix wird ganz einfach sein. Zuletzt dann einfacher zum Stand.
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Entlang einem sehr schönen System von Rissen und Schuppen in SL 2 (6b). |
SL 3, 40m, 6a+: Schöne Seillänge, welche nach gemässigtem Start mit ein paar feinen Moves zu einem kleinen Dächlein hin aufwartet. Dieses stellt die Crux dar, etwas links halten hilft. Danach ist das Gelände ziemlich plattig, zuletzt mit einem längeren Abstand zum Stand hin.
SL 4, 30m, 6a+: Cooler Challenge, ein Test für den Haftreibungskoeffizienten! Nach einem einfacheren Auftakt geht es bald los, mit beinahe griffloser Reibungskletterei. Die Absicherung ist gut, trotzdem muss man zwischen den Haken ein paar Mal gescheit hinstehen, sonst wird das nix. Im Vergleich mit den anderen Längen der Tour könnte man hier wohl auch 6b geben, es ist sicher die anspruchsvollste Plattenstelle.
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Christoph schleicht der Plattenkante entlang in SL 4 (6a+). |
Zwischenstück, ca. 50m, Gehgelände: Problemloser Abschnitt, welcher den unteren mit dem oberen Wandteil verbindet. Man kann hier gut rasch das Seil aufnehmen und gemeinsam steigen. Im Frühjahr können allenfalls Schneereste am Wandfuss des oberen Teils ein Hindernis darstellen. Auch bei unserer spätherbstlichen Begehung war noch etwas vom Oktoberschnee übriggeblieben. Zwar liess sich der obere Wandfuss gut erreichen, nasse Finken und kalte Füsse gab es trotzdem.
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Am Einstieg zum oberen Wandteil, dem Risssystem ob dem Kletterer geht's entlang. |
SL 5, 45m, 6a+: Prima Risskletterei, die sich als eher schwieriger und anhaltender entpuppt als man vom Einstieg aus meinen könnte. Die anzuwendenden Techniken sind ziemlich abwechslungsreich, auf einem längeren Teilstück hilft dann aber nix anderes als ein kräftiger Piaz. Die Absicherung mit 6 BH ist vernünftig, man legt dazwischen aber jeweils gerne noch 1-2 zusätzliche Sicherungen.
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Zwischendurch mal kräftig piazen... so bewältigt man SL 5 (6a+). |
SL 6, 35m, 5c: Interessante Länge mit Wand- und Reibungskletterei. Nach dem zweiten BH ist die Rissspur zwingend nach rechts zu verlassen, geradeaus wird's gemüsig und schwer. Aber keine Angst, es kommen dann schon wieder BH. Als Bewertung fände ich hier 5c+ sicher passender.
SL 7, 25m, 5c+: Das am wenigsten attraktive Teilstück der Tour führt zwar meist über schönen und eher einfachen Fels, die Wandzone ist aber ziemlich geneigt und etwas grasdurchsetzt. Auch sehr direkt über die Haken geklettert warten hier keine besonderen Schwierigkeiten, 5c reicht als Bewertung sicher locker aus.
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Das ist bereits der Auftakt in SL 8 (6a+). Solche breite Risse können mühsam zu klettern sein - der hier ist es nicht. |
SL 8, 40m, 6a+: Nun geht's wieder in super Fels und eindrücklichem Gelände weiter. Ob dem breiten Piazriss schwant einem bereits Böses, die Kletterei entpuppt sich dann dank der griffigen Schuppe und einige Tritten als erstaunlich gängig. Die Schwierigkeiten beginnen denn auch erst gegen Ende der Seillänge hin, wo man in feiner Wandkletterei an kleinen Grifflein und auf Reibung in die Höhe tanzt - gut abgesichert aber ziemlich zwingend.
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Weiter oben in SL 8 (6a+) wartet dann feine Wandkletterei mit einem kleinen Runout. |
SL 9, 50m, 6b: Einfach eine Hammer-Granitseillänge! Vom Stand weg Go-Go-Gadget-o-Arm nach rechts in den Riss, und diesem griffig folgen bis unters Dächlein. Dieses zu unterqueren und zu übersteigen ist die Crux, was ich jetzt für 6b eher gutmütig fand. Doch damit nicht genug, über viele Meter geht es hier noch den griffigen Schuppen entlang weiter, einfach ein Traum.
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Christoph gerade in der Crux von SL 9 (6b). Einfache eine geniale Traumseillänge. |
SL 10, 35m, 6b+: Tolles Schlussbouquet über den nun bereits recht schmalen Südgrat. Etwas rechtshaltend haben die Erstbegeher eine eigenständige Linie gefunden. Mal etwas Reibung, dann und wann ein Riss oder ein Aufschwung mit griffiger Schuppe, der absolute Klettergenuss! Statt den Irniger-Stand am eigentlichen Routenende zu verwenden, kann man übrigens auch noch (schöne!) 10m weiterklettern und Stand am Muniring auf dem Gipfel des Turms machen.
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Die letzte Seillänge (SL 10, 6b+) in atemberaubender Position auf dem Südgrat und genial schön. |
Um 13.20 Uhr hatten wir das Ende der Ruska erreicht und mit 4:00 Stunden Kletterei unsere Marschtabelle um einiges unterboten. Das war jetzt wirklich ganz toll: erwartungsgemäss konnte ich alles problemlos klettern, die Absicherung war gut und die Route immer interessant mit vielen schönen Kletterstellen. Da wir noch Zeit hatten, lag auch der Weiterweg über den Südgrat noch gut drin. Diesen Klassiker hatte ich noch nie begangen, und wenn man vom Ende der Ruska über die folgenden 2 Türme weitersteigt, so nimmt man die Crux und weitere sehr schöne Meter mit. Und ob man vom Ende der Ruska zurück über die Route abseilt, oder vom Gipfel des Plattenturms über Salbitissima/Niedermann, oder gar vom Zwillingsturm über den Berner Blitz macht effektiv keinen grossen (Zeit-)Unterschied.
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Vom Ende der Ruska kann man gut noch ein Stück über den Südgrat weiterklettern. Christoph macht sich auf in die Crux. |
SL 11, 50m, 6a: Der Turm mit der Südgrat-Crux sieht attraktiv und auch gar nicht so einfach aus. Gut, die Schwierigkeiten liegen ja eher im Plaisir-Bereich, und so hatten wir im Vorfeld über die Möglichkeit einer Solo-Begehung des Grates sinniert. Aber ich muss sagen, dafür muss man doch etwas auf dem Kasten haben und mentale Stärke zeigen. Die Schlüsselstelle ist ja doch gehörig exponiert, ziemlich glatt und der Piaz unangenehm ausdrehend. Aber gut, im neusten Plaisir Selection ist das frei auch mit 6a bewertet, was durchaus hinkommen könnte.
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Das sind gerade die schwersten Moves am Salbit-Südgrat (6a frei, auch A0 möglich). |
SL 12-14, 100m, 4c: Nun sind es nominell noch 3-4 Seillängen bis auf den Plattenturm. Die Schwierigkeiten liegen meist im vierten und kurz im unteren fünften Grad, so zogen wir das gleich am langen Seil durch. Ist aber kein mühsamer Rampf und Pflichtaufgabe, sondern wunderschönes Moven, ein toller Abschluss. Hier und da mag ich (ohne Topo) nicht den einfachsten Weg erwischt haben, vor allem zuletzt zum Gipfel des Plattenturms, wo ich eine ziemlich steile, nicht ganz einfache Linie entlang einiger Schuppen (nicht alle davon fest) durch die NW-Wand gewählt habe, was aber doch auch gut ging.
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Büroarbeit ist auch wichtig - hier nun bereits beim Abseilen über die Salbitissima. |
Um 14.20 Uhr waren wir schliesslich beide oben auf dem Plattenturm. Nordseitig abseilend könnte man hier den Grat weiter über den Zwillingsturm und die Gipfelwand verfolgen. Ja nach Lust und Laune stünden hier nochmals einige schöne Seillänge bis zum Grad 6a+ zur Verfügung. Wir indessen hatten kein Schuhwerk für einen Fussabstieg dabei und folgten unserem Plan, über die SE-Wand abzuseilen. Dabei zieht man erst 4 Abseiler über die steile zweite Episode der Salbitissima (sieht super aus, ist aber mit bisher 7 Begehungen in 7 Jahren nicht überfrequentiert - dafür werde ich sicher hierher zurückkommen!). Vom Anfang der Salbitissima ist es dann ein 35m-Abseiler zu einem Muniring der Niedermann/Anderrüthi. Über grasdurchsetztes Gelände und schliesslich unter dem Klemmblock durch erreicht man mit weiteren 4 Manövern den Anfang der Route, der insgesamt 10. Abseiler bringt einen dann über Randkluft und ewigen Schnee hinweg retour zur Einstiegsterrasse der Ruska.
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Originelle Abseil-Passage in der Niedermann unter dem riesigen Klemmblock durch. Die Route selbst, naja... |
Glatt und ohne Verhänger war die Abseilerei verlaufen, ca. 1.5 Stunden sind dafür zu veranschlagen. Bei einem Vesper sortierten wir unser Material und machten uns auf den Weg ins Tal. War es am morgen noch zu dämmerig, um die Gegend in der vollen Farbenpracht zu bestaunen, so konnten wir uns nun an den immergrünen Tannen, den goldgelben Lärchen und roten Heidelbeerbüschen ergötzen. Die goldenen Oktobertage sind halt einfach die schönste Jahreszeit in den Bergen, das zudem dann auch fast menschenleer ist. Den einen oder anderen Stopp für Heidelbeeren à discretion liessen wir uns nicht nehmen. Trotzdem ging es zügig talwärts, nach 1:30 Stunden Abstieg schloss sich der Kreis um 17.40 Uhr im Göschener Tal.
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Nach der Kletterei wartet noch ein langer Abstieg ins Tal, die schönen Herbstfarben und die vielen Beeren versüssen die Pflicht. |
Facts
Salbit - Ruska 6b+ (6a+ obl.) - 10 SL, 380m - B. & K. Müller, D. Arnold 2004 - ****; xxx
Material: 12 Express, Camalots 0.3-2, Keile nicht nötig
Sehr schöne Kletterei, eher eine leichtere Sportklettertour als Plaisir. Die Route ist abwechslungsreich, von Reibung über Wandkletterei zu einer guten Portion an Rissen und Schuppen ist alles dabei. Der Fels ist dabei ein perfekter Granit. Vielleicht ist die Tour nicht ganz so stimmungsvoll wie die Routen am Turm 2 des Westgrats, dennoch darf man sie zu den besten Wandklettereien am Salbit zählen. Die Absicherung mit überlegt platzierten BH ist prima ausgefallen. Überall wo zur Sicherung oder Wegweisung nötig steckt immer ein Silberling. Dazwischen kann man hier und da noch mit einem Satz Friends ergänzen, wer den Grad gut drauf hat, muss aber nicht allzu viel legen. Einige plattige Passagen wollen auch zwingend geklettert werden, so dass durchaus ein gewisses Kletterkönnen vonnöten ist, um zum Ausstieg zu kommen.
Topo
Die Skizze aus dem empfehlenswerten Führer 'Salbit Erleben' kann auf salbit.ch runtergeladen werden:
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