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Freitag, 28. Mai 2021

Topoguide Kletterführer Korsika

Inzwischen sieht es so aus, als ob wir für die Sommer- und Herbstferien tatsächlich wieder an etwas weiter entfernte Ferienziele denken könnten - jedenfalls alle diejenigen ohne minderjährige Kinder. Ein Ziel, das ich bisher noch nie besucht habe, ist Korsika. Gerade als MSL-Kletterer soll es da manch eine Perle zu entdecken geben und auch sonst punktet die Insel mit ihrer wilden Schönheit. Erleichtert wird die Planung von Reise und Kletterei ganz sicher mit dem Kletterführer Korsika von Topoguide. Autor Volker Roth hat mir ein Exemplar der Neuauflage von 2020 zugesandt mit der Bitte, hier eine Präsentation zu machen, vielen herzlichen Dank dafür!


Im Buch werden über 100 Routen auf 256 Seiten ausführlich vorgestellt. Wie immer hat der Autor alle Routen selber geklettert, ein präzises Topo erstellt, zudem gibt es eine Übersichtskarte und alle nützlichen "How to"-Tipps. First-Hand-Info ist auf Korsika bestimmt sehr hilfreich, denn einerseits ist das Gelände viel weniger erschlossen als in den Alpen, aufgrund der dichten Macchia sehr unübersichtlich und wie mir Volker versichert hat, gelten dort 'eigene Gesetze', so dass man über etwas Starthilfe durchaus froh ist. Von kurzen Plaisirtouren in Strassennähe bis zu längeren, halb-alpinen Unternehmungen mit längeren Zu- und Abstiegen wird die ganze Bandbreite an Touren abgedeckt, der Schwerpunkt liegt dabei im sechsten Franzosengrad. Einzelne Touren sind in freier Kletterei vielleicht auch noch etwas schwieriger, diese Stellen werden aber in der Regel als A0 oder A1 und ohne freie Bewertung aufgeführt - ein Vorgehen, mit dem ich persönlich jetzt nicht ganz einverstanden bin, so dass man die nötigen Angaben halt anderswo beschaffen muss. Was mir persönlich auch noch fehlt für einen Korsika-Trip ist eine Übersicht über die lohnendsten Sportklettergebiete. Immer kann man ja nicht auf MSL gehen... Diese Lücke zeigt aber auch gleich auf, wie viel Wert ein gut recherchierter Führer ist - man erspart sich so viel Zeit, Arbeit und möglicherweise auch Ärger. Von daher gesehen sind die 48.95 Euro (+7 Euro Versandgebühr in die CH) ganz sicher sehr gut investiertes Geld für jeden, der mit MSL-Absichten nach Korsika reist. Bestellen kann man direkt beim Autor im Webshop.

Samstag, 22. Mai 2021

Frühlingsklettern im Tessin 2021

Tja, die Landesgrenzen sind durch die Pandemie für Klettertrips eher schwierig oder mit Testerei und Quarantäne zumindest aufwändig zu überwindende Hindernisse geworden. Somit war es für unseren Oster- und Frühlingstrip gesetzt, dass wir an Schweizer Felsen klettern würden - was ja auch kein Problem darstellt, da es mehr als genug 'Material' gibt und man dank den verschiedenen Klimazonen auch fast jederzeit ein trockenes Plätzchen findet. Schliesslich ging es 2x ins Tessin, wettertechnisch begünstigt und ein grosser Fan dieser Gneisfelsen bin ich sowieso. Beide Male quartierten wir uns im Maggiatal in einem Rustico ein.

Für den Ostertrip entschieden wir uns 9 Tage im Voraus, nachdem die Langzeit-Prognosen für den Süden eine bessere Perspektive gaben. Gar nicht einmal so einfach war es, zu diesem Zeitpunkt noch eine Unterkunft zu finden - naja in den teuren Hotels vielleicht schon, weniger aber für eine günstige und gut gelegene Ferienwohnung. Tja, die Effekte der Pandemie eben. Vor dem Aufbruch änderten sich die Wetterprognosen dann aber drastisch, ja es schien gar zwischendurch, dass zuhause bleiben vielleicht die bessere Lösung für das vertikale Programm wäre. Doch das war ein Sturm im Wasserglas, Ostern war schliesslich geprägt von warmem, trockenem und schönem Wetter. Umso besser, aber zum Klettern war eher Schattenjagd angesagt. 

Giumaglio im Maggiatal, hübsches Dörfchen mit alten Steinbauten und Felsen gleich nebenan.

Für die Frühlingsferien entschieden wir uns dann schon gleich nach Ostern, um Zugriff auf das begehrte Rustico zu haben. So weit im Voraus machen wir wetterabhängige Felsfreaks das sonst nie - und prompt verhiess die Prognose schliesslich eine komplett verregnete Woche. Naja, es kam schlussendlich deutlich besser: erst 5 trockene Tage bei zwar trübem Himmel, dafür uneingeschränkter Sektorenauswahl. An den folgenden 2 Regentage verlegten wir die Aktivität in die überhängenden Gebiete, erst auf der Heimreise ergaben wir uns mit einer Indoor-Bouldersession. Einen chronologischen Abriss über diese Trips mag ich hier nicht geben, nachfolgend ein paar Worte zu besuchten Gebieten und gekletterten Routen.

Giumaglio - Falesia del Picchone & Fiume

Hier waren wir daheim, per Zufall als Nachbarn von Erschliesser-Legende Egon Bernasconi. Das erklärt, warum es rund um das Dorf hier und da ein paar verstreute, anspruchsvolle Routen und Boulder gibt. Auf Streifzügen gab es also einiges zu entdecken, schliesslich fokussierte ich mich auf die Bullah Bro (8a), keine 2 Minuten von unserer Unterkunft entfernt - schon ein Privileg, die harten Moves so nahe zu haben. Dafür aber gar nicht einfach für das Session Planning! Gut half mir Home bzw. Distance Office dabei, manchmal nur die entsprechend kurzen Zeitfenster für einen Go an dieser Route zur Verfügung zu haben - wobei mir schliesslich erst im zweiten Trip bei kühlen Bedingungen der Durchstieg gelang. 

Akteur mit Pokal ;-) nach dem Durchstieg der Bullah Bro (8a).

Nicht von Egon eingerichtet wurde der einfache Plattensektor, die Falesia del Picchone. Hier gibt es knapp 25 geneigte Routen im Plaisirbereich (4c-6a+). Der Zustieg aus dem Dorf ist in 10-15 Minuten erledigt, auch hier konnten wir also noch rasch auf einen Plausch vorbei, wobei jeweils vor allem die Kinder kletterten und vorstiegen. Der ganze Sektor ist super mit Inoxmaterial abgesichert, wobei fast jede Route nebst einfacherem Terrain eine Einzelstelle bereithält, welche für Kleingewachsene oft nicht einfach ist, öfters auch in Sachen Haken klippen. Und auch ein wenig gleichförmig-austauschbar dünkten mich die Routen, doch vielleicht liegt diese Wahrnehmung auch einfach an mir, der hier mehr oder weniger überall ohne gross zu überlegen hochspazieren kann.

Cevio - Geisha Wall, Goldensciauar & Hauptwand

Nebst den vielen Felsen besteht die Attraktion in Cevio aus dem Pumptrack, wirklich eine sehr gelungene Sache, wo wir auch viele Stunden verbrachten! Somit stiess ein Ausflug zum Klettern ins Tal hinein immer auf Wohlwollen. 3x waren wir an der Geisha Wall, die wir bereits auf früheren Trips (1,2) lieb gewonnen hatten. Im Frühling 2021 waren fast alle Routen trocken - gut so, denn an Ostern war es hier ganz schön voll, ein untrüglicher Beleg für die Qualität des Gebiets. Aber im Bereich 6a-8b wird einem hier fast jeder Wunsch erfüllt, wobei es sowohl vertikale bis leicht überhängende, typische Tessiner Wandklettereien gibt wie auch stärker überhängende, athletische Bolzertouren - bei bester Felsqualität notabene. Einzig die lange drückende Nässe kann den Spass vergällen und einen grossen Teil der Routen unpraktikabel machen, am besten also nur nach Trockenperioden aufkreuzen. Ins Täschchen gingen mir dieses Mal neben ein paar einfacheren Touren Toro Loco (7b+), Culo di Piombo (7b), Mr. Seitan (7b+), L'oca Bucata (7b), Master Tacos (7c), Detox (7a) und Cantina Ümida (7a)

Geisha Walls - an diesem Tag ganz für uns (war aber nicht immer so...).

Ebenfalls in den letzten Jahren wurde der Sektor Goldensciauar erschlossen. Er liegt nur 2-3 Minuten ob der Kirche in Cevio in problemloser Gehdistanz vom Pumptrack, ideal für eine After-Work-Kombisession - sofern man auf gute Bedingungen trifft. Im Frühling und nach Regenperioden fliesst nämlich ein Wasserfall über die Wand, welcher zumindest bei Wind manch eine Route benetzt. Bei ruhigen Verhältnissen kann man hingegen einige Routen auch klettern, wenn der Wasserfall "in Betrieb" ist. Auf einem Kurztrip machten wir Insert Coin (6c) und Sottosopra (7a), welche auf dem exponierten, über Fixseile zu erreichenden Balkon liegen und coole Henkelkletterei bieten. Auch in der Si era Black Coit (7a+) gibt's manch grossen, sloprigen Topf zu halten und durch die weit überhängende Wand zu moven, super! 

Das ist das Foto vom Goldensciauar - ja ehrlich, die Felsen sind am oberen Bildrand tatsächlich zu sehen :-) Aber na gut, ich gebe es zu, am Fels haben wir keine Fotos gemacht und eines vom Pumptrack darf in diesem Beitrag auch nicht fehlen.

Einen regnerischen Tag zum Ende der Frühlingsferien verbrachten wir dann noch an der regensicheren Hauptwand - wobei ja, die Regentropfen benetzen die Wand nicht, von innen drückt es auch nicht, aber der neblige Moder und die am Fels kondensierende Feuchtigkeit sorgten dennoch für extrem glibbrige Verhältnisse. Ja, man hätte sagen können "katastrophal" und sich wieder in die heimische Stube verziehen können. Aber so bin ich nicht gestrickt, ich nahm die Challenge an und versuchte nach (heftigem) Aufwärmen in L1 von Crescendo (6c) und Ederinik (7a+) den Punkt in Il Buco (7c) zu holen. Eine total fiese Route für solche Bedingungen, an seichten Löchern und schlechten Leisten movt man über 5 Haken hart, um dann an übel-rutschigen Slopern den finalen Rausschmeisser zu klettern, der einen in die zweite Hälfte mit pumpiger Ausdauerkletterei befördert. Fast, fast wäre es gelungen, doch leider zippten die Finger doch unvermittelt vom extrem seifigen Griff - klassisches Dryfire, die Kraft wäre da gewesen... stellt sich nun die Frage, ob das eine verschenkte Onsight-Opportunity war/ist... wobei ich vermute eher nein.

Die Hauptwand von Cevio bei 100% Luftfeuchtigkeit.

Avegno - Underzero, Zufolo & Zio Fiasco

In Avegno kann man nicht nur Plattenklettern, nein in den letzten Jahren entstand hier ein veritables Hardmover-Paradies am Fuss der hohen Wand von Torbeccio. Der Sektor Zio Fiasco war schon seit einigen Jahren publiziert, es kamen aber auch hier nochmals etliche Neutouren hinzu. Hier hatten wir uns schon früher vergnügt, ja einmal gar in den Häusern unterhalb residiert (Steinbauten mit eher rudimentärem Komfort, eher teuer, keine Autozufahrt, dafür geniale Lage). Nebst den schon früher genossenen Perlen kamen die beiden langen Schwesterrouten Ueli Speck (7b+) und Malbuner (7b) neu auf die Ticklist - beide mit kräftig-fieser Abschlusscrux auf luftigen 32-35m Höhe. Auf den Eintrag weiter warten muss hingegen die namensgebende Zio Fiasco (7c). Hier hatte ich schon früher einmal probiert, bis die Beta wieder sass, waren Kraft und noch viel mehr die Haut definitiv alle.

In Bildmitte der Sektor Zio Fiasco, die Sonne bescheint die Wand bis ca. 14.00 Uhr.

Von den weiter links gelegenen Sektoren hatte man als Insider in den letzten Jahren munkeln gehört, die Tessiner behielten aber diese Perle wohlweislich für sich, zumindest was eine Topo-Publikation angeht. Wie immer, wenn Geheimhaltung herrscht, kann es kein Schrottgebiet sein und so waren wir auch sehr gespannt auf unseren ersten Kletterbesuch an diesem Stück Fels. Die gut 50 Touren bieten einen Mix von kräftiger, deutlich überhängender Wandkletterei an Untergriffen und sonstigen, höchst faszinierenden Felsformationen, zu 'normaler' überhängender Wandkletterei bis hin zu positiv geneigten, technischen Testpieces. Il Masso del Granchio (7c), Pistöia (7b+), Epitaph (7b+), Schizoid (7a), Back to Black (7a+), Nimbus (7a+), Poseidon (7a) und Dancer (6b) bieten eben ziemlich genau diesen erwähnten Mix an Stilen und boten höchst exquisites Vergnügen - und noch manch eine attraktive Linie wartet für den nächsten Besuch.

Im Sektor Underzero - da gibt's mit diesem Foto keine Zweifel - geht's zur Sache.

Ponte Brolla Ost

Ja, hier haben wir schon manch einen Klettertag verbracht, aber es gibt immer noch zu tun und so bald wird sich das auch nicht ändern, ja einige Knacknüsse werden vielleicht auch für immer ungepunktet bleiben. Auf der Anreise beim ersten Trip widmeten wir uns vor allem einigen erst kürzlich erschlossenen Routen, z.B. der zähen Bonzay (6c), der Lek Attak (7b) mit ihrem bitteren Abschlussboulder, der kurzen Bamelo (6c) und der genialen Déja vu on the rise (6b+), welche ihre vier Sterne im neuen SAC-Führer wirklich verdient hat. Ein grosser Erfolg war der Onsight in der Outback (7c), nachdem die Route bereits perfekt mit verlängerten Exen präpariert war. Ohne diesen Luxus sind die ätzend sitzenden Bolts mühsam zu klippen, so dass man entweder substanzielle Kraftreserven mitbringen muss oder sie dann zu übersteigen hat, was bei Nichtbeherrschen jedoch ziemlich unangenehme Stürze zur Folge haben könnte.

Das ist sie, die markante überhängende Kante der Schattenjagd (8a)

Den zweiten Besuch gab's am letzten Outdoor-Klettertag beim zweiten Trip. Zu diesem Zeitpunkt hatte es schon fast 48h geregnet, aber einige Touren waren auch da noch trocken und kletterbar. Ganz so glibberig wie am Tag zuvor in Cevio waren die Verhältnisse generell nicht, aber von Topbedingungen waren wir so natürlich trotzdem weit weg. Für (wieder einmal) eine Begehung der Occidente (7a+) reichte es, die benachbarte No Riss, no Fun (7b+) ging auch knapp, obwohl in der Cruxsektion an einem entscheidenden Untergriff die Feuchtigkeit kondensiert hatte. Die restlichen Kräfte wurden dann in der Schattenjagd (8a) verpulvert. Tja, diese bekannteste und begehrteste 8a der Schweiz sollte ich eigentlich schon auch einmal ernsthaft im Projektmodus angehen. Nur alle 2-3 Jahre einmal 1-2 Go's zu geben reicht mir bei dieser ausdauerkräftigen Tour nicht für den Durchstieg, auch wenn das mit entsprechend Strom natürlich zu machen ist. Und sicherlich geht's bei grippig-kühlen Nordföhn-Bedingungen deutlich besser wie an diesem Tag mit durchfeuchteter Magnesia-Pappe auf den Griffen :-)

A-Lègri

Diesen Artikel schliesse ich mit dem erst kürzlich erschlossenen Gebiet bei Lodrino, das wir auf der Anreise zum zweiten Trip besucht hatten. Hier waren wir jeweils auf der Anreise zur Parete Val d'Iragna vorbeigekommen und hatten schon einen Blick auf die Felsen geworfen - nun wollten wir das erste Mal Hand anlegen. Es ist zu erwähnen, dass dies nur nach trockenen Perioden Sinn macht, sonst trifft man hier bestimmt länger auf drückende Feuchtigkeit. Dies verursacht auch, dass es in gewissen Routen noch brösmelet - wobei dieser Umstand jetzt mit der Publikation im Führer und zunehmender Frequentierung sicher besser. Den Auftakt machte ich mit der Clean-Route Medicina Tradizionale (6b). Diese ist recht ernsthaft, an den schwierigsten Stellen kann man nicht so gut legen und muss zwingend das Selbstvertrauen für einen Runout in wieder einfacheres Gelände mitbringen. Mit einem Satz Keilen und Cams 0.2-3 war ich auch eher knapp bestückt... das Originaltopo empfiehlt denn auch einen Doppelsatz an Cams dieser Grössen. Gleich nebenan kann man in Bordalen (7a) beruhigter Steigen, vor allem auch weil die Schwierigkeit nur in einer kurzen, leistigen Stelle besteht. Super gefallen hat mir S-3 Stout (7b), die erst mit recht kniffliger Risskletterei aufwartet und dann eine athletische Sektion mit total genialer Sequenz offeriert. Versucht habe ich auch die Inox Apologies (7c), die mit lässigen Bewegungsproblemen entlang einer Verschneidung startet, oben erst rissig wird und dann mit einem gewaltigen Dynamo aufwartet. Leider war der Riss noch feucht, was es nicht einfacher machte, den nötigen Schub für diesen Jump zu holen... wirklich ein Move wie in der Boulderhalle - nächstes Mal dann!

Blick auf den cleanen Riss der Medicina Tradizionale (6b), der nicht überall perfekt zu sichern ist.

In der Bordalen (7a) können die Klemmgeräte am Einstieg bleiben - und sie finden da alle Platz :-)

Team Herkulis hat sich selbständig betätigt, hier in der Siate AlLegri (6b+).

Mittwoch, 19. Mai 2021

Schweiz Plaisir Ost 2021

Brandneu erschienen ist der Plaisir Ost, Ausgabe 2021 - und dies mit vielen Neuerungen gegenüber der letzten Auflage von 2015. Ich konnte den Autor Sandro von Känel hier und da mit Tipps und Updates behilflich sein, zudem fliessen 2% des Erlöses aus dem Kletterführer in die Kassen von Eastbolt, kommen also Sanierungen zu Gute. Grund genug, hier eine kurze Präsentation des Werks zu machen.


Nicht mehr enthalten sind zwar die Gebiete am Furka- und Sustenpass, welche fortan im Plaisir West, Band 1 beschrieben werden. Dies wird aber mehr als aufgewogen durch die Aufnahme vieler lohnender Gebiete in der Zentral- und Ostschweiz. Die wichtigsten Neuerungen im Vergleich zur letzten Auflage auf einen Blick:

- Melchsee-Frutt & Barglen mit vielen Neutouren
- Holzegg, der beliebte und sonnige Klettergarten
- Nollen Erstfeld, leicht zugänglich, mit Neutouren
- Kröntenhütte, mehrere Klettergärten und viele MSL
- Salbit, hier wurden einige Traumtouren saniert
- Sandbalm und -platte, war schon immer gut!
- Griesstal, Klettergärten deluxe, super Gebiet!
- Gotthard, z.B. Valletta oder Placche di Marmotte
- Plattenkreuz & Plattenwand, mit extrakurzem Zustieg
- St. Jöri, Henkelkletterei, neu saniert und erweitert
- Matlusch Sunnegg, ein komplett neuer, sonniger Sektor
- Schafbergwand, (fast) alles links & rechts vom Sandührliweg
- Äscher, Zisler & Gartenalp über hundert neuen Routen
- Burschlwand, (fast) ganzjährig bekletterbare MSL in Ö

Mehr als genug gibt es also zu tun für die nächsten Jahre :-) Wie gewohnt punktet der Plaisir Ost mit übersichtlichen Topos, präzisen Beschreibungen, sauberer Illustration und schönen Fotos und erhält damit das Prädikat 'unverzichtbar' für alle, die in der Ostschweiz klettern (nur schon für die Griesstal-Sektoren auf der Göscheneralp lohnt sich die Anschaffung auch für Kletterer, die mehr im 'Extrem'-Bereich unterwegs sind). Ein kleiner Wermutstropfen aus meiner Sicht ist die teilweise unvollständige Beschreibung gewisser Gebiete (bzw. Sektoren oder Routen) - so z.B. an der Schafbergwand, wo man z.B. für die aus meiner Sicht absolut plaisirtauglichen Route 66, Ungläubiger Michael & Hoi Du (die letzten beiden frisch saniert) und weitere Touren nur auf einen angedeuteten Routenverlauf zugreifen kann und keine Infos zum benötigten Material vorfindet. Bzw. wird ganz generell die Grenze zwischen Plaisir (beschrieben) und Extrem (ohne Name/Details angedeutet) etwas inkonsistent gezogen. Dieser Aspekt schmälert diesen sehr gelungenen Führer aber nur wenig - herzliche Gratulation und besten Dank Sandro zu/für dieses Werk und deine unermüdliche Arbeit.

Sonntag, 9. Mai 2021

Plattenwand - Züri Metzgete (7b) & Railway to Züri (7c)

News von der Plattenwand! Noch kurz vor dem Winter konnte mit der 'Züri Metzgete' (7b) eine Neutour zwischen 'Need more Speed' (8a) und 'Alter Riss' (6a+) einrichten. Die Idee für eine Route in dieser Lücke bestand schon länger, erst richtig möglich wurde sie, nachdem die Forstbehörden zwei Bäume am Wandfuss gefällt hatten. Mein Projekt wurde es, nachdem mir Plattenwand-Erschliesser und -Hausmeister Dietmar diese Linie grosszügig überlassen hatte, vielen herzlichen Dank dafür! 'Züri Metzgete' beginnt mit einem Mantle auf das initiale Podest, dann geht's mit einer längeren, kräftig-überhängenden Boulderstelle gleich richtig zur Sache. Eine gute Schuppe erlaubt danach ein Durchschnaufen, bevor es etwas einfacher, aber mit beständig technisch-kniffligen Moves in oft etwas abschüssigem Gelände zum Umlenker geht.

Das obere kleine Bild ist von der Erstbegehung der 'Züri Metzgete' und hab Anlass zum Namen. Damals im November habe ich es im Rausch und mit kalten Fingern erst gemerkt, nachdem ich den Umlenker geklippt hatte. Passend zur Route floss auch bei der Erstbegehung der 'Railway to Züri' wieder Blut - da war die blutrote Farbe zur Anschrift des Routennamens ja schon fast Pflicht ;-)

Eine Idee musste ich über den Winter mit mir herumtragen, nämlich einen Link von der 'Need more Speed' über ein offensichtliches Rail direkt zur Crux der 'Züri Metzgete' zu klettern. Nachdem die Plattenwand nun nach Ende Winter wieder grösstmehrheitlich trocken ist und die Temperaturen eine angenehme Session erlauben, wurde auch dieses Projekt zur Realität. Fordernd geht's mit dynamischen Moves hinauf zum dritten BH der 'Need more Speed', gefolgt von der fast campusartigen Traverse über das erstaunlich gutgriffige Rail und dann direkt in die kräftig-leistige Bouldercrux der 'Züri Metzgete' zum Rastpunkt an der Schuppe, gefolgt vom etwas einfacheren Ausstieg. Die Anzahl an "harten" Moves bis zum Schüttler ist +/- vergleichbar mit der 'Need more Speed'. Ich denke aber, der Link mit dem Namen 'Railway to Züri' ist schon einfacher zu haben, deshalb könnte 7c (im Vergleich zur 8a der 'Need more Speed') ein passender Grad sein.

Herbstliches Stimmungsbild vom Sektor und der Route - gestern bei der Begehung vom 'Railway' herrschte mit viel Sonnenschein (in der ersten Tageshälfte) und föhnbedingter Wärme mit Temperaturen von gegen 30 Grad eine ganz andere Atmosphäre, der  Grip war aber sobald der Schatten kam prima.

Ob dieser Link auch Sinn macht, ist natürlich eine andere Frage - wobei man die Sinnfrage beim Klettern ja ganz generell stellen kann, daher lautet meine Antwort ja. Mir hat's auf jeden Fall Spass gemacht, ich fand es ein lässiges Projekt und ein paar zuvor noch von keiner Menschenhand je berührte Griffe habe ich sogar auch benutzt. Haken hingegen habe ich für den Link keine gesetzt. Es ist ja sowieso ein kontroverses Thema, ob man für solche Kombis zusätzlich bohren soll und im Rahmen der Plattenwand sind wir nach Diskussion zum Entschluss gekommen, generell darauf zu verzichten. Zudem geht es hier ohne: auf den ersten Blick wirkt die Traverse vielleicht etwas scary, aber der Sturz selbst von ganz drüben in der Querung geht ins Leere und ist unproblematisch, ich habe es vorsichtig rantastend getestet. Trotzdem, seid vorsichtig, es gibt einen ordentlichen Pendler und der Boden ist nicht so weit weg, die Sicherungsperson muss erfahren und wachsam sein. Zum problemlosen Klippen und aus Seilzuggründen hilft es übrigens, den dritten BH der 'Züri Metzgete' mit einer (zur Fixexe) zusätzlichen Exe auszustatten.

Topo-Ausschnitt, der die neuen Routen und die bestehenden, benachbarten zeigt.

Donnerstag, 6. Mai 2021

Auf einen Kaffee mit...

Nach dem Artikel über das Eisklettern im Tages-Anzeiger war die Pressestelle meines Arbeitgebers auf mich, bzw. mein Hobby aufmerksam geworden. Ich wurde daher für ein Interview im Rahmen der Reihe "Persönlich" im internen Mitarbeiter-Magazin angefragt, welches ich nun auch hier in einer extended-Version publizieren darf. Die Fragen (und auch die Antworten) sind eher auf Laien wie auf Bergsportler zugeschnitten, aber vielleicht finden auch die Blog-Leser hier lesenswerte Unterhaltung. 

Guten Morgen Marcel, wie trinkst du deinen Kaffee?

Wenn ich jetzt die freie Wahl hätte, dann wäre es ein richtiger italienischer Cappuccino – am liebsten natürlich vor Ort, nach einem Tag am Fels, beispielsweise in Ligurien oder am Gardasee. Oder dann beim Klettern, im Klettergarten haben mir jeweils einen Gaskocher und die Bialetti dabei und brauen uns einen Schwarzen, den wir dann mit Kondensmilch geniessen, um für eine harte Route parat zu sein, mmmh!

Nicht mehr ganz von heute (oder gestern), aber Kaffeetrinken beim oder nach dem Klettern hat Tradition!

Du bist ja ein passionierter Kletterer. Wie ist es dazu gekommen?

Es ist sicher etwas, das schon immer in mir steckte. Wohlgemerkt ist aber niemand aus meiner Familie jemals klettern gegangen. Ich habe dann schon mit 10, 11 Jahren begonnen, auf eigene Faust steile Abhänge und Felsen in meiner Umgebung zu erkunden, zu besteigen und zu kartieren. Dabei ist das Zürcher Oberland, wo ich aufgewachsen bin, gar nicht geeignet für die Kletterei, da der Fels meist brüchig ist. Aber meine Kollegen und mich hat das nicht aufgehalten. Wir sind hinaufgestiegen, wo wir es uns zugetraut haben. Für den Weg zurück haben wir wo nötig ein "Seil" (eher eine Wäscheleine) verwendet und dabei Bauchbremse und Dülfersitz selber "erfunden". Eine eher wilde Sache, meist ziemlich abenteuerlich und wir haben es für uns behalten, was wir da genau gemacht haben. Das war der Anfang.

Und wie ging es weiter?

Mit 14 oder 15 Jahren – ich war damals im Gymi – fuhren wir mit dem Zug nach Süden in ein Klassenlager. Aus dem Reusstal hatten wir imposante Sicht auf den Bristen und ich äusserte mich beiläufig, dass ich dort nun am liebsten gleich raufsteigen möchte. Das machte einen Kollegen aufmerksam, mit dem ich bis anhin nicht viel zu tun hatte. Er meinte, das würde ihm auch gefallen, sein Vater sei Bergsteiger und wir könnten diesen Berg mit ihm machen. Eine Tour ergab sich dann wenige Wochen später, doch statt auf den Bristen ging es gleich auf die Überschreitung von Lenzspitze und Nadelhorn, das sind zwei Viertausender im Wallis. Eigentlich eine ziemlich verrückte Sache, aber es klappte alles, ich war begeistert und mir wurde klar, dass ich mit dieser 'richtigen' Art der Kletterei weitermachen will. Folglich bin ich dann eine Woche in ein J+S-Lager gegangen, um die Grundlagen zu lernen. Von da an war ich selbständig unterwegs, anfangs meist mit dem erwähnten Kollegen. Auch den Bristen haben wir später nachgeholt.

Das ist noch länger her... auf meiner ersten, "richtigen" Tour in der Lenzspitze-Nordwand.

Du hast selbst Kinder. Wird die Kletterei nun doch weitergegeben in der Familie?

Ja, unsere Kinder klettern ziemlich gerne und für ihr Alter auch ziemlich stark. Das hat sich fast von selbst ergeben. Meine Frau ist ebenfalls passionierte Kletterin und so sind die Kinder bereits an Felsen und in der Halle an Plastikgriffen herumgekrabbelt, bevor sie richtig laufen konnten. Heute ist es aber auch ohne kletternde Eltern viel einfacher, zu diesem Sport zu kommen. Kaum ein Kind ist noch nicht in der Kletterhalle gewesen und wenn es einem gefällt, findet man da viel einfacher als früher die Möglichkeit, diese Aktivität zu betreiben. 

Wie stehst du zu Kletterhallen? Sind die nicht etwas verpönt bei «richtigen» Kletterern?

So darf man das nicht sagen. Für mich ist Klettern schon etwas, das sich idealerweise am Fels und noch besser in den Bergen, in wilder Umgebung abspielt. Eine Kletterhalle kann das nicht bieten und ist somit vom Erlebnis her nicht ganz das Wahre. Trotzdem bin ich doch recht häufig indoor anzutreffen, denn die Vorteile sind nicht von der Hand zu weisen: Erreichbarkeit, Zeitrahmen, Wetterunabhängigkeit, zudem ist auch der soziale Aspekt nicht zu vernachlässigen. So macht es mir durchaus Spass, an einem Winterabend mit Freunden und Bekannten an Plastikgriffen zu ziehen, sich gegenseitig zu motivieren und sich auszutauschen. Aber in der Natur ist die Kletterei deutlich vielfältiger. Es gibt viel mehr Möglichkeiten, eine Route zu lösen. Es ist mehr Tüftelei dahinter als in der Halle, wo es meist nur wenige Freiheitsgrade gibt und man sich an dem ausrichten muss, was sich der schraubende Mensch ausgedacht hat.

Die Maske verrät es, dieses Bild ist wirklich aktuell - leichtfüssig zu bleiben, schadet auch im Alter nicht!

Tüftelei gefällt dir als Ingenieur natürlich…

Ja, das hat durchaus Parallelen. Man steht vor einem Problem und versucht es zu lösen. Manchmal denkt man erst, es sei unmöglich und plötzlich findet man einen Kniff und es geht doch. Danach versucht man zu optimieren, Ziel ist grösstmögliche Effizienz und die Ausnutzung der persönlichen Stärken, bzw. das Vermeiden von "Moves", die man persönlich weniger gut kann. Denn die Aufgabe beim Sportklettern lautet immer, die Route am Stück durchzusteigen, ohne eine Erholungspause im Seil hängend machen zu müssen. Selbst bei bestehenden Routen, wo die Haken schon vorhanden sind, muss man sich für einen Ablauf entscheiden. Noch kreativer es, wenn ich selber neue Routen erschliesse. Da findet man quasi eine komplett blanke Leinwand vor. Dieser Aspekt fasziniert mich besonders.

Hast du konkrete Kletterziele, die du noch erreichen willst?

Naja, ich bin inzwischen in einem Alter und so lange in diesem Sport, dass es sehr herausfordernd ist, noch neue persönliche Bestmarken in Sachen Schwierigkeit zu erreichen und die Qualifikation für die Olympischen Spiele schaffe ich «vermutlich» auch nicht mehr. Aber ja, die Liste mit Routen, die ich noch gerne machen würde, ist ellenlang. Ein 'richtiger' Kletterer hat immer da Projekte, dort Projekte, ja überall und für jede Situation Ideen im Kopf. Was aber genau zur Realisierung kommt, hängt oft von äusseren Faktoren (Wetter, Bedingungen, Partner, …) ab - spielt aber auch keine so grosse Rolle, da ja alles Wunschziele sind und man (zumindest ich) im Vornhinein auch nicht so genau sagen kann, womit man schlussendlich am meisten Erlebnis und Freude hat. Fokussierter bin ich dann, wenn es darum geht, selber neue Routen einzurichten. Da habe ich bestimmte Projekte, die 'in Arbeit' sind. Die will ich auf jeden Fall fertigstellen. Dazu fühle ich mich auch ein wenig verpflichtet.

Ca. 40 Wendenrouten geklettert, ca. 100 gibt es --> also noch 60 Projekte :-)

Es hat dich aber niemand damit beauftragt?

Nein, zum Glück nicht, zu "müssen" würde der Sache dann auch wieder den Reiz nehmen. Es ist ein Privileg, es macht mir viel Spass und ich möchte auch keine unvollendeten Baustellen zurücklassen. Schliesslich ist Routen einrichten ein Geben und Nehmen. Ich nehme mir die Freiheit, ein Projekt für eine neue Route zu starten. Wenn ich irgendwo meine Haken in den Fels geschlagen habe, kann an diesem Ort niemand mehr seine eigene Linie legen. Man konsumiert also eine Ressource, spricht nimmt der Allgemeinheit vom noch vorhandenen Felspotenzial weg. Ich finde, das verpflichtet einen dann auch, qualitativ hochwertig zu erschliessen, sprich das Bestmögliche daraus zu machen und etwas Gelungenes zu hinterlassen, so dass hoffentlich viel weitere Kletterer Freude an der Tour haben werden.