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Freitag, 24. Oktober 2025

Rätikon / Schweizereck - Parabol (7c+)

Ein Bericht von der Recherchearbeit für den Rätikonführer: bei der hier beschriebenen Kletterei handelt es sich um eine der zahlreichen Routen im Gebiet, welche bis dato nie in gedruckter Literatur dokumentiert wurden, deshalb kaum bekannt sind und noch fast nie begangen wurden. Dies bescherte uns eine spannende Entdeckungsreise dieses Werks, welches von zwei Exponenten an die Wand gezaubert wurde, die sich in der Comp-Szene einen Namen gemacht haben. Eingebohrt schon anno 2001 von Urs Stöcker, fertiggestellt erst im 2018 von Dirk Uhlig, gepunktet von letzterem im August 2020.

Die Wand vom Schweizereck im Abendglühen. Start- und Endpunkt von Parabol sind markiert. Für den genauen Routenverlauf und auch ein schematisches Topo verweise ich auf die neue Ausgabe vom Rätikonführer im Panico-Alpinverlag, welche voraussichtlich auf die Saison 2026 erscheint. Ein bisschen ein schlechtes Gewissen habe ich ja schon, diese schönen Dokumente nicht gleich zu teilen. Andererseits lässt sich die Route mit den in diesem Beitrag vermittelten Infos problemlos begehen. Wir wussten bei unserem Go einzig die Bewertungen der Seillängen und den ungefähren Startpunkt, was noch viel weniger ist, als hier steht.

Angie weilte bereits oben im Rätikon, also fuhr ich mit meinem Bike auf's Grüscher Älpli (wohlgemerkt nicht von daheim) und wir liefen hinauf zum Einstieg. Man kann sowohl links wie rechts vom Pardutzkessel durch, es kommt wohl beides in etwa auf dasselbe raus. Zuletzt gilt es dann eine grössere Graszone über einem Felsriegel zu erreichen, schrofige Kraxelei (T4+) bringt einen da rauf. Der Einstieg ist mit etwas Spürsinn gut zu lokalisieren und durch einen Stand markiert, welcher mit 2 korrodierten, verzinkten BH ausgerüstet ist, deren Laschen mit kleiner Öffnung nur 1 Karabiner aufnehmen. Um ca. 10.15 Uhr starteten wir mit der Kletterei, noch tief im Schatten des Berges, was an diesem sehr milden Spätsommertag jedoch kein Problem war.

Ausblick auf L1 (6b), welche das komplette Trad-Gear erfordert.

L1, 50m, 6b (original 6a): Definitiv kein Bijou und vielleicht dass man diese Länge trotzdem in Erinnerung behält, ist sie so spärlich abgesichert. Wobei die ersten 5m schlabbrig-kompakten Fels aufweisen und mit einem BH abgesichert sind - das ist die Crux, nit mal so easy. Weiter geht's dann grasdurchsetzt in auch nicht immer bombensolidem Fels, fixe Absicherung gibt's keine. Es geht aber immer gerade so einigermassen mit Bewuchs, Felsqualität und Placements. Markant sind ein rissiger Überhang in der Mitte und eine nochmals plattigere Zone mit 2 BH am Ende.

Die Gegenperspektive, Nachstieg in L1 (6b).

L2, 45m, 6c: Es geht deutlich freundlicher weiter, so richtig hammermässig ist aber auch diese Länge nicht. Erst hinauf durch Verschneidungen, wo nebst 2 BH noch Cams zu legen sind. Steht man dann auf einem grasigen Pfeilerkopf, so geht's richtig los. Eine seitgriffbetonte Wandstufe will erklettert sein. Ganz ordentlich da, jedoch ist das Gestein etwas staubig und teilweise auch nicht frei von einer Prise Splittrigkeit.

Das sieht doch schon viel besser aus - und ist es tatsächlich auch: L2, 6c.

L3, 30m, 7c: Hier führt die Route durch einen von weither sichtbaren, markanten schwarzen Wasserstreifen. Manchmal findet man in solchen Zonen super strukturierten Henkelfels. Solchen hätten wir gerne angetroffen, es manifestierte sich leider nicht ganz so. Erst noch easy durch eine Art Verschneidung mit verkeilten Blöcken auf den Pfeilerkopf. Von diesem weg wartet eine Boulderstelle an Slopern in die steile Wand hinein, welche nach ca. 10 weiteren Metern mit der Crux aufwartet. Diese konnten wir nicht freiklettern: der Fels ist mit einer dicken Schicht von staubigem Belag überzogen, da müsste zuerst einmal richtig gebürstet werden. Doch ob dann ausreichend Griffe für eine machbare 7c zum Vorschein kämen?!? Ich bin mir da nicht so sicher. Nach diesem Abschnitt folgt ein sloprig-abschüssiges Finish über ein Dach hinweg. Diese Passage konnte ich entschlüsseln - es ist wieder etwas einfacher, dünkte mich aber immer noch im Bereich 7b+/7c.

Zähes Finish an abschüssigem Fels in L3 (7c).

L4, 30m, 6c+: Ich würde sagen, die zweitschönste Seillänge der Route. Sie bietet typisch steilplattiges Rätikongelände. Auf den ersten Metern quert man erstaunlich griffig nach rechts aus dem staubigen Wasserstreifen hinaus und erreicht so richtig raues, schönes Gestein. Ein paar abgefahrene Reibungsmoves warten, aber es löst sich alles gut auf. Im letzten Abschnitt erreicht man dann den die gesamte obere Routenhälfte prägenden Diagonalriss. Diesem entlang, nun schon wieder etwas grasig-alpin, zum Stand.

Mit Ausnahme der letzten paar Meter findet man in L3 (6c+) tolle, rätikontypische Plattenkletterei. 

L5, 50m, 6b: Einen solchen Abschnitt könnte man sehr gut in einer klassischen Führe aus der Pionierzeit einordnen. Man folgt alles dem Risssystem bzw. der Rampe. Erst durchquert man mittels Risskletterei nochmals den (bei unserer Begehung zum Glück trockenen) Wasserstreifen v.r.n.l., dann folgt ein Abschnitt, wo man in der Rinne stemmt, während man zuletzt an die linke Kante geht und noch steil bzw. überhangend um einen grossen Klemmblock herumkommen muss. Oberhalb von diesem befindet sich ein grosses Plateau mit bequemem Stand.

Eher klassisches Alpingelände mit Rissen und Kaminen in L4 (6b), die aber schön zu klettern ist.

L6, 15m, 7a: Molto particolaaare... Erst noch kurz einfach über die Rampe, um zu sehen, was da kommt. Nun, das Risssystem hat da eine Unterbrechung, sprich es gilt einen Abschnitt in Wandkletterei zu meistern. Zwei grosse Ausbuchtungen mit ca. 1m Durchmesser prägen diese Stelle. Es heisst Sloper patschen und sich dann gekonnt unter Nutzung der beiden Features durch die überhängende Wand mogeln. So kommt man wieder auf die Rampe und klettert ein paar Meter in etwas grasigem Terrain zum Stand.

Hepp und Patsch heisst es in der Crux von L6 (7a), zuletzt mit Ausstieg auf die Grasrampe.

L7, 30m, 7c+: Während die Rampe nach links weiter ginge und wohl im Bereich 6b-7a kletterbar wäre, orientiert sich die Route nach rechts in die kompakte Wand. So erlebt man hier noch die schönste Länge der Tour. Die leicht aufwärts führende Querung gleich zu Beginn bietet über die ersten 3-4 BH gleich die Crux. Sehr technische, bewegungsintensive Kletterei an kleinen Kratzern. Mit dem ersten Ausstieg auf ein Sloperplateau wird es dann etwas einfacher. Der obere Teil checkt noch bei ca. 7b/+ ein, wobei es der letzte Mantle auf die finale Platte nochmals in sich hat - tricky! Zum Abschluss wartet dann noch etwas toller Kaktusfels wie in der Saguaro, ein Genuss. Diese Länge konnte ich all free klettern. Ob einfacher als L3 vermag ich nicht wirklich zu sagen - viel, viel schöner jedoch, da gibt es keine Zweifel.

Schöne, aber harte und sehr technische Wandkletterei in L7 (7c+).

Um 16.30 Uhr hatten wir nach 6:15h der Kletterei das Top erreicht - wieder einmal ganz und gar keine Speedbegehung also. Aber wenn man an beiden Seilenden eine 7c/+ auschecken will, so dauert eine solche SL dann rasch mal 1:30-2:00h, somit ist der totale Zeitbedarf nicht verwunderlich. Die Bilanz bestand aus os/flash bis auf die beiden schwierigsten, wobei die letzte eben lösbar war, während bei der ultrastaubigen 7c etliche Fragezeichen verblieben. Ob ich zurückkommen werde, um diese aufzulösen?!? Auf die Schnelle wohl eher nicht.

Angie beim Mantle in L7 (7c+), welcher die letzte Abwurfstelle der Route präsentiert. Auf der finalen, sehr genussreichen Passage im 6c-Bereich wird man es sich dann sicher nicht mehr nehmen lassen.

Für uns hiess es, die Abseilfahrt anzutreten. Mit L7 waren wir wieder so weit nach rechts geklettert, dass sich der Stand nach L5 ob dem Klemmblock in ziemlich direkter Linie erreichen liess. Die nächste Strecke über die diagonal verlaufende L4 war dann eher etwas mühsam. Einmal geschafft, waren es noch 2 Manöver von Stand 3 nach 1 und von dort zum Boden. Wir liefen zurück zum Melkplatz, wo ich mich auf's Bike schwang und dem Tal und den dort auf mich wartenden Pflichten entgegen brauste. Angie hingegen blieb vor Ort, denn am übernächsten Tag wollten wir gleich nochmals ein unbekanntes Rätikon-Mysterium ergründen. Der entsprechende Bericht wird irgendwann zukünftig auch auf diesem Blog erscheinen.

Wunderbar wie immer das Panorama im Rätikon!

Facts

Rätikon / Schweizereck - Parabol 7c+ (6c+ obl.) - 7 SL, 250m - Stöcker/Uhlig 2001/2018 - **;xxxx
Material: 2x50m-Seile, 10 Express, Camalots 0.2-2, evtl. Keile

Eine bisher kaum bekannte und begangene Route im rechten Teil vom Schweizereck, welche einen Mix zwischen harter Sportkletterei, schönen Rätikon-Steilplatten und einem nicht unwesentlichen Teil von alpin angehauchtem Trad-Gelände bietet. Stellenweise ist der Fels super, in den einfacheren Abschnitten jedoch auch teils grasig und/oder etwas lottrig. Da die Route im Bereich eines wasserführenden Streifens verläuft (und damit nur nach Trockenperioden ein sinnvolles Ziel darstellt), ist der Fels auch teilweise von einer Staubschicht überzogen. Die Absicherung ist über weite Strecken und insbesondere in den schwierigen Passagen sehr gut auf Niveau xxxx bis xxxxx. In L1 muss ein grosser Teil mobil abgesichert werden (in unschönem, aber einfachem Gelände), auch in L2, L5 und am Ende von L6 sind Cams zu platzieren. Ein Set von 0.2-2 war uns ausreichend, für L1 könnten allenfalls noch Keile hilfreich sein. Zu erwähnen ist auch noch, dass grösstenteils verzinktes Material steckt, welches teilweise schon deutliche Korrosion aufweist.

Hinweis: in der Route (von Beginn von L3 bis zum Ende von L6) hängen defekte Fixseile, welche keinen Nutzen mehr bringen und sowohl die Optik wie auch die Kletterei stören. Es wäre aus meiner Optik wünschenswert, dass diese Seile entfernt und entsorgt werden. Wir hatten leider kein Messer dabei und ohne ein solches sind die stark versprödeten Knoten unmöglich aufzukriegen.

Freitag, 17. Oktober 2025

Hintisberg - Ophrys (7a)

Nur 10 Tage zuvor waren wir noch bei hochsommerlichen Verhältnissen im Rätikon geklettert. Doch inzwischen war weit hinunter Schnee gefallen und die Nächte waren schon frostig. Eine Bisenlage mit Hochnebel und möglicher Umwandlung in Quellwolken liess uns auf ein Gebiet besinnen, welches sehr sonnig gelegen und nicht in den Voralpen liegt. Für den Hintisberg entschieden wir uns schliesslich, wo die Routen ideale Herbstlänge aufweisen. Und da ich bisher erst selten vor Ort war, standen noch ganz viele Ziele zur Auswahl.

Die Wand von Hintisberg mit der Verlauf der Route Ophrys (7a).

Weit kurvten wir aus dem Tal hinauf zur Alp Hintisberg, der Kletterparkplatz befindet sich erst etwas weiter oben beim Waldstück auf ca. 1840m. An einer Parkuhr ca. 2.5km nach dem Abzweig von der Hauptstrasse ist der Obulus von 10 CHF für die Fahrt zu löhnen, dies ist entweder mit Münzen oder dann mit diversen Apps (u.a. Twint, Parking Pay) möglich. Wir schulterten unsere Säcke und liefen in rund einer halben Stunde hinauf zur Wand. Eile war nicht geboten, denn wir waren eher zu früh aufgekreuzt. Die Sonne war noch hinter der Bira versteckt, erst um ca. 9.30 Uhr wird die Wand anfangs Oktober von den wärmenden Sonnenstrahlen bestrichen. Da es auch so noch frisch war, wärmten wir mit der 2-SL-Route Munggä (6a+, 6a+) erst einmal auf. Ein Abseiler brachte und zurück auf den Boden und wir verschoben zum Start der Ophrys, welcher mit roter Farbe angeschrieben ist und sich ca. 10m links (westlich) der markanten Grotte in Wandmitte befindet. Um ca. 10.20 Uhr starteten wir in diese Route.

Darauf haben wir gewartet! Die Sonne erreicht die Wand Anfang Oktober erst um ca. 9.30 Uhr.

L1, 30m, 6c: Nach einigen gutmütigen Metern zum Auftakt geht's dann bald steil zur Sache. Eine böse verbogene Hakenöse signalisiert die erste Powerstelle mit kräftigen Moves an einer Rissspur. Dies wird gefolgt von einer weiteren kniffligen Sektion mit einem seicht-flutschigen Riss, wo es vor allem die richtige Lösung zu erkennen gilt. Das kann man auch deutlich schwieriger wie als 6c klettern... und erreicht so das etwas leichtere, aber immer noch pumpige Restgelände zum Stand. Auch auf dem leichtesten Weg: tough Cookie für 6c, eher 6c+.

Die Route legt gleich fulminant los, zudem gilt's den besten Weg zu finden in L1 (6c).

L2, 25m, 6c: Zuerst linksrum auf die Schuppe rauf, dann folgt eine Rechtsquerung. Die permanenten Chalkspuren heissen einen, diese eher tief anzugehen. Ich wollte auch nicht das Risiko eingehen, die hohe Querung zu wählen, vermutlich ginge die aber schon auch. Man quert hinüber bis zum Stand von Zeit der Dürre, geht ab dort aber eher wieder leicht linkshaltend gerade hinauf. Der nächste BH ist von unten kommend nicht immer gleich erkennbar. Es kommen aber schon welche, die Länge ist prima gesichert und bietet hervorragende, kräftig-ausdauernde Wandkletterei. Zum Schluss dann noch der Mantle auf's Standband, welches bequemes Strandbad-Feeling vermittelt.

Der Griff nach dem rettenden Henkel in L2 (6c).

L3, 30m, 6c: Links raus aus dem Stand, eine erste Wandstufe führt zu einem Band, wo man mehrere Meter nach links quert und den Begrenzungspfeiler erklimmt. Bald einmal geht's in sehr pumpigen Ausdauergelände zur Sache. Kleine Dächlein sind zu überwinden, die Griffe zwar schon meist gross, aber oft auch rund und die Wand hängt über, es gilt kräftige Blockierzüge durchzuriegeln. Die ziemlich aussergewöhnliche Felsstruktur bringt auch eine Unübersichtlichkeit mit sich und so heisst es, sich bis zum ziemlich unbequemen, mitten in der Steilwand gelegenen Stand durchzufighten. Denke eine Bewertung von 6c+ passt auch hier eher besser.

Wunderbar die Herbstkletterei am Hintisberg - hier beim Auftakt in L3 (6c).
Das Finish von L3 (6c) dann in pumpigem Steilgelände an guten, aber runden Griffen.

L4, 25m, 6c: Der steile, drückende Wandabschnitt gleich ob dem Stand offeriert gute Griffe, so kommt man zügig und noch fast ungerupft voran. Die Crux der Länge besteht dann in einer kleingriffigeren Sektion bevor man die markante Schuppe erreicht, welche den zweiten Teil dieses Abschnitts charakterisiert. Entgegen der Beschreibungen im Internet fand ich das gar nicht mal ganz so einfach, insgesamt ist's aber definitiv die einfachste Länge der Route. Weiter geht's dann der Schuppe entlang hinauf und an deren Gipfel nach links zum Stand.

Linkstraverse am Ende von L4 (6c).

L5, 30m, 7a: Hier gibt's keine zwei Fragen, gleich aus dem Stand raus folgt die kräftige Dachpassage. An diesem gibt's vorerst durchaus noch vorzügliche Henkel, doch oberhalb bietet die wasserzerfressen raue Wand nebst einigen sloprigen Löchern nur noch scharfe Kratzer. Mein Onsight-Versuch war gut, scheiterte aber doch, bevor ich engültig über dem Dach etabliert war. Es stellte sich heraus, dass ich eine absolut vernünftige Beta probiert hatte - doch um diese erfolgreich auszuführen, war ich einfach nicht stark genug. Und dies auch nach genauem Befühlen und Optimieren. Somit musste eine andere Lösung her. Erst nach einigem Tüfteln und mit Griff in die Trickkiste ward diese gefunden - so hiess es nun nur noch, sie auch am Stück zu realisieren. Ich liess mich zum Stand ab für einen 2nd Go. Nur mit dem Zusammenkratzen aller Reserven konnte ich das Dach überwinden. Und in der Wand darob wurde es auch nochmals spannend. Die scharfe Wandkletterei ist zwar schon einfacher, aber obligatorisch, nicht ganz so offensichtlich und vor allem hatte ich diesen Part nicht ausgecheckt - mit ein paar Mal tief Durchschnaufen ging es aber. Die zweite Hälfte der Länge präsentiert sich dann deutlich einfacher, man erreicht schliesslich ein bequemes Band.

Am Henkel kann man sich vor der Überwindung des Dachs nochmals erholen - oder auch seine Kraft für ein paar Faxen verpuffen. Wobei, von einem coolen Poser-Foto hat man im Nachhinein vielleicht mehr wie von der virtuellen Trophäe des roten Punktes?!?

L6, 35m, 6c: Dass wir uns hier nicht in die Spectacolo verkofferten liegt v.a. daran, dass deren Start so richtig pickelhart ist. Man sei sich gewahr, die Ophrys verläuft hier links von Spectacolo (sprich man kreuzt diese Route) und führt vom Stand beim Baum drüben weiter - also entweder direkt nach L5 dort nachsichern oder dann mit einem kurzen Überbrückungsstück dahin wechseln. Gleich vom Boden weg wartet ein harter Boulder an scharfen Griffen, zäh für eine 6c! Die Fortsetzung bietet dann eher technisch gefärbte Kletterei, zwischendurch auch gar nicht mal so easy, aber es löst sich alles auf. Zuletzt geht's dann noch über Gras 15m zum gut sichtbaren Stand hoch.

Von L6 (6c) sieht man nur den grasigen Schlussteil, aber welch ein Panorama!

Um 14.10 Uhr und damit nach rund 3:50h der Kletterei waren wir beide am Top. Da hatte ich doch mehr Guzzi geben müssen, wie einem das Topo glauben machen würde. Die meisten der 6c-Längen waren taff, und die 7a?!? Meines Erachtens erst recht. Diesen Grad klettere ich bei guter Absicherung und physischer Kletterei fast immer im ersten Go - hier ging's hingegen selbst im zweiten nur knapp. Immerhin blieb der rote Punkt, aber auch die Fragezeichen, ob die angegebene Bewertung denn auch wirklich zutreffend sei. Ein Upgrade wäre vermutlich nicht verkehrt, für uns hiess es aber, vorerst einmal wieder down an den Wandfuss zu kommen. Dies geschieht via die Route Spectacolo und es ist durchaus vorteilhaft, 2x60m-Seile dabeizuhaben. So würden 3 Manöver reichen, mit 2x50m sind hingegen 5 davon notwendig. Das Topo im Extrem West weist die zu nutzenden Stände korrekt aus. Hält man sich an diese "Instruktionen", so kommt man trotz dem massiv überhängenden Gelände ohne grössere Schwierigkeiten zurück auf den Boden. Trotzdem, das 1x1 des Abseilens muss man hier aus dem Effeff beherrschen, die Seile baumeln einfach ins Leere und einfach so "gratis" erreicht man den Fels nicht mehr. Wir setzten uns zufrieden ins Gras am Einstieg und genossen einen Vesper. Nachdem die Uhr schon etwas vorgerückt war und die Wand nicht mehr lange in der Sonne zu stehen schien, räumten wir unser Material schliesslich zusammen und machten uns auf den Abstieg. Wir waren voll auf unsere Kosten gekommen und die Familien freuten sich bestimmt über eine zeitige Heimkehr. 

Facts

Hintisberg - Ophrys 7a (6b obl.) - 6 SL, 185m - C. & Y. Remy 1991 - ***;xxxx
Material: 2x50m-Seile, 12 Express, Cams/Keile nicht nötig

Eine durchgehend steile und fordernde Kletterei in einem sehr speziellen Gestein. Der gelbe Fels sieht optisch nicht sonderlich schön aus, bzw. wirkt sogar etwas brüchig. Das täuscht aber, denn eigentlich ist alles solide. Die Kletterei an grossen, aber oft runden Griffen ist speziell und pumpig - v.a. auch, weil die Bewertungen jetzt nicht gerade sehr gutmütig ausgefallen sind. Die Absicherung mit verzinkten BH ist tiptop ausgefallen. Etwas Anspruch ist durchaus da im Vorstieg, es gibt aber keine weiten Abstände oder heikle Runouts. Mobile Absicherung ist nicht nötig, man kann unbesorgt ausschliesslich Exen an den Gurt hängen. Ein Hinweis: in der Nähe vom Einstieg tropft es oft aus den Dächern oberhalb herunter. Die Route ist davon aber in der Regel aufgrund der geschickten Linienführung nicht betroffen. Ein Topo zur Route findet man im Extrem West, Band II.

Dienstag, 7. Oktober 2025

Rätikon - Saguaro (10 SL, 8a, Erstbegehung)

Hart, komplex und mit maximaler Schärfe, so kann man diese Route sicherlich charakterisieren. Sie wurde schon 1991 durch Andreas Audétat und Gefährten begonnen und führt durch einen der steilsten Bereiche der Gamstobelwand bei Partnun im Rätikon. Nur 25m vor dem Ende der Schwierigkeiten ging den Pionieren der Schnauf für die Vollendung ihres Projekts aus, und so blieb die Route trotz bestem Tropflochfels und sehr guter Absicherung mehr als drei Jahrzehnte lang unbekannt. Erst im Jahr 2025 erhielt Daniel Benz Kenntnis von der Sache und vollendete die Linie im August mit Dominic Eggenberger. Ein paar Besuche zwecks Sanierung, Linienoptimierung und Training war Zeit für die Erstbegehung und den Rotpunkt-Go. Bei diesem Anlass konnte ich mit dabei sein, hier mein Bericht dazu.

Die steile Gamstobelwand an der Sulzfluh im Rätikon mit dem Verlauf von Saguaro 

Unsere Tour startete um ca. 9.15 Uhr beim P6 in Partnun Äbi (1620m). Der erste Teil vom Zustieg bietet ideales E-Bike-Gelände über Strassen mit Hartbelag bis auf 2050m. Hier geht's zu Fuss weiter auf dem markierten Wanderweg - mir bestens bekannt, hatte ich doch an den Wänden links vom Gamstritt auch schon geklettert, bzw. zwei Neutouren realisiert (Sunshine Reggae (5b) sowie die bisher noch undokumentierte Die Katze Bekova (6c) aus dem Jahr 2023). Nach Überwindung der Steilstufe erreicht man den Gemschtobel, wo man auf ca. 2330m den Weg verlässt und über die gut begehbare Geröllhalde den Wandfuss erreicht. Dieser befindet sich ca. 200m rechts (östlich) vom Beginn des Klettersteigs Partnunblick und ist mit dem Wandfoto gut identifizierbar. Um 10.30 Uhr starteten wir schliesslich mit der Kletterei.

Unterwegs zum Kessel vor dem Gamstritt. Die im Text erwähnte Neutour Die Katze Bekova (6 SL, 6c) von Larina und mir befindet sich am linken Bildrand, in der Platte links der Bildmitte findet man unsere Familien-Erstbegehung Sunshine Reggae (5 SL, 5b).

L1, 45m, 6a+: Vergnügliche, gut abgesicherte und relativ leicht verdauliche Plattenkletterei.

L2, 25m, 7a: Ein paar einfache Meter führen zu einer oft nassen Verschneidung heran, in deren überhängender Seitenwand es dann mit einer Traverse gleich heftig zur Sache geht. In etwas klötzlig-splittrigem Gestein müssen ohne Rücksicht auf Verluste ein paar Stellerleisten heftig zugeballert werden, bevor man kräftig an Seit- und Untergriffen auf ein Podest aussteigt. Puh, da war ich meinem Limit schon nahe.

"Nur" eine 7a, aber am Ende von L2 muss man definitiv schon parat sein und Leisten zuschrauben.

L3, 25m, 7c+: Die ersten Meter noch gängig zu einem Turm und an diesem hinauf. Einmal an der Hauptwand, schlägt dann schon die Stunde der Wahrheit. An kleinen, scharfen Kratzern und fast inexistenten Rauigkeiten für die Füsse gilt es für Fortschritt zu sorgen. Im Prinzip anhaltend fordernd, auch wenn der Experte hier drei besonders fordernde Einzeleinheiten erkennt. Bei mir setzte sich v.a. die Erkenntnis durch, dass diese kein bequemes Konsumgut darstellen, d.h. ich konnte nicht alle in Freikletterei lösen.

Das Gestein ist extrem rau, gute Griffe sind aber Mangelware (L3, 7c+).

L4, 20m, 8a: Eine längere Boulderstelle zu Beginn markiert die Hauptschwierigkeit. Diese ist grundsätzlich im ortsüblichen Stil konstruiert, wobei hier tatsächlich ein dynamischer Move oder Sprung an einen grösseren Sloper zum Programm gehört. Die obere Hälfte der Seillänge bietet dann vergleichsweise gutgriffiges ~7b-Gelände, da ist noch einiges an Rési gefragt - diesen Abschnitt konnte ich im Gegensatz zum ersten Teil am Stück durchsteigen.

Die Crux in L4 (8a) ist in der Tasche, nun nur nicht mehr Abwerfen lassen!

L5, 20m, 7c: Hatte ich in den letzten beiden Längen hart zu beissen, so lief es hier zum Glück wieder etwas flotter. Die Kletterei hier einen Tick steiler wie in den Cruxzonen von L3/L4, griffiger und damit nicht nur einfacher, sondern auch zugänglicher. In verschärfter Wandkletterei im Bereich 7b/+ geht's zu einem kleinen Dächli mit der Hauptschwierigkeit, wo ich 2-3x ansetzen musste, bis die Lösung sass. Von da bis zum Stand kann man durchaus noch versauern, erneut im Bereich 7b/+ wird Ausdauer und Übersicht gefordert - mir ging's grad auf.

Die typische Felsstruktur anhand von diesem Shot in L5 (7c) gut erkennbar. Es gibt viele kleine Käntchen in diesem scharfen Fels. Allerdings müssen diese auch ausreichen, denn schön positive Leisten sind meistens Mangelware.

L6, 20m, 7c+: Ein fotogener Abschnitt, welcher mit einer Querung nach links hinaus beginnt, wobei Fels, Kletterei und Schwierigkeit nahtlos wie zuletzt fortsetzen. Die Crux folgt an der Stelle, wo man den Pfeiler linkerhand gewinnen muss. Es gilt, sich geschickt in einem Winkel zu platzieren, dann scharfe Kratzer zu erhaschen und entschlossen zu einem tollen Finish in genialem Fels zu entkommen. Ich vermute, diese Länge könnte an der Crux (da im Winkel) etwas grössenabhängig sein - mir ging das relativ gut, während sich Daniel da schwerer tat und seinen einzigen Fehlversuch hatte, welche mit einem Second Go dann ausgebügelt werden konnte. 

Der Akteur gerade in der Cruxzone von L6 (7c+).

L7, 25m, 7a+: In einer grauen Spritzbeton-Zone geht's in einem langen Quergang nach rechts. V.a. der Fels, aber auch die sonstige Anlage erinnert durchaus an L4 (7a+) im Silbergeier. Obwohl deutlich einfacher wie die umliegenden Teilstücke, so ist dieser Abschnitt dann doch nicht geschenkt und trotz der guten Absicherung muss man sich v.a. auch am hinteren Seilende so richtig engagieren. Endlich wieder einmal eine, die ich flashen konnte - ohne jedwelche Reserve, allerdings.

Die Querung im Spritzbeton-Fels von L7 (7a+) - super Kletterei!

L8, 20m, 8a: Während die Route sonst 1:1 dem Verlauf von Andreas Audétat aus dem Jahr 1991 folgt, hatte dieser sich damals auf dieser Höhe wenige Meter links in einer splittrigen, kaum frei kletterbaren Zone versucht (und das Projekt nicht zuletzt deswegen aufgegeben). Nun geht's ein paar Meter rechts davon am Rand eines dunklen, oft Wasser führenden Streifens hinauf - dies mit dem Nachteil, dass der Fels etwas staubig ist, dafür ist er strukturierter. Trotzdem, es geht gleich volle Kanne los, an kleinen Leisten und Zacken gilt es trittarm und deshalb mit viel Körperspannung zu arbeiten. Hier warf ich (ausnahmsweise) relativ zügig das Handtuch, der Nachstiegs-Flash war bald vergeigt und der Textilgriff zu verlockend. Nach dem Auftakt gehen die Schwierigkeiten etwas zurück, doch es bleibt bis zum Klippen des Stands sehr fordernd und technisch.

Unglaublich kompakter Fels mit dementsprechend anspruchsvoller Kletterei in L8 (8a).

L9, 30m, 7c: Bis zum BH #3 dieser Länge kamen die Ersterschliesser im 1991, da wartet noch die übliche, scharfe Wandkletterei. Ein paar leidliche Leisten später kommt dann die Crux mit einer coolen, bewegungsintensiven Bouldersequenz - auch da ist der Fels kurz etwas staubig und man findet nicht den 1a-Grip wie sonst in der Wand. Als letzter, optisch durchaus abschreckender Programmpunkt der Länge folgt dann eine überhängende Gegendruck-Verschneidung - sie geht besser wie befürchtet und bietet Ausdauergelände im 7a-Bereich.

Wandkletterei in L9 (7c), bevor der letzte Teil durch eine steile Verschneidung führt.

L10, 25m, 6b: Im Prinzip ein kurzes Outro, welches aber wunderschönen Premier-Cru-Fels bietet, wie man ihn von den Kirchlispitzen kennt. Die Idee wäre, den Abschnitt rechts in der Wand zu klettern und nicht an den Turm zu spreizen, was die Sache deutlich vereinfacht. Zuletzt dann einfacher zum Routenende auf einem Pfeilerkopf, von welchem man zu Fuss aufsteigend das Karrenfeld der Sulzfluh erreichen kann.

Um ca. 17.30 Uhr nach rund 7:00h der Kletterei waren wir am Top. Daniel wieder einmal mit einer schier unglaublichen Performance! Für mich sehr eindrücklich, alle diese schwierigen Stellen so sauber und souverän durchziehen zu können - das war wieder einmal Klettersport vom Feinsten, welchem ich da zusehen konnte. Meine Leistung war nicht ganz so überragend: die einfacheren Seillängen hatte ich durchsteigen können, ein paar der harten Pitches (L5, L6, L9) gelangen mir immerhin komplett frei, während gewisse Passagen in L3, L4 und L8 zur Rubrik Aktenzeichen XY ungelöst gehören und ich mich dort mit dem Linken der einfacheren Passagen zufrieden geben musste. Aber natürlich hatte es trotzdem enormen Spass gemacht. 

Riding the pig... steiles Abseilen über die Gamstobelwand.

Wir machten uns schliesslich ans Abseilen. Im Nachhinein hat Daniel die Abseilpiste mit einem routenunabhängigen Stand noch deutlich bequemer gemacht. Somit verweise ich auf das Topo, unsere Variante von diesem Tag zu beschreiben macht hingegen keinen Sinn. Am Einstieg durfte ich dann die 7 Buchstaben von SAGUARO mit roter Farbe auf dem Fels verewigen, bevor wir talwärts liefen bzw. später fuhren. Ein genialer Tag neigte sich dem Ende zu - ich bin gespannt, wann die ersten Wiederholungen dieser Route erfolgen werden.

Büroarbeit am Fels... die Nische am Einstieg ist sehr charakteristisch.

Video

Daniel hat das Videomaterial und einige Fotos zu einem Video geschnitten, das es hier auf Youtube zu bestaunen gibt. Vielen herzlichen Dank für diese Arbeit!


Facts

Rätikon / Gamstobelwand - Saguaro 8a (7a+ obl.) - 10 SL, 255m - A. Audétat 1991 / D. Benz 2025 - ****;xxxx
Material: 2x50m-Seile, 11 Express, Cams/Keile nicht nötig und kaum einsetzbar

Grossartige und eindrückliche Kletterei, welche in ihrem zentralen Teil mit einigen anhaltenden Seillängen von hoher Schwierigkeit aufwartet. Die Kletterei mit vielen kleinen Kratzern, scharfen Tropflöchern und abschüssigen Tritten erfordert oft einiges an technischer Zauberei. Nur starke athletische Fähigkeiten mitzubringen dürfte für einen Erfolg kaum ausreichend sein, da muss man einfach richtig gut klettern können. Die Felsqualität ist meist sehr gut, der stachelige Kaktusfels bietet hervorragende Reibung, erfordert aber entsprechend Haut auf den Fingerkuppen. An einigen wenigen Stellen wirken die zu verwendenden Strukturen etwas fragil, wenngleich bei meinem/unserem Go alles Stand gehalten hat. Die Absicherung der Route war im Originalzustand sehr eng gehalten. Bei der Sanierung 2025 wurde dies so beibehalten, fast alle BH wurden jedoch durch rostfreies Material ersetzt, wobei deren Platzierung teilweise optimiert wurde und die Standplätze an bequemere Ort verlegt wurden. Daniel hat ein sehr präzises Topo zur Route gezeichnet, es ist unten als Bild vorhanden und kann auch als PDF runtergeladen werden.

Das Topo zur Saguaro von Daniel. Bessere Qualität gibt's im PDF-Download.

Mittwoch, 1. Oktober 2025

Wendenstöcke - Malmstrom (7b)

Vermutlich wäre es effizienter gewesen, nach unserem letzten Besuch in der Troja (7a+) gleich vor Ort zu bleiben und den Wendencount täglich zu erhöhen. Das war aber leider nicht möglich und so trafen wir uns 4 Tage später wieder an Ort und Stelle. So viel kleiner war das Routenwahlproblem im Vergleich zur letzten Gelegenheit nicht geworden. Wir einigten uns auf Malmstrom, welche erst im 2018 erschlossen wurde und damit eine der jüngsten Wendenrouten darstellt. Das Topo verspricht scharfe und steile Kletterei und die Lage unmittelbar neben der genialen Ben Hur (7c+/8a) lässt vermuten, dass dies keine Zeitungsente ist. Nach unserem Besuch pflichten wir dem uneingeschränkt bei: verschärfte, steil-athletische Kletterei bei guter, aber verpflichtender Absicherung lautet das Programm.

Der Sektor mit den Routen von Elefantenohr bis Paco ist eines der Schaustücke an den Wenden.

Somit liefen wir um ca. 7.20 Uhr auf bestens bekannter Fährte los, der Zustieg ist bis auf das letzte Teilstück denn auch genau derselbe wie für die Touren am Excaliburpfeiler. An geeigneter Stelle in Falllinie vom Elefantenohr (mehrere Möglichkeiten, aber besser nicht zu hoch) quert man nach rechts hinaus, bis man unter dem Wandbereich der Route steht. Ein Fixseil hilft über den letzten Steilschrofen-Abschnitt hinauf. Nach rund 70 Minuten waren wir vor Ort. Für die Vorbereitungen auf die Kletterei platziert man sich am besten beim bequemen und flachen Platz am Einstieg von Paco und Aureus, ca. 10-15m weiter links drüben startet Malmstrom (BH mit Austrialpin-Lasche, dazu verblassende Anschrift mit blauer Farbe). Die Steinbock-Gang leistete uns dieses Mal sogar zu fünft Gesellschaft und beobachtete, wie ich um 8.50 Uhr mit dem Vorstieg startete.

Typisches Wenden-Ambiente im Einstiegsbereich mit Blick auf die Berge am Sustenpass.

L1, 45m, 5c+: Die geneigte Plattenseillänge zum Auftakt ist allen Routen in diesem Wandbereich gemeinsam. So geht's auch hier über ein paar Wasserrillen, Platten und ein paar kleine Dächlein in die Höhe. Während man sich in anderen Routen mangels Absicherung zwingend eine möglichst einfache oder absicherbare Linie sucht, so kann man hier dank 4 BH die schönste Kletterei geniessen. Der letzte BH ist von unten kaum sichtbar, er steckt oberhalb von einem kleinen Dächlein ziemlich genau in gerader Linie über dem vorletzten.

Spaziergang für ihn, und tatsächlich etwas einfach um auf Betriebstemperatur zu kommen: L1, 5c+.

L2, 35m, 7a+ (eher 7b): Leider ist der Tufa im markanten blauen Streifen noch nicht auf Kalymnos-Griffigkeit ausgebildet und wird deshalb nicht in die Route einbezogen, welche sich an die kompakte Tropflochwand links davon hält. Die ersten Meter gehen noch kommod über die Bühne und müssen mit 2 Cams gesichert werden. Ab der Welle zieht's dann aber sogleich an und es folgt eine der härtesten Sequenzen der ganzen Route. Erstens ist es im stark strukturierten Fels nicht so leicht zu lesen, wo sich die nutzbaren, positiven Crimps befinden. Und zweitens gilt es auch einige sloprige Seitgriffe zu nutzen, welche auch einfach nicht gutes Griffmaterial sind. Noch dazu ist diese Stelle zwingend vom Haken weg zu meistern, es dauert eine Weile, bis wieder gute Griffe kommen und an diesen gilt es dann noch ein Stück zu klettern, bis wieder geklippt werden kann. Jedenfalls, 7a ist da ganz klar obligatorisch (ungefährlich, gutes Sturzgelände) und Entschlossenheit ist zentral. Nachdem mir Bernat die Sequenz perfekt ansagte (er hatte die Länge wenige Wochen zuvor bereits 1x geklettert), konnte ich sie gleich durchziehen. Damit hat man den Abschnitt aber nicht im Sack, wartet doch noch die finale Dachzone. Weitgehend zwar henklig oder zumindest gut leistig, doch mittig wartet ein harter Lock-Off. Und zuletzt dann noch die 5m-Horizontalquerung zum Stand, welche jedoch fast mehr Eindruck macht, als sie tatsächlich schwierig ist. Insgesamt fanden wir diesen Abschnitt ähnlich, aber eher schwieriger wie die folgende L3 und würden eine 7b vorschlagen.

Ab da heisst es bald, Vollgas auf die Tube zu drücken in L2 (offiziell 7a+, nach unserem Gusto 7b).

L3, 40m, 7b: Der nächste Knaller folgt sogleich und bietet über 40 anhaltende Meter fingerkräftig-technische Kletterei in scharfem Fels. Dieser ist stark zerfressen und teilweise zieht man an doch recht kleinen Strukturen - da war ich nicht immer sicher, ob alles hält, insbesondere diese pilzartig abstehenden Features. Das tat es aber und so konnten wir auch hier einen os/flash-Durchstieg realisieren. Eine ganz klare Crux ist nicht auszumachen, am kniffligsten schien ein Abschnitt im oberen Teil, wo man an einer kleinen Verschneidung bzw. deren Kante klettert und sich gut positionieren muss.

Ausdauernde, fingerkräftige, überhängende Wandkletterei in L3 (7b).

L4, 20m, 7a: Unter einem schützenden Dach ist der Stand, also geht's stark überhängend und sehr fotogen los. Nicht voll direkt drüber, sondern leicht linkshaltend findet man gute Henkel. Nach dem zweiten BH heisst es aber unweigerlich, einen weiten Griffabstand mit einem ziemlichen Power-Move niederzuknütteln, eine 7a in ziemlich konzentrierter Form. Ein paar gute Griffe später legt sich das Gelände deutlich zurück, und an einer Verschneidung mit Riss kletternd erreicht man auch schon bald den nächsten Stand.

Shot of the day! Die Stelle am Anfang von L4 (7a) ist wirklich mega fotogen.

L5, 35m, 6b+: Sonst mag ich die Route ja wirklich loben. Aber sorry, diese Seillänge ist wirklich ein fertiger Mist. Das hat zum einen damit zu tun, dass der Fels hier weniger schön ist, noch viel mehr aber haben die Erschliesser aber die eh schon nicht sehr zahlreichen Bolts quasi versteckt und das bis dato einzige verfügbare Topo im Extrem West Band II gibt den Verlauf total inkorrekt wieder. Somit bin ich auf der Suche nach dem Weiterweg mal hierhin und mal dahin geklettert. Lustigerweise auf genau derselben Höhe und kein Dutzend Meter weiter links wie bei meiner damaligen Odyssee in der Paco. Deren Bolts sind in der Ferne (besser) erspähbar und nur meine Kenntnis dieser Route hat mich davon abgehalten, hier endgültig und definitiv ins Offside zu geraten. Irgendwann nach viel vor und zurück sowie links und rechts habe ich dann den um die Ecke versteckten Bolt gefunden und kurz danach auch den Stand. Schwierig an diesem Abschnitt war definitiv nicht die Kletterei.

L6, 40m, 6c+: Hier geht's nochmals richtig zur Sache und das sehr cool in grauem Spritzbeton-Fels. Die erste Hälfte ist dabei noch nicht so steil, dafür auch nicht immer sehr griffig. Mit etwas Aufmerksamkeit wird man seinen Weg aber finden und an die Steilzone herankommen. Wie gewünscht werden die Griffe dort nach einer kräftigen Stelle zum Auftakt besser, dafür gibt's einen langen Runout. Man kann jedoch mit einem Cam entschärfen und so klippt man unweigerlich irgendwann den letzten BH. Dass der so unmittig im sich zurücklegenden Gelände zwischen dem vorletzten und dem Standplatz steckt, kann nur einen Grund haben. Ja, die schwierige, plattig-sloprige Stelle kommt wirklich. In Retrospekt ist es noch schwierig zu sagen, ob es tatsächlich so tough ist oder ob ich mich einfach dumm angestellt habe - jedenfalls war ich da kurz nochmals heftig in Bedrängnis, konnte mich aber gerade noch aus der Affäre ziehen.

Für einmal stimmen die Eindrücke von Text und Bild sehr gut überein. Plattiges Finish von L6 (6c+).

L7, 30m, 6c: Dieser Abschnitt gehört eigentlich zur Ben Hur, somit war ich da 13 Jahre zuvor schon einmal hochgeklettert. In Erinnerung hatte ich noch, dass diese Länge einem durchaus noch auf die Pelle rücken kann, viel mehr hingegen nicht. Nach ein paar Metern erreicht man den Stand der Ben Hur, den man am besten verlängert klippt. Denn der Weg zum ersten Haken ist nicht so kurz und besticht vor allem nicht durch überzeugende Felsqualität (kurz etwas splittrig). Dann geht's kurz nochmals kräftig-athletisch zur Sache, so schlimm wie befürchtet war es dann aber doch nicht. Bald legt sich das Gelände zurück und mit einem weiten Abstand in einfachem Terrain erreicht man das Top.

Yehaa, geschafft! Wobei, die letzte Länge (eigentlich zu Ben Hur gehörig) gibt's nicht gratis.

Um 14.20 Uhr und damit nach rund 5:30h Kletterei hatten wir es geschafft und nach der Troja erneut den perfekten Double Send realisiert. Sportlich bzw. schwierigkeitsmässig ist die in Malmstrom sicher einiges taffer zu realisieren, L2 ist auch für 7b fordernd (und nicht einfach zum Onsighten), dann gibt's gleich nochmals eine 7b und die restlichen Längen sind vom Niveau her auch im Bereich der Troja. Das war nun wirklich der absolute Hammer, und das Szenario hier mit einer erwürgten Begehung den tollen Flow und das Erlebnis der Troja zu beeinträchtigen, war zum Glück nicht eingetroffen. Insofern hatte sich das "Risiko" gelohnt, gleich nochmals an den Wenden anzugreifen. Und hey, damit war nicht nur die Wendenroute #44 Realität geworden, sondern ich konnte auch alle 7 publizierten Routen in diesem irre steilen Sektor von Elefantenohr bis Paco klettern, wie genial ist denn das?!?

Immer auf Position, die Wendengeiss! Wenn sie gekonnt hätten, dann wären sie uns vermutlich über die ganze Route gefolgt. In der Malmstrom reicht das Steinbock-Terrain aber nur bis ein paar Meter über den ersten Standplatz hinauf. Die 5c+ Plattenlänge haben sie aber spielend bewältigt.

Das Abseilen über Malmstrom vollzieht sich im überhängenden Steilgelände. Damals bei der Ben Hur hatten wir nicht die besten Erfahrungen gemacht damit. Wenn man sich genau an die Instruktionen im Topo hält, so geht's aber vermutlich schon. Weniger ausgesetzt ist ein Abseilen über Aureus. Da wir vom Top von Malmstrom/Ben Hur den mir bekannten, finalen Stand der Paco erkannten, wechselten wir mit einer 15m-Länge im exponierten Gehgelände dahin. Von da sind es 1x50m zum Top von Aureus, über welche wir dank 2x60m-Seilen in 4 Manövern retour am Einstieg waren (mit 2x50m sind es 5-6 Manöver). Blieb noch der Fussabstieg, den wir routiniert zurücklegten. Ein paar Minuten vor 17.00 Uhr waren wir retour am Parkplatz. Der angekündigte Wetterumschwung zeigt am Himmel zwar erst relativ zarte Anzeichen, manifestierte sich jedoch v.a. dadurch, dass sämtliche anderen Kletterer den Ort bereits verlassen hatten und das dettlingsche E-Mobil der letzte parkierte Wagen war.

Facts

Gross Wendenstock - Malmstrom 7b (7a obl.) - 7 SL, 250m - Rathmayr/von Känel 2018 - ****;xxx
Material: 2x50m-Seile, 

Eine absolut verschärfte Wendenroute, welche bei insgesamt erstaunlich moderaten Schwierigkeiten durch die steile Wand führt. Das liegt am scharfen, strukturierten Fels, der mit Tropflochleisten und kleinen Schüpplein gespickt ist. Ein paar wenige, grossgriffige Steilpassagen trifft man ebenfalls an, während knifflige Platten nur ganz kurz am Ende von L6 ihre Aufwartung machen. Abgesehen von ein paar kurzen Stellen ist der Fels meist sehr gut, auch wenn im extrascharfen Gelände hier und da noch Spitzli brechen, Allergiker den Fingerschmerz beklagen könnten oder vereinzelt oranger Flechtenbewuchs präsent ist. Die Route ist gut bis sehr gut mit rostfreiem Material abgesichert, es gibt keine wilden Runouts oder gefährliche Passagen. Die im Text beschriebene, zwingende Passage in L2 verdient jedoch die 7a obl. absolut. Cams haben wir nur sehr punktuell eingesetzt (siehe Topo), an diesen Stellen sind sie jedoch wirklich nötig. Hinweis: in Mitte von L5 bringt man an diesem cleanen, breiten Riss sicher nichts Kleineres als Grösse 3 unter, die aber auch nur knapp passt. Besser wäre ein Camalot 4 - egal ob 3 oder 4, sonstwo auf der Route findet dieses Teil keine Anwendung, man nimmt ihn nur für dieses eine Mal mit. Da es bisher kein präzises schematisches Topo gab und dasjenige im Extrem West Band II beim Finden des Weges in L5 sogar eher hinderlich ist, findet ihr unten mein Werk (PDF-Download).

Das Topo zur Route Malmstrom an den Wendenstöcken (PDF-Download).