Nachdem wir uns eine Woche zuvor für den Granit am Furkapass entschieden hatten, sollte es dieses Mal in den Kalk gehen. Im Vorsommer findet man an den Wendenstöcken vielfach noch nicht optimale Bedingungen. Dieses Jahr war es jedoch bereits so lange schön und warm gewesen, dass man bedenkenlos angreifen konnte. Das Elefantenohr, eigentlich eine moderat schwierige Wendenroute, gespickt mit einer Monster-7c+-Cruxlänge, hatte ich schon seit Jahren auf dem Radar. Wie immer an den Wendenstöcken wurden wir durch das Dargebotene nicht enttäuscht, ja waren sogar hellauf begeistert. Hammermässiger Fels auf praktisch jedem Meter und viel Luft unter den Sohlen wurden uns geboten, so soll es doch sein!
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Noch Fragen offen, warum die Route so heisst wie sie heisst?!? Can you see the elephant?!? |
Nachdem ausnahmsweise ziemlich tiefe Temperaturen angesagt waren und der Tag zudem als sicher gewitterfrei prognostiziert wurde, einigten wir uns auf einen relativ späten Start. So liefen wir erst um 9.00 Uhr von der Wendenalp los. Während man im Aufstieg bei herbstlichen Bedingungen auf einen gut ausgetretenen Weg trifft und vor allem Brauntöne dominieren, herrschte dieses Mal grün gespickt mit Farbenpracht vor. Schnee hatten wir bis zum Einstieg keinen zu betreten - einzig bei der Stelle, wo man nach der Rechtsquerung auf die steilen Schlusshänge wechselt, mussten wir ein Schneefeld 10hm weiter unten umgehen. Allerdings, so viel sei an dieser Stelle auch gesagt, eine Überquerung desselben in den Trailrunners wäre nicht möglich gewesen. Der Schnee war bockhart und die Exposition im Wendenzustieg ist ja stets gegeben, ein Ausrutscher liegt da nicht drin. Für Ortsunkundige ist der Einstieg gar nicht so einfach auszumachen. Material steckt am Einstieg nämlich keines, der erste BH kommt erst ca. 12m "off-the-deck" und die rote Farbe, mit welcher die Route dereinst angeschrieben war ist zwar aus der Nähe noch knapp sichtbar, jedoch definitiv nicht mehr lesbar. Doch nachdem ich die benachbarten Routen (u.a.
Legacy,
Jednicka,
Zahir) bereits geklettert hatte, wusste ich wo es losgeht - es ist übrigens ziemlich genau mittig auf der Terrasse zwischen den beiden Nischen am Wandfuss. Um 10.30 Uhr kletterte ich schliesslich bei bestem Sonnenschein los.
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Dieses Foto könnte nützlich sein um zu identifizieren, wo die Route beginnt. Im Einstiegsbereich steckt nix, nur mit Sperberaugen sind noch ein paar Farbkleckse zu sehen, welche von einer verwaschenen Routenaufschrift stammen. Der erste Bohrhaken steckt erst oberhalb vom Dächli, etwa 3m unterhalb vom Kletterer. Die Platte darunter zählt noch zum verschärften Teil des Zustiegs... |
L1, 40m, 6a: Die ersten 10-15m darf man als nochmals verschärften Teil des Zustiegs betrachten. Trotz Schwierigkeiten im 5ab-Bereich steckt da noch rein gar nichts und liegen (im Sinne von mobilen Sicherungen) tut auch nur auf den ersten 2-3m was. Hilft zwar gegen eine Totalabsturz über die Zustiegshänge, nicht jedoch gegen einen potenziell schmerzhaften Aufprall auf den Einstiegsbändern. Das folgende Überhängli und die steile Wand darob dann gut abgesichert mit typischer 6a-Wendenkletterei - nicht ganz trivial, doch wer hätte das erwartet. Zuletzt dann einfacher über eine kompakte Platte etwas nach rechts zu geschütztem, aber etwas unbequemem Stand.
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L1 (6a) stellt einen gemütlichen Aufwärmer dar. Es warten aber schon kompakter Fels und einige nichttriviale Moves. |
L2, 25m, 5c+: Die ersten Meter vom Stand weg gar nicht mal so einfach für den banalen Grad, der hier vergeben wurde. Dafür mit 2 nahe steckenden Bolts gut abgesichert, was ja alleine schon Bände spricht. Die Fortsetzung dann einfacher, allerdings folgt bis zum Stand nur noch ein weiterer BH, die vergammelte Schlinge rechts aussen lockt einen übrigens auf eine falsche Fährte.
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Nur gerade 5c+, aber der Bizeps kommt am Anfang von L2 das erste Mal zum Einsatz. |
L3, 30m, 6b: Der Auftakt gleich mit einem kniffligen Moves, eine Etage höher wäre übrigens nochmals eine Standmöglichkeit (2 BH und 1 NH stecken da). Dann erst noch einfach und griffig die wohl öfters mal nasse Verschneidung hinauf. Es war zwar alles trocken, das Gestein jedoch etwas staubig. Die Bolts folgen hier in dichter Reihe, schwierig ist dann v.a. der Move nach links aus der Verschneidung hinaus, insbesondere wenn man's wie ich völlig falsch anpackt. Aber eine sehr coole Stelle mit ein paar Crimps, fantastisch. Hinauf zum Stand, welcher sich in der Nische ("im Auge des Elefanten") befindet, wartet dann noch eine absolut typische Wendenpassage. Etwa 7-8m links oben hat's noch eine vergammelte Schlinge in einer Sanduhr als letzte Zwischensicherung, von dort sind's nochmals 5m über eine kompakte Platte mit wenigen, seichten Löchern zum Stand. Es ist eine ziemlich aufregende Passage, ich kann's euch garantieren (erst recht übrigens für kleiner gewachsene, der Move an den finalen Sloper hat's dann bestimmt in sich).
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Die typische Wendenplatte mit einem Runout über einer alten Sanduhrschlinge markiert das Ende von L3 (6b). |
L4, 25m, 7a: Für die nächsten 25m gibt's zwei Möglichkeiten. Entweder die 6b+ rechts aus der Nische raus oder dann die 7a-Hammerplatte vom linken Ende der Nische. Wie so schön schon auf dem Internet steht "man könnte die 7a-Stelle rechts umgehen, aber da würde man etwas verpassen". Und zwar einen richtig schwierigen Auftakt. Hier präsentiert sich die senkrechte Wand noch wenig strukturiert, ein paar winzig-scharfe Mikrocrimper erlauben jedoch das Fortkommen. Chapeau an alle, welche das unmarkiert onsighten können, die Sequenz schien mir kaum erkennbar und ein Fehler ist nicht mehr rückgängig zu machen. Nachdem man die ersten 5m bewältigt hat, tauchen dann nach und nach bessere Tropflochgriffe auf, so dass sich die scheinbar recht weiten Hakenabstände (6 BH auf 25m) doch problemlos auflösen. Ein Hinweis noch: präzises Schuhwerk um auf kleinen Strukturen gut antreten zu können ist hier ziemlich unerlässlich.
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Für den Sicherungsmensch gibt's tolle Aussichten ins Berner Oberland. Für den Kletterer... |
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...wartet diese Hammerplatte in L4 (7a). Kompakter geht's nun wirklich fast nimmer mehr! |
L5, 40m, 7c+: Die Cruxsequenz präsentiert sich als absolute Monsterlänge. Lang, steil, anhaltend und ohne gute Ruhepunkte. Dafür, das sei an dieser Stelle auch erwähnt, präsentiert sich Absicherung im Wesentlichen sportklettermässig. Los geht's über die ersten 2 Bolts noch recht gängig im 6bc-Bereich. Doch bald steilt's auf, die Griffe werden kleiner und weniger, die Tritte spärlicher, die Moves weit. Bis unter den markanten Wulst hinauf liegen die Schwierigkeiten wohl so im Bereich von 7bc in perfekter, leicht überhängender, grau-rauer Wand. Einfach mega! Am Wulst (Crux) heisst's dann hingegen powern: weiter Zug von schlechten, etwas staubigen Seitgriffen zu Sloper und gleich verlängern an eine typische Wendenschüssel. Nun athletisch und mit gewaltig Luft unter dem Bürzel dranbleiben und quasi am Wulst selber eine kräftige, henklige Rechtsschleife klettern, ein affengeiler Abschnitt. Dann legt sich die Wand etwas zurück - doch sie wird auch feingriffiger und die optimale Sequenz an den nun eher sloprigen Griffen ist nicht so offensichtlich. Da kann man sich auch nochmals verrennen, v.a. auch weil die Füsse meist die typischen Wendenschlitze nutzen müssen, welche man von oben, einmal ausgestreckt und ausgepowert, so gut wie gar nicht mehr erkennen kann. Hut ab vor jenen, dies das Onsight können. Welch ein Gerät, diese Länge!
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Nicht das beste Foto und yours truly legt wie man gut sieht auch gerade eine schöpferische Pause ein. Aber so kann man doch den Charakter der Cruxlänge erkennen und das vom Kletterer senkrecht herunterhängende Materialseil vermittelt zumindest ungefähr einen Eindruck, wie stark überhängend diese Seillänge in Realität ist. |
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Gegenperspektive. Die letzten Meter in L5 (7c+) sind nicht mehr ganz so steil, sondern mehr auflegerig und feingriffig. Auch wenn's nicht mehr ganz so schwierig ist, wenn die Kraft einmal alle ist, so wird man auch hier noch abgeworfen. |
L6, 35m, 6c: Kurz charakterisiert würde ich sagen "zum Klettern nicht so schwierig, dafür fordernd gesichert". Gar nicht mal so einfach ist's vom linken zum rechten Standhaken und auch die Wandkletterei im ersten Abschnitt ist nicht geschenkt. Die folgende, athletische Passage an Seitgriffen bzw. einer kleinen Verschneidung war bei uns noch etwas nass, liess sich aber klettern. Die dann folgende, zweite Hälfte der Seillänge ist zwar einfacher und tendenziell plattiger (ca. 6a+/6b), dafür jedoch auch spärlich im typischen Wenden- oder eben Chäppi-Style geboltet. Sonst ist das im Elefantenohr nur gerade noch in der zweiten Hälfte von L3 der Fall. Heisst also, Herz in die Hand nehmen und weitersteigen, es geht dann schon.
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Ein Eindruck von der Kletterei in der mit weiteren Abständen gesicherten L6 (6c). |
L7, 25m, 6b+: Rechts aus dem Stand raus und athletisch zu einem grasigen Riss, sowas bin ich in den Wenden auch noch nie geklettert. Nach wenigen Metern lässt man diesen aber links liegen und wechselt in die steile Wand rechterhand. Vorzüglicher Fels und Kletterei dort, die Absicherung auch prima. Ich fand es aber hart für den Grad, mich dünkte dieser Abschnitt auch deutlich schwieriger wie die 6c davor. Nach 25m trifft man auf eine Standmöglichkeit (es sind 3 BH vorhanden), die man jedoch auch auslassen kann.
L8, 20m, 6b: Eigentlich eine unglaubliche 6b-Länge. Steil, ausgesetzt und henklig, in jedem Klettergarten wäre das eine absolute Perle. Ich hängte sie gleich an L7 an, was aufgrund vom Seilverlauf und mit 50m-Seilen gut möglich ist. Allerdings sollte man dann mindestens 14 Exen am Gurt haben, sonst wird's knapp. Und wie sehr sich der Grad von 6b relativieren kann, konnte man hier wieder einmal deutlich sehen. Schon etwas müde Arme, dazu blies nun die Thermik mit einer verrückten Heftigkeit, gepaart mit der Kondensationskälte und der Absenz der Sonne liess einen das sofort auskühlen und schon kann einem auch 6b heftig auf die Pelle rücken!
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Eine absolut geniale Kletterei bietet die Verbindung von L7 & L8 (6b+). Gut gesichert, aber hart für den Grad! |
L9, 30m, 5c: Was steht da auf dem Netz?!? "Die letzte Seillänge ist unlohnend und kann ausgelassen werden". Ein Körnchen Wahrheit steckt da vielleicht schon drin, aber irgendwie kommt's halt eben doch darauf an, mit welcher Motivation man in die Berge geht. Für mich jedenfalls ist ein Umdrehen vor dem Top höchstens eine Notlösung, welches immer den Touch von "Scheitern" mit beinhaltet. Die äusseren Bedingungen waren inzwischen sogar richtig garstig geworden, so dass eine Prise alpine Härte plötzlich unabdingbar war. Unlohnend naja, es geht auf einer ziemlich klassischen Linie entlang einer Mischung von Off-Width, V-Schlitz und Kamin. Für Liebhaber jedenfalls eine coole Sache. Stecken tut nur noch 1 NH und auch diesen kann man erst nach dem schwierigsten Move klippen, daher sind Cams unerlässlich (ich verwendete den kleinen Totem Cam, den 0.4er und den 0.5er Camalot, andere Grössen passen jedoch auch). Steht man dann am Top, so präsentieren sich irgendwie überraschende Perspektiven auf eine Schlucht und die Schrofen oberhalb - hätte ich so nicht erwartet. Der Stand befindet sich übrigens ziemlich weit rechts draussen.
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Nicht so das Superfoto, aber als Gipfelbeweis taugt's. L9 (5c) verläuft absolut wendenuntypisch entlang von einer Schwachstelle neben dem kompakten Fels. Eher etwas für Liebhaber?!? Wie auch immer, irgendwie eben doch geil! |
Um 17.00 Uhr und damit nach 6:30 Stunden Kletterei war das Top erreicht. Von hier noch wie in den Topos verzeichnet durch die Schlucht und über die Schrofenhänge weiter aufzusteigen und zur Abseilpiste von Aureus oder Excalibur zu wechseln, macht absolut nullkommagarnull Sinn. Erstens ist es sicher brandgefährlich dort oben rumzulatschen und zweitens lässt es sich über das Elefantenohr absolut formidabel und zügig abseilen. Einzig die Stände sind wie üblich an den Wenden ein Clusterfuck mit alten Schlingen, noch älteren Schlingen, komplett zugemüllten Bohrhakenlaschen und Uralt-Schnappern, wo das Seil eingefädelt werden muss. Doch bisher hat dieser Gerümpel noch für alle, die jemals eine Wendentour geklettert haben gehalten, so wird's auch dieses Mal nicht anders sein. Wie an den Wenden Usus, so erfährt man auch hier mehrmals die Situation, dass die Seilenden unterhalb im Leeren baumeln, mit etwas Pendeln geht's aber gut und die Stände liegen stets in gerader Linie unterhalb. Vor allem der Abseiler über die Cruxlänge und die 7a davor zurück in die Nische (das Auge des Elefanten) ist eindrücklich. Mit 2x50m geht's gerade auf, 1-2m Seil bleiben mit der Dehnung übrig.
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Nicht ganz einfach zu erfassen, was hier los ist... Das Bild vom Abseilen über die Cruxlänge, wo die Seile einfach ins Leere baumeln. Es braucht schon etwas Selbstvertrauen, sich hier einfach mal in die Tiefe gleiten zu lassen und darauf zu zählen, dass man den Fels bzw. einen Standplatz dann (pendelnd) schon wieder erreicht. |
Wenig später sind wir retour am Wandfuss. Hier bläst die Thermik nicht mehr wie verrückt, da lässt es sich auch gemütlich den Vesper halten. Zügigen Schrittes geht's danach in weniger als einer Stunde zurück auf die Wendenalp. Der Kreis schliesst sich, eine halbe Stunde später können wir in der Stammkneipe bei Pizza und Panaché auf meine 35. Wendenroute prosten. Damit ist für mich die Anzahl gekletterter Wendenrouten nun um eins grösser als die der bestiegenen Schweizer 4000er. Ob man mit dieser Statistik etwas anfangen kann, bleibe mal dahingestellt (zumal es mehr als doppelt so viele Wendenrouten wie 4000er gibt)... aber ich freue mich wie ein Kind über jede einzelne!
Facts
Gross Wendenstock - Elefantenohr 7c+ (7a obl.) - 9 SL, 260m - Lechner/Ochnser 1984/2005 - ****;xxx-xxxx
Material: 2x50m-Seile, 16 Express, für L9 Camalots 0.3-0.75, für L1-L8 Cams nicht zwingend nötig.
Eigentlich handelt es sich beim Elefantenohr um eine moderat schwierige und auch ganz passabel abgesicherte Wendenroute, wenn da nicht diese monstermässige 7c+ Cruxlänge wäre. Diese ist zwar +/- sportklettermässig eingebohrt, stellt aber natürlich trotzdem gewisse Anforderungen und die 7a obligatorisch dürfte wohl in etwa hinkommen. Das macht die ganze Unternehmung natürlich etwas inhomogen. Stören dürfte dies vor allem jene, welche auf eine durchgehend harte Route aus sind und snobistisch eine Wenden-6b als langweilige Pflichtübung empfinden. Das ist jedoch gar nicht der Fall, auch die einfacheren Längen sind echte Perlen in hervorragendem Gestein. Fast am wenigsten attraktiv sind sogar die härtesten Moves selber an etwas staubigen Auflegern und Seitgriffen. Wie bereits erwähnt ist die Route für Wendenverhältnisse gut abgesichert, weil sie dereinst nachgerüstet wurde. Das heisst jedoch auch, dass man an diversen Orten noch an den originalen Kronenbohrhaken und Self-Made-Plättli von 1984 klettert - passt aber schon. Mobile Sicherungen sind nur auf den ersten 15m am Einstieg und für L9 notwendig, für den ganzen Rest kommt man gut ohne aus. Für ein Fototopo siehe unten, weitere Infos zu Gebiet und Route findet man im
Filidor Extrem West (z.B. bei
Bächli Bergsport erhältlich. Achtung, die Materialangaben zur Route im Extrem West sind falsch!)
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Fototopo mit dem Routenverlauf vom Elefantenohr (9 SL, 7c+) an den Wendenstöcken. |