- -

Samstag, 14. September 2024

Le Ponteil - Rôle en Dalles (6c)

Es war wieder einmal Zeit für einen Tag Abstinenz vom steilen Sportklettern. Unsere Devise war, es den Radfahrern an der Tour de France gleichzutun. Die machen an ihrem Ruhetag auch keine Pause, sondern strampeln eben mal 150km in (relativ) gemütlichem Tempo ab, um im Rhythmus zu bleiben. Des Vertikalathleten Pendant zu dieser Strategie ist das Klettern einer schönen Recovery-MSL mit ein paar genussreichen Seillängen. Das attraktive Gesamtpaket von einfacher Zugänglichkeit per Bike, nachmittäglichem Schatten und spannend-steiler Kletterei sprachen erneut für das Gebiet von Le Ponteil, dieses Mal war Larina mit von der Partie.

Sicht auf die S-Wand vom Gebiet Le Ponteil mit dem Verlauf der Rôle en Dalle (6c)

Allzu viele Routen kenne ich an dieser Wand noch nicht (Surplomb Jaune, Nid d'Aigle), aber nach einhelliger Meinung sei die von uns anvisierte Rôle en Dalles die beste Route im Gebiet. Was natürlich die Frage aufwirft, ob es denn weise ist, beim ersten (oder einem der ersten) Besuche in einem Gebiet gleich die beste Route zu klettern. Was kommt denn danach?!? Eigentlich gibt's nur zwei Optionen, entweder 1) gibt man sich danach mit weniger (Schönheit) zufrieden, oder 2) man zieht weiter zum nächsten Gebiet, um dort auch wieder (nur) die schönste Route zu klettern. So richtig das Gelbe vom Ei ist weder das eine noch das andere, jedenfalls führt die ausschliessliche Jagd nach dem Perlen vielleicht nicht unbedingt zu nachhaltiger Befriedigung beim Klettern, so scheint es mir die Logik zu diktieren. Nun denn, die snobistische Haltung zuerst bzw. nur die besten Routen zu klettern ist mir generell fremd, an diesem Tag war aber die Rôle en Dalles trotzdem das am besten passende Projekt, für die anderen Linien an der Wand kommt die Gelegenheit hoffentlich auch einmal.

Das Panorama vom Einstieg - es ist wirklich ein sehr schöner Ort zum Klettern!

Mit dem Bike gondelten wir, so wie ich es kürzlich schon mit Jerome gemacht hatte, die ca. 10km hinauf nach Le Pont (P.1447). Auch für die Rôle en Dalles startet der Zustieg bei der Infotafel, von wo man in 10 Minuten zur Wand gelangt. Eigentlich ist der Start angeschrieben (nicht so gut lesbar), aber die Routendichte ist so hoch, dass es trotzdem nicht ganz trivial ist, die richtige Linie zu verfolgen. Auch die Topos entschlüsseln die Sache nicht einwandfrei, am besten beschreibt die Situation meines Erachtens der Oisans Nouveau, Oisans Sauvage (ONOS). Jedenfalls startet die Rôle en Dalles gemeinsam in der steilen Verschneidung mit der Les Diables und hält sich dann im weiteren Verlauf an die Rampe links der Verschneidung. Um 13.50 Uhr ging es los mit der Kletterei, dies bei angenehmen Bedingungen. Damit man diese im Sommer vorfindet, ist eine gewisse Planung nötig. An diesem Tag im enorm heissen Sommer 2024 waren die Temperaturen für einmal ca. 5 Grad tiefer angekündigt, zusätzlich minderten Schleierwolken die Einstrahlung der Sonne, welche die Wand am Nachmittag sowieso nur noch seitlich bescheint und es ging ein thermischer Wind - so passte es perfekt.

L1, 30m, 6b+: Zuerst gut 10m steil durch die Verschneidung an speckigen Henkeln gemeinsam mit der Les Diables, nachher sehr schöne Tropflochkletterei in der Wand links der Verschneidung. Die Crux an ein paar Tropflochleisten gegen das Ende hin, da muss man sich durchaus mal kurz festhalten! Wer möchte, kann diesen Abschnitt komplett durch die Verschneidung einfacher umgehen, dort führt eine in den meisten Topos nicht verzeichnete, gut mit BH abgesicherte Route/Variante durch, welche offenbar bei 6a+ eincheckt.

Sehr schöne Tropflochkletterei im oberen Teil von L1 (6b+), fast wie im Gufechüssi auf der Galerie.

L2, 25m, 6a+: Steile Wandkletterei im Tropflochgelände, toll! Die Crux im Wandstück kurz vor dem sehr bequemen Standband, da muss man sich schon wirklich festhalten für eine 6a+. Vielleicht in etwa so wie in der Crux vom Zigerchrapfe (hart 6a+) auf der Galerie, wenn wir schon dabei sind, derartige Vergleiche zu ziehen.

Das Finish von L2 (6a+) hat es in sich!

L3, 20m, 6c: Fulminanter Auftakt in drückender Wand, athletisch und technisch-knifflig zugleich. Topoguide bewertet hier mit 6c+/7a, in diese Richtung zielen auch die Berichte auf C2C, wobei jene Autoren die Stelle meist nicht klettern konnten. Uns gelang dies und wir fanden die 6c schon taff, im Vergleich zum Rest aber nicht extrem unpassend. Dann ist es noch so, dass eine harte 7a in Céüse definitiv höhere Anforderungen stellt... aber ob dies die Messlatte sein soll, ist dann halt auch wieder fraglich. Jedenfalls, nach der anfänglichen Cruxzone legt sich das Gelände etwas zurück, eine Rissspur will erobert werden. Eine Special-Mention verdient noch das Finale, wo es vor allem die richtige Beta zu erkennen gilt.

"Think lateral" heisst es am Ende von L3 (6c) bei dieser fotogenen Stelle.

L4, 15m, 5b:  Schöne, steile Wandkletterei, welche man vermutlich besser mit einer 5c bewerten würde. Es ist eine eher kurze Seillänge, welche an L3 angehängt werden könnte, wenn man genügend Exen mitführt. Wobei auch die Kombo L4/L5 fast noch besser möglich ist und auch weniger Hardware erfordert.

L5, 25m, 4b: Generell nur eine Übergangslänge durch den Gemüsegarten, die paar Moves vom Stand weg in plattigem Fels haben es allerdings durchaus noch in sich! Ich bin logisch gerade hoch aufs Band zu einem Kettenstand geklettert. Die Fortsetzung im steilen, roten Fels sieht sehr attraktiv aus, hierbei handelt es sich jedoch um die FOMEC. Wer auf der Rôle en Dalles bleiben will, muss...

Ein attraktiveres Foto kriegt man da kaum hin: die letzten Meter der Kombo L4/L5 (5b, 4b).

L5bis, 25m, 2a:  ...auf dem Band ca. 10-15m nach links queren, dann über eine einfache Stufe eine Etage höher steigen und am Fuss einer steilen Verschneidung Stand beziehen (zur Zeit unserer Begehung war da ein Stein mit stark verblasster Aufschrift vorhanden). Ab Stand 3 reicht das Seil sicher nicht bis dahin.

L6, 25m, 6b: Geniale 3d-Turnerei durch die eindrückliche Verschneidung hoch - immer schön fordernd, aber genau dann, wenn's nötig ist, taucht wieder wieder eine Struktur auf, welche die Sache im 6b-Rahmen hält. Toll!

L7, 25m, 6b+: Hier verlässt man die Verschneidung nach links hinauf und klettert in fantastisch schönem und auch 45 Jahre nach der Erschliessung noch beinahe jungfräulich wirkendendem Tropflochfels (schaffen es viele von den Anwärtern etwa nicht bis hier hinauf?). Es gibt nur eine kurze Crux, die für 6b+ gutmütig ist. Man könnte auch mit 6a+ bewerten, wir fanden die Länge einfacher wie L1, L2 oder L6. Der Stand am Ende links und eher unbequem, alternativ gleich gerade hinauf ins Gemüse und Stand am BH vom Drahtseil machen. Tipp: der Link von L6/L7 ist mit 50m-Seilen möglich, allerdings braucht es ca. 17-18 Exen, wenn man alle Bolts klippen will. Ich habe jeweils dort, wo sie eng stecken die untere Exe wieder mitgenommen, so ging es auch gut mit nur 12 Stück.

Sehr schöner, rauer Tropflochfels in L7 (6b+).

Um 16.50 Uhr waren wir nach ziemlich genau 3:00h Kletterei am Top - natürlich mit einer beidseitigen Onsight/Flash-Begehung. Dies war nicht die grosse Challenge gewesen (welche wir ja auch nicht gesucht hatten), doch ein wenig anstrengen mussten wir uns dann doch einige Male. Aber das entsprach genau unserem Gusto. Obwohl im ONOS strikt davon abgeraten wird, wäre das Abseilen über die Route/Wand in 3x oder 4x ziemlich sicher die schnellste und beste Abstiegsvariante (zumindest wenn keine anderen Seilschaften präsent sind, was bei uns der Fall gewesen wäre). 

Der Vorteil vom Abstieg zur empfohlenen Abseilvariante: man sieht den oberen Teil der Wand sehr schön im Profil. Und da zeigt sich, dass dass Terrain da schon richtig steil ist!

Wir hielten uns indessen ohne viel zu überlegen an die empfohlene Option und stiegen zu Fuss zum Top von Nid d'Aigle ab. Der Weg dahin war weiter als gedacht, der Pfad in den Schrofen ob der Wand ist nicht so ausgeprägt und teils recht ausgesetzt (an einigen Stellen sind Drahtseile vorhanden). Die letzten 5m von der Kanzel ob der SE-Wand müssen dann an einem (maroden) Fixseil noch abgestiegen werden, bevor zwei sehr bequeme, steile ja teils freihängende Abseiler (50m, 40m) zurück auf den Boden führen. Von da brachte uns ein kurzer Marsch zu den Velos und wenig später waren wir nach einer Schussfahrt retour bei unserem Camp. Sehr zufrieden, denn das war wirklich eine prima Art gewesen, an unserem Ruhetag noch zu etwas Bewegung zu kommen.

Steile Abseilerei über Nid d'Aigle.

Facts

Le Ponteil - Rôle en Dalles 6c (6b obl) - 7 SL, 190m - M. & JJ. Rolland 1978 (!!!) - ****;xxxx
Material: 2x50m-Seile, 12 Express, Cams/Keile nicht nötig

Die Route bietet 4.5 SL mit wirklich superschöner Tropflochkletterei, dazu in Wandmitte zwei einfachere Überführungsabschnitte. Meist handelt es sich um Wandkletterei und doch wird einem Abwechslung geboten mit 3d-Verschneidungskletterei und Risspassagen. Das einzige was fehlt ist das Feeling einer grossen MSL-Tour, dafür ist die Route dann doch eher zu kurz, zu wenig isoliert bzw. zu fest im Gemüse rundherum eingebettet. Auf jeden Fall ist es aber eine prima Möglichkeit, bei überschaubarem Aufwand und Zeitbudget mehrere Seillängen am Stück zu klettern. Bei geschickter Planung ist dies auch im Sommer möglich, die Vorzüge der Wand zeigen sich umso mehr in der kälteren Jahreszeit, wobei man dann tageszeitlich früh genug starten sollte. Die Absicherung der Route mit verzinkten BH ist sehr gut ausgefallen. Nicht ganz so eng wie in den Routen von JMC, aber doch so, dass man eigentlich alle schwierigen Passagen ab ca. 6a+ mit Griff zum Haken entschärfen kann. Um die Route weitgehend frei und zügig absolvieren zu können, sollte man jedoch schon über ein Onsight-Niveau von 6b/6b+ verfügen, die Cruxpassage verlangt dann noch ein wenig mehr (ist aber A0 machbar). Topos von unterschiedlicher Qualität findet man im ONOS, im Briançon Climbs, im Plaisir Sud, im Topoguide Band III und womöglich weiterer Literatur. Sehr nützlich wie immer auch die Beiträge auf C2C.

Dienstag, 10. September 2024

Le Ponteil - Nid d'Aigle (6a)

Beim steilen Sportklettern hält sich Jerome meist vornehm zurück - nun aber war er am Restday von den Girls dazu beordert worden, mit dem Papa eine MSL zu klettern. Dies vielleicht insgeheim nach dem Motto "lieber er als ich", aber schlussendlich wurde das so geschickt kaschiert, dass der Deal für alle stimmte. Ein passendes Ziel zu finden, war dann gar nicht so einfach: an diesem Tag war das sonst so stabile Wetter auf nachmittägliche Schauer eingestellt, es herrschten brütend heisse Temperaturen und nicht zuletzt durfte auch der Anspruch nicht zu hoch liegen. Da scheint es womöglich verrückt, an die selbst im Winterhalbjahr kletterbare Paroi du Ponteil zu pilgern - Bewölkung und Wind sei Dank ging der Plan jedoch bestens auf, wir konnten eine spannend-spektakuläre Route bei angenehmen Bedingungen klettern.

Die fantastische, steile Wand von Le Ponteil mit dem Verlauf der Nid d'Aigle (6a).

So fuhren wir vom Basecamp mit den Bikes die ca. 10km hinauf nach Le Pont (P.1447), wo der Zustieg bei der Infotafel startet und einen in ~10 Minuten an den Fels bringt. Man passiert dabei zwei Verzweigungen, beide Male heisst es die rechte Spur zu nehmen. So gelangt man mehr oder minder direkt zum Einstieg, welcher angeschrieben ist ("50" und weniger deutlich, "Nid d'Aigle"). Wir schirrten uns auf und starteten um 11.15 Uhr in die Route. Die ersten der versprochenen Wolken tauchten langsam aber sicher am Himmel auf und ermöglichten uns die Kletterei bei angenehmen Bedingungen. Sonst wäre es im Sommer noch eine Option, erst um ca. 14.30 Uhr mit der Kletterei zu beginnen, wenn die Sonne um die Ecke verschwindet.

Steil bergauf geht's nach Le Ponteil (ca. 600hm von der Talsohle).
Unzweifelhaft, hier startet die Route!

L1, 25m, 4b: Über eine erste Stufe hinauf in nochmals einfaches Gelände. Da besser nicht stürzen, denn der zweite Bolt steckt hoch, ein "retour au sol" würde da sehr ungünstig enden. Dann folgt tolle Kletterei rechts hinauf in orangem Fels mit irrer Tropflochstruktur - unglaublich für den Grad. Man erreicht einen ersten Stand (BH und NH), derjenige 4m weiter rechts mit 2 BH liegt eher besser.

Super Tropflochkletterei in L1 (4b) - da kriegt man etwas geboten für den Grad!

L2, 25m, 4c: Man quert weiter nach rechts in erneut toll strukturiertem Tropflochfels. In der Mitte der Seillänge orientiert man sich dann über eine Rampe nach links hinauf. Achtung, hier besteht eine gewisse Gefahr, sich zu verkoffern. Links auf dem korrekten Routenverlauf sind die Haken nämlich nicht sichtbar (es kommen aber welche), während einem fixes Equipment nach rechts lockt. Der Stand befindet sich dann auf einer sehr bequemen Terrasse - die zwei unverbundenen BH rechts liegen für die Fortsetzung geeigneter wie der Ketten-Abseilstand links.

Les Français disent 'magnifique'!

L3, 30m, 4c: Für diesen Abschnitt gibt es zwei Möglichkeiten (plus die Option, sich in die nach rechts führende La Martine zu verkoffern): entweder die Verschneidung in hellem Fels gerade hinauf (5c) oder die liegende Platte weiter links. Das ist recht gängig, aber dünkte mich doch klar schwieriger wie L1 und L2. Oben auf der nächsten horizontalen Verwerfung quert man dann nach rechts zurück. Diese Traverse ist v.a. für den Nachsteiger nicht optimal gesichert (Keil oder kleiner Cam nicht unnütz, da ich selbiges nicht dabei hatte, war auch mit einer Knotenschlinge für Sicherheit zu sorgen, das Placement ist super).

Auch hier in der 4c-Version von L3 wartet hervorragende Tropflochkletterei.
Die Traverse am Ende von L3 (4c) ist easy, aber für's hintere Seilende ohne mobile Ergänzung nicht optimal gesichert.

L4, 25m, 6a: Los geht's mit einer steilen Verschneidung - auch hier ist das helle Gestein grundsätzlich von prima Qualität, dann aber auch etwas glatt anzufassen. Dass hier schon hunderte von Klettererhänden nach Halt gesucht haben, macht das auch nicht unbedingt besser. Geht aber schon - mit geschicktem Placement ist's gar nicht mal so anstrengend und geht prima auf. Das gilt dann nicht unbedingt für das folgende Dach mit der Crux: es ist rasch vorbei und vorzügliche Henkel hat es auch, aber herrlich kräftig ist es eben dennoch. Bald darauf folgt der Stand erneut auf einer bequemen Terrasse. Hier wird man sich gewahr, dass die gesamte Überhangzone, welche man vorher beklettert hat, eigentlich aus vom Fels losgelöstem Gestein besteht und ein breiter Spalt klafft. Irgendwie wirkt das alles ziemlich absturzbereit... aber solange die Häuser unterhalb noch bewohnt sind und die Strasse nicht gesperrt, wird es wohl nicht so gravierend sein (oder es hat's einfach noch niemand bemerkt, der dafür verantwortlich wäre).

"Das isch Musig!" - super steile und henklige Kletterei zeichnet die Cruxlänge (L4, 6a) aus.

L5, 25m, 5c: Nochmals eine coole und sehr steile Seillänge, die als frühen Programmpunkt gleich ein markantes Dach bereithält. Auch nicht ganz einfach, aber doch eine Runde zahmer als dasjenige in L4 kommt es schliesslich daher. Steil und griffig geht's dann mit einer kleinen Rechtsschleife dem Top entgegen. Die Absicherung ist auf der zweiten Hälfte der Seillänge eher weit und die Blöcke da am Ende sind auch nicht alle topsolide - vermutlich hält aber alles, auch wenn der Kletterer wie ein Ochse selbst am bedenklichsten Stein zieht.

Steil, luftig und gutgriffig geht's auch in L5 (5c) zur Sache.

Kurz vor 13.00 Uhr hatten wir nach 1:45 Stunden sehr vergnüglicher Kletterei das Routenende erreicht. Ein kurzes Fixseil würde hinauf ins einfache Gelände führen, wo man bei nachfolgenden Seilschaften auch zur Abseilpiste gelangen könnte, die wir damals nach der Surplomb Jaune genutzt hatten. Da wir alleine in der Wand waren, sparten wir uns diesen Aufwand und seilten gleich über die Route in die Tiefe. Steil, ja teilweise freihängend geht's gestreckte 50m hinunter zur Terrasse, wo sich Stand 2 befindet. Von da sind es dann weitere 40m bis zum Turnschuhdepot am Einstieg. Zufrieden mit der tollen Tour packten wir unsere Ware zusammen, stiegen ab zum Bikedepot und rollten in rauschendem Tempo zurück ins Tal - mit kurzem Zwischenstopp beim Brunnen mit 'eau potable' in Champcella, denn trotz der angenehmen Bedingungen hatte es doch einen rechten Durst gegeben.

Facts

Le Ponteil - Nid d'Aigle 6a (5c+ obl.) - 5 SL, 130m - JJ. & M. Rolland 1973 - ***;xxxx
Material: 2x50m-Seile, 10 Express

Kurze, aber eindrückliche MSL, welche dem leichtesten Weg durch eine irre steile Wand folgt. In den steilen Abschnitten warten anstrengende Verschneidungen und kräftige Henkeldächer. Auf den geneigteren Wandabschnitten findet man hingegen aussergewöhnliches Tropflochgestein, gerade für diesen tiefen Schwierigkeitsgrad. Vielerorts liest man, die Route sei stark abgespeckt. Ich glaube, das teilweise wie marmoriert wirkende Gestein war da schon immer glatt. Logischerweise ist es nach 50 Jahren intensiver Nutzung nicht rauer geworden - aber lohnend Klettern kann man da auf jeden Fall noch immer. Mehr Argwohn verursachen mir hier schon die teilweise massiven, halb losgelösten, überhängenden Felspakete (welche die zu überkletternden Dächer definieren), die da in dieser Verschneidungslinie hängen. Für die geologische Ewigkeit haben die sicher nicht Bestand... doch wann deren Stunde gekommen ist, steht natürlich auch in den Sternen. Die Absicherung mit verzinkten BH ist gut, aber nicht so üppig, wie man es aus den teils sehr konsumentenfreundlich präpariertem JMC-Touren kennt. Eine 5c sollte man schon solide Vorsteigen können, damit man hier Spass hat. Topos findet man z.B. im Briançon Climbs, dem Oisans Nouveau, Oisans Sauvage, im Plaisir Sud oder im Topoguide Band II.

Mittwoch, 4. September 2024

Tête de Gaulent - Les promesses de l'aube (6c+ oder 6a+ A0)

Restday - das war das Motto für diesen Sonntag. Auch mir war ein gemütlicher Vormittag nach viel strenger Sportkletterei nur recht. Faulenzen wird aber doch bald einmal weniger spannend wie auf Entdeckungsreise gehen und so lockte mich das tolle Wetter doch noch für einen Ausflug in die Berge. An die Tête de Gaulent sollte es gehen, wo ich im 2018 mit Larina die Top-Plaisirtour Gaulent Tement geklettert hatte. Das war ein mit dem Bike erreichbares Gebiet, es gab mit der Promesses de l'Aube ein in Sachen Schwierigkeit, Absicherung und Länge ideales Ziel für ein Rope Solo und dank der SE-Exposition mit Einstieg auf 2600m würde man spätnachmittags auch an einem der wärmsten Tage im 2024 angenehm klettern können. Also packte ich meine Ware und los ging's!

Sicht auf das Massiv der Tête de Gaulent. Alle anderen modernen und gut abgesicherten Routen befinden sich am linken (Vor)gipfel, in der Wand rechts gibt's nur die hier eingezeichnete und von mir gekletterte Promesses de l'aube. Der eigentliche Gipfel der Tête bietet keine Kletterrouten und ist noch weiter zurückversetzt.

In meinem Fall mit einer längeren Bikestrecke, aber auch mit dem Auto ist für die Fahrt zum Ausgangspunkt viel Sitzleder nötig! Die Schotterpiste hinauf nach Tramouillon (1950m) ist lang und ruppig - Rätikonstyle. So wie ich mich von meinem letzten Besuch erinnerte, rechnete ich mir gute Chancen aus, mit dem Bike noch ein Stück weiter fahren zu können. Das materialisierte sich, auf 2250m war schliesslich Bikedepot und Zeit für eine Pause. Puh, das hatte doch schon einige Körner gekostet: mit dem Auto nach Tramouillon zu düsen und dann zu Fuss zu gehen ist sicher die weniger anstrengende Lösung. Aber auf die war ich natürlich nicht ausgerichtet, der autofreie Triathlon Bike, Hike & Climb war genau meine Absicht.

Bikedepot... aus dem Talboden sind es 1300hm bis dahin.

Weiter ging's zu Fuss, bald kreuzte ich eine Seilschaft, die mich wie einen Ausserirdischen musterten. Sie hätten nach der Gaulent Tement noch eine zweite Route (die hier von mir beschriebene) klettern wollen, aber es sei viel zu heiss gewesen. Meine Antwort: "ça va bientôt passer à l'ombre" - bald kommt der Schatten 😎 Das willst du zu dem Zeitpunkt vermutlich nicht hören, erst recht nicht von einem Schweizer Mr. Schlaukopf 🤓 Jedenfalls, das letzte Stück zur Wand hoch zog sich. Unten hat's noch eine dünne Wegspur, oben dann eher nur noch vermeintliche. Ich meine, am besten steigt man nach links ausholend, dann im Bereich links der Geröllreisse, welche von der Wand runterzieht. Oben muss man dann ca. 40hm unterhalb vom Einstieg nach rechts wechseln und umgeht zuletzt einen Vorbau rechtsrum. Der Start der Route selbst bei 2 BH mit Schlinge ist offensichtlich, es ist die einzige Linie in diesem Wandteil. Ein paar Minuten vor 16.00 Uhr startete ich in die Route.

Am Einstieg angekommen. Wie erwünscht verabschiedet sich die Sonne gleich aus der Wand.

L1, 35m, 6a: Am Anfang über einen Aufschwung, dann in grasigem Gelände zur nächsten Wand. Die bietet dann tolle Kletterei in fantastischen Fels - bis auf die eher braun-graue Färbung rätikonlike mit Rauigkeit, Tropflöchern, Dellen, Wasserrillen - das ganze Programm. Der Nachteil: es wirkt ein wenig so, wie wenn man nebenan von einem T6-Hikr überholt werden könnte. Die Crux bei der Querung nach links auf die Kante.

L2, 40m, T5: Wie bereits im Text zu L1 angetönt: gerade im unteren Teil haben wir es hier nicht mit einer kompakten Wand zu tun. So wartet hier ein Schrofenintermezzo mit mehr oder weniger horizontaler Querung einem Fixseil entlang in eine Geröllrinne, am Ende geht's dann noch kurz und leicht mühsam hinauf zum nächsten Stand. Der vorhandene Strick hat definitiv schon bessere Zeiten gesehen, teilweise hängt er nur noch in den Fäden, es ist ihm nicht zu vertrauen.

L3, 30m, 5c: Auch hier wieder die tolle Kletterei in einer kompakten Wand mit rätikonlikem Fels. Zu einem grossen Teil geht das wirklich gut, nur in einer kurzen Querung in der Mitte heisst es, seine Moves sorgfältig zu planen. Ich fand das gar nicht mal so einfach. Wenn bei den Franzosen der Grad 5c+ nicht so stiefmütterlich behandelt würde, wäre es vielleicht zum Einsatz gekommen.

L4, 40m, 5c: Diese Länge folgt zuerst einem kurzen Grat und macht dann eine grosse Rechtsschleife. In Seilschaft ist da der Seilzug programmiert. Als Rope Soloist ist der kein Thema, trotzdem hatte ich den Stand nach L3 erst an der hinteren Wand improvisiert (die nahe steckenden BH erlauben dies), was sicher auch zu zweit eine prüfenswerte Option ist. Die Querung klettert sich dann easy, um die Verschneidung zu gewinnen holt man dann noch weiter nach rechts aus wie die seilzugoptimierten BH suggerieren, so ist auch dieser Teil und das Finish recht gängig.

L5, 25m, 5c+: Auch hier kurz nach rechts und gleich steil mit ein paar Zügen am verblockten Riss hoch. Auch wenn's etwas spooky ist, man kann m.E. bedenkenlos an den eingeklemmten Steinen ziehen, die sitzen solide. Der obere Teil führt dann der Kante entlang, die Haken locken einen zu Gunsten von höheren Schwierigkeiten eher auf die rechte Seite, leichter geht's links. Nach einem prüfenden Blick zur Anzahl noch an meinen Gurt baumelnden Expressen entschliesse ich mich, den etwas unbequemen und (v.a.) für's Rope Solo ungünstig platzierten Stand auszulassen und gleich weiterzugehen (in Seilschaft keine gute Option!)

Beim Rope Sole natürlich wieder einmal keine Kletterfotos gemacht. Hier der Blick vom Stand nach L5 auf die freiklettertechnische Crux der Route an diesem splittrigen Wulst zu Beginn von L5. Man geht in links der Bildmitte an und klettert in etwa dort, wo die Gesteinsfarbe von gelbbraun zu weissgrau wechselt (in voller Auflösung sieht man die BH). Dann in die Verschneidung hinein und henklig übers Dach raus - kurze Stelle 6c/6c+.

L6, 25m, 6c/+ oder 6a 2pa: Von der Flachzone weg gleich die Crux mit der als A0 propagierten Passage. Ich hatte mich im vornhinein nicht im Netz schlau gemacht, ob das auch frei geht, wollte es aber auf jeden Fall probieren. Jedenfalls, es stand schon zuvor im Netz und nun ist's auch hier festgehalten: es geht und es ist noch nicht einmal extrem viel schwieriger wie der Rest der Route. Jedenfalls: die Wand hat hier kurz einen splittrigen Gürtel. Ich habe in diesem Bereich eigentlich keinen Griff genutzt. Oberhalb findet man zum Greifen kleine Tropflochcrimps - dann heisst's 1x im splittrigen Fels antreten (da gibt es schon zuverlässig-solide Tritte, nur halt keine guten). So sind es quasi 2 Moves, dann hat man einen Henkel in der Hand und muss schauen, wie man athletisch aus der Verschneidung entkommt - dieser Teil gehört auch der der A0-Variante dazu. Der Rest der Länge ist dann leichter verdaulich und folgt einer Art Rampe in Tropflochgelände zum Stand.

L7, 35m, 6b+: Super Abschlussbouquet zur Route - steil, eindrücklich und luftig! Los geht's griffig und entlang von Rissen, wo ich sogar ein paar Jams gesetzt habe. Schon diesen Teil empfand ich als recht zupfig und als Crux der 6a+ Bewertung entsprechend, welche JMC propagiert. Aber damit ist noch längst nicht fertig, aus einer steilen Verschneidung klettert man rechts um die Kante. Da muss man sich kurz mal echt gescheit festhalten, das sprengt den Rahmen von 6a+ definitiv. Nach ein paar Zügen in flacheres Gelände wartet dann noch eine feine Linksquerung und das einfachere Finish, welche im Vergleich zum Rest der Route eher luftig gesichert sind.

Schon beim Ausräumen der steilen und luftigen L7 (6b+). Die Crux besteht bei der Querung nach rechts aus der Verschneidung raus (da wo das Seil sichtbar ist). 

L8, 20m, 4c: Hm, das sieht schon a priori eher bof bof aus und für ein einfaches Abseilen ist der Weiterweg auch nicht so günstig. Aber meine Meinung zum verfrühten Abbrechen von MSL ist ja bestens bekannt und hier gibt's sogar noch einen Gipfel zu besuchen. Ich spekuliere, dass ich mit meinem 70m-Seil nach L7 gleich weiter und dann auch ausräumen kann, ohne nochmals runter zu müssen - das ging grad auf (mit Abziehen und nochmals fädeln an Stand 7). Sonst gibt's zu dieser Länge wirklich nicht viel zu sagen, die Kletterei an einer Art Grat und zuletzt über einen Aufschwung ist nicht schön und der letzte Stand ist unbequem platziert. Allerdings ist's auch schnell erledigt.

Vom Gipfel bietet sich ein super Panorama über unsere geliebte Feriengegend 😀

Natürlich machte ich den kurzen Abstecher zum Gipfel. Eigentlich ist's nur ein Turm vor der eigentlichen Tête de Gaulent, aber doch eigenständig und vor allem mit 360 Grad Rundumsicht - genial schön da oben! Die Uhr zeigte 17.50 Uhr, somit hatte ich etwas weniger als 2:00h gebraucht - super zügig also. Wie gewünscht hatte ich alles schön am Schatten bei angenehmen Bedingungen klettern können, da war die Planung perfekt aufgegangen. Das Abseilen führte ich dann genau so aus wie im ONOS und im Plaisir beschrieben. Die Abseilstellen messen wirklich nicht mehr wie die dort angegebenen 35m. Allerdings muss man im Bereich von L2 zuerst etwas mühsam im Geröll absteigen und dann dem Fixseil entlang zurück zu Stand 1 gehen (wobei längere Seile da nur beschränkt helfen, man wird sowieso ein Stück zu Fuss absteigen müssen, was für meinen Geschmack problemlos ist).

Zurück am Einstieg - faut pas trainer...

Einmal zurück am Einstieg (18.20 Uhr) sah es so aus, als ob der Giftpilz auf der gegenüberliegenden Talseite mich tatsächlich noch behelligen könnte. Also rasch die Ware gepackt und zügig zum Bikedepot (18.40 Uhr), dann erst in holpriger, später in rauschender Fahrt die 18km zu Tale mit Basecamp an um 19.10 Uhr. Warum ich die Zeiten hier so genau nenne? Weil ich diese erst jetzt anhand der Fotos rekonstruiert habe und es selbst kaum glauben kann, dass Gipfel-Camp in 80 Minuten möglich ist, so weit wie dies optisch aussieht! Jedenfalls, das war eine super Tour und trocken bin ich übrigens auch geblieben 😁

Facts

Tête de Gaulent - Les Promesses de l'Aube 6c/+ (6a+ obl.) - 8 SL, 250m - Cambon/Bidault 2010 - ***;xxxxx
Material: mind. 1x70m-Seil, 14 Express, Cams/Keile nicht nötig

Eine wirklich lässige Plaisirroute in meist sehr gutem, rauem und strukturiertem Fels, die jedoch durch eine ziemlich gegliederte Wand führt und so das Feeling einer grossen Unternehmung etwas vermissen lässt. Ich habe hier auch Plaisir geschrieben, meine damit aber etwas anderes als im Plaisir Sud und im OSON (wo JMC zusätzlich schreibt, die Route sei weniger anforderungsreich wie die Gaulent Tement, was m.E. nicht richtig ist). Also, die Beschreibungen suggerieren 6a+ mit 3pa und 5c obl. Das dünkt mich klar zu tief, man sollte sich auch mit Hakenhilfe auf 6a+ obligat einstellen, sonst hat man in L7 mehr Stress als Spass. Wenn man die Route freiklettert, so destillieren die Berichte auf C2C zu einer 6c/6c+ in L6 und 6b+/6c in L7. Damit bin ich einverstanden, was nun der genaue Grad ist, muss ich ja nicht zwingend entscheiden. In L6 ging ich mangels Vorrecherche mit der Einstellung rein, dass das möglicherweise noch gar nie freigeklettert wurde und fand es dann überraschend einfach. In L7 war ich in der Vorstellung, dass es auch ohne Hakenhilfe 6a+ oder maximal 6b sein sollte und so empfand ich es als deutlich schwieriger wie erwartet. Abgesichert ist die Route mit verzinktem Material und Fixé-Laschen auf Stufe super. Am meisten engagieren muss man sich in der zweiten Hälfte von L7. Topos findet man wie schon erwähnt das Original des Erschliessers im Oisans Nouveau Oisans Sauvage, dann im Plaisir Sud und auch im Topoguide Band III.