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Samstag, 29. August 2020

Ailefroide - Snoopy Directe (6b)

Es war wieder einmal etwas Abwechslung zum Sportklettergeschehen nötig, ja vielleicht könnte man auch sagen, ein Ruhetag. Was liegt da näher, als auf eine MSL zu gehen. Nach der Vereinbarung, dieses Mal eine Tour mit etwas kürzerem Zustieg als beim letzten Mal zu wählen, waren alle begeistert dabei. Da wir eben erst noch ein wenig länger ruhten, im See badeten und gemütlich frühstückten, auf den Abend aber dann auch Gewitter angekündigt waren, blieben uns am Schluss gar nicht mehr so viele Optionen offen. Doch in Ailefroide gibt es eine solch grosse Auswahl an MSL-Routen, dass wir noch für die nächsten Jahrzehnte bedient sind. Für die vormittags schattige Paroi de la Draye waren wir bereits zu spät dran, für die SE-Wände noch zu früh (und länger warten wollten wir nicht), so dass der nordexponierte Sektor Fissure die beste Wahl schien. Da gibt's zwar im Hochsommer auch bis am frühen Nachmittag etwas Streiflicht von der Sonne, aber gebrutzelt wird man da nicht.

Die Paroi de la Fissure in Ailefroide mit dem Verlauf der Snoopy Directe (erste 2 SL nicht sichtbar).

Bei früherer Gelegenheit hatten wir ja an der Fissure bereits die 'A tire d'ailes froides' (8 SL, 5c) als Familientour geklettert. In unserer Erinnerung schien das lange zurück, da mussten die Kinder noch klein gewesen sein. Der Blick in den Blog zeigt dann, dass dies erst 2 Jahre her ist. Tja, sie werden einfach unglaublich schnell gross und vor allem auch stärker beim Klettern. Die Tourenwahl hielten wir uns bis zuletzt offen, schliesslich ist der Sektor extrem populär - kein Wunder bei 10 Minuten ebenerdigem Anmarsch, Plaisir-Absicherung und ganztags angenehmen Bedingungen. Glücklicherweise bzw. wie erhofft war dann aber gerade beim vorrangigen Ziel, der 'Snoopy Directe' (9 SL, 280m, 6b) freie Bahn. Eine Seilschaft hatte eben die dritte SL beendet, die würde uns wohl nicht mehr aufhalten. Kathrin und Jerome wollten sich an die unmittelbar daneben parallel verlaufende, traditionelle 'Snoopy' (9 SL, 280m, 5c 2pa) halten, welche laut Topo im Schnitt einfachere Kletterei bieten sollte. Zudem sind im Plaisir Sud sind beide Touren als gleich 'gut+' abgesichert und gleich schön (4*) beschrieben. Soviel vorweg, das trifft nicht zu, die 'Snoopy' wirkt etwas alpin, ist deutlich schlechter geboltet und zwar einfacher, aber für weniger Versierte nicht unbedingt das ideale Ziel. Um ca. 13.30 Uhr waren wir alle bereit und konnten wenige Meter nebeneinander in die erste Seillänge starten.

Sicht von der Paroi de la Draye auf Ailefroide mit seinem grossen Campingplatz und die Paroi de la Fissure, wo ich Ein- und Ausstieg der Snoopy Directe mit den Pfeilen markiert habe.

L1, 45m, 5c: Von unten sieht es (wie üblich in Ailefroide...) auch hier ein wenig gemüsig aus, aber die Kletterei ist dann doch ganz lässig. Erst mal über ein Dächli hinweg, dann wieder eher plattig, gefolgt von einem Aufschwüngli. Gemütliche Kletterei mit sehr guter Absicherung (13 BH), ideal zum Aufwärmen.

L2, 40m, 6a: Nachdem oben in L4 offenbar ein mittleres Drama im Gang war und unsere zweite Seilschaft auch nicht ganz gleich schnell unterwegs war, konnte ich Larina überzeugen, hier doch in den Vorstieg zu gehen, Zeit würden wir wohl noch mehr als genügend haben. Das tat sie dann auch: bald kommt man hier zu einem steilen Aufschwung mit athletischen Moves, gar nicht mal so einfach (eher 6a+). Danach geht's dann gemütlicher von dannen, nur vor dem Stand heisst's nochmals besser aufpassen - zumal hier (offenbar schon seit Jahren) an einem BH die Lasche fehlt, geht aber schon!

L3, 40m, 5c: Zuerst geht's in einfacher Kletterei ein wenig durch den Gemüsegarten, bis sich die Wand zum Ende der Seillänge wieder aufsteilt. Da warten dann noch ein paar sehr schöne Moves. Auch hier gilt wieder: gar nicht mal so einfach! Als ich als Nachsteiger am Stand eintreffe, ist die vordere Seilschaft immer noch in L4 beschäftigt (das waren sie schon, als wir noch am Wandfuss standen :-/).

Larina im Vorstieg in L3 (5c), oben die langsamen Kletterer in L4 (6b).

L4, 30m, 6b: Meine Ermunterungen halfen hier nichts mehr, im Angesicht der 6b-Crux musste der alte Kämpfer wieder in den Vorstieg. Dabei wäre hier die Absicherung mit 12 BH wirklich super und geklettert hat Larina die Crux definitiv auch eleganter als ich. Die kommt gleich zu Beginn an einer senkrechten, glatten Wandstufe. Mein taktiler Detektor signalisiert mir sogleich, dass der Griff unter meinen Pfoten wohl kaum natürlich gewachsen ist und die visuelle Kontrolle zeigt, dass hier tatsächlich die Bohrmaschine im Einsatz war... schade! Ich fand diesen Move trotzdem fordernd und die Bewertung etwas nach unten homogenisiert... aber vielleicht liegt es einfach daran, dass ich an gebohrten Löchern grausam schlecht klettere. Anyway, ein Grossteil der Begeher wird diese Stelle wohl mit dem Griff zum Haken lösen. Danach geht's besser vorwärts und zu einer Rissverschneidung, an welcher herzhaft gepiazt werden darf, wobei das Anklettern dieser nochmals etwas schwierig ist, v.a. auch weil die Haken komisch weit links stecken.

L5, 35m, 6a: Tja, nun waren wir tatsächlich durch die überforderte Seilschaft vor uns blockiert und mussten uns auf eine längere Wartezeit einstellen. Irgendwann konnten wir dann auch weiter in die sehr schöne, anhaltende und homogene Wandkletterei in mit vielen Leisten strukturiertem Fels. Ebenfalls sehr üppig abgesichert (13 BH) und nach meinem Empfinden eher 'soft for the grade'.

Jerome im Vorstieg in L4 (Direktvariante, 5c) von Snoopy.

L6, 30m, 6a: In ähnlichem Stil ging es weiter, sprich mit sehr schöner Wandkletterei in strukturiertem Fels und nochmaliger Wartezeit aufgrund der Zeitlupen-Seilschaft. Danach hatten sie aber ein einsehen, dass es a) für alle angenehmer ist, wenn sie uns vorbeilassen und sie b) dadurch keinen wesentlichen Zeitverlust erleiden würden.

L7, 35m, 5c: Hier kreuzt man die klassische 'Snoopy', deren Stand auch als Zwischensicherung benutzt wird. Den Weg bis dahin kann man sich entweder links schwer machen oder rechtsherum cruisen. Die Crux folgt aber erst im oberen Teil der Seillänge, wo man in nun etwas plattigem Gelände den besten Weg erkennen muss.

Ultimo tiro mit viel Tiefblick (L9, 6a).

L8, 40m, 6a+: Im ersten Teil über eine längere Strecke anhaltend schwierige, plattige Kletterei, welche saubere Fussarbeit erfordert und wo immer wieder Untergriffe bedient werden müssen, super. Nach etwas einfacherem Gelände folgt dann noch ein glattes Schlussstück inklusive dem Mantle zum Stand, wobei hier erneut ein mit der Bohrmaschine bearbeiteter Griff zur Verfügung steht. Die Absicherung mit 13 BH ist auch hier formidabel ausgefallen.

L9, 35m, 6a: Wenig nach rechts und über die Stufe hinweg. Da befindet sich auch gleich die schwierigste Stelle und ja auch da, diese Löcher sind nicht alle natürlich gewachsen (ohne diese ist es aber echt noch knifflig, schwieriger 6c-Reibungsmantle!). Nach dieser Stufe ist man auf die einfacheren Schlussplatten entlassen und kann beschwingt ins waldige Ausstiegsgelände cruisen.

Es sei an dieser Stelle erwähnt... im ganzen Gebiet wurde ungeeignetes Material verwendet, sprich verzinkte Einschlaganker mit rostfreien Laschen. Das ist in etwa der durchschnittliche Zustand der Sicherungen in dieser Route von 2007. Sprich im Moment gerade noch ok, aber ewig halten wird das nicht. Der Erstbegeher JM Cambon ist dieses Jahr ja leider tödlich verunglückt. Er hat uns eine Menge an tollen Routen hinterlassen, die nun eben in den nächsten Jahren alle saniert werden sollten... da wartet eine wahre Herkulesaufgabe.

Um 16.15 Uhr waren wir am Top, das macht 2:45 Stunden Kletterzeit, wobei wir einen Teil davon mit Warten verbracht hatten und ja auch Larina die Hälfte der Seillängen hatte vorsteigen können (wobei sie wohl ähnlich schnell wie ich klettert, denke ich). Bis unser zweites Team auch am Top war sollte es noch etwas dauern, noch länger hatte allerdings die von uns überholte Seilschaft... Über letzteres will ich nun hier keine weiteren Worte mehr verlieren, bzgl. der klassischen 'Snoopy' sei gesagt, dass dort die Absicherung nur auf Stufe "Plaisir gut" ist, sprich die einfacheren Abschnitte spärlich gesichert sind und der Routenverlauf nicht immer glasklar ist. Zudem ist im Mittelteil scheinbar nur die halbfett eingezeichnete 5c/6a+ Variante wirklich eingebohrt. Nichtsdestotrotz hatte hier auch Jerome einen wesentlichen Teil der Seillängen vorsteigen können, bravo! Auf den Heimweg machten wir uns dann alle via den Fussabstieg. Eine Abseilpiste wäre zwar eingerichtet, aber per Pedes geht's sicher deutlich schneller und bequemer. Einzig beim exponierten Ausstieg aus der Schlucht (Fixseile vorhanden) gilt es Acht zu geben, der Rest ist kommodes Gehgelände. So waren wir bald zurück in Ailefroide, konnten ein kühles Getränk geniessen und nach diesem Genusstag zurück zu unserem Zelt fahren. Leider war es bald der letzte Tag unserer Sommerferien. Wow, war das wieder eine tolle und auch bergsportlich ergiebige Zeit gewesen...

On the Ride Home... 

Facts

Ailefroide - Snoopy Directe 6b (5c+ obl.) - 9 SL, 280m - JM Cambon 2007 - ***;xxxxx

Material: 1x50m-Seil (2x50m zum Abseilen), 14 Express

Hübsche Plaisirtour mit kurzem Zugang, homogenen Schwierigkeiten im 6a-Bereich und üppiger Absicherung. Hier ist die Stufe "Plaisir super" definitiv angebracht, man kann bedenkenlos voll angreifen und so gut wie jeden schwierigen Schritt mit dem Griff zum Haken entschärfen. Leider zieht dieses Setup auch viele Kletterer an, welche den Schwierigkeiten überhaupt nicht gewachsen sind und nur extrem langsam vorankommen. Man plane seine Begehung also idealerweise antizyklisch. Ein Topo findet man in vielen Führern, u.a. Plaisir Sud, Topoguide Band III, Oisans Nouveau Oisans Sauvage, Briançon Climbs, usw.

Dienstag, 25. August 2020

Aiguille Pierre André - Les Marmottes Givrées (6b)

Das Ubaye-Tal ist ein Paradies, das aufgrund seiner abgeschiedenen Lage weitab von den Ballungszentren und Urlaubsregionen zum Glück nur selten besucht wird. Das hatten wir schon letztes Jahr bei unserer Kletterei an der Tête de Sanglier festgestellt. Da nun dieses Jahr wieder alle gut zu Fuss waren, erkoren wir die Aiguille Pierre André zum Projekt. Dieser Quarzmonolith ist ein gewaltiger stolzer, eindrücklicher Berg - ein wenig erinnert er an das Zervreilahorn. Zwar muss sich die Kletterei mit einem langen Zustieg verdient werden und es gibt dann nur 6 Seillängen zu geniessen. Trotzdem lohnt es sich absolut, das Gesamterlebnis mit dem landschaftlich schönen Zustieg und der griffigen Kletterei auf den isolierten, freistehenden Gipfel ist einfach grandios.

Ein super Berg! Die Aiguille Pierre André mit dem Verlauf der 'Marmottes Givrées' (6b).

Unsere Tour startet auf den Parkterrassen vor Maljasset (1900m), dem letzten Ort im Tal. Eigentlich gibt's da viel Platz, aber da wir wieder einmal antizyklisch spät unterwegs sind und so hoffen, im Zustieg und der Kletterei der grössten Hitze zu entkommen, müssen wir an diesem wunderschönen Sommertag doch ein wenig kreativ werden, um unser Panthermobil zu platzieren. Dann heisst es vorerst einmal, dick Sonnencrème einzuschmieren,  bevor wir um 12.45 Uhr loslaufen. Erst geht es durch die Häuser hindurch, nach der Kirche dann zum Fluss hinunter, über diesen hinweg und auf den ausgeschilderten Wanderweg Richtung Col Mary. In der Nebensaison kann man hier noch ein ganzes Stück weit mit dem Auto fahren und spart sich wohl gegen 30 Minuten Zustieg. 

Auf den stolzen Zacken rechts der Bildmitte soll es gehen! Auf diesem Foto erkennt man auch gut die Weite des Zustiegs. Es ist im Vallon de Mary aufgenommen, bis zu diesem Punkt hatten wir auch schon gute 45 Minuten gebraucht. Und die weiteren 1:15 Stunden bis an den Einstieg sind aus dieser Perspektive wohl auch gut nachvollziehbar.

Ist der Weg erst noch eine raue Forststrasse, so wird er später zum Singletrail und man etabliert sich schliesslich im Vallon de Mary. Auf einer Höhe von gut 2200m zweigt dann der gut ersichtliche Pfad und zum Zeitpunkt unserer Begehung auch ausgeschilderte Pfad zur Aiguille Pierre André ab. Es geht zum schönen Wildbach hinunter, auf einer Brücke über diesen hinweg, dann erst dem Hang entlang ansteigend taleinwärts, bevor es dann in vielen Kehren steil bergauf geht. Man erreicht schliesslich einen blockdurchsetzten Kessel unter der Aiguille und etwas links ausholend den Einstieg auf ca. 2650m. Obwohl es netto nur rund 800hm sind, ist doch recht viel Distanz zu laufen. Auch mit zügigem Gehen benötigten wir fast 2:00 Stunden (inklusive einer 30-minütigen Futterpause unterwegs) und gönnten uns erst nochmals eine ausgiebige Pause. Während unser zweites Team den Gipfel über den Normalweg besteigen wollte, griffen Larina und ich um ca. 15.15 Uhr in der Murmeli-Route an.

Die Kids leicht bekleidet in Trailrunning-Manier unterwegs in Richtung der Aiguille Pierre André, der Alte hechelt mit dem schweren Sack und brennenden Muskeln hinterher. Der Gedanke "puh, die sind langsam echt fit" ging mir ein paar Mal durch den Kopf. Aber das war halt der Deal, den wir am Vorabend im Angesicht einer Tour mit 2h Zustieg geschlossen hatten... Daddy spielt den Sherpa.

Und wenn der Vater ja schon trägt, kommen auch noch essenzielle Sachen wie ein 'aval soucis' mit...

L1, 6a, 35m: Sehr schöne Auftaktseillänge, die anhaltend steil aber eben auch richtig griffig ist. Wirklich wie gemacht zum Klettern, genial. Gegen das Ende hin kommen dann auch noch ein paar kniffligere Wandstellen, wo die Griffe etwas mehr gesucht, bzw. die Linie erkannt werden will.

L1 (6a) mit exzellenter Kletterei.

L2, 6a, 45m: Nach ein paar einfachen Metern wartet die Crux am athletisch-griffigen Wändchen, bevor man in einfacheres Gelände entlassen wird. Dort sind die Hakenabstände dann plötzlich eher weit und sicheres Steigen ist erforderlich. Zum Ende der Seillänge hin zieht dann die Schwierigkeit wieder etwas an.

Fotogen ist sie schon... und super die Kletterei in L2 (6a).

L3, 5b, 35m: Weniger steiler Abschnitt mit genussreicher, etwas einfacherer Kletterei. Oft entlang von Rissspuren und zuletzt gegen die Kante ziehend zum Stand vor dem orangen Steilriegel.

Dank ein paar Rissspuren einfacher, aber auch kein 'Seich': L3 (5b).

L4, 6b, 35m: Nun geht's über die athletische Zone hinweg, das ist die klettertechnische Crux der Route. Die Lösung nicht ganz offensichtlich, die Griffe auch mal versteckt und sich geschickt zu positionieren und auch mal einen Klemmer zu lancieren hilft weiter. Obligatorisch ist das Ganze jedoch nicht, hier stecken die Haken in Kletterhallenmanier und man käme A0 durch. Dann vorerst etwas einfacher, bevor zum Schluss nochmals eine henklige Passage auf eine Terrasse und zum dort rechts gelegenen Stand führt.

Rückblick von unterwegs auf L4 (6b), vom Stand auf der Terrasse ist es nicht fotogen.

L5, 5c+, 40m: Nochmals eine sehr schöne Seillänge mit griffig-luftiger Kletterei entlang der Kante. Der Stand befindet sich dort, wo sich die Neigung zurücklegt. Zum Gipfel ist es von da zwar nicht mehr allzu weit, den Stand zu nutzen macht jedoch absolut Sinn.

Ausstieg aus L5 (5c+), unten der Kessel mit den Blöcken mit erahnbarer Wegspur.

L6, 3a, 30m: Meist Gehgelände über eine Art Rampe in eine wenig ausgeprägte Scharte, welche den Ausstieg aufs Gipfelplateau bietet. Kurz davor wäre ein Stand an Klebehaken. Man kann diesen aber gut nur als Zwischensicherung nutzen und dann am Gipfel als Totmann oder an Blöcken nachnehmen.

Ausstieg aus der Wand (L6, 3a) - welch eine wunderschöne Berggegend!

Um 17.15 Uhr und damit nach nur knapp 2:00 Stunden Kletterei waren wir am Gipfel, das ging also ziemlich fix! Die Kletterei ist aber auch straightforward, sehr angenehm zum Steigen und war uns beiden eher leicht gefallen - dass wir hier keine Sturzflüge hinlegen oder in die Haken greifen mussten, Bedarf eigentlich kaum der Erwähnung. Die Stimmung am Top war einfach grandios, ein solch wunderschöner Tag mit stahlblauem Himmel, die weite Berggegend alleine für Familie Dettling. Nur am Himmel konnten wir zahlreiche Gänsegeier beobachten und auch viele Segelflieger, die am Grenzkamm F/I in atomarer Höhe den wenigen Quellwolken entgegen drehten. Auch diese Sportler (die Vögel bestimmt auch) waren mit dem Tag sicherlich hochzufrieden. Das war wieder einmal ein Moment, in welchem man die Zeit hätte anhalten können sollen - einfach so schön!

Nach einer halben Stunde Pause machten wir uns aber doch auf den Heimweg, der ja doch auch noch ordentlich weit war. Zuerst steigt man über das Gipfelplateau 20m nach SW ab, wo sich die erste Abseilstelle, bzw. der Ausstiegsstand des Normalwegs befindet. Der erste Abseiler misst etwa 30m, sprich ein 50m-Seil ist zu  kurz. Mit etwas alpinem Geschick kann man aber die nächste Abseilstelle gefahrlos abkletternd erreichen. Ab da bis auf Terra Firma sind es dann rund 40m. Da wäre ab dem Ende des 50m-Seils dann schon ein längeres und auch steiles Stück im dritten Grad abzuklettern. Für Versierte wäre das sicher auch möglich, wir fädelten einfach nochmals das Seil in einen einzelnen der bombenfesten, grosskalibrigen Klebehaken und gelangten so sicher auf den Boden. Unter dem Strich hatte sich die Taktik bezahlt gemacht, den weiten Zustieg nur mit einem 50m-Einfachseil anzutreten. 

Aiguille Pierre André (2812m) - what a place to be!

So schnürten wir um 18.00 Uhr die Schuhe. Wegspuren führen etwas rechts ausholend in den Kessel hinab. Wer möchte, kann mit einem kleinen Umweg nochmals am Einstieg vorbei, um allenfalls dort deponierte Sachen abzuholen. Wir hatten uns für die Lösung entschieden, gleich die Schuhe und alles Material auf die Route mitzunehmen - m.E. noch optimaler. Nun ging's die zahlreichen Kehren wieder hinab, mit hin und wieder einem Stopp, um die nun im Abendschatten aktiven und putzigen Munggen zu beobachten. Am Hang gegenüber beobachteten wir auch, wie die 2 Bayern, mit welchen wir einen Teil des Aufstiegs bewältigt hatten, nun auf ihren Bikes zu Tale brausten. Das hätte uns auch ganz gut gepasst... doch auch zu Fuss war es ein schöner Marsch. Mit noch einem Besuch in der Kirche und einem Schwatz mit dem Sigristen-Paar wurde es 19.30 Uhr, bis wir retour am Parkplatz waren (ohne Pausen in 1h machbar). Ein bisschen müde aber sehr zufrieden über diesen wunderschönen Bergausflug setzten wir uns aufs Polster und vereinbarten mit den Kids, am Folgetag "nur" bequem Sportklettern zu gehen.

Hier über die Westwand führt der Normalweg hinauf, bzw. das Abseilen hinunter.

Facts

Aiguille Pierre André - Les Marmottes Givrées 6b (5c obl.) - 6 SL, 220m - Chevalier/Fiaschi 1994 - ****;xxx-xxxxx

Material: 1x50m-Seil, 10 Express, evtl. Cams 0.2-1

Eine hervorragende Plaisirtour! Sie muss sich zwar mit einem weiten und anstrengenden Zustieg verdient werden, der sich aber schon nur landschaftlich lohnt. Die Kletterei am griffig-steilen, orangen Quarzit ist dann von erster Güteklasse und sehr elegant, der stolz freistehende Gipfel in einer wunderschönen Gegend noch das Extra dazu. Die Absicherung mit verzinkten Bolts, die (Stand 2020) noch gut im Schuss waren, variiert je nach Schwierigkeiten etwas. An den schwierigsten Kletterstellen ab 6a wurde fast in Kletterhallenmanier gebohrt und man kann die Hauptschwierigkeiten mit Griff zum Haken entschärfen. Im einfacheren Gelände bis 5c sind die Abstände eher weit, in etwa auf Niveau "Plaisir gut" bzw. xxx-Niveau. Mich überzeugt dieses Absicherungskonzept jeweils nicht restlos, ich persönlich hätte an den schwierigen Stellen weniger Haken gesetzt, an den einfacheren dafür etwas kürzere Abstände gemacht. Anyway, es geht schon - wer möchte, kann in diesen einfacheren Abschnitten wohl mit kleinen bis mittleren Cams noch da und dort ergänzen. Wer im Grad 5c sicher klettert, kann den Weg zur Aiguille Pierre André aber ohne dieses Zusatzgewicht antreten. Ein schematisches Topo findet man im Topoguide Band II. Hinweis: in dieser Gegend hat man höchstens sporadischen Handyempfang.

Samstag, 22. August 2020

Tout à Bloc & Ceüse 2020

Das Tout à Bloc ist ein internationaler Boulder-Wettkampf, der in den Sommerferien in L'Argentière-la-Bessée im Haut Val Durance abgehalten wird. Schon bei früherer Gelegenheit hatten wir an diesem Anlass die Leistungen von vielversprechenden Nachwuchshoffnungen und internationalen Topcracks bestaunt. Beim Wettkampfgeschehen haben wir uns ja in der Zwischenzeit von Zuschauern zu regelmässigen Teilnehmern gemausert. Als sich dann herausstellte, dass wir genau zum richtigen Zeitpunkt vor Ort wären, so war es natürlich fast Pflicht, die Fähigkeiten auch einmal gegen internationale Konkurrenz zur Prüfung zu stellen. 

Leider aber war die populäre Senioren-Kategorie bereits ausgebucht und auf eine U10 wurde aufgrund von Corona verzichtet, so dass schliesslich nur Larina Aufnahme im Teilnehmerfeld der U12 finden konnte - da war der Rest der Familie schon etwas neidisch. Das Anmeldeprozedere war an sich ganz einfach (via Website). Wenn man über keine französische Lizenz verfügt, so müssen vor  Ort bei der Registration noch zusätzliche 6 Euro für eine Tageslizenz bezahlt werden, was aber absolut kein Issue ist. Ein Problem gibt es jedoch: es gilt ein medizinisches Attest vorzulegen, welches die Fähigkeit zur Teilnahme am Wettkampf bescheinigt. Ohne dieses läuft gar nichts. Das war schlussendlich das grösste Hindernis, Beziehungen und gutem Willem sei Dank kriegten wir doch noch kurzfristig einen Stempel und eine Unterschrift auf das (hier zu beziehende) Dokument - vielen herzlichen Dank für den Support!!!

Dann war also der Tag gekommen, an welchem der Wettkampf stattfinden würde. Bereits um 7.30 Uhr war Check-In. Es war das früheste Aufstehen der ganzen Ferien und der einzige Tag, an welchem wir einen Wecker stellten... für einen Wettkampf am Plastik, das sind noch Alpinisten ;-) Mit viel Vorfreude, aber auch gehöriger Nervosität ging die Protagonistin an den Start - kein Wunder, wenn man meint, dass man es nun mit der ganzen Welt aufnehmen müsse, so von wegen internationaler Wettkampf und so! Vor Ort waren dann aber rasch ein paar machbare Boulder identifiziert und mit den ersten Flashes auf der Scorecard kletterte es sich umso leichter - Girl on Fire!!! Die Probleme waren perfekt geschraubt, wirklich total genial. Und obwohl nachher auch noch die U14 ihren Wettkampf auf diesem Set absolvierte, musste kein einziger davon als grossenabhängig taxiert werden, das muss man erst einmal hinkriegen. Am Ende der 3:30 Stunden Wettkampfzeit hatte Larina 24 von 32 Bouldern erfolgreich bezwungen, der letzte und schwierigste davon quasi zeitgleich mit dem Schlussgong. Das ergab schliesslich Rang 5, ein ganz grosses Bravo dafür! Um ganz nach vorne zu kommen, hätte es noch 2 Tops mehr gebraucht... we will work on it!

Das war das very-last-second Top und der schwierigste/wertvollste geschaffte Boulder - mit den beiden braunen Volumen und dann zum grünen Top. Ein schwieriger "um-die-Ecke-drück-Mantle und dann am Reibungs- und Balancelimit zum Top schleichen"

Nach diesem emotionalen Vormittag konnte es weitergehen mit dem Ferienprogramm. An den nächsten Fels war es nur ein Katzensprung und nach so viel Zuschauen ist man ja dann meistens bis in die Haarspitzen motiviert um selber anzugreifen. Das traf in diesem Fall voll und ganz zu, ich konnte im Rif d'Oriol mein noch offenes Projekt, die Tuerie d'Oriol (8a) haarscharf am Limit ziehen, nachdem ich bei letzter Gelegenheit 2x heartbreaking am very last hard move gescheitert war :-) Am Abend gab's dann noch die Rangverkündigung inklusive einem Dyno Contest, wo dann auch Jerome noch ein wenig Wettkampfluft schnuppern konnte (einen substanziellen Teil der Boulder schnappte er sich im Überschwang nach viel geduldigem Zuschauen nach dem Ende der Wettkampfzeit auch noch ein). Als U10er bei einem Dyno Contest in einem Feld, welches alle Jugendkategorien bis U18 umfasste, war es allerdings eher schwierig, in die Nähe der vorderen Ränge zu kommen... Aber vor dem ganzen Publikum so richtig abzudrücken hatte ihm trotzdem grosse Freude gemacht. Einige Tage später waren dann auch noch die internationalen Top-Cracks an der Reihe. In einer grandiosen Show und vor einem Publikum wie wenn's Corona nie gegeben hätte (ich glaube, es hat einfach niemand gezählt, wie viele da waren... ;-)) wurden die Sieger gekürt - ich kann es nur allen Kletterbegeistern empfehlen, auch einmal einen solchen Event zu besuchen!

Ceüse 2020

Am nächsten Tag dann wollten wir dem Wettkampf noch ein wenig mehr Tiefe und Kontrast geben. Wie könnte man das besser tun als mit dem traditionellen Trip ins beste Sportklettergebiet der Welt, die Falaise de Ceüse. Und da trafen wir effektiv den genau richtigen Tag! Nicht nur, weil wir schon letztes Jahr genau am 5. August oben waren, sondern weil wir an einem Tag anwesend waren, wo mit Alex Megos' Begehung der Bibliographie (9c) Klettergeschichte geschrieben wurde - und wir damit noch viel mehr als am Tout à Bloc die Gelegenheit hatten zu schauen, wenn es richtig abgeht. Aber ganz abgesehen davon war es wie bisher jedes Mal ein absolut magischer Tag dort oben. Die Gegend begeistert mich jedes Mal wieder aufs Neue und die gekletterten Routen waren auch dieses Jahr ein voller Erfolg. Diese umfassen die L'anus en decomposition (7a), eine Route die man ja schon nur wegen dem Namen klettern muss (sorry, wer nicht französisch kann, hat hier einfach Pech gehabt). Besser als mit diesem Routennamen kann man die Kletterei in Ceüse nicht zusammenfassen... "weit" über dem letzten Haken, an ein paar sloprigen Löchern mit den Füssen auf prekärer Reibung und der einzigen Option, auf das möglicherweise etwas bessere/positivere Loch unter dem nächsten Bolt zu ziehen oder sonst einen Segler hinzulegen wird man das wohl auch ganz ohne Sprachkenntnisse entziffern können, oder sonst zumindest am eigenen Leib erleben, was da genau dekompositioniert ;-) Daneben gelangen mir neben zwei, drei einfacheren Routen noch die Pourquoi pas? (7a+), total geniale, abwechslungsreiche Kletterei, Ceüse in a Nutshell!. Sowie die ebenfalls sehr schöne Le coeur des hommes (7a+), wo sich auch Mme. Tout à Bloc einen Durchstieg holen konnte, bravo!


Mittwoch, 19. August 2020

Tour Termier - Marmotta Impazzita (6c)

Ein weiterer Hitzetag sollte uns bevorstehen, vor der bereits angekündigten Kaltfront eine ideale Gelegenheit, um im Massif des Cerces zu klettern. Denn einerseits sind die Gipfel hier über 3000m hoch, andererseits die Wände eher nach W ausgerichtet, so dass es hier in Absenz von idealem Bergwetter meist keine sonderlich angenehmen Kletterbedingungen gibt. Die vermutlich beste und vielfältigste Wand in der Kette, die vom Col du Galibier nach SE verläuft ist jene des Tour Termier, obendrein weist sie auch noch den kürzesten und bequemsten Zustieg auf. Schon im Vorjahr hatten wir hier in der Ponant Neuf (6a+) einen tollen Klettertag gehabt, das wollten wir sehr gerne wiederholen. Noch diverse, sehr interessante Projekte bis in die oberen Schwierigkeitsgrade stehen uns hier zur Verfügung - doch vorerst wollten wir "Vernunft walten lassen" und mit der Marmotta Impazzita (9 SL, 6c) den rechten Wandteil über eine noch "moderat schwierige" Route kennenlernen.

La paroi aussi grande, la fille un peu moins petite... Tour Termier mit dem Verlauf der Marmotta.
Um 10.10 Uhr liefen wie bei der letzten Kehre südseitig vor dem Col du Galibier los. Im Gegensatz zum letzten Mal war die ganze Familie mit dabei, wobei unser zweites Team nur den Gipfel via Normalweg besteigen und danach mit dem Bike den langen (>50km) Weg zurück zu unserem Basislager in Angriff nehmen wollte. Grosso Modo horizontal mit ein wenig auf und ab verläuft der Weg zum Einstieg und es war eindrücklich zu sehen, wie die Kinder in diesem vergangenen Jahr nicht nur klettertechnisch, sondern auch läuferisch markante Fortschritte erzielt hatten. So waren wir nach 50 Minuten bereits am Einstieg angelangt, der zu dieser Zeit noch im Schatten lag. An diesem 'journée caniculaire' war das kein Problem, ja gereichte sogar zu unserem Vorteil, da wir uns ideal wieder etwas abkühlen konnten. Herrscht aber nicht bestes Bergwetter, so nützt es rein gar nichts, hier vor Mittag am Start zu sein, da sind kalte Griffel und schlotternde Glieder garantiert. Links drüben am Pfeiler in Ponant Neuf (6a+) und Feu Sacre (7a) herrschte emsiges Treiben, doch unsere Route, ja den ganzen Wandteil hatten wir an diesem Samstag komplett für uns alleine, perfekt! Um ca. 11.15 Uhr kletterten wir los.

On the way to... Tour Termier. Gipfel und die noch schattige Wand +/- oberhalb der Kletterin.
L1, 25m, 6c: Für einmal lässt sich am Einstieg keine schlaue Verankerung organisieren und gleich in eine 6c am Fuss dieser imposanten Wand mag Larina auch nicht im Vorstieg gehen, so klettern wir quasi eine Seillänge null zum ersten BH und starten ab dort. Immerhin können wir da dann auch gleich den Rucksack "Munggen proof" deponieren, wobei es jenen an diesem Tag augenscheinlich zu heiss war und sie lieber in ihren Löchern blieben. Anyway, die gelb-braun-graue, wulstige Steilwand in L1 löst sich prima auf, erst helfen ein paar gute Griffe weiter, die nachfolgende Querung ist dann von mehr von fusstechnischer Natur. Die Absicherung ist bestens und die Schwierigkeiten für den angegebenen Grad sehr zugänglich, so geht sich das alles prima aus. Zuletzt dann einfacher zu Stand auf dem Band.

Das weckt Vorfreude! Blick vom Einstieg auf die gelb-braun-graue, kompakte Wand mit L1 (6c).
L2, 25m, 6b: Sehr schön durch die gelbbraune Wand an Leisten und Tropflöchern, wirklich eine super Kletterei! Am Ende dieser Seillänge ist der Verlauf kurz nicht ganz klar... rechts oben lockt der Stand, die einfachste und direkteste Linie würde über die grosse, mässig verankerte Schuppe führen. Hier nimmt die Route aber noch einen Umweg links herum durch das kompakte Steilgelände, die dortigen Bolts sind aus der Kletterposition schwerlich zu erkennen.

Schon fast wie ein Gemälde! Coolio Kletterei in L2 (6b), am unteren Bildrand mittig ist gerade noch die im Text erwähnte, mässig verankerte Schuppe zu erkennen, die eigentlich den logisch-einfachsten Weg an den Stand vermitteln würde. Die Bolts sind aber so platziert, dass man diese nicht berühren soll und im kompakten Gelände klettert.
L3, 25m, 6c: Ich würde sagen "die beste Seillänge der ganzen Route!". Anhaltende Kletterei an Leisten und Tropflochstrukturen durch die steile Wand. Der beste Weg will erkannt werden, mal hier und mal da präsentiert sich die optimale Lösung, für uns ein grosser Genuss! Der Stand am Ende leicht rechtshaltend auf einem bequemen Band.

Auf diesem Foto kommt es nicht ganz so zur Geltung, aber L3 (6c) bietet Hammer-Kletterei!
L4, ca. 60-65m, 5c+: Hier nimmt die Route erst einen gesuchten Verlauf rechts vom schuttigen Couloir, einfach den eng steckenden BH folgen. Der Fels ist trotzdem nicht ganz top, jemand hatte sich sogar die Mühe gemacht, alle (vermeintlich) unsicheren Griffe mit einem Magnesia-Kreuz zu verzieren. Schliesslich erreicht man ein Band, auf welchem man im Lotterfels nach links traversieren muss. Das ist zwar einfach, aber die Sicherungsabstände sind gross, Fehler sind da weder im Vor- noch im Nachstieg erlaubt. Einen wirklichen Zwischenstand wie im Topo angedeutet gibt es nicht, man müsste  diesen an einem Einzelbolt improvisieren. Zum nächsten regulären Stand sind es jedoch sehr deutlich >50m, man muss ein längeres Stück gemeinsam klettern.

In L4 (5c+) ist das Gelände weniger kompakt, was aber (für Botaniker) auch seine Vorteile hat ;-)
L5, 45m, 6c: Während die Route unten Tropfloch-Wandkletterei geboten hatte, erfolgt hier nun der Wechsel auf eine klassisch anmutende Verschneidungslinie in orange-flechtigem Gestein, mich hat das an wenig an die Wand vom Schlossberg erinnert. Nach ein paar easy Auftaktmetern kommt man bald zu einer leicht überhängenden Wand. Hier wäre der 1pa-Move gemäss Topo: bei dieser kurzen Stelle muss man zwar in der Tat an ein paar kleinen Tropfloch-Strukturen ziehen, aber auch ohne Griff zum Haken dünkt mich das nicht schwieriger wie 6c. Später dann im 6ab-Gelände der Verschneidung entlang, wobei die Haken übertrieben weit links in der Wand stecken. Erst ganz am Ende ist es in der Wand dann einfacher als am Riss selbst.

Top-Ambiente mit Tiefblick, erst Wandkletterei und dann Verschneidung, das ist L5 (6c).
L6, 25m, 6a: Weiter geht's durch die fast klassisch anmutende Verschneidung, die gegen Ende einen ziemlich athletischen Piaz bietet, cool! Vom Turm dann noch ein paar Meter in gemässigter Wandkletterei zum Fuss der nächsten Verschneidung.

Blick zurück von unterwegs... der Fotograf ist am Klettern, nicht die Lady.
L7, 30m, 6b: Auch hier geht's mit Verschneidungskletterei los, zu Beginn mit gar nicht mal so einfachen Moves. Nach der Hälfte der Seillänge ändert das Programm dann wieder zurück zur Wandkletterei, bis man den auf einer bequemen Terrasse gelegenen Stand erreicht.

Ausblick am Ende von L7 (6b): Massif des Écrins und Col du Lautaret.
L8, 35m, 6c: Vom Stand weg geht's nun nicht etwa (logisch) über den Pfeiler, sondern erst im Gehgelände 10m in den Schuttkessel hinein. Die durch die Wand führenden BH-Reihe ist dann offensichtlich. Die Crux wartet hier gleich zu Beginn mit nichttrivialen, technischen Moves an etwas glattem Fels - einerseits vermutlich die schwierigste Einzelstelle der Route, andererseits landet man hier bei einem Sturz definitiv im Geröll. Da muss man sich entweder ganz sicher sein, dass die Moves sitzen oder halt am Haken ziehen.

L9, 35m, 6a+: Hier ganz am Ende zeigen die 3 vorliegenden Topos (Cambon, Plaisir Sud, Topoguide) ein sehr uneinheitliches Bild und bilden die Situation im Gelände allesamt wenig realitätsgetreu ab. Gleich vom Stand weg folgt noch eine etwas schwierigere Stelle (evtl. auch einfacher wie 6a+...), die einen auf ein sehr schöne, einfache Wasserrillenplatte bringt. In dieser eher linkshaltend aufwärts, vor einem Wulst mit markant platziertem BH befindet sich links der Stand.

Auf den Wasserrillen kurz vor dem Routenende (L9, 6a+).
Gerade um 15.00 Uhr und damit nach 3:45 Stunden Kletterzeit hatten wir den Stand nach L9 und damit das Routenende erreicht. Erneut waren uns alle Seillängen in perfektem Stil Onsight/Flash gelungen. So galt es nun nur noch, erfolgreich wieder vom Berg zu kommen und das war von diesem Punkt gar nicht mal so offensichtlich. Man könnte a) anscheinend weiter hinauf und über zwei Dreierlängen der Allo la Terre den Vorgipfel erreichen, b) auf die Rückseite queren und zu Fuss absteigen, wobei man sich da idealerweise schon vorher nach rechts orientiert hätte und Schuhe mitführen muss oder c) abseilend in die Tiefe gleiten. Wir hatten, da alleine in der Wand, von Beginn weg auf die letzte Option gesetzt und die Schuhe am Einstieg gelassen. Im Vorfeld hatte ich auf C2C gelesen, dass man über die Usure du Temps direkt und kommod in 6 Manövern über die steile Wand effizient abseilen könne, so ist das auch im Cambon-Topo verzeichnet. Allerdings herrschte am Routenende einiges an Unklarheit, an welchem der im der im Cambon-Topo verzeichneten Stände wir uns tatsächlich befänden und in welche Richtung denn nun der erste Abseiler zu ziehen wäre... kurz und diagonal, d.h. an der Abbruchkante retour in die Richtung aus der man hergeklettert ist, lautete die korrekte Losung - wir folgten einfach unserem Bauchgefühl und das lag wieder einmal richtig. Danach sind die Strecken 40-45m lang und führen +/- gerade hinunter. Zügig waren wir so retour bei unserem Depot und konnten gemütlich den schönen Rückweg zum Col du Galibier antreten. Tour Termier, we will be back!

Auf dem Rückweg zum Col du Galibier, einfach schön hier unterwegs sein zu können!
Facts

Tour Termier - Marmotta Impazzita 6c (6a+ obl.) - 9 SL, 300m - Gally/Sordello 1997 - ****;xxxxx
Material: 1x oder 2x50m-Seile, 14 Express

Diese tolle Route bietet zuerst Wandkletterei an wasserzerfressenem Tropflochfels, folgt dann in eher klassischer Manier einem Verschneidungssystem und hat einen (steil)plattigen Abschluss. Die Felsqualität darf man als sehr gut bis hervorragend einstufen, es ist ein grandioses Unternehmen für Kletterer, die sich noch nicht ganz an die grossen alpinen Sportkletterrouten wagen dürfen. Auf dem Topo sieht auch die Marmotta nicht ganz so einfach aus, die Bewertungen sind aber eher gutmütig ausgefallen (wenn man jetzt z.B. mit den Wendenstöcken oder dem Rätikon vergleicht). Hinzu kommt eine sehr komfortable Absicherung, überall wo es schwierig ist, stecken die Bolts in kurzen Abständen und die Moves sind selten obligatorisch. 

Sonntag, 16. August 2020

Ailefroide / Paroi de la Draye - Vade Retro Cambonas (6b)

Nach den ersten 2 Ferientagen mit Sportklettern bis die Pfoten ihren Dienst quittieren hiess es für diesen Tag der vorteilhafteren Seite der Vertikalen den Vorzug zu geben. Leider war das Wetter nicht ganz stabil angesagt, gewittrige Schauer sollten früher oder später kommen. Mit den Kindern wollten wir uns da nicht auf Experimente an grossen Bergen einlassen, schliesslich sollen MSL Spass machen und nicht ein Stressfaktor sein. Somit war wieder einmal Ailefroide das Ziel der Wahl. Da wir einigermassen früh unterwegs waren, bot sich die linke Talseite  mit der Paroi de la Draye an. Kurzer Zustieg, Routenvielfalt und Schatten bis ca. 13.00 Uhr sind da die wesentlichen Parameter.

Die Paroi de la Draye - sieht nicht berauschend aus, die Kletterei lohnt aber!
Der Zustieg ist kurz und spielt sich von den zahlreichen Parkplätzen unterhalb im Minutenbereich ab. Die Routenwahl hatten wir bewusst bis zuletzt offen gelassen und wollten dort einsteigen, wo nicht gerade Stau herrschte. Die Wahl von Larina und mir fiel schliesslich auf die Vade Retro Cambonas, während sich unser zweites Team in der etwas einfacheren Chaud Biz (8 SL, 5c+) engagieren wollte. Wir konnten auf freie Bahn zählen, um 10.30 Uhr hatten wir alles parat und konnten bei angenehmen äusseren Bedingungen, sprich kurz behost im Schatten, einsteigen.

L1, 6b: Um die Sache noch ein wenig zu würzen, wählten wir die schwierigere linke Einstiegslänge, laut Topo 6b. Nach schon nicht ganz trivialem Beginn kommt mittig die bestimmte Crux: kompromisslos antreten und einen miesen Knubbel kneifen lautet die Devise - ruff stuff, deutlich schwieriger wie 6b! Auch nachher heisst's bei nicht ganz kurzen Hakenabständen noch etwas dranbleiben, bis man den bequemen Stand erreicht. Die rechte Variante sei scheinbar etwas leichter verdaulich, die dortige mittige Stelle für 6a/+ jedoch auch nicht geschenkt.

Die 'böse' Stelle in L1 (6b) ist geschafft - auf dem Bild ist sie nicht sichtbar.
L2, 6a: Nun wird es deutlich gemütlicher, die Kletterei geneigter und gutmütiger, aber sehr schön im strukturierten Ailefroide-Granit mit seinen vielen Leisten. Die Absicherung auch hier nicht eben sehr kurz gehalten, passt aber schon!

L3, 6a+: Sehr schöne, anhaltende und anspruchsvolle Kletterei. Gleich zu Beginn fordert ein erstes Dächli, nachher folgen viele tolle Moves an Leisten und Strukturen und zuletzt eine diagonale Rechtsquerung. Auch hier sind die Hakenabstände noch eher auf der luftigen Seite, bevor auf den letzten Seillängen die Bolts dann fast in halbierten Abständen stecken.

Prima Wandkletterei mit anhaltenden Schwierigkeiten an Leisten wartet in L3 (6a+).
L4, 6b: Nominell die schwierigste Seillänge, wir haben das aber  nicht unbedingt so empfunden. Zu Beginn in die Verschneidung hinein, diese aber gleich griffig an einer Schuppe nach rechts verlassen, um sich nicht in die 7b+ gerade hinauf zu verkoffern. Nach einer kurzen Boulderstelle quert man deutlich nach rechts, wo ein Zwischenstand eingerichtet ist. Wer auf dieser Seillänge nicht mit 60er-Exen oder Auslassen bzw. Wiederaushängen einiger der eng steckenden, zahlreichen Bolts operieren kann, nutzt ihn besser. Ich zog gleich weiter, der zweite Teil dern Länge bietet athletische Kletterei an Schuppen und Henkeln, gutmütig für den Grad.

Griffig, gut abgesichert und soft bewertet lautet der Charakter von L4 (6b).
L5, 6a: Hier hatte uns um 12.30 Uhr bereits die Sonne erwischt, im Streiflicht waren die Temperaturen aber sehr gut auszuhalten. Erst führt diese Seillänge links hinauf über eine steile, mit Leisten gespickte Platte. Zum Abschluss wartet dann ein Wulst, der in freier Kletterei für den Grad 6a wiederum eher fordernd ausfällt - ist da etwa der Griff zum Haken als Standardmethode bereits in die Bewertung inkludiert?!?

Ein schöne Platte mit abschliessendem Wulst erwartet einen in L5 (6a).
L6, 3a: Über schrofiges Gelände könnte man direkt hinauf sicherlich bereits den Abstiegsweg erreichen, allerdings hat hier die Route noch eine absolut lohnende Zugabe auf Lager. Über einfachen Fels diagonal links hinauf, auf einem Band horizontal queren und später absteigen. Unbedingt die (nicht so offensichtlichen) Bolts klippen, sonst expo für den Nachsteiger! Vom tiefsten Punkt (Stand an Baum möglich) geht's noch einige Meter empor zum bequemeren BH-Stand.

L7, 5c: Der Umweg in L6 hat sich wirklich sehr gelohnt, hier folgt nochmals eine steil-griffige Abschlusslänge der ersten Güteklasse, erst noch angenehm im Schatten. Immer elegante und nie langweilige Turnerei und dies ohne schwierig zu sein - auch der Ausstieg über den Turm auf die bequeme Terrasse am Routenende  ist cool!

Die letzten Meter in L7 (5c), unten der Parkplatz, in der Bildecke das Zentrum von Ailefroide.
Um 13.30 Uhr hatten wir es nach rund 3:00 Stunden Kletterei geschafft und konnten gemütlich auf der bequemen Kanzel rasten, Ausschau halten, unsere Vorräte plündern und uns an einer an beiden Seilenden perfekten Onsight/Flash-Begehung erfreuen. Das zweite Familienteam hatte nicht jederzeit freie Fahrt und war noch mit der Kletterei beschäftigt. Als sie sich augenscheinlich dem Ausstieg näherten, schnürten wir die Senkel und liefen und den Sentier de Draye zu ihrem Ausstieg hinunter. Gemeinsam stiegen wir über diesen ab - das stark abkürzende Couloir war aus unerfindlichen Gründen gesperrt, dem leisteten wir Folge. Trotzdem gelangten wir zügig auf den Talboden, natürlich durfte die traditionelle Einkehr im Engilberge nicht fehlen, bevor es zum Abkühlen und Relaxen retour zu Camping und See ging.

Mmmhh, das feine Griffig-Wasser ;-)

Facts

Ailefroide - Vade Retro Cambonas 6b (TD+, 6a obl.) - 7 SL, 200m - Fiaschi/Giraud/Faure 1997 - ***;xxxx
Material: 1x50m-Seil, 10-14 Express (je nach Nutzung des Zwischenstands in L4), Cams/Keile nicht nötig

Lässige Kletterei auf der morgens schattigen Talseite in Ailefroide. Wie immer sieht's von weitem nicht so überzeugend aus, der Granit ist aber auch hier sehr gut, von optimaler Reibung und mit viel Struktur ausgestattet. Es wartet eine Mischung von steilplattigen Passagen und auch gutgriffigen Aufschwüngen, ein richtiger Genuss. Die Absicherung ist auf den ersten 3 Seillängen gut (aber auch nicht mehr, mit ein paar zwingenden Passagen im 6a-Bereich), nachher stecken die Bolts dann deutlich üppiger nach Standard "Plaisir super", so dass eigentlich jeder schwierige Move per Hakenhilfe erschwindelt werden kann. Ein Topo gibt's im Cambon-Führer "Oisans Nouveau, Oisans Sauvage", im Briançon-Climbs der Rolland-Familie oder auch im lokalen Ailefroide-Büchlein.

Montag, 10. August 2020

Gross Bielenhorn - Nolens Volens (6c)

Am Gross Bielenhorn oberhalb der Sidelenhütte am Furkapass findet man mitunter den besten Klettergranit der Schweiz. In früheren Jahren war ich schon in der Niedermann (6a) und der Fandango (6c+) zu Gange, der letzte Besuch lag aber doch schon wieder Jahre zurück. Kein Wunder, den um hier oben mit Genuss zu klettern, muss einiges zusammen passen: warme, wettersichere Tage ohne Wind und Quellbewölkung, sonst macht es keinen Spass. Erst kurz vor Mittag kommt die Sonne an die Wand. Nicht unbedingt ein Spot also für Frühaufsteher, dafür klettert man dann bis am Abend an der wärmenden Sonne. Um sich einen weiteren Punkt auf dem "Moderne Zeiten"-Konto gutschreiben lassen zu können, wählten wir den Remy-Klassiker Nolens Volens (10 SL, 6c) von 1987. Das ist allerdings fast ein wenig despektierlich ausgedrückt, denn diese famose Tour verdient einen Besuch unbesehen von jeglichen Punkten und Listen!

Unterwegs ins Sidelengebiet. Hinter der Kletterin der Hanibalturm und der Galenstock, rechts das Gross Bielenhorn.
Den Zustieg wählten wir vom Refuge Furka (2428m), wo wir um ca. 10.20 Uhr losgingen und nach einer knappen Stunde bei der Sidelenhütte eintrafen, wo wir uns erst einmal mit einem kühlen Getränk auf der Terrasse erfrischten. Wer die Höhenmeter effizient frisst und einen der eher raren Parkplätze ergattert, erreicht die Hütte möglicherweise schneller vom Sidelenbach (P.2279, +150hm, weniger Distanz). Von der Hütte dann etwas absteigend in Richtung der Kamele und Wegspuren folgend in einer Rechtsschleife zur Südecke vom Gross Bielenhorn. Die verlockenden Direktwege durchs Gletschervorfeld zahlen sich eher nicht aus. Nun über Schneefelder bzw. den östlichen Teil vom Sidelengletscher unter der Wand traversieren und zum Schluss steil zu dieser hinauf. An sich ist das Gelände unschwierig, zuletzt aber doch gegen 45 Grad steil. Bergschuhe und Pickel sind wohl fast immer nötig, Steigeisen ein Sicherheitsplus. Auch ich hatte sie an diesem Tag gerne eingesetzt. Spannend ist dann immer die Frage, wie gut sich die Randkluft vom Gletscherhang gegen den Fels hin überwinden lässt. Für uns ging es ganz ordentlich, etwas alpiner Sachverstand und das Bewusstsein um allfällige Gefahren war jedoch durchaus nützlich. Um 12.20 Uhr und damit ziemlich genau 2:00 Stunden nach Aufbruch erreichten wir einen Einzelbolt auf einem etwas abschüssigen Band, wo wir von der Alpin- auf die Kletterausrüstung umsatteln konnten. Eine Viertelstunde später ging es schliesslich mit der Kletterei los.

Ich bin auch eine Alpinistin... Passage der Randkluft.
L1, 10-30m, 5c: Je nach Schneehöhe kürzerer oder längerer Abschnitt entlang von Rissen über Stufen hinweg. Die Orientierung gar nicht so einfach hier, weil man üblicherweise nicht so richtig weiss, auf welcher Höhe man denn nun startet. Wer mit einem 50m-Seil den Stand nach L2 erreichen möchte, muss bei der Markierung (roter Farbpunkt, roter Einzel-BH etwas oberhalb) Halt machen.

L2, 45m, 6a+: Coole Kletterei, die vom roten BH nach links führt. Nach heiklem Auftakt-Move geht's an einigen Piazverschneidungen und breiten Rissen vorwärts, nur relativ spärlich mit BH abgesichert. Hier und da bringt man auch kleines Gear unter, gerade am Ende müssen aber für optimale Absicherung sicher der 3er- wenn nicht sogar der 4er-Cam mit. Wer über der Schwierigkeit steht, kommt ohne aus - die Kletterei dort ist moderat schwierig und der auch neben den Rissen super strukturierte Fels erlaubt kontrolliertes Steigen.

Breite Risse charakterisieren die Kletterei im oberen Teil von L2 (6a+).
L3, 45m, 6c: Die schwierigste, aber auch die beste und abwechslungsreichste Seillänge der Route. An ein paar griffigen Rissen geht's los, über ein erstes Dächli hinweg noch relativ gutmütig zu einem genialen, schräg nach oben ziehenden Riss, den man für die Füsse als Rampe benutzen kann. Dann ist fertig, eine erste Reibungsstelle am Limit bringt einen zu einem Ruhepunkt, bevor es nochmals Vollgas auf Reibung geht. Es ist aber keine reine Schleicherei, die steile Wand ist mit Noppen und Crimps garniert, super! Im unteren Teil gibt's hier durchaus etwas Luft zwischen den Haken, der erste Reibungstest ist ebenfalls noch recht zwingend, nur ganz am Ende stecken die Bolts dann eng.

Erst super Risse, dann fordernde Steilplattenkletterei wartet in der Crux (L2, 6c).
L4, 35m, 5b: Nun soll es deutlich einfacher werden, zuerst merkt man gar nicht mal allzu viel davon. Erstaunlich knifflig geht's hinauf und an einem schönen Quarzband nach links. Eine rissige Verschneidung und später ein paar Stufen bringen einen weiter voran zu einem ersten Grasband (BH). Der Stand liegt aber noch eine Etage höher auf dem nächsten Band.

L5, 35m, 6a: Sieht von unten nicht so überzeugend aus, entpuppt sich aber als Klasse-Länge! Obwohl es linksrum vielleicht einfacher ginge, geht's an Bolts und einer Rissspur in prima strukturiertem Fels gerade hinauf. Man gelangt schliesslich zu einer Rissverschneidung, wo man mobil absichern muss, an dieser Stelle geht's für einmal nicht ganz perfekt und es ist etwas das Auge nötig. Mit einem nochmals kniffligen Schritt gelangt man zum Stand.

Super Kletterei mit einer griffigen Struktur stets in der Nähe wartet in L5 (6a).
L6, 35m, 6b+: Steil und spektakulär! An griffigen Rissen und Schuppen überwindet man eine erste Steilzone mit einem Beinahe-Dach. Auf einem kleinen Band kann man sich schliesslich eine Verschnaupause gönnen und den Weiterweg überlegen. Dieser führt nicht gerade obsig in den cleanen Riss, sondern kurz rechts absteigend den eng steckenden Bolts entlang durch die Wand. Während man erst ob dem Cruising-Gelände frohlockt, kommt dann plötzlich doch noch ein kniffliger Schritt. Zuletzt nochmals piazend an Rissen und Kanten athletisch um die Ecke zu gemeinsamem Stand mit der Niedermann.

Man sieht's am Schlaghaken, am Ende der steil-spektakulären  L6 (6b+) trifft man mit der Niedermann zusammen.
L7, 30m, 6a+: Die Bohrhaken leiten einen hier quasi automatisch auf die richtige Fährte. Es geht nach rechts durch die Wand, welche super strukturiert daherkommt. Auch um die Ecke geht's gut und griffig voran. Zum Schluss gilt es dann, noch eine Art Couloir zu überqueren. Entweder habe ich das saublöd erwischt, oder es ist nicht gänzlich nichttrivial.

L8, 40m, 6a+: Eine anhaltende Super-Seillänge! Gleich vom Stand weg mal parat sein und auf ein paar kleinen Leisten antreten. Nun geht's etwas im Zickzack hinauf, wobei immer mal wieder ein gut sichtbarer Bolt bei der Orientierung hilft. Neben dieser Grundabsicherung wollen aber auch immer mal wieder Cams platziert werden. Das Finish dann nochmals steil und speziell genial mittels Brotlaib-Pinching.

Ich glaube, sie hatte sowas gesagt wie "eigentlich ist die ganze Route ein No-Hand-Rest". Im Vordergrund sieht man sehr schön die Felsstrukturen, welche am Ende von L8 (6a+) sehr schön zum sogenannten Brotlaib-Pinching verwendet werden müssen.
L9, 25m, 5c+: Hier dünkte mich der Verlauf durchaus etwas unlogisch. Vermeintlich könnte man (leichter?!?) direkt oberhalb vom Stand durch die rissige Verschneidung klettern. Aber nein, die Bolts indizieren den Routenverlauf linksherum mit ein paar kräftigen, piazartigen Zügen. Schliesslich wechselt man dann doch gutgriffig in die ursprüngliche Verschneidung zurück und erklettert diese zum bald schon folgenden Stand.

Fantastischer Ausblick auf die letzten beiden Seillängen (L9/L10). Die Route verläuft hier allerdings etwas unlogisch nicht direkt hinauf durch die Verschneidung zu den Kletterern, sondern schlägt eine eine in die linke, untere Bildecke. Wir folgten dieser und den dortigen BH gehorsam, so wundert es mich nun umso mehr, wie schwierig es direkt hoch wohl wäre.
L10, 35m, 6a+: Nochmals ein prima Gerät zum Abschluss: steil, anhaltend, griffig an tollen Rissen! Eine Grundabsicherung mit BH ist vorhanden, mobil Sichern geht fast nach Belieben. Zuletzt dann nochmals extrasteil und henklig auf die bequeme Plattform bei der markanten Felsnadel, welche nicht ganz den Gipfel des Gross Bielenhorn darstellt.

Fantastische, steile und griffige Kletterei bis zuletzt in L10 (6a+).
Um 17.30 Uhr und damit nach rund 5 Stunden absolut genialer Kletterei hatten wir das Top erreicht und konnten an beiden Seilenden eine perfekte Onsight/Flash-Begehung verbuchen. Rein von Wetter und Stimmung her hätten wir nun durchaus eine längere Zeit hier oben chillen können. Allerdings waren neben uns noch 2 weitere Seilschaften zugegen und es stellte sich die Frage, in welcher Reihenfolge das Abseilen angegangen würde. Uns wurde der Vortritt angeboten, somit beschränkten wir unseren Gipfelaufenthalt und fädelten die Seile. Um zügig vom Acker zu kommen und weil ja gleich jemand nachfolgte, "riskierten" wir es, die ersten beiden Teilstrecken (L9/L10) zu kombinieren. Aber wie es im Plaisir steht, der Seilverhänger ist quasi garantiert... ich habe mein Bestes versucht, konnte ihn aber nicht vermeiden. Nun denn, das Malheur war durch die Nachfolger subito korrigiert (Dankeschön!). Mit unserem dritten Abseiler ging's direkt hinunter auf das Grasband zu Stand der Niedermann (Achtung, 50m-Seile knapp!). In 4 weiteren Manövern waren wir zurück bei den Schuhen, von wo wir noch über die Randkluft und den obersten, steilen Schneehang abseilten. Bequem im Schnee absteigend waren wir bald (19.00 Uhr) retour bei der Sidelenhütte, wo wir nochmals eins tranken, bevor wir in 35 Minuten zügig zum Furkapass liefen.

(K)eine Remy-Route ohne Bohrhakenkontroverse?!?

Die Route wurde 1987 von den Remy-Brüdern erschlossen und nach der Jahrtausendwende in mehreren Etappen mit rostfreiem Material saniert. Soweit ich das vor Ort wahrgenommen habe, wurden bei dieser Sanierung die Sicherungspunkte grundsätzlich 1:1 ausgetauscht, wobei die Positionierung manchmal optimiert wurde. Bei unserer Begehung im Juli 2020 war es dann aber so, dass im oberen Routenteil an zahlreichen (ca. ein Dutzend?) sanierten Haken die Laschen fehlten. Das war nicht ganz so tragisch, denn die Kronenbohrhaken der Erstbegehung sind an den jeweiligen Stellen auch noch vorhanden und nutzbar. Überdies kann man an diesen Stellen in unmittelbarer Nähe meist auch gut mobil absichern. So gesehen sind die Bolts "sowieso unnötig". Somit werde ich den Verdacht nicht los, dass die fehlenden Laschen vielleicht doch nicht einfach der Schwerkraft zum Opfer gefallen sind, sondern mutwillig entfernt wurden.

Quarz, Kamele, Schildkröte und der versteinerte Nixen - eine fantastische Gegend!
Ob nun Bolts neben mobil abzusichernden Rissen oder solche Guerilla-Aktionen (wenn es denn eine war...) sinnvoller sind, dürfte Anlass zu manchem Klettertalk sein. Ich würde einfach vorschlagen, dass hier ein klarer Entscheid gefällt wird. Entweder werden die fehlenden Laschen ersetzt (ca. 10-15 Stück, rostfrei inklusive Mutter M10 nötig) und gleichzeitig die alten Bolts entfernt (Hammer, Inbus in allerlei Grössen und/oder Akkuflex nötig). Oder dann entscheidet man sich, überall dort wo mobil gesichert werden kann, die Bolts komplett zu entfernen. Aber wenn, dann bitte in sauberer Arbeit und mit einer offiziellen Kommunikation, so dass man auch weiss, was einen erwartet... aber ich gehe jetzt einmal davon aus, dass bis auf Weiteres alles so bleibt, wie es im Moment ist.

Nachtrag vom 13.8.2020

In verdankenswerterweise haben Tobias und Joachim am 9.8.2020 auf meine Anregung hin die fehlenden Laschen ersetzt. 9 Stück waren es insgesamt, somit kann die Tour nun wieder an perfekt saniertem Inoxmaterial begangen werden. Einzig die alten Kronenbohrhaken sind immer noch vor Ort, die könnte/sollte man einmal noch mit entsprechendem Gerät entfernen. Nachfolgend einige Bilder, die mir Tobias zugesandt hat.






Facts

Gross Bielenhorn - Nolens Volens 6c (6b obl.) - 10 SL, 350m - C. & Y. Remy 1987 - *****;xxx
Material: 2x50m-Seile, 12-14 Express, Cams 0.2-3 plus evtl. 4, evtl. Keile

Fantastische Kletterei durch Gestein, das mitunter zum besten Granit in der Schweiz gehört und definitiv in die gleiche Güteklasse wie jenes im hochgelobten Chamonix gehört. Die Route bietet meist Kletterei an angenehmen und wenig beschwerlichen Rissen, Verschneidungen und griffigen Schuppen. Die Crux spielt sich hingegen an einer recht fordernden Steilplatte ab - mit etwas Einsatz kommt man hier auch ohne absolute Beherrschung der Schwierigkeiten mit A0 wohl noch mehr oder weniger durch. Trotzdem, der in der Literatur verzeichnete obligatorische Grad von 6a+ dünkt mich zu knapp. Generell ist eine gute Grundabsicherung mit BH vorhanden. Wer die Schwierigkeiten gut drauf hat, muss nur punktuell mal einen Cam legen und kommt mit einem abgespeckten Set von 0.3-2 aus. Es wäre aber zumeist durchaus möglich, mit mobilem Material auf eine sportklettermässige Absicherung (xxxx) zu kommen, dafür muss man dann jedoch genügend (auch grosse) Cams und allenfalls Keile mitführen. Ein Topo findet man z.B. im Plaisir West 2019 oder auch (nicht mehr ganz aktuell) im SAC-Führer Urner Alpen 2 oder im Topoguide Band I. Die Bewertungen in meinem Bericht habe ich aus dem Plaisir übernommen, sie sind grösstenteils etwas höher als jene in den älteren Führern, schienen mir aber stimmiger.