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Dienstag, 29. September 2020

September-Skitour Gulmen (1788m)

Manchmal ist es schon verrückt, wie schnell das Wetter wechselt. Noch am Donnerstag hatten wir in kurzen Hosen an einer MSL-Tour gewerkelt und die Zeit bis zum Eintreffen von Dunkelheit und den ersten Regentropfen der Front (die gleichzeitig kamen) nutzen können. Nach weiteren (Indoor-)Sessions in den vergangenen Tagen waren die Finger dann müde und ein Alternativprogramm gefragt. Die Webcams zeigten schon reichlich glitzernden Schnee, der Wintereinbruch war für diese Jahreszeit ungewöhnlich heftig gewesen. Für ein kleines Tüürli sollte das auf jeden Fall reichen, notabene mein frühester Saisonstart und auch meine erste September-Skitour überhaupt. Nun fehlt mir nur noch der August als Skitourenmonat. Ich weiss, auch das lässt sich machen, jedoch schien mir der entsprechende Aufwand bisher noch nie gerechtfertigt (das ändert sich ja vielleicht nun).  

Von Amden Sell (Postautohaltestelle bei P.1149 oder Parkplatz ca. 1km weiter bei P.1234) liefen wir los, auf 1270m waren die Hänge genügend weiss, um die Bretter anschnallen zu können. Via Diggi und Hüttlisboden ging's zum steilen Gipfelhang, wo in weiten Kehren schon richtige Spurarbeit wartete. Mit Sonnenschein und den Tiefblicken auf den Walensee und das noch saftig-grüne Unterland aber ein grosser Genuss. Während da noch schweisstreibend im T-Shirt gearbeitet wurde, ging dann auf dem Gipfelplateau ein zügiger Luft, es lag ~40cm Schnee und das fühlte sich dann auch gleich richtig winterlich an, standesgemäss wurden am Top Handschuhe und Kappe angezogen.

Die Abfahrt war dann erstaunlich genussvoll, das hätte ich a priori nicht unbedingt so erwartet. Da wir erst mittags unterwegs waren, war der Schnee bereits feucht (frühmorgens wäre es wohl noch pulvrig gewesen). Er war aber kompakt, kaum klebrig und gut drehbar, so konnte man schöne Schwünge hinzaubern. Mit etwas Umsicht liess sich Bodenkontakt gut vermeiden und man musste kein Mitleid mit seinem Material haben. Zu schnell war der Spass schon wieder vorbei... und wenn's ja schon "Winter" ist, so hätte man eigentlich auf dem Heimweg ja gleich noch eine Galerie-Session einlegen können, dies bestimmt wiederum in kurzen Hosen an der nachmittäglichen Sonne. Liessen wir dann aber bleiben zwecks Restday und so... man ist ja in unserem Alter langsam vernünftig ;-) 

Freitag, 25. September 2020

Churfirsten - Frümselkante (7a)

Ich bin nach einer 21h bed-to-bed Erstbegehungsaktion am Vortag noch ziemlich müde, doch der Sonntag verspricht schönes Wetter und die Kinder nehmen an der Helvetia Nordic Trophy in Wildhaus teil (Skispringen & Nordische Kombination, mangels Kletterwettkämpfen muss man innovativ werden und diversifizieren ;-)). Somit müssen wir sowieso früh raus und für Kathrin und mich verbleibt ein Zeitfenster, das wir zum Klettern nutzen können. In einen Klettergarten zu gehen macht in meinem Zustand absolut keinen Sinn, somit soll es eine zügig machbare, lässige MSL-Tour sein. Es stehen entweder die Schafbergwand oder die Churfirsten zur Auswahl, an den letzteren bin ich schon länger nicht mehr geklettert und die Frümselkante hat genau die richtige Dimension: nicht allzu lang, nicht allzu schwierig, aber doch interessant. Sie hielt was ich mir von ihr versprach, die Kletterei war aber besser, luftiger und auch anspruchsvoller, wie das Topo-Papier bzw. meine Erwartungen suggerierten.

Der Frümsel mit seiner Süd- und Ostwand, inklusive dem Verlauf der Frümselkante.

Nach dem Berappen der Taxe von 10 CHF (Münzen bereithalten) darf man die Bergstrasse über die Terrasse der Selamatt befahren. Während der Alpzeit stellt man sein Gefährt entweder beim P.1561 hin und folgt dem offiziellen Wanderweg via Brisizimmer zur Obersäss Nideri, alternativ kann man auch beim P.1598 stationieren und via Alp Torloch (1786m) gehen. In der Literatur ist die Zufahrt bis dort hinauf beschrieben, allerdings ist die Strasse steil, eng und ohne Kreuzungsmöglichkeit, zudem gibt es oben keine Parkplätze und das Vieh kann sich frei und fröhlich an der Karrosserie laben und lecken - denke es macht allen Sinn, darauf zu verzichten und die knapp 200hm zu Fuss zu gehen. Von Torloch dann nicht dem Wanderweg zum Frümsel folgen, sondern kurz der Piste, die links vom Stall beginnt, dann aber bald weglos ins Frümseltal hinein. Wir blieben stets abseits vom markierten Weg auf der (im Aufstiegssinn) rechten Seite, das Gelände ist gut begehbar. Am Ende dann zur Krete hinauf und über einen Sporn bzw. zuletzt steilere Schrofen zum Einstieg auf ca. 2130m, den wir nach 45 Minuten Gehzeit erreichten. Mit dem Topo sollte der Muniring am Einstieg gut zu finden sein, die Route ist dort auch verblasst angeschrieben. Um 10.50 Uhr kletterten wir los.

Hier (und jetzt!) geht's los!

L1, 25m, 5c+ bzw. 6a/+: Schon a priori sieht's steil aus und für eine Route aus dem Jahr 1961 wurde da eine mutige Linie gewählt. Einmal in der Seillänge engagiert, entpuppt sich das sogar als ziemlich durchgehend athletische, teils überhängende Sache. Gutgriffig und auch prima abgesichert wohl, aber da muss man sich schon festhalten! Der Fels ist etwas blockig strukturiert, einige Features tönen auch ein bisschen hohl - es hält aber alles stand. Wir würden diese Seillänge mit 6a oder 6a+ bewerten.

Die Route hat eher kurze Seillängen, aber immer mit bequemen Standplätzen - ideal!

L2, 15m, 6a+ bzw. 6b/+: Vielversprechend sieht es aus, top-griffiger Churfirstenkalk wartet, zudem sieht auch die Absicherung formidabel, ja fast hallentauglich aus. Da soll nun die Frau mit ihren frischen Kräften ran! Das klappt auch prima, allerdings ist es doch ein ganzes Stück schwieriger wie vermutet. Die Kletterei knifflig und kräftig zugleich, zwischendurch heisst es, kleine Tropflochleisten richtig durchzuballern. Für unser Dafürhalten nach modernem Plaisir-Standard eher 6b+ oder mindestens 6b. Ein Hinweis noch: am Ende heisst's in etwas einfacher werdendem Gelände noch kurz etwas über den Haken zu steigen.

Sehr schöne Wandkletterei in steilem, strukturiertem Fels in L2 (6b/+).

L3, 15m, 6c+ bzw.  7a: Steil geht's in eine Verschneidung hinauf und dann unter einem abschliessenden Dach nach links hinaus. Auch hier ist die BH-Absicherung sehr eng gehalten und man könnte auch klettersteiglen. Vorerst kommt man aber gut voran und wird nur relativ leicht angebruzelt, zudem wartet noch ein perfekter Kneebar-No-Hand-Rest, bevor es wirklich ernst gilt. Bei der Dachtraverse am Verschneidungsende hat's zwar einige Rissspuren, diese sind aber abgerundet-glatt und wohin mit den Füssen?!? Sprich, es ist sehr trittarm und der Ausstieg heftig athletisch. Mir geht's am äussersten Limit auf, Kathrin kann es mit Ansage dann sauber und mit mehr Marge als ich flashen. Trotzdem, unser Vorschlag: 7a.

An dieser Stelle ist's in L3 (7a) gegessen, die finale Reibungstraverse ist Formsache. Unten das Frümseltal mit seinem endlosen Blockschutt, hinten der Alpstein mit Wildhauser Schafberg, Moor und Konsorten.

L4, 25m, 6a+ bzw. 6b/+: Zuerst ein paar Meter in einfacherem, aber etwas splittrigem Gelände, hier kann/soll man zuerst noch einen kleinen Cam legen und einen NH klippen, bevor dann der erste BH und damit auch wieder perfekte Absicherung kommt. Die entpuppt sich bald als absolut nötig, die steile Wandstufe ist nämlich deutlich weniger üppig mit Griffen bestückt, wie es von unten den Anschein macht. Zähe, knifflige Moves sind nötig, bis die Füsse einmal oben sind. Für unser Dafürhalten auch sicher eine 6b, wenn nicht 6b+. Am Ende dann nach links Richtung 10 Uhr zum Muniring, ohne Blick aufs Topo produzierte Frau Dettling hier noch einen kleinen Verhauer inkl. Runout über einem Cam zum Stand der Sibir auf 1 Uhr. Wir werweissten da noch, ob wir nun zu Gunsten von homogenen Schwierigkeiten gleich noch die mit 7a bewertete Ausstiegslänge der Sibir anhängen sollten... entschieden uns dann aber doch, die Kantenroute komplett zu begehen und querten auf dem Band auf den richtigen Verlauf zurück.

Auch hier wieder: steile Wandkletterei, wo man sich durchaus festhalten muss (L4, 6b/+).

L5, 30m, 5b bzw. 5c+: Hier geht es links um die Ecke herum und dann Achtung, nicht bei der ersten Möglichkeit gerade hinauf, obwohl oben in der v-förmigen Verschneidung auch noch ein neuerer Bolt steckt. Diese Variante wäre sicherlich deutlich schwieriger, wie schwierig genau und was nach diesem sichtbaren BH noch an Material folgt, bleibt unklar. Die Originalroute quert noch ca. 3-4m weiter nach links, dann über einen kleinen Wulst hinweg und schliesslich in griffigem Gelände aufwärts - schöne Kletterei mit tollem Tiefblick, auch wenn der Fels hier nun nicht mehr ganz perfekt ist.

Die Tiefblicke, fast 2000hm hinunter auf den Walensee sind an den Churfirsten genial (L5, 5c+).

L6, 15m, 3a bzw. 5a: In einer kurzen Seillänge gewinnt man hier den Grat, der Fels ist nicht mehr ganz so zuverlässig. Die ersten Meter sind gar nicht mal so einfach, bestimmt kein Dreier jedenfalls nach heutigen Massstäben und mit der Möglichkeit, einen "chûte sur l'assureur" zu machen. Ein BH kommt erst, wenn die Stelle vorbei ist, man kann/sollte jedoch mit kleinen Cams absichern.

L7, 50m, 2b bzw. 3b: Erst geht's im Nahezu-Gehgelände zügig mit nur wenig Steigung voran, der Stand der Abseilpiste ist gut erkennbar. Nach diesem heisst es nochmals etwas anpacken, direkt im Fels hinauf wohl auch eher mehr wie ein Zweier, vielleicht könnte man das auch irgendwo rundherum umgehen?!? Schliesslich findet man einen alten Metallring/Stab kurz vor dem Gipfel, bzw. nutzt einen Einzel-BH gleich unter dem Gipfelkreuz zum letzten Nachnehmen.

Unterwegs auf dem letzten, gratartigen Abschnitt (L7, 3b).

Um 13.50 Uhr und somit nach 3:00 Stunden genussreicher Kletterei mischen wir uns unter die zahlreichen Wanderer, welche sich auf dem Gipfel befinden. Manche von ihnen sind dabei, alle 7 Churfirsten am selben Tag zu sammeln. Ich denke mir "lieber sie als ich", ich mich mit meinen müden Knochen war heute schon mit der Frümselkante bestens bedient. Wir haben noch etwas Zeit, so dass wir die Aussicht und die mitgebrachten Köstlichkeiten geniessen können. Schliesslich schnüren wir die Schuhe und steigen über den Wanderweg auf dem Nordrücken ab - zum Glück ist es furztrocken, sonst wäre das bestimmt eine schmierige Angelegenheit. Um 14.50 Uhr schliesst sich der Kreis bei unserem Automobil und wir fahren los, um die Kinder abzuholen. Diese können uns von weiten Sprüngen bis zu 24m, einem anstrengenden Crosslauf, gewonnenen Medaillen sowie einem Autogramm und Gratulationen von Simon Ammann erzählen. Toll, dass sich eine solche Legende des Schweizer Sports die Zeit und Mühe nimmt, einen Nachwuchswettkampf zu besuchen um mit den Kindern mitzufiebern und zu fachsimpeln - für die Kinder war das ein ganz grosses Highlight. Da merkt man, wie gross seine Passion für diesen Sport ist, ein echter Champion, Chapeau!




Facts

Frümsel - Frümselkante 7a (6a obl.) - 7 SL, 175m - Etter/Frommenwiler 1961 - ***;xxxx-xxxxx

Material: 1x oder 2x50m-Seil, 10 Express, evtl. Camalots 0.2-1

Eine klassische Route aus der Eisenzeit, die aber durch sehr guten Fels führt und athletische Kletterei bietet, die auch aus heutigen Sportkletter-Aspekten wirklich lohnend ist. Ein weiteres Plus ist die luftige Linie mit Ausstieg zum Gipfel, was die Sache umso attraktiver macht. Nach diversen Sanierungen von Standplätzen und Zwischenhaken (zuletzt im 2011) ist die Route an allen schwierigen Stellen sehr eng mit BH abgesichert und muss nicht zwingend freigeklettert werden. Nur in ein paar einfacheren Passagen sind die Abstände etwas weiter. Wer routiniert ist und sich dort auch mal einen kleinen Runout zutraut, braucht nicht zwingend Cams mitzunehmen, mit kleinen bis mittleren Grössen kann man aber diese Stellen teilweise ergänzen. Aufgrund der Kürze und der sonnigen Lage handelt es sich sicher um ein gutes Ziel für herbstliche Tage.  Wie im Topo verzeichnet, gibt es eine gute Abseilpiste über die Südwand, ein Rückzug über die Route ist sicher möglich, teilweise aber etwas umständlich. Am bequemsten und schnellsten ist jedoch sowieso der Fussabstieg über den Nordrücken, so kann man gut auch mit einem Einfachseil anrücken. Ein nach der Sanierung aktualisiertes Topo auf Grundlage des Churfirstenführers findet man bei eastbolt.ch. Bitte denkt doch bei Gelegenheit auch gleich daran, ein paar Fränkli für solche Sanierungsaktionen springen zu  lassen, danke! 

Donnerstag, 17. September 2020

Wendenstöcke - Das 11. Gebot (7b+)

Top-Bedingungen an den Wendenstöcken und mit ein paar schönen Fotos aus der kürzlich gekletterten Paco konnte ich Daniel auch wieder einmal einen Besuch schmackhaft machen. Schon vorab diskutierten wir elektronisch eine ganze Reihe von Zielen, auf der Anfahrt ging es in ähnlichem Rahmen weiter und schliesslich standen wir in den steilen Grasplanggen und es ging uns wie Kindern am Glacéstand: am liebsten hätten wir alle gluschtigen Routen gleichzeitig probiert, doch ein Entscheid musste fallen. Der fiel dann schlussendlich auf  'Das 11. Gebot' (9 SL, 7b+), eine Route am Gross Wendenstock, welche nach einer längeren Erschliessungsgeschichte im 2020 nun für Wiederholer freigegeben wurde. Was sprach genau für diese Route?!? Zuerst einmal, dass noch eine Pizza für eine bis dato noch nicht erfolgte Onsight-Begehung ausstehend war und zweitens, dass auf diese Weise die Berner Oberländer Bluestripe-Trilogie komplettiert werden konnte. Ganz ähnlich wie die Blaue Lagune am Excalibur-Pfeiler und die Deep Blue Sea in der Eiger Nordwand führt auch das 11. Gebot durch einen markanten, sehr ästhetischen bläulich-grauen Wasserstreifen.

Wie immer... Morgenstund hat Gold im Mund! Das 11. Gebot ist vom Parkplatz aus nicht prominent sichtbar und so muss für einmal auch das gewohnte Wandbild mit dem Routenverlauf ausfallen.

Um 7.45 Uhr starteten wir den Zustieg auf der Wendenalp und stiegen exakt auf derselben Route wie zuletzt für die Paco unter den Sektor Aureus. Dort heisst es, sich weiter nach rechts zu halten, wofür man besser nicht zu hoch hinaufsteigt. Man gelangt in eine wieder felsige Zone unter dem Einstieg vom Querschläger, steigt an deren Ende zum Wandfuss hinauf und folgt diesem nach rechts bis zum höchsten Punkt. Der Einstieg ins 11. Gebot ist nicht gekennzeichnet und es steckt auch kein BH am Einstieg. Etwa 10m weiter links befindet sich jedoch einer der auf denselben Turm führenden, namenlosen Route von Pitelka/Eggler, so dass man sicherlich ohne langes Suchen den Start identifizieren kann - für uns war es auf jeden Fall kein Problem und die sehr guten Angaben auf dem Topo der Erstbegeher helfen auch weiter. Nach gut 1:15 Stunden Gehzeit waren wir am Einstieg. Nachdem wir uns vorbereitet und den Haulbag gepackt hatten, konnte es um ca. 9.30 Uhr mit der Kletterei losgehen.

Da soll es hingehen, durch den markanten, schmalen blauen Streifen führt die Route im oberen Wandteil.

L1, 35m, 6b: Etwa 2.5m über Boden befindet sich ein guter Querschlitz, wo man einen oder auch mehrere Cams platzieren kann. Das scheint mir unverzichtbar, denn würde der Vorsteiger auf dem an sich nicht sehr weiten und auch nicht sehr schwierigen Weg zum ersten BH auf 6m einen Fehler machen, so würde das sonst wohl das Ende für die ganze Seilschaft mittels Sturz über den steilen Schrofenvorbau bedeuten. Einmal den Bolt geklippt, warten dann lässige, aber schon recht kräftige Moves - das Gelände ist steiler als es den Anschein macht und hängt tatsächlich über. Der zweite BH steckt gredig obsi (nicht gut sichtbar), unterwegs kann/muss man auch noch Cams anbringen. Mit tatsächlich einem leichten Pump ob den zwar guten, aber sloprigen Griffen entsteige ich schlussendlich in weniger schönes, leichteres Gelände, über welches man schliesslich zum Stand an SU plus BH gelangt.

Meinem Kletterpartner hat die Aussicht ins Berner Oberland besser gefallen wie jene auf meinen Hintern in der ersten Seillänge, deshalb nun hier dieses Bild ;-) Ein Bild im Rückblick auf L1 gäbe es zwar, doch auch da ist dieses Panorama auf jeden Fall vorzuziehen, ist doch das letzte Stück in L1 nicht gerade das Gelbe vom Ei.

L2, 40m, 6b+: Der Auftakt in diese Seillänge ist noch nicht restlos überzeugend, da der Fels leicht splittrig ist. Zwar völlig unproblematisch, aber die ersten 15m sind nicht auf Wenden-Topstandard. Das ändert sich danach aber durchaus, über schöne und kompakte Platten geht es in eleganter Kletterei aufwärts, die Haken stecken hier zwar absolut vernünftig, aber nicht etwa sehr eng zusammen. So muss man den Füssen durchaus bereits das Vertrauen schenken - wobei es im Hinblick auf das, was später noch kommt wirklich nur Nasenwasser ist.

Der Auftakt in L2 (6b+) schon schön, aber auch noch nicht ganz perfekt. Es kommt (noch) besser!

L3, 35m, 6b+: Eine wirklich coole Seillänge mit freundlicher Henkelkletterei! Nach einem einfacheren Auftakt geht's über 2 BH durch eine erste Steilzone an 1a-Henkeln, bevor man in kurz etwas weniger steilem Gelände mit Cams und/oder SU selber Zwischensicherungen anbringen muss. Zum Ende zieht's nochmals an, die Crux ist mit 2 BH gesichert, wobei hier der Challenge mitunter auch darin besteht, unter möglichen Routenoptionen die Optimale auszuwählen. Man steigt schliesslich in eine etwas brüchig-schuttig-geneigte Zone aus, wo sich der nächste Stand befindet.

Da sieht ja schon richtig geil aus! Freundliche Henkelkletterei in L3 (6b+).

L4, 50m, 6c+: Heja, diese Seillänge sieht sehr vielversprechend aus und führt, wie nachher das Filetstück auch, durch einen gräulich-blauen Streifen, auch wenn er hier weniger markant ausfällt wie im oberen Wandteil. Gleich vom flachen Boden weg wartet ein Einstiegsboulder - wer den nicht packt, schadet u.U. seinem Geläuf (soll keine Kritik an den Erstbegehern sein, das ist an dieser Stelle einfach so). Mich dünkte das noch recht knifflig, wobei ich nach der Tour nochmals die Bilder auf obsig.ch konsultiert und dabei festgestellt habe, dass wir den Boulder auf der anderen Seite der Standhaken angepackt haben wie die Erstbegeher (wobei nicht so klar ist, welche Lösung einfacher/besser ist, das Problem mit dem potenziellen Sturz aufs Band besteht bei beiden Optionen). Nachher meidet die Route zum Glück den Off-Width-Riss am Pfeiler und führt entlang von einer Rissspur sehr schön im Tropflochfels durch die Wand. Als nächster Programmpunkt steht ein Riss bzw. eine wenige ausgeprägte Verschneidung an, der folgende Bolt ist noch weit weg. Man kann aber legen, doch irgendwie unverhofft wird man sich plötzlich gewahr, dass richtig schwierige Kletterei (=die Crux) kommt - eben über dem Cam, der zwar gut liegt, aber gefühlt doch nicht ganz ein Bomber-Placement darstellt. Ist der nächste Bolt dann einmal geklippt, so geht's weiter steil, aber stets gutgriffig und mit immer wieder einmal einem Ruhepunkt voran. Weiterhin kann man die fixen Sicherungen mit Cams ergänzen, ein Wulst im oberen Teil lässt sich wie schon das Topo offenbart, rechtsrum gut knacken. 

Ausblick auf die sehr schöne L4 (6c+), die auch durch einen blau-grauen Streifen führt.

L5, 45m, 6c: Man befindet sich da auf einer Art Plateau, über einen Turm hinweg geht's an die nächste Wand. Hier heisst es zuerst, an einem Riss mobil sichernd Höhe zu gewinnen, was dank freundlichem Griff- und Trittangebot sowie exzellenten Placements gut vonstatten geht. Dann gilt es, den steilen Abzweig in die Wand links nicht zu verpassen, hier folgt dann auch bald die Crux. Weiter geht's mit anhaltender Premium-Quality Wenden-Wandkletterei, herausragend! Zu erwähnen ist noch, dass der Ausstiegsstand mit der Route Pitelka/Eggler geteilt wird. Schon davor könnte man an einer Stelle in der Wand versucht sein, nach links in jene Route zu wechseln (deren Bolt ist gut sichtbar und scheint leicht erreichbar, derjenige vom 11. Gebot gerade hinauf ist nicht so gut erkennbar - nach dem Linksquergang beim Verlassen des Risses geht das 11. Gebot dann aber wirklich alles gerade hinauf).

Premium Quality Wenden-Wandkletterei wartet in der zweiten Hälfte von L5 (6c), suuuuper!

Nach rund 2:45 Stunden Kletterei hatten wir das Top des ersten Abschnitts erreicht. Es sei ausdrücklich erwähnt, dass dieses Etappenziel für sich alleine schon eine schöne und lässige Wendentour hergäbe. Klar, mit 5 SL/200m eher kurz, aber genussreich und inklusive der Cams auch gut abgesichert. Wir aber wollen natürlich weiter ins Filetstück. Dafür ist zuerst eine Verbindungslänge fällig. In einfacher Kraxelei (sichern aber doch eher sinnvoll) geht's auf den Pfeilerkopf, dann in die Scharte dahinter und rechts um die Ecke zum Abseilstand. Beim ersten 40m-Abseiler waren wir erst kurz unsicher, wohin wir uns halten müssten. Man muss aber einfach gerade hinunter auf der Rippe bleiben und nicht in eine der Schluchten links oder rechts steuern, nach 10-15m kann man den nächsten Abseilstand bereits erkennen. Von diesem sind es noch gute 25m (Achtung, 1x50m-Seil ist zu kurz, bzw. man muss so einige Schritte ungesichert zu Fuss gehen!) zum Beginn des zweiten Teils. Um 13.00 Uhr waren wir da einsatzbereit. Es sei erwähnt, dass sich der Stand am Einstieg bereits im Schatten befand und wir generell im oberen Teil nur noch wenig Sonnenschein geniessen konnten. Gerade gegen den Herbst hin ist der zweite Teil vom 11. Gebot am Nachmittag bereits im Schatten des vorgelagerten Pfeilers - immerhin war es nicht kalt an diesem Tag, so konnten wir von perfektem Grip profitieren.

Nach der Abseilerei (die sich am linken Bildrand abspielt) geht's hinein ins Filetstück (=der obere, schwierigere, schönere und eindrücklichere Wandteil). Wie man sieht, rückt der Schatten nun schnell heran. Ich als Sicherungsmann konnte meine Griffel hier auf  jeden Fall schon einmal schön vorkühlen für die extrascharfe Kletterei.

L6, 45m, 7a+: In Bezug auf's Hochkommen eindeutig die anspruchsvollste Seillänge der Tour! Nach ein paar einfachen Metern und den ersten 2 BH zum Angewöhnen geht's über dem dritten Bolt dann richtig zur Sache. Zwingend heisst es, an kleinen Strukturen mit den Füssen auf Reibung Höhe zu machen und dann den Mut zu haben, den nötigen Dynamo zu pfeffern. In der Folge bleibt es anhaltend und es gibt kaum mehr einen Meter geschenkt. Wiederholt heisst es, Mikro-Schüppchen zu krallen und den Füssen im Nichts zu vertrauen - zwingende 7a-Moves in technisch-heikler Kletterei warten auch 2-3m über dem Haken! Nach dem fünften BH gibt es Fragezeichen: links oder rechts? Die Erstbegeher schreiben im Topo "im Zweifel links", das haben wir dann auch so gemacht und zum Glück ein Cam-Placement auf dem weiten Weg zum nächsten BH gefunden. Nach dem siebten Bolt gibt's nochmals solche Zweifel... auch da links und ein Cam-Placement kommt! Die Sache gipfelt weit über dem achten BH mit einem schwierigen Mantle an den Stand, uff! Wir fanden diese Seillänge nicht nur knapp gesichert, sondern psychisch fordernd und auch klettertechnisch schwierig und würden eher 7b geben.

Das Finale zum Stand hoch in L6 (7a+) hat es nochmals in sich. Erst kräftig, dann knifflig! Schon in der Position wo ich mich befinde, sind die Füsse ca. 1-2m über dem Haken und es ist da noch längst nicht geschafft - das Griffangebot ist effektiv nicht wesentlich üppiger, wie man auf dem Foto den Eindruck kriegt. 

L7, 35m, 7a+: Gleich auf den ersten Metern geht's zur Sache, es müssen kleine Tropflochstrukturen bedient werden, die teilweise etwas fragil wirken. Es bleibt aber keine bessere Option wie so richtig herzhaft daran zu ziehen, immerhin ist die Absicherung hier eng gehalten. Alles hielt stand und die Sache entpuppte sich als nicht ganz so bös. Nach dem etwas abseits steckenden Bolt rechts quert man nach links an den Riss. Hier sind nochmals die Cams gefragt, aber die Schlacht ist da eigentlich schon gewonnen. Später gutgriffig nach links um die Ecke und genügend ausholend bei eher weiten Abständen durch die hier nicht ganz so schwierige  und steile Wand zum Stand. Mich dünkte diese Länge markant einfacher wie L6, denke man könnte hier im Vergleich zum Rest auch mit einer 7a bewerten. 

Kletterer hält Ausschau... und begibt sich nun endgültig in den Schatten. In L7 (7a+) klettert man erst am Rand vom grauen Streifen, von der Position im Foto hält man sich aber nach links an den Riss, der vorerst selber abgesichert werden muss. Ein Bolt kommt erst wieder weiter oben, wo man den Riss nach links verlässt.

L8, 35m, 7b+: Die Cruxlänge bietet sehr schöne Kletterei mit anhaltenden Schwierigkeiten, sie ist eigentlich durchgehend überhängend. Bald einmal kommt man zu einer noch steileren, fast dachartigen Zone, die mit langen, athletischen Moves bezwungen wird. Glücklicherweise kommen aber bald wieder Henkel. Damit ist die Sache nicht gegessen, denn die Kletterei wird wieder etwas feingriffiger und technischer, bleibt aber ausdauernd. Wie das Topo schon verrät, hilft an einer Stelle auf dreiviertel Höhe eine Rechtsschleife, das empfanden wir als die Durchstiegscrux. Doch es bleibt bis zum Schluss anhaltend, am letzten Wulst könnte man mit komplett leeren Armen durchaus noch abgeworfen werden.

Der rechte Arm wird heftig gemolken und der Gesichtsausdruck spricht ja schon Bände... "Scheibenkleister, jetzt muss dann langsam ein vernünftiger  Griff her, sonst war es das dann mit dem Durchstieg". Doch echte Henkel sind im oberen Teil von L8 (7b+) nicht im Programm... einfach immer vorwärts steigen bis man am Stand ist, lautet hier die Devise.

L9, 20m, 7b: Eigentlich ist es nun nicht mehr weit bis zum Top, aber diese sehr steile Länge ist nicht zu unterschätzen! Vom Stand sind 3 BH sichtbar, danach aber nichts mehr - das Topo zeigt in der Mitte eine Linksschleife und so ist es uns a priori sehr unklar, wohin man nach dem dritten Bolt klettern muss. Alles andere als gerade hinauf scheint zwar eher unlogisch, aber wenn es gerade hinauf ginge, so müssten dort doch Bolts sein... ich denke, es ist nicht zu viel verraten, wenn man sagt, dass die letzten 2 BH dieser Länge vom Stand nicht sichtbar sind, sie aber alle in +/- direkter Linie stecken. Sprich, es geht tatsächlich gerade hoch. Nun denn, Daniel musste das auf die ganz harte Tour herausfinden. In einem 30-minütigen Kampf ist er an diesem Überhang nach links und rechts, hinauf und zurück geklettert und hat so ziemlich jeden Griff angelangt. So richtig klar war es dann leider immer noch nicht, wohin es gehen sollte, aber es blieben nur noch 2 Optionen: entweder gleich loslassen, oder noch alles auf eine Karte setzen und auf gut Glück hinaufsteigen. Am äussersten Limit ging es auf, zum Glück folgen bald einmal bessere Griffe... mit einem genauen Plan in der Tasche war die Sache dann für mich als Nachsteiger deutlich komfortabler, dennoch fand ich es immer noch ziemlich streng!

Der Anspruch von L9 (7b) kommt auf diesem Foto nicht wirklich zur Geltung. Das Gelände ist viel steiler, als es hier auf dem Foto den Anschein macht und ohne etwas Reserve im Tank kann einem diese zwar kurze, aber sehr athletische Länge heftig auf die Pelle rücken.

Um 17.00 Uhr waren wir nach total ~7:30 Stunden am Top, der obere Wandteil hatte also nochmals volle 4:00 Stunden gekostet. Nein, als eine Speed-Begehung konnte man das nicht deklarieren. Aber, und das ist eben das Wesentliche: uns war eine komplett saubere Onsight/Flash-Begehung gelungen, die Pizza war also unser (also natürlich war uns die Pizza egal, nicht aber die virtuelle Trophäe)! Und jeden Move dieser komplexen Kletterei sauber zu entschlüsseln, an den Ruhepunkten ausgiebig zu schütteln und nirgendwo mit ungebührlichem Risiko dreinzuschiessen kostet halt eben einfach viel Zeit (aber genau dafür waren wir ja gekommen). Unseren gemeinsamen Aufenthalt am Top minimierten wir hingegen auf wenige Sekunden. Es ist ein nichtssagender Ort am Übergang zu weniger steilem und weniger schönem Fels mit einem unbequemen Stand. Die Abseilerei über das Filetstück ist dann logischerweise sehr eindrücklich, da konstant überhängend. Haken klippen oder Pendeln ist zwingend nötig, letzteres macht wie immer deutlich mehr Spass :-) Sicherlich von jeder Seilschaft reproduzierbar ist der laute Peitschenknall, wenn das Seil nach dem ersten Manöver vom Stand am Routenende 100m im freien Fall in die Tiefe saust. Vom Beginn des zweiten Teils sind wie im Originaltopo gut beschrieben, 3 weitere Manöver zurück auf die Höhe des Einstiegs, welcher mittels einer Querung im Steilgras (Vorsicht in Kletterfinken) wieder erreicht wird. 

Ohne (viele) Worte... nach neuen Projekten zu spähen, ist doch die Essenz des Lebens!

Es blieb uns noch der Abstieg, auf welchem wir noch eine bekannte Seilschaft antrafen und fleissig Infos über Wendenrouten austauschen konnten, so waren wir dieses Mal wohl etwas länger unterwegs wie auch schon. Diese Zeit wollten wir auf dem Heimweg wieder einholen und wählten die Route über den Sustenpass, da wir zuletzt mehrmals in Luzern wegen Unfall im Stau stecken blieben. Doch das war auch nicht viel besser, beim Tunnel auf der Passhöhe mussten wir wegen Bauarbeiten auch eine 30-minütige Wartezeit vergegenwärtigen. Noch dazu wurden wir in Wassen von der Polizei angehalten, die unser Auto nach gefreveltem Wildbret durchsuchen wollte. Schliesslich liessen sie sich dann davon überzeugen, dass unsere Jagd nach roten Punkten absolut gesetzeskonform ist. So blieb dann schliesslich nur noch die eminent wichtige Frage, was denn nun das 11. Gebot sei?!? Vielleicht "Du sollst nicht loslassen" oder "Du sollst dich nicht über Hakenabstände und Bewertungen beschweren"? Mr. Obsig himself hat hier (verständlicherweise) den Joker gezogen, macht ja eigentlich deutlich mehr Spass so :-) Vielen herzlichen Dank für diese aussergewöhnliche und tolle Route!

Auch nach meiner persönlichen #39 gilt: we will be back - keine Frage!

Facts

Gross Wendenstock - Das 11. Gebot 7b+ (7a obl.) - 9 SL, 340m - Rathmayr/von Känel 2018 - ****;xx-xxxx

Material: 2x50m-Seile, 12 Express, Camalots 0.3-2

Eine sehr schöne und aussergewöhnliche Wendenroute! Nach einer schönen Zustiegstour von 5 SL/200m auf den ersten Turm folgen nach 2 Abseilmanövern 4 SL/140m an sehr steiler, anspruchsvoller und über weite Strecken überhängender Kletterei durch einen markanten, sehr ästhetischen blau-grauen Wasserstreifen am versteckten und abgelegenen oberen Turm. Der untere Teil ist für sich schon lässig und bietet sehr schöne Passagen, während ein paar Abschnitte noch nicht Top-Wendenqualität bieten. Die Absicherung im unteren Teil ist mit überlegt platzierten Inox-Bolts gut, wobei immer wieder mit Cams ergänzt werden kann/muss (mit den Cams Stufe xxx, gut abgesichert). Der obere Teil lässt dann bezüglich Qualität nur wenige Wünsche offen, wobei zur Zeit nach erst wenigen Begehungen am scharfen Tropflochfels wie üblich oft noch Spitzli brechen - aber definitiv lieber so als Speckgriffe :-) In Sachen Absicherung ist der obere Teil mit verzinkten Fixé-Bolts etwas inhomogen: erst spärlich (L6 stufen wir auch mit den Cams als xx ein), dann immer besser, die letzten beiden Längen haben dann +/- Klettergarten- bzw. zumindest sehr gute MSL-Absicherung (xxxx). Ein hervorragendes Topo findet man beim Erstbegeher.

Dienstag, 15. September 2020

O'Bloc Kids Cup 2020

Anstatt an der wegen Corona klein gehaltenen Speed-SM in Villeneuve 2x die 10m-Route emporzusprinten, sollte es mit meinen 2 Athletinnen an den Kids Cup im O'Bloc in Bern gehen. Das versprach doch eine ganze Menge mehr an Kletterspass: 39 Boulder und 1 Stunde Zeit standen zur Verfügung, die Aufgabe war es, so viele Begehungen wie möglich auf den Laufzettel zu bringen, Anzahl Versuche egal. Das gelang beiden schliesslich hervorragend, es resultierte 2x der 2. Platz - so weit so gut, aber...

Allerdings zogen wir am Ende doch ein wenig enttäuscht von dannen und ich komme für einmal nicht umhin, an einem Wettkampfformat etwas Kritik zu üben. Obwohl offiziell als Regiocup ausgeschrieben, hatte die Veranstaltung nur einen Plauschcharakter, das hatten wir nicht so erwartet. Schon die Aufgabe, in 1:00h Kletterzeit 39 Probleme anzugehen, lässt ja aufhorchen... das ging eigentlich nur darum auf, weil viele Boulder extrem einfach und jeweils innert Sekunden ohne Ermüdung erledigt waren. Das wäre ja noch zu verkraften gewesen, aber das Setting war dann vor allem im oberen Schwierigkeitsbereich enttäuschend. 36 Boulder waren (sehr) einfach und von meinen beiden Girls in weniger als 30 Minuten erledigt. Von den Restlichen waren 2 Probleme unmöglich, beim stark grössenabhängigen dritten gab es unter ~90 TeilnehmerInnen gerade noch 2 Tops. So kam es, dass es in den Kategorien U11/U13 jeweils viele ex aequo rangierte Jungs und Mädchen auf den Plätzen 1 bzw. 2 gab und bei den Kids verblieb vor allem der Eindruck, eine halbe Stunde lang erfolg- und ergebnislos einen viel zu schwierigen Boulder versucht zu haben... :-/ Dass es danach auch keine Rangverkündigung gab, welche für die Kids sonst immer das Highlight ist, fördert bei ihnen weiter den Eindruck, dass es hier "um nichts ging" und die Absicht mehr ein Boulderplausch für mässig Ambionierte denn ein ernsthafter Wettkampf für Nachwuchskräfte war - schade, aber trotzdem danke für den Einsatz!

Donnerstag, 10. September 2020

Wendenstöcke - Paco (7b)

Endlich wieder einmal an die Wendenstöcke! In den vergangenen 2 Jahren war ich nicht mehr ganz so oft wie auch schon dazu gekommen. Mit ein Grund ist die Partnersuche... viele haben Respekt und so manch einer ginge zwar gerne mal hin, dann aber nur in bekannte Touren à la Sonnenkönig, Patent Ochsner oder Caminando. Nach mittlerweile 38 gekletterten Routen am Massiv bleiben mir aber halt nur noch weniger bekannte oder dann schwierige Klettereien übrig, wofür es sich dann für viele "den Aufwand nicht lohnt". Schade, denn auch die weniger begangenen und in den Topos nicht mit Höchstnote ausgezeichneten Wendenrouten sind echte Perlen, sowieso habe ich an dieser Bergkette noch keine einzige schlechte Route geklettert. Nun denn, dieses Mal war mein 'most frequent Wendenpartner' Jonas dabei und er hat (siehe unten) auch einige Top-Fotos von mir gemacht, danke! Nach einigem Abwägen sollte es in die 'Paco' (10 SL, 7b, Ochsner/Pitelka 1988) am Gross Wendenstock gehen - eine abenteuerliche, ja teilweise wilde Mischung von harter Sportkletterei und alpinorientiertem Steigen. Sie hat uns einen grandiosen Klettertag geboten!

Die eindrückliche Südwand am Gross Wendenstock mit dem Verlauf der Paco (7b).

Um ca. 8.00 Uhr starten wir auf der Wendenalp, auf bestens bekannten Pfad geht's unter den Gross Wendenstock. Bis zum Einstieg von Elefantenohr ist das auf der richtigen Fährte gut gängig, die Querung nach rechts unter der Wand ist dann ziemlich exponiert. Man kann auch schon ca. 60hm tiefer queren, was m.E. eher die bessere Option darstellt, aber doch auch die Querung von einem >45 Grad Grashang erfordert, bei trockenen Verhältnissen aber kein Problem. Schliesslich geht's über ein Fixseil zu den Einstiegen von Ben Hur und Malmstrom hinauf und über gut begehbare Felsterrassen noch 30m nach rechts in die markante Aureus-Nische, wo man bequem die schöne Sicht auf das Sustenhorn geniessen und sich auf die Kletterei vorbereiten kann. Paco startet links aus der Nische raus (links vom Fass bei einem BH). Für den Zustieg hatten wir eine gute Stunde gebraucht, um 9.30 Uhr starteten wir mit der Kletterei.

Lieblingsperspektive! Der Autor späht am Einstieg nach dem Verlauf der Paco :-)

L1, ca. 25m, 5c: Gleich zu Beginn muss man sich durchaus festhalten, um die erste (gebohrte) Sanduhr anzupeilen. Nicht ganz unerwartet zeigt diese eine völlig zerfetzte Schlinge. Wir haben rund 20m Seil dabei, um diese auszutauschen, also los damit. Aus der Kletterstellung allerdings keine einfache Sache: erst mit dem Messer die alte Schlinge rausschneiden, dann die neue reinfummeln (geht oft nur mit einem Draht!) und dann noch einhändig verknoten. Das zeigt wieder einmal, dass (insbesondere gebohrte) Fixpunkte aus textilem Material einfach ein Mist sind. Nachher geht's linkshaltend aufwärts zu grosser Sanduhr (nicht ersetzt, kann selber gefädelt werden) und noch weiter nach links zum Stand an BH plus SU, der wohl von einem alten Versuch recyclet wurde.

Nach der Einstiegsstufe folgen in L1 (5c) schöne Wasserrillen.

L2, ca. 35m, 6a: Sieht auf den ersten Blick ganz freundlich aus, der löchrige Fels erinnert stark an Ceüse und die Absicherung scheint auch recht komfortabel. Allerdings sind die Griffe ziemlich sloprig und auch ein wenig staubig, die schwierigen Stellen befinden sich zwischen den Bolts, so dass man sich hier durchaus schon mal ein wenig in den Hintern kneifen muss - ohne ein paar gewagte Moves mit 100% Vertrauen in die Füsse auf Reibung geht's nicht. Nach meinem Empfinden eher 6b als 6a.

Lochkletterei à la Ceüse in der hart bewerteten L2 (6a).

L3, ca. 35m, 7b: Nun hat die Stunde der Wahrheit bereits geschlagen, es folgt die Cruxlänge. Es sei an dieser Stelle erwähnt, dass sie auch über Aureus umgehbar wäre (vor Ende von L2 rechts halten, eine 6b und eine 6b+ der Aureus klettern, so gelangt man direkt zum Stand nach der 7b und hätte eine coole Wendenroute mit max. 6c zur Verfügung!). Anyway, wir wollen natürlich hart moven und steigen in die imposante, überhängende Wand ein. Gleich aus dem Stand raus gar nicht mal so einfach, bevor es mit einem Runout zum hoch steckenden, knifflig zu klippenden Bolt Nr.2 geht. Der nächste folgt sogleich und wäre nicht so nahe, wenn nicht eine echt harte Kletterstelle käme. Die Crux spielt sich bouldermässig an einem sloprigen Seit-/Untergriffpinch ab, wo man von schlechten Füssen dynamisch auf einen schlitzartigen Crimp treffen muss - ein instabiler Move auf einen geblockten Griff, ziemlich genau wie beim modernen Indoor-Bouldern :-) Nach 1x streng weiterziehen folgen dann eine Mischung zwischen echt guten und manchmal auch etwas kleineren, aber stets positiven Tropflochgriffen und es ist vor allem noch die Ausdauer gefragt, wobei es gerade vor dem Erreichen des sich zurücklegenden Geländes nochmals eine Abwurfstelle gibt. Auf den letzten, einfacheren, aber immer noch steilen 12m zum Stand steckt dann nur noch ein mieser Schlaghaken. Man kann hier aber Cams legen (erst 3, dann 0.75) oder vermutlich auch gut wenig rechts den Verlauf der Aureus wählen, um dort 2 BH und eine SU zu klippen.

Jetzt aber Vollgas! Die Cruxlänge (L3, 7b) bietet affengeile Crimperei in überhängender Wand. Die Absicherung ist hier schon gut, doch die Zoom-Perspektive mag die Bolts näher steckend erscheinen lassen, als sie es wirklich sind. Dritte Zwischensicherung etwas nach Vierteilseil auf 13m, das ist jetzt nicht gerade hallen- und auch nicht klettergartenmässig.

L4, ca. 20m, 6c: Der legendäre Ausspruch "man kann sich in der Cruxlänge so richtig aussaften und wenn danach etwas Kraft zurückgekehrt ist, diese gleich wieder in ein paar grossgriffigen Dächern verbraten" lässt einen diese Seillänge nicht ganz entspannt angehen. Denn ein einschüchterndes Dach droht hier tatsächlich, zumal dort nur alter Schlingengrümpel hängt. Vorerst einmal gilt es aber, in kleingriffig-pressiger Wandkletterei an extrascharfem Tropflochfels dorthin zu kommen, gar nöd öppe gschänkt! Nach 3 BH geht's dann superathletisch ins Dach. Der Griff zum Clippen akzeptabel, nur eben, die Schlingen sind alle verwittert und auch die SU scheint ultradünn. Trotz 'anus en décomposition' gibt es nur die Strategie 'Augen zu und durch', die Moves an sloprigen Schüsseln kräftig und ein wenig unsicher, pff! Der Bolt darunter ist zwar nicht allzu weit weg (ca. 4m), da aber unter dem Dach gäbe es bei Versagen der SU doch einen sehr unangenehmen Wandklatscher. Mein Nachsteiger schneidet dann bei der SU die alten Schlingen raus und legt eine neue - die SU sei offenbar besser, wie man zunächst denkt, sie halte wohl schon (hehe, so hat man leicht reden...).

Wandkletterei der Sorte 'extrascharf' wartet am Anfang von L4 (6c, hard).

L5, ca. 25m, 6b: Im Gesamtablauf eine ähnliche Seillänge wie zuvor. Wiederum mit einem scharfen Auftakt in Wandkletterei, der für 6b gleich schon fordert. Dies als Ouvertüre zu einem Dach, das athletisch an hier tatsächlich guten, wenn auch etwas runden Griffen (keine 1a-Henkel) überwunden wird und in anstrengender Position zu einer Rissspur führt. Diese leider eher geschlossen, zudem etwas verwachsen/moosig und im Innern auch noch leicht feucht, mit zwei, drei Moves an der Sturzgrenze ging es dann gerade noch auf. O-Ton von Jonas "in einer 6b habe ich dich auch schon lange nicht mehr so am Limit gesehen", tja c'est la Wenden vie ;-) Damit ist die Länge geknackt, es folgt eine SU (Schlinge ersetzt) und eine gut machbare Verschneidung, die man mit Cams selber absichern muss.

6b à la Wendenstock mit gross- (nur nicht so gut-)griffigem Dach in L5.

L6, ca. 30m, 6a: Erneut in nichttrivialer Wandkletterei zu einem Wulst (BH), der seinem Grad von 6a nicht wirklich gehorchen will und keinesfalls üppig mit Griffen glänzt. Da es nachher deutlich nach links in die markante Nische geht, droht dem Nachsteiger auch ein ziemlicher Pendler. Auf der Strecke zum Stand hin wartet nun sehr schöne, etwas einfachere Kletterei. Es säumen noch 3 SU den Weg, wobei wir auch diese veralteten Schlingen ersetzen konnten. Der Stand dann auch nicht wirklich State-of-the-Art, es steckt 1 BH plus diverses Schlingenmaterial. Da unser Vorrat sich gegen das Ende neigte, liessen wir hier alles so wie vorgefunden.

Keine Angst, es ist nur eine 6a, die macht nichts ;-) Typischer Wenden-Sandbag in L6.

L7, ca. 20m, 4c: Alpines Intermezzo, wobei der Auftakt wirklich an rissigen Strukturen wirklich noch schön ist und auch gut mit Cams abgesichert werden kann - vermutlich aber eher im Grad 5c als 4c. Eigentlich so bald wie möglich (nach ca. 12-15m schon!) muss man in brüchigem Gelände ca. 6-8m horizontal nach links halten, um dort den nächsten Stand zu finden. Achtung, dieser ist nur mit mässigen SU-Schlingen und einem Fixkeil ausgestattet, kann mit einem Cam 0.5 aber gut verstärkt werden. Leider habe ich im Vorstieg den wenig offensichtlichen Linksabzweig verpasst, da ich die Linksquerung und den Stand erst viel weiter oben vermutete und die Topos keine Meterangaben aufweisen. So bin ich ca. 20-25m in zunehmend brüchig-heiklerem Gelände aufwärts gestiegen, bis ich schliesslich den Bolt der folgenden 5c+ zwar nur einige, aber unerreichbare Meter links von mir entdeckte. Somit das ganze heikle Gelände wieder abgeklettert... :-/

Die einfachste und am wenigsten schöne Länge, Linksabzweig nicht verpassen (L7, 4c).

L8, ca. 25m, 5c+: Vom Stand aus ist fixes Equipment nicht wirklich sichtbar, es geht leicht linkshaltend in schönem Fels die Wand hinauf. Relativ bald folgt aber ein versteckter (schlechter) Schlaghaken, welcher die Crux absichert, die auch eher eine gute bis sehr gute 5c+ sein dürfte. Nachfolgend in schöner Wandkletterei an 2 SU vorbei (beide haben wir "repariert") zu einem Bolt und an schönen Wasserrillen zu Stand an nur 1 BH. Der ist nun echt bedenklich - man kann ihn nur gerade mit einem Mikrokeil (Rock Nr. 1) ergänzen ("verstärken" wäre hier kein wirklich treffender Ausdruck!) und der Auftakt in die folgende Länge beinhaltet ca. 6-7m nichttriviale Kletterei bis zur nächsten Sicherung.

Schöne Kletterei an wasserzerfressenen Strukturen in L8 (5c+).

L9, ca. 40m, 6c: Eine Seillänge, die für immer in Erinnerung bleiben wird!!! Im Kopf die Zeilen von obsig.ch "nach einer Passage mit leicht überhängender Wandkletterei folgt eine knifflige Wasserrille zum selber absichern" - da es auch einschüchternd aussieht, mit dem entsprechenden Bammel losgestiegen. Zu Beginn wie erwähnt nichttriviale Wandkletterei - erst noch etwas plattig/kleingriffig, dann athletisch an sloprigen Löchern. Das ging mir schlussendlich aber gut auf. Nach einem letzten, mässigen Schlaghaken im Überhang blickt man ums Eck und wird sich eben der Wasserrillen gewahr. Alles andere hilft nix, pinch & go bleibt die einzige Devise - wenn man es einmal gewagt hat, so geht's dann schon. Man gelangt schliesslich zu einer SU (mit ok Kevlar, man kann selber dazufädeln) und einen Aufsteher später wird es plötzlich nochmals doof schwierig. In einem feuchten Loch steckte ein zurückgelassener (bzw. kaputtgestürzter) Totem Cam und so stellen sich dann die Fragen... vertraue ich dem jetzt oder versuche ich ihn rauszugrübeln, um einen eigenen Cam zu legen?!? Ich liess ihn drin, die Stelle danach dann glatt, fordernd, tricky und mental - wie hätte ich es wohl empfunden, wenn es einen BH hätte, anstelle dem unsicheren Fixcam (der letzte BH, d.h. die letzte 100%-Sicherung liegt hier ca. 10-15m weiter unten...)?!? Anyway, sind die Füsse einmal im Fixcam-Loch, so heisst's wieder pinch & go an den Rillen. Grosse Cams (1-3) passen aber recht gut und mehr wie 6a/+ sind die Moves wohl nicht mehr. Vom Ende der Wasserrillen dann noch 3-4m über die nächste Stufe zu Stand an BH & NH mit zerfallenem Wandbuch - schade, da hätte ich zu gerne darin gelesen!

"s'Einzig wo in Erinnrig bliibt sind Gschiichte wo das Lääbe schriibt" lief im Radio, als wir an die Wenden fuhren. Diese tief eingeschnittenen und selber abzusichernden 20m an Wasserrillen in L9 (6c) aber ganz bestimmt auch - mega Seillänge! Und auch immer wieder spannend, wie ein solcher Tune im Ohr den ganzen Tag präsent bleibt und einen über jeden Runout hinweg begleitet.

Das bedauernswerte Wandbuch hat das Zeitliche gesegnet ;-)

L10, ca. 25m, 6a: Schwieriger wie man meinen könnte geht's rechtsrum zum offensichtlichen BH, der den Wulst absichert. Für die angegebene 6a kommt der für einmal ziemlich handzahm daher und entlässt einen auch bald ins Schrofengelände, wo es dann zügig zum Routentop geht. Auch da steckt leider nur 1 BH, ca. 4-5m rechts um die Ecke, ca. 50cm höher wäre noch der Abseilbolt.

Geschafft! Der Selfie-Fritz am Abseilbolt, während Jonas sich noch am Standbolt befindet.

Um 16.00 Uhr und damit nach 6:30 Stunden Kletterei waren wir da, höchst zufrieden. Wow, das war jetzt wirklich eine geile Sache gewesen - nichts mit konsumfertigem Hochsteigen, sondern trotz nicht allzu schwieriger Kletterei einem alpinistischen Charakter, wo sich jeder Meter verdient werden will. Das erklärt dann auch den Zeitbedarf, wobei auch noch mein Verhauer in L7 dazukommt und natürlich das Ersetzen der diversen Sanduhren mit Ablängen der Schlingen, usw. Doch die Zeit spielte an diesem Traumtag keine Rolle, wir genossen jede Minute unserer Begehung. Ein Abseilen (bzw. Rückzug) über die Paco selber wäre wohl etwas umständlich, aber falls nötig sicherlich möglich. Da aber die Stände im oberen Teil nicht oder nur rudimentär eingerichtet sind, entschieden wir uns klar für die im Topo empfohlene Abseilvariante über Aureus/Charia - dies noch mit dem Vorteil, von diesen beiden mir bis dato unbekannten Routen einen Augenschein nehmen zu können und sie so auf die Wunschliste zu setzen (was ich danach effektiv umgehend tat!). Vom einzelnen Abseilbolt am Top (ca. 5m Seil für die Verbindung zum Standbolt nötig, das hatten wir leider nicht mehr) in den Geröllkessel und auf schmalem Band ein paar Meter nach ESE zum Ausstiegsstand von Aureus/Charia (gut sichtbar, 2x50m-Seil reicht gerade). Von dort sind es im oberen Wandteil 2 Manöver und unten nochmals 3 Stück, bis man wieder in der Nische sitzt. Zügigen und routinierten Schrittes stiegen wir in 45 Minuten zur Wendenalp ab, wo wir um 17.45 Uhr eintrafen. Wow, das war jetzt ein nachhaltig befriedigendes Erlebnis gewesen!

Steiles Abseilen über Aureus - ohne Pendeln geht's nicht.

Facts

Gross Wendenstock - Paco 7b (6b+ obl.) - 10 SL, 280m - Ochsner/Pitelka 1988 - ****;xx

Material: 2x50m-Seil, 10 Express, Cams 0.2-3, Keile, Schlingenmaterial, Messer & Draht

Eine abenteuerliche Mischung zwischen harter Sportkletterei und alpinorientiertem Steigen! Die Route bietet eine kurze 7b-Boulderstelle, die A0 zu entschärfen ist. Daneben gibt es diverse Abschnitte im 6c-Gelände und auch manche Meter in nominell einfacherem Gelände, wobei die Bewertungen nicht ganz mit modernen Plaisirrouten vergleichbar sind, sprich wohl im Schnitt 1 Buchstabengrad tiefer liegen. Der Fels ist über weite Strecken vorzüglich, oft sehr rau bis teilweise brutal scharf, selten auch einmal etwas staubig und ein paar kurze, leicht brüchige Passagen hat es auch (kein Problem aber). Mit den Bohrhaken wurde eher gegeizt, die Absicherung ist aber fair - wo es zwingend einen Bolt braucht, da steckt dann auch einer, sonst aber definitiv nicht. Den obligatorischen Grad habe ich von der offiziellen 6b auf 6b+ erhöht, etwas mehr Marge schadet sicher nicht - zwingende Stellen mit echt schwieriger Kletterei kommen aber wirklich nicht vor. Etwas ärgerlich sind die zahlreichen (oft gebohrten) Sanduhren mit den rasch wieder verrottenden Schlingen - man kann sie ohne zu Cliffen im Vorstieg meist nicht ersetzen, wobei wir alle wichtigen neu gelegt haben (September 2020). Die verzinkten Anker mit den rostfreien Plättli sind de visu vielfach noch in erstaunlich gutem Zustand, an neuralgischen Punkten aber auch korrodiert. Suboptimal sind auch die schmalbrüstigen Stände im oberen Wandteil. Alles in allem bleibe ich bei der xx-Einstufung, wären alle fixen Sicherungspunkte solide BH, so würde man zusammen mit einem Set Cams 0.2-3 sowie Keilen ohne weiteres von guter Absicherung (xxx) sprechen. Ein Topo findet man im Extrem West von Filidor.

Montag, 7. September 2020

Regiocup NWS im B2 Boulders & Bar 2020

Tja, Kletterwettkämpfe sind seit Corona ein rares Gut geworden und die Startplätze an diesen umso mehr. Umso besser, dass das Team vom Regionalkader Nordwestschweiz den nötigen Durchaltewillen besass, den traditionellen Wettkampf im B2 durchzuführen und wir uns einen Startplatz für die Kinder sichern konnten. Die Eltern mussten sich hingegen an die Seitenlinie halten, eine Kategorie für Erwachsene war nicht im Angebot. Wobei, mit noch müden Muskeln und zartrosa Fingerspitzen vom Wendenabenteuer am Vortag war das zu verkraften. Allerdings findet auch das Coaching unter erschwerten Bedingungen statt, ist doch die Anzahl an Begleitern beschränkt und Zuschauer sind schon erst gar nicht erlaubt :-/ Wie auch immer, schlussendlich hatten alle ihre Rolle gefunden und waren topmotiviert zum Angreifen.

#gojeromego mit vollem Fokus. Foto: Sportklettern NWS

Der Modus war denkbar einfach, 37 Boulder, 2:00h Kletterzeit und es zählt einfach die Anzahl Tops, nur bei deren Gleichstand wird noch die Gesamtanzahl Versuche herangezogen. Macht man nur ein wenig Mathematik, so erkennt man sofort, dass man im Schnitt alle 3:14 Minuten eine Begehung raushauen müsste, um alle Boulder zu toppen. Das ist ja schon einigermassen sportlich, wenn man alles flashen könnte - wenn man mehrmals angreifen muss erst recht. Für alle Kategorien von U8 bis zur U16 mit der nationalen Spitze galt es dasselbe Set von Bouldern zu knacken - das relaxierte die Situation mit dem Zeitmanagement insofern ein bisschen, als dass die schwierigsten 5-6 Probleme für meine U10/U12-Kids sowieso utopisch und kaum des Probierens wert waren. Auf der anderen Seite gab es auch 7-8 wirklich einfache Boulder, die sich im Handumdrehen erledigen liessen, sofern man seinen Versuch antizyklisch legen konnte.

Nun denn, mit Freude und Eifer wurde ans Werk gegangen. Die Scorecard füllte sich zügig und es gelangen auch diverse Begehungen, die nicht einfach eine Selbstverständlichkeit sind, sondern vollen Einsatz, Geschick und das nötige Wettkampfglück erforderten. Und das, bis irgendwann die Kräfte ausgingen. Schlussendlich war weniger die Zeit der limitierende Faktor, sondern mehr die Plattheit, die sich aus den eng getakteten Versuchen ergeben hatte. Doch ich glaube, wir haben das strategisch ganz gut gemanagt. So hiess es dann, mit Spannung auf die Siegerehrung zu warten. Ich erhoffte mir schon für beide einen Podestplatz, aber es kam noch besser. Rang 1 mit 17 Tops für Jerome in der U10, Rang 2 für Larina mit 23 Tops in der U12 - grosses Bravo! Viel wichtiger war aber wie immer der Spass an der Sache an diesem tollen Set von Bouldern und die Standortbestimmung: was kann ich gut, was habe ich in den letzten Jahren und Monaten gelernt, wo kann ich mich noch weiter verbessern?!? Die daraus gezogene Motivation ist definitiv viel wichtiger als die Resultate, auch wenn natürlich die Perspektive vom Podest umso besser ist. Ich schliesse diesen Beitrag mit einem herzlichen Dank ans Team vom Regionalkader NWS und dem B2 - merci vielmals!



Freitag, 4. September 2020

Engelhörner - Wakan & Decubitus (7b)

Viel Wind war in den Bergen angesagt, die Tourenwahl gestaltete sich nicht eben einfach und kondensierte schliesslich in einer Tour an den Engelhörnern. Das tönt ein wenig nach Notlösung, was aber dieser fantastischen Kombination überhaupt nicht gerecht wird. Klar, es ist ein Link-Up aus zwei Routen mit einem Gehstück dazwischen, die SW-Wand am Gross Simeler ist nur knapp 200m hoch und hat nicht den Ruhm der Wendenstöcke. Der Fels aber ist exzellent, wie der Name schon vermuten lässt, gibt es hier durchaus etwas Druckschmerz an den Fingern von den extrem rauen Tropflöchern. Eröffnet wurden beide Routen durch Teams um den legendären Chäppi Ochsner in den Jahren 1985/1986. Sie bieten neu-klassische, vertikale, sehr technische Kletterei à la Verdon mit null Speck und im Jahr 2009 aufdatierten Haken. Alles in allem wirklich ein sehr, sehr lohnender Ausflug, zumal die Sonne strahlte und der Wind nur ein laues Lüftchen war.

Blick vom Top des Klein Simeler Vorbaus auf dessen oberen Wandteil, Gross Simeler und Vorderspitz.

Den Zustieg wählten wir wie immer zuletzt von der Alp Gross Rychenbach (Taxe 15 CHF, zu bezahlen auf der Alp, wenn niemand vor Ort ist in Self-Service, dann kein Wechselgeld erhältlich), von wo wir in einer halben Stunde zur Engelhornhütte liefen und in wenigen Minuten gleich weiter unter den Klein Simeler gelangten. Um die mit 6-7 Seillängen eher kurzen Touren in der SW-Wand am Gross Simeler zu erreichen, bietet es sich anstatt dem etwas mühsam-kraxligen Fusszustieg an, eine Route am Vorbau des Klein Simeler zu klettern und dann auf dem Grasband bequem etwa 150hm zum eigentlichen Ziel aufzusteigen. Verschiedene Touren stehen zur Auswahl, am einfachsten wäre der Gagelfänger, dann stehen mit Senza Potenza und Wakan schwierigere Routen zur Auswahl, oder auch die in Vergessenheit geratenen und in neueren Topos nicht mehr verzeichneten Routen am Zapfen, Ottifant und Herbstballett, wären eine Option. Laut der Skizze im 'Arrampicare in Svizzera' schien Wakan in direktester Linie zu sein, de fakto spielt es aber keine Rolle und jede der oben erwähnten Routen führt mit etwa ähnlich viel Gehabschnitt zum Gross Simeler hinauf. Jedenfalls ist das Topo im erwähnten Führer schlicht und einfach falsch, Wakan befindet sich niemals so weit rechts wie eingezeichnet. Der Start befindet sich wenig offensichtlich auf der Höhe des zweiten Standes vom Gagelfänger (ca. 40m weiter rechts) auf einem Grasband, welches über zuletzt exponiertes Schrofengelände (T5) erreicht wird. Am Einstieg befindet sich ein Stand mit 2 BH, am Boden noch eine alten Sanduhrschlinge, sonst aber keine Markierung. Um 11.00 Uhr war die Sonne langsam daran, um die Ecke zu kriechen und wir stiegen ein.

Wakan

L1, 25m, 6c+: Auf dem Grasband ca. 3m nach rechts, bevor man eng mit BH abgesichert in die Wand einsteigt. Die ersten Moves gredig obsi lösen sich trotz gegenteiligen Befürchtungen gut auf, bevor schliesslich eine Rechtsquerung ansteht. Nach einem Stretchy Clip wird es dann einfach schwierig, es muss mit den Füssen auf glattem Parkett angelaufen und mit Hilfe von Untergriffen und einem Nasty Klemmer Gegendruck auf die Füsse gebracht werden. Hopp Zack an die Schuppe, ins grasige Loch und sofort weiter den Riss hinauf - stecken zu Beginn 4-5 BH in Kletterhallenmanier, so gibt's hier ausgangs Crux einen längeren Runout, wo nach den vorher gesetzten Massstäben 3-4 BH "fehlen", so dass man einen zünftigen Flug hinlegen würde. Wobei, das Gelände wird einfacher, wenn man nicht wie ich dermassen gepumpt gewesen wäre und noch dazu gefühllos-klamme Hände gehabt hätte, dann wäre es vermutlich kaum eine Sache, obendrein könnte man am Riss evtl. auch etwas legen. Damit ist es nicht erledigt, die zweite Hälfte dieser Seillänge fordert gefühlvolle Moves an Slopern mit den Füssen auf Reibung à la Rätikon. Super, genial Feng-Shui mässig geht's nach rechts hinaus zu Stand an 2 alten Bolts.

Eine sehr schöne Steilplatten-Traverse à la Rätikon schliesst L1 (6c+) ab. 

L2, 25m, 6a: Diese Seillänge verläuft in ihrem ersten Teil unmittelbar rechts einer Verschneidung, durch welche man im Grad 6a recht gut fortkommt. Trotzdem, die Haken stecken relativ weit rechts und irgendwann muss man die Verschneidung dann auch an etwas unlogischer Stelle verlassen. Das weckt die Vermutung, dass Chäppi hier ursprünglich den Weg über die steilplattige Wand angedacht hatte. Den probiere ich im Nachstieg und tatsächlich: a) steckten die ursprünglichen Haken nochmals 30-50cm rechts, b) die Wand ist gut und wirklich sehr lohnend zu beklettern, c) zeigt das Originaltopo den Verlauf eindeutig rechts der Verschneidung durch die Wand und d) entfällt die unlogische Querung. Im Engelhornführer ist diese Passage mit 7- bewertet (=6a+), im Vergleich zu diesem Werk von 1990 wurden in den heutigen Führern aber viele Seillängen (teils massiv) aufgewertet, so dass man sich für die Wand eher auf 6b/+ einstellen muss. Der zweite Teil der Seillänge ist gemütlich im fünften Grad.

L3, 30m, 6b+: Zum ersten Bolt hinauf ist es weit, wenn auch nicht so schwierig - vermutlich könnte man auch etwas legen. Die wohldefinierte Crux dann in der Mitte der Seillänge: direkt über den Haken sehr schwierig, ich ging etwas rechtsrum (fordernd!), die beste Lösung passiert den Bolt aber wohl linkerhand. Auf alle Fälle, ehemals 7- (6a+), doch auch für die heutige 6b+ fand ich das noch fordernd... tja, früher waren sie einfach stärker. In anhaltendem Gelände weiter zu unbequemem Stand an 3 nahe steckenden BH oder wahlweise gleich weiter in die letzte Länge.

Am Ende der kurzen L4 (6c) heisst es richtig Zupacken - schwieriger Ausstieg in einfacheres Gelände.

L4, 15m, 6c: Kurze rechts-links-Schleife in steilem aber recht gut griffigem Gelände. Nun, wenn man dann meint, man habe es schon geschafft, stellt sich noch die Crux der  Länge in den Weg. Ein Mantleproblem an Slopern, wirklich voll knifflig und auch alles andere als einfach zu lesen. Ehemals war diese Stelle mit 7+ bewertet, hier wurde also auf eine Aufwertung verzichtet - wenn man das durchzieht, dann könnte man auch 7a geben. Hm ja, so ist das eben, für 1985-Verhältnisse und nach altem Wenden-Massstab passt 6c schon, nicht unbedingt jedoch zu den neusten Plaisir-Einstufungen. Mein Nachsteiger hat dann eine andere Lösung gewählt und den offensichtlichen, aber unzuverlässig aussehenden Griff verwendet, den man auch nicht sanft belasten kann, sondern um die Stelle zu klettern unweigerlich mit voller Kraft aus der Wand zu reissen versucht. Sah auch nicht ganz easy aus, aber möglicherweise doch die einfachere Beta als meine Variante - mir wäre es so aber sehr unangenehm gewesen, ich ziehe nicht gerne voll an Griffen, wo ich nicht sicher bin, ob sie standhalten.

Obwohl es nur 4 kurze Seillängen sind mit insgesamt 100 Klettermetern, so hatten wir uns doch gute 1:30 Stunden damit beschäftigt. Es war eine absolut lohnende Ouvertüre gewesen mit erstklassiger Kletterei, gar nicht etwa geschenkt! Um den roten Punkt einwandfrei sauber zu halten war auf jeden Fall schon gehörig Einsatz, ja sogar auch etwas Glück notwendig. Nun denn, die Fortsetzung von Wakan, welche am selben Ort wie der obere Gagelfänger-Teil startet, wäre sicher auch eine spannende Sache, wofür ich bestimmt zurückkehren werde. Wir wollten aber am Plan mit dem Gross Simeler festhalten und rollten die Seile auf. Es sind ca. 150hm in gut begehbarem Gelände zu bewältigen (Wegspuren vorhanden). Hier die Schuhe dabei zu haben, wäre definitiv wesentlich angenehmer gewesen, wie baren Fusses oder in Kletterschuhen zu gehen...

Immer wieder ein reizvoller Anblick: Kingspitz NE-Wand, da war ich vor einem guten Jahr...

Decubitus

Noch bevor man ins überhängende Amphitheater unter der zentralen Südwand am Gross Simelistock gelangt (eine Kopie im Kleinen vom Sektor Eiserner Vorhang am Mähren in den Wendenstöcken), startet Decubitus über die grauen Platten. Die Route ist mit Farbe angeschrieben, wobei jene 35 Jahre nach der Erstbegehung langsam etwas am Abblättern ist. Um 13.10 Uhr ging es los.

L1, 25m, 6a: Puh, zum ersten BH hin muss man sich ganz schön strecken! Danach folgt aber supertolle Kletterei durch eine kompakte Wand, die viel höhere Schwierigkeiten vermuten lassen würde. Aber genau am richtigen Ort taucht doch wieder ein guter Griff oder ein bequemer Tritt auf, so passiert man hier tatsächlich elegant und ohne hohe Schwierigkeiten.

Perfekte Felsqualität und lässige Kletterei in der ersten Decubitus-Länge (6a).

L2, 20m, 5c+: Es folgt ein bogenförmiger Quergang nach rechts. Obacht, man verkoffere sich nicht in die Kombination und auch nicht in den Schrägen Riss. Die Kletterei auch hier sehr schön, griffig und extrem genussreich. Die beiden Seillängen 1 & 2 lassen sich sehr gut miteinander verbinden. 50m-Seile reichen bequem und Seilzug ist auch kein Problem (sofern man den Stand nicht klippt, aber man erreicht den ersten Zwischenhaken problemlos).

L3, 45m, 7a+: So, nun heisst es, ein paar Gänge höher zu schalten. Wobei, für den ersten Teil dieser Seillänge gilt das nur bedingt. Diese spielt sich an der markanten, diagonalen Rissverschneidung ab. Diese war ursprünglich clean und blieb dies auch im Rahmen der Sanierung. Wie im Topo empfohlen, führten wir Friends 1-3 (=Camalot 0.5-2) mit. Unter dem Strich hätte ich 0.3-1 günstiger gefunden, den 2er habe ich nicht gelegt (wäre aber möglich) und kleines Gear (auch Keile) passt gut. Anyway, diese 20m spielen sich im Grad ~6a ab, wobei man meist bequemer in der tropflochgriffigen Wand rechts klettert und den Riss nur zum Sichern nutzt. Vom Top der Schuppe weg geht's dann in die Wand: erst sind die Tropflochleisten (und nun auch eng gesetzte BH) da, kein Problem. Aber die Sache spitzt sich augenscheinlich zu - am Ende gilt es ein überhängendes Wändchen zu meistern, erst an Untergriffen, dann an feinen Tropflochstrukturen. Sehr technisch und schwierig zu lesen - wo hängen die Finger wohl ein wenig besser an?!? Nun, die Lösung wird nicht verraten, jedenfalls muss man hier auch vom Haken weg noch richtig dranbleiben und die Sache gipfelt mit einem kniffligen Mantle, der einen (nicht nur, aber erst recht) bei Vorhandensein von einem Pump nochmals in die Tiefe senden könnte. Diese Stelle nahe der Hauptschwierigkeit ist zwingend zu meistern! Wichtig: der Ausstieg aus diesem Wändchen ist nach links - in den älteren Topos sehr präzise verzeichnet. Vor Ort schiene auch der Weg nach rechts möglich und nicht weniger logisch, weiteres Fixed Gear ist nicht sichtbar und existiert bis zum 8m weiter oben steckenden Stand auch nicht.

Der Akteur am Ende der Schuppe in L3 (7a+), die perfekte Wandkletterei darob zumindest erahnbar.

L4, 45m, 7b: Nun folgt ein richtiges Killerviech von einer Seillänge, total genial! Nur gerade die ersten paar Meter sind einfach zu haben, man kreuzt hier den Quergang der Kombination und gelangt zügig hinauf unter den Wulst, wo der Ernst der Sache beginnt. Beta verraten ist immer doof, aber den Wulst sollte man eher links angehen - die Schuppen rechts tönen hohl und dünkten mich dubios, sie bieten auch nicht die einfachste Lösung. In leicht überhängender Wand gilt es dann, wirklich brutal fetzenscharfe Tropflochstrukturen zu bedienen und gleichzeitig kräftig wie technisch anspruchsvoll zu moven - ich liebe diese Art von Kletterei! Über ein paar Meter bleibt es bissig, bevor man an besseren Griffen wieder etwas Runterschütteln kann. Das ist auch nötig, denn der nun folgende Rechtsquergang hat es nochmals in sich. Auch hier wieder technisch forderndes, scharfes Tropflochgelände mit schwieriger Lektüre, es gäbe so viele Optionen - einfach mega! Erst zum Schluss, nachdem es um die Ecke geht, wird es dann etwas einfacher und 6b-Plattengelände führt hinaus zum Stand, der sich leider etwas unkommod hoch über einer ganz leidlichen Trittleiste befindet.

Ab der Position vom Nachsteiger ist's gegessen, einfacheres 6b-Gelände schliesst L4 (7b) ab.

L5, 25m, 6b/+: Vermeintlich hat man es nun "geschafft", zwei gemütliche Seillängen sollen noch warten. Das Sanierungstopo zeigt eine 6a+, d.h. die Übersetzung der ehemaligen 7-. Schon im Schweiz Extrem 1994 wurde aber auf 7 (=6b) hochgestuft und das dürfte auf jeden Fall zutreffen. An der ersten Wand muss ordentlich zugepackt werden und ohne entschlossen ein 1-Finger-Tropfloch durchzuriegeln geht die Crux wohl einfach wirklich nicht. Geniale Kletterei aber, nicht falsch verstehen! Man kommt dann zu einem Querband, an welchem man hangelnd nach rechts traversiert. Nach ein paar Metern kann man dieses entern und darauf noch weiter nach rechts zum Stand queren (direkt oberhalb befindet sich ein Klebehaken-Stand der klassischen Überschreitungsroute, das wäre die falsche Adresse).

Die Querung in L5 (6b/+), oben beim Turm befindet sich ebenfalls ein Stand.

L6, 35m, 6b: Hier im sich verjüngenden Gipfelbereich befinden sich mehrere Linien nahe beieinander und man muss ein wenig aufpassen, tatsächlich die Decubitus zu erwischen. Gerade hinauf geht's zu offensichtlichem BH, nach schwieriger Stelle und dem nächsten BH dann rechtshaltend zum Riss, direkt durch die Wand wäre die 7b der Agonie. Am Riss dann nochmals knifflig, direkt geklettert wohl eher eine gute 6b, mit grosszügigem Riesenslalom um die Haken herum lässt sich die gesamt Seillänge noch ein wenig bequemer haben.

Um 16.30 Uhr und damit  nach rund 3:15 Stunden Kletterei sind wir am Ende von Decubitus angelangt. Dieses befindet sich nicht auf dem Gipfel des Gross Simelistock. Laut Topo würde noch eine 3er-Länge plus etwas Kraxelgelände bis auf den Kulminationspunkt auf 2482m folgen. Doch einerseits war ich schon einmal oben, andererseits ist dann die Abseilerei über die Südwand nicht mehr so gut möglich und da ich um 20.00 Uhr daheim sein sollte, sind wir eigentlich sowieso schon weit über den spätest möglichen Umkehrzeitpunkt hinweg. Wir wechseln wenige Meter hinüber zum abseiltechnisch besser gelegenen Stand der Limite und werfen die Seile aus. Mit 3 Manövern (zuerst 30m, dann 2x 40-45m) erreicht man subito wieder den Sattel, welcher die SE- und SW-Wand trennt. Ein Abseilen bzw. Rückzug über Decubitus ist sicher möglich (Kettenstände), aber länger und wegen dem diagonalen Routenverlauf deutlich umständlicher und zeitraubender. 

Das Abseilen über die Limite geht subito - steil, direkt und nur 3 Manöver.

Vom Sattel könnte man rückseitig im steilen Schrofengelände zu Fuss Richtung Vorderspitze absteigen (am Ende 1x25m Abseilen), doch wir gehen (bessere Variante) zurück Richtung Wakan. Mit weiteren 2x50m Abseilen und etwas Abkraxeln stehen wir wieder bei unserem Depot. Bis wir gepackt haben ist es 17.50 Uhr, eigentlich hatte ich spätestens um 18.00 Uhr losfahren wollen. Da bleibt nur eine Möglichkeit: die Hinteren nach vorne nehmen! In Trailrunningmanier sprinten wir Ochsental und Hüttenweg hinab. Nach nur gerade 19:30 Minuten haben wir die ~550hm vom Einstieg zum Auto geschafft und können fast noch im Rahmen der Marschtabelle losbrausen. Schon erstaunlich, welche Distanzen selbst der träge Mensch (zumindest bergab) in relativ kurzer Zeit zurücklegen kann! Der Verkehr läuft dann nicht überall ganz nach unserem Gusto aber item - das war nun eine echt geniale Kletterei, auf eine solche Kombi mit Vorbau und Gross Simeler SW-Wand werde ich bestimmt wieder einmal gehen und nicht zuletzt reizt es mich auch, umgehend nochmals in die Decubitus einzusteigen. Leider blieb mir hier der Onsight verwehrt, diese Scharte gälte es mit einer einwandfreien RP auszuwetzen!

Facts

Engelhörner - Wakan/Decubitus 7b (6c obl.) - 10 SL, 300m - K. Ochsner et al. 1985/86, saniert 2009 - ****;xxxx

Material: 2x50m-Seile, 15 Express, Cams 0.3-1 & evtl. 2 und kleines Keilset

Sehr schöner Link-Up von zwei Routen an den Simelistöcken, unterbrochen von ca. 150hm Gehgelände. Die Felsqualität ist optimal, scharf, rau und noch komplett unverbraucht. Man trifft auf einen Mix von steilplattiger Kletterei und leicht überhängender Tropflochcrimperei, für Liebhaber perfekt! Die Routen waren schon ursprünglich im typischen 80er-Style von Chäppi gut abgesichert, d.h. dort wo nötig steckten die Bolts absolut fair, im einfacheren Gelände waren die Abstände eher weit. Bei der Sanierung wurden an den schwierigen Stellen nur die Haken ersetzt, an den einfacheren Stellen hingegen wurden teilweise Bolts dazugegeben. Dies aber nicht überall, so dass die Absicherung manchmal ein wenig inhomogen wirkt. Für die cleane erste Hälfte von L3 in Decubitus bracht man zwingend Cams 0.3-1. Auch sonst könnte man hier und da noch damit ergänzen, was jedoch nicht unbedingt nötig ist. Die Originaltopos von Wakan und Decubitus findet man noch im alten Engelhornführer, weiter ist Decubitus im Extrem West beschrieben und für diejenigen, die darauf Zugriff haben, ist auch das Topo von der Sanierung 2009 tiptop, auch wenn es nur die schon vorher existierenden, nicht jedoch die zusätzlich gesetzten Haken zeigt.