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Montag, 4. Januar 2021

Jahresrückblick 2020

Wieder einmal ist es Zeit, über das abgelaufene Bergjahr zu bilanzieren. Ein aufgrund vom Coronavirus sicherlich sehr spezielles Annum liegt hinter uns - wobei es sich auf unsere Bergaktivitäten zum Glück nur in moderatem Rahmen ausgewirkt hat. Ja, die Berge sind (viren)frei, die Schweizer Politik hat zum Glück nie Ausgangssperren verhängt und somit konnten wir uns trotzdem sehr oft -  natürlich unter Würdigung der Empfehlungen zu Abstand und Risikominimierung - an der frischen Luft betätigen. 

Sportklettern

Auch im 2020 wurde im Klettergarten motiviert angegriffen, so dass ich mir zum Jahresende 144 neue Touren >=7a  auf die Tickliste schreiben kann. Das sind deutlich weniger als die 178 im 2019, was aber auch ein wenig mit dem coronabedingten Ausfall des Ostertrips und der herbstlichen Kalymnosreise zu tun hat. In fremden Soft-Grade-Gefilden steigt nämlich der Counter schon noch einiges schneller als hierzulande, wo in den gängigen Gebieten die Low-Hanging-Fruit schon etwas abgegrast sind. Sportklettertrips konnten wir im 2020 nur relativ wenige unternehmen, nämlich ins Val Pennavaire, nach Briançon und Arco. Trotzdem, 9x 8a/+, 21x 7c/+, 46 7b/+ und 68x 7a/+ ist die Ausbeute - wenn man zum Vorjahr vergleicht, ist der "Verlust" vor allem im unteren Bereich bis und mit 7b entstanden, eben aus dem bereits erwähnten Grund. Auch eine persönlich ganz schwierige Route im >=8b-Bereich ist mir im 2020 nicht gelungen, jedoch habe ich auch keine projektiert. Das würde halt die Bereitschaft erfordern, immer wieder an denselben Spot zu reisen, wofür dann entsprechende Mitstreiter motiviert werden müssen - da ging ich lieber mit dem Flow (der Familie) und fokussierte auf etwas schneller machbare Projekte. Jeder Durchstieg und die vielen Sessions am Fels, fast ausschliesslich mit der Familie, haben mir aber enorm viel Freude bereitet - so darf und soll es weitergehen, ich bzw. wir sind weiterhin motiviert, um am persönlichen Limit zu moven.

Larina zieht Petit Tom (7a) im Gebiet La Bruza in den französischen Alpen onsight - bravo!

Wettkämpfe

Das ist sicherlich der Bereich, in welchem wir aufgrund von Corona die grössten Abstriche machen mussten, lief doch ab dem März 2020 fast gar nichts mehr in diesem Bereich. Bis dahin konnte ich persönlich immerhin noch 4x an Boulderwettkämpfen teilnehmen (Shortcut, Sparta Fight, Bimano Bärecöp, Boulderei) und 3x aufs Podest steigen :-) Nach einer langen Abstinenz konnten wenigstens die Kids im Spätsommer noch am Tout à Bloc, dem NWS-Regiocup, im O'Bloc und an der Boulder-SM antreten, danach wurde aber auch wieder der ganze Kalender zusammengestrichen. Immerhin konnten die beiden auch noch 7 Podestplätze sichern, womit wir für Team Dettling bei einer Ausbeute von 10 Top-3-Plätzen in total 15 Teilnahmen sind - pretty good! Wir sind gespannt, wie es im 2021 weitergeht... wobei ich befürchte, dass die Events für die Erwachsenen im Gedränge der jeweils pumpenvollen Boulderhallen wohl noch auf längere Frist nicht stattfinden werden (wenn je überhaupt wieder?!?). Nun ja, während 30 Jahren im Klettersport habe ich nie an einem Wettkampf teilgenommen und natürlich weiss ich mich ganz gut auch anderweitig zu betätigen - trotzdem vermisse ich diese Anlässe und wenn es je wieder soweit sein sollte, dann trete ich wieder an. Ich hoffe, dass wenigstens die Wettkämpfe für die Kids im 2021 wieder durchgeführt werden. Larina muss sich nun (obwohl erst gerade 11 geworden) bereits in der U14 und damit auf sehr hohem Niveau beweisen. Jerome ist nun auf Stufe U12 und damit erstmals für die Teilnahme an den nationalen Wettkämpfen berechtigt.

Ein Bild vom letzten Finalboulder an meinem letzten Wettkampf... für wie lange wohl?!?

MSL

MSL-Klettern ist etwas, was wir in den Alpen hervorragend tun können und es gibt noch so viele Projekte zu realisieren. Im 2020 war ich fast übers ganze Jahr aktiv: der Startschuss im Februar mit einem Weekend im Val Onsernone (1,2), der Endpunkt erst kurz vor Weihnachten an der Föhnmauer. Das ergibt ein total von 40 MSL-Touren mit unglaublich vielen Highlights. Zuvorderst zu erwähnen ist die Gletschersinfonie am Wellhorn - jahrelang habe ich auf den richtigen Moment gewartet und wie erträumt ist mir eine perfekte Begehung gelungen. Sportlich am wertvollsten war sicher die erste Team-Onsight/Flash-Begehung vom 11. Gebot an den Wendenstöcken, wobei hier die Blumen in erster Linie meinem Seilpartner Daniel gehören. Ebenfalls in die Rubrik "very memorable" gehören sicherlich auch Gonzen/Plattänani, Schöllenen/Inox, Graue Wand/Toggel, Feldschijen/Sännetuntschi (Blog folgt) und Wendenstöcke/Paco. Unglaubliche 18 der 40 MSL-Routen habe ich mit einem unserer Kids geklettert. Insbesondere mit Larina ist da eine ziemlich schlagkräftige Seilschaft entstanden. Obwohl ich immer sehr darauf Acht gebe, dass sie keinesfalls überfordert ist, möglichst alles freiklettern kann und das Gesamtprogramm für sie im angenehm bewältigbaren Rahmen liegt, liegen inzwischen einfach richtig gute Touren drin: unvergessen unsere Grimsel-Trips mit Siebenschläfer, Herrenpartie und Sagittarius, die Suworov in der Schöllenen, Nolens Volens am Gross Bielenhorn und die Marmotta Impazzitta am Tour Termier. Trotz all den vielen Aktivitäten, meine Wunschliste an MSL ist im 2020 prozentual nur unmerklich geschrumpft... also let's go, auch im 2021!

Lange darauf gewartet, schliesslich perfekt erwischt: Wellhorn, Gletschersinfonie (25 SL, 6c+).

Bohren

Coronabedingter Fokus auf lokale Gebiete anstatt weit herumreisen, das heisst umso mehr, dass die Bohrmaschine häufig zum Einsatz kam. Im 2020 zum Abschluss gebracht werden konnten einerseits die Dure à Cuire (7b) am Klein Mythen mit der Rotpunktbegehung und die Maverik (7a) am Zervreilahorn mit der Publikation des Topos, obwohl alle Bolts in diesen Touren bereits im 2019 gesetzt wurden. Auch noch etwas im Rückstand bin ich mit der Holy Smoke (7a) am Zervreilahorn: im Juli hatte ich diese supercoole Semi-Trad-Linie mit Viktor und Larina in 1 Tag erstbegangen, ein paar Wochen später gelang uns dann auch die durchgehende RP-Begehung. Fehlen also noch Topo und Bericht. Die kommen, spätestens auf nächste Saison, versprochen! Im goldenen November gelang mit Daniel ein Handstreich an den Churfirsten: am Frümsel konnten wir die spektakulär steile, abwechslungsreiche Linie der Pro Specie Rara (7a+) auch in nur 1 Tag einrichten. Das ist aber noch längst nicht alles: 2x besuchten wir unser Lanciamira-Bigwall-Projekt im Rätikon und schafften 5 neue Seillängen. Somit sind nun 16 Sequenzen eingerichtet und es fehlt nurmehr wenig bis zum Gipfel. Im 2021 sollte es nun klappen, wir sind positiver Dinge. Auf weiteren, noch nicht ganz so spruchreifen MSL-Projekten konnte ich zusätzliche 7 Längen erstbegehen und bin gespannt wie ein Flitzebogen auf deren Fortsetzung. Auch im Klettergarten habe ich dann und wann Hand angelegt. Komplettiert habe ich 8 Projekte im 1-SL-Bereich, diverse weitere sind sich noch in Arbeit befindliche Knacknüsse. Ein paar weitere Hinweise gibt's für den Moment in dieser Liste, mehr dann vielleicht später. Ein wichtiger Hinweis noch, der passt auch gut dahin: im Blueprint-Projekt auf der Ibergeregg (rechts von Geduldig & Stark, 8a) habe ich meine persönlichen Ambitionen aufgegeben, es ist frei für jedermann zum Probieren. Die Schwierigkeiten sind hoch und definitiv jenseits des für mich möglichen (>8b, time will tell...).

Bei der Erstbegehung unserer Semi-Trad-Linie Holy Smoke (7a) am Zervreilahorn.

Eisklettern, Nordwände und Bergsteigen

Null, nada, nichts gibt's in dieser Rubrik. Zum Eisklettern waren die Bedingungen äusserst bescheiden, in tieferen Lagen und in der Nähe stellten sich nie brauchbare Verhältnisse ein und weiter weg war es jetzt auch nicht so, dass manch ein Klassiker mit Top-Konditionen glänzte. Dass ich nie zum Bergsteigen kam, hat diverse Gründe: das Coronavirus spielt sicher eine Rolle, wer wollte in einer Zeit, wo die Behörden zur Zurückhaltung aufriefen ins Ungewisse aufbrechen und möglicherweise die Rettung in Anspruch nehmen müssen?!? Ebenso hatte ich auf die Nutzung von Hütten und Bergbahnen keinen Mumm und das auch absolut nie gemacht. Aber das ist nur die eine Seite: Bergsteigen ist halt auch nicht wirklich familientauglich. An den Fels kommen alle begeistert mit, ins Hochgebirge müsste ich alleine gehen, der Zeitaufwand ist hoch und so wichtig ist es mir nun auch wieder nicht... so steht dann eben eine Null auf dem Konto. Macht ja nichts, vielleicht ändert es sich in Zukunft wieder.

Naja, eigentlich auch Bergsteigen... bei der alpinen Skitour auf die Schächentaler Windgällen (2764m).

Skitouren

Nicht nur zum Eisklettern war der Winter 19/20 in den Voralpen zum Vergessen, es lag auch fast nie Schhnee vor der Haustür und so kam ich gerade mal auf 2 bescheidene Touren im Züri Oberland und auch dies nur bei absolut marginalen Bedingungen. Kompensiert wurden und werden (?) wir im Winter 20/21. Ab Anfang Dezember lag die weisse Pracht in unserer Gegend, und die Kombination von Home Office mit Schnee vor der Türe ist durchaus eine positiv zu wertende Seite dieser Pandemie. So kam ich schlussendlich im Kalenderjahr 2020 doch auf 30 Touren, wobei der Dezember mit 15 Outings einfach genial war! Unter dem Strich einfach ein lässiger Mix von kleineren Voralpen-Touren und grösseren Unternehmungen. Ich konnte 17 noch nie besuchte Gipfel erreichen, andere das erste Mal mit Ski oder zumindest auf neuen Routen angehen, so dass doch immer für spannende Abenteuer gesorgt ist. Die Highlight-Tour war sicherlich der alpine Aufstieg zur Schächentaler Windgällen mit der Abfahrt durch die dolomitisch anmutende Nordschlucht. Ebenso aussergewöhnlich ist die erste September-Skitour meiner Karriere auf den Amdener Gulmen, dies notabene bei wirklich lohnenden Verhältnissen. Nun fehlt mir nur noch der August als Skitouren-Monat :-)

Immer auf der Suche nach einer guten Linie... auf Voralpen-Tour in meiner Heimat.

So, das wäre es für den Rückblick auf das Jahr 2020. Ich bin dankbar um die vielen tollen Bergerlebnisse, die Begleitung durch Familie und Kameraden, dass wir von gesundheitlichen Sorgen, Unfällen, Verletzungen und sonstigen Zwischenfällen frei blieben. Möge es so weitergehen im 2021 - der Auftakt mit einem kalten, aber tollen Bouldertag am Fels und einer unerwartet sehr lohnenden Skitour auf die Guscha ist jedenfalls bereits geglückt :-)

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