Über den Jahreswechsel sollte es wie bereits traditionell an den sonnig-warmen Fels statt in den Schnee gehen. Nach intensiven Regenfällen schien der Tessiner Gneis wenig versprechend. In Spanien war der Nebel zu fürchten, zudem ist's einfach ziemlich weit weg. Darum ging's wieder einmal an die ligurische Küste, sowieso eine meiner Lieblingsgegenden zum Klettern im Winter. Immerhin waren schon fast 2 Jahre vergangen, seit wir das letzte Mal da waren. Wie geplant war der Aufenthalt von schönem und mildem Wetter geprägt. Mitten im Winter den ganzen Tag in kurzer Hose und T-Shirt am Fels verbringen, das hat schon etwas für sich!
Frantoio
Dieses Gebiet wurde erst im 2018 erschlossen. Sehr erstaunlich, thront der markante Pfeiler doch prominent an der sonnigen Talflanke und bietet allerbeste Pennavaire-Kletterei. Die im Führer beschriebenen 10 Minuten Zustieg sind für die 170hm eher etwas optimistisch berechnet. Aber nein, weit ist's nicht. Es warten ein bequemer Wandfuss, ganztägig Sonne (um den Jahreswechsel von ca. 8.30-16.30 Uhr) und 18 spannende Routen von 6a+ bis 8a mit bis zu 32m Länge. Die Kletterei ist meist grossgriffig und athletisch, gespickt mit eindrücklichen Dächern - eine super Adresse! Nur alleine wird man am Frantoio aus logischen Gründen bestimmt nicht sein. Gekletterte Routen: Pendolino (7a+), Freski (7c+), Extra Vergine (7b), Gombo (7c), Giara (7b), Taggiasca (7b), Gallone (7a+), Marasca (7a), Quarta (6b), Teciallo (6c+), Chitarra (6a+)
In der Gombo (7c) am Frantoio, wo's an distanten Henkeln athletisch über die Dachzone geht. |
La Similar
Wegen der Ähnlichkeit zu den katalanischen Gebieten soll dieser Fels seinen Namen erhalten haben. Doch erst einmal gilt es den richtigen Pfad zu finden, der Guide ist hier reichlich vage. Man findet ihn am Apex des kleinen Schotterstrassen-Loops, welcher von der SP 216 abzweigt. In gut 100hm Abstieg geht's in 15 Minuten zum Fels hinunter. Der Pfad verläuft stellenweise hart am Abgrund und auch jenseits des an sich bequemen Einstiegsbereichs beginnt bald Absturzgelände - mit kleineren bzw. nicht berggewöhnten Kindern nicht unbedingt ein entspanntes Erlebnis. Wer die Sonne geniessen will, sollte zeitig vor Ort sein. Sie erscheint zwar früh, verschwindet aber an den kürzesten Tagen schon um ca. 14.00 Uhr wieder. Es gibt 20 Routen von 6a bis 7c+ mit bis zu 30m Länge. So richtig profitieren kann aber nur, wer mindestens 7a drauf hat. Die Kletterei ist leicht überhängend und vergleichsweise wenig athletisch - mehr technisch an kleinen Leisten. Gekletterte Routen: Jade (7a), Berrinches (7a+), L'ultimo de mis Perros (7b), Alcanfor (6b+), Al Nonagesimo (7a+), Entrada (6a)
Blick auf den Sektor La Similar - der grün umwucherte in der Mitte ist es. |
La Galera
Hierbei handelt es sich quasi um einen (gar nicht so-)klein-schnuckligen Sektor hoch über Veravo an sehr sonniger Lage. Wie wir es uns schon gewohnt sind, reichen die angegebenen 25 Minuten Zustieg für die doch 380hm nicht wirklich aus. Wer's gemütlich nimmt, wird wohl fast die doppelte Zeit brauchen. Dafür kann man sich am bequemen Wandfuss wieder erholen, man geniesst hier auch ganztags die Wintersonne. Angeboten werden 38 Routen von 5c-8a mit meist um 15m Länge. Die grösste Auswahl und die besten Herausforderungen gibt's eher in den unteren Graden. Von den knapp 10 Touren im siebten Franzosengrad befinden sich fast alle etwas erhöht in einer Grotte, in die ein paar Meter hinaufgekraxelt werden muss (suboptimal für kleine Kinder). Dort gibt's Kletterei im Moonboard-Style: kurz, extrem steil, dynamisch. Für meinen Begriff fühlen sich diese Routen alle hart an (das könnte auch heissen, einen persönlichen Schwachpunkt identifiziert zu haben). Ach ja: die Frequentierung war trotz dem längeren Zustieg hoch. Gekletterte Routen: Casuarina (7a), Tower of London (6c), Tool Sleng (6b+), Devil's Island (7a), Hanoi Hilton (7b+)
Wir bleiben, bis das Licht ausgeht! Fantastische Abendstimmung im Galera-Sektor hoch über dem Val Pennavaire. |
Belvedere dei Nonni
Ein weiterer, ganz neuer Sektor. Zusammen mit dem unweit gelegenen Mondo Sommerso befindet er sich im vorderen Val Pennavaire. Man erreicht ihn, indem man von der von Vesallo wieder talauswärts führenden Panoramastrasse ca. 130hm absteigt. Am Belvedere gibt's 17 Routen von 6a+ bis 7b mit 12-18m Länge. Grundsätzlich liegt der Sektor am Sonnenhang. Die Sonne erreicht die rechten Routen ab ca. 11 Uhr, während die steile linke Wand nach NW exponiert ist und um diese Jahreszeit keinen einzigen Sonnenstrahl abbekommt. Alle Routen im siebten Franzosengrad befinden sich dort, sie sind kurz, steil, athletisch und irgendwie ein bisschen schmerzhaft. Die Gesteinsqualität ist im ganzen Sektor nicht restlos überzeugend, d.h. durchaus eine Stufe schlechter wie in anderen Sektoren. Trotzdem verbrachten wir natürlich auch hier einen vergnüglichen Tag. Gekletterte Routen: Kuk (7b), Graca (7a), Ring Road (7a), Tibidabo (7a+), Route 66 (6c), El Chepe (6b), Righi (6b+)
In der Tibidabo (7a+) am Belvedere dei Nonni. |
Roccia dell'Arma
Am Neujahrstag herrschte wunderbares, mildes und windarmes Wetter, also ging's für einmal ganz das Val Pennavaire hinauf an diesen Sektor, der sich quasi an der oberen Abschlusskrete befindet. Im Guide werden die Felsen hochgelobt, es warte hier silbergrauer Kalk, welcher an die besten Klettereien in der Schweiz erinnere. Mir ist unbekannt, wo die Autoren in der CH geklettert sind, ihrem Urteil kann ich mich jedoch ganz bestimmt nicht anschliessen. Der Fels ist unangenehm kompakt, geschlossen sowie struktur- und reibungsarm. Somit verlaufen die meisten Routen (v.a. die einfacheren) im gemüsigen Gelände, während die schwierigen unschön zu beklettern sind. Schon die Aufwärmtour an der Muro Rosso, Anselmo (6b), war richtig zäh. Die als Projekt ausgesuchte Pork Soda (7c) erinnerte ein wenig an die African Postman (8a) im Pilatusgebiet, dünkte mich aber deutlich härter und somit eher unrealistisch eingestuft. Somit verliessen wir den Sektor bald wieder, um noch nach der Placca Silvana Ausschau zu halten. Der visuelle Eindruck war jedoch derselbe, aktive Kletterer berichteten uns auch, dass die Routen im 7ab-Bereich sich vorwiegend an geschlagenen Griffen abspielen würden. So machten wir uns mit dem Fazit, dass der Platz an sich wunderschön und sonnig ist, sich die Gegend aber besser für das Wandern wie das Klettern eignet aus dem Staub.
Italienische Kletterin in einer 6a im Sektor Muro Rosso am Roccia dell'Arma |
Cimetiero dei Camosci
An diesen Felsen wurde erst in den letzten beiden Jahren mit der Erschliessung begonnen. Der Prozess ist auch noch nicht abgeschlossen, so dass das Hauptproblem soweit darin besteht, sich überhaupt eine Übersicht zu verschaffen. Das im Guide abgedruckte Topo ist bei Weitem nicht (mehr) vollständig, noch dazu grottenschlecht, Namen sind nur wenige angeschrieben und mit jenen aus dem Topo stimmen sie auch nicht zwingend überein. Schwierige Ausgangslage also! Nach längerem Werweissen war die angeschriebene Nevrotica mit der Anna (7a) aus dem Topo in Übereinstimmung gebracht. Coole, leicht überhängendende Wandkletterei an Leisten, ein bisschen engagé. Wir kletterten auch noch die Mettetevi d'accordo. Deren erste Seillänge (6b) ist cool, die zweite (7b+) an geschlagenen Griffen mit Crux heikel direkt über dem Band eher unlohnend. Hingegen ist die Piochhe (7b+) auch eine extrem coole Abfolge an kleinen Leisten. Sonst noch erwähnenswert: im Winter gibt's hier nur wenig Sonne von ca. 14-16 Uhr. Einige Touren bleiben länger nass oder feucht und die Felsstruktur ist überhaupt nicht typisch fürs Val Pennavaire.
Sieht irgendwie speziell aus, klettert sich aber doch gar nicht so schlecht: Cimetiero dei Camosci. |
Il Rettilario
Das Reptilarium ist eigentlich eher ein Subsektor der Guggenheim-Felsen, auch wenn's einen eigenen Namen trägt. Von der Guggenheim-Grotte sind es ca. 2 Minuten hinauf, wobei eine kurze Steilpassage an einem Fixseil zu überwinden ist. Oben ist der Einstiegsbereich dann sehr bequem. Angetroffen haben wir 12 Routen mit 10-15m Länge in den Graden 5b-7b+, die am Vormittag Sonne erhalten. Die einfacheren Routen sind eher senkrecht, die schwierigen steil und athletisch. Leider kommt auch hier Felsqualität und Kletterei nicht an jene der bereits früher erschlossenen Sektoren unterhalb heran. Dafür hatte man hier oben seine Ruhe, während unten in der Grotte grosser Andrang herrschte. Gekletterte Routen: Crotalo (7a), Boa (7b) und Da Vinci (7a), Dix (7c), Andy Warhol (7b), Pizarro (6b+)
Das war der einzige etwas graue Tag unserer Ferien. Blick vom Rettilario auf das Mittelalter-Dorf Colletta. |
Terminal / Pook & Casa dei Nonni
Vor der Heimreise wollten wir uns noch ein wenig im rasch zugänglichen Terminal vertun. Dafür reichte auch das im Hochwinter kurze Sonnenfenster von 10-14 Uhr gerade aus. Auch hier hat sich auf der rechten Seite in den letzten Jahren noch etwas getan. Im Sektor Pook kamen einige zusätzliche Sintertouren hinzu, während rechts aussen noch ca. 10 steil-henklige, typische Pennavaire-Klettereien eingebohrt wurden. Somit hat man total ca. 35 Routen von 5c-7c mit Längen von 15-35m zur Verfügung, welche von einem zentralen Basislager angegangen werden können. Eine Kombination mit dem linken Terminal-Sektor ist natürlich möglich, dort rüber sind's dann aber doch ein paar Minuten Fussmarsch, d.h. nicht ganz ideal. Gekletterte Routen: Panero (7a), Via d'Amor (7b+), Tambo (7a)
Ein bisschen Sinterklettern kann nie schaden! In der Via d'Amor (7b+) am Terminal. |
Sehr zufrieden aber auch mit leichter Wehmut nahmen wir darauf hin Abschied vom Val Pennavaire. Ja, hier würden sich noch manche Wintertage gut aushalten lassen und an Kletterherausforderungen wäre auch für eine geraume Zeit gesorgt! Mit sehr guten Erinnerungen an tolle Ferien, lässige Kartenspiele, gesellige Stunden in der Bar und daheim und viele Sonnenstunden machten wir uns auf den Weg nach Norden, mit im Gepäck auch noch eine reich gefüllte Ticklist. So soll's doch sein! Wir freuen uns auf jeden Fall schon jetzt auf den nächsten Besuch im Val Pennavaire!